Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Erster Korintherbrief

Der erste Brief des Paulus an die Korinther

1 Kor 1,4-9

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

1 Kor 1,4-9

 

 

Übersetzung

 

1 Kor 1,4-9: 4 Ich danke meinem Gott allezeit euretwegen für die Gnade (des) Gottes, die euch gegeben ist in Christus Jesus, 5 dass ihr an allem reich gemacht worden seid in ihm, an aller Rede und aller Erkenntnis. 6 Denn das Zeugnis von Christus ist in euch kräftig geworden, 7 so dass ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gnadengabe, während ihr die Offenbarung unseres Herrn, Jesus Christus, erwartet. 8 Der wird euch auch fest erhalten bis ans Ende, dass ihr untadelig seid am Tag unseres Herrn Jesus Christus. 9 Treu ist (der) Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn.

 

 

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V. 4

 

Beobachtungen: Obwohl in 1,1 nicht nur Paulus, sondern auch Sosthenes als Absender genannt wird, ist der Brief in der Ich-Form geschrieben, was beweist, dass Paulus der Hauptabsender ist.

 

V. 4-9 bilden die Danksagung, das Proömium. Paulus dankt "seinem Gott“, was eine besondere Beziehung ausdrückt. Er dankt für die Gnade Gottes, die den Korinthern gegeben ist.

Diese Gnade Gottes ist in Christus Jesus gegeben, wobei nicht gesagt wird, wie "in Christus Jesus“ konkret zu verstehen ist. Vermutlich ist an das Heilshandeln Christi zugunsten der Menschen gedacht.

Der Dank erfolgt allezeit, womit wohl eher eine Geisteshaltung als eine Vielzahl einzelner Gebete gemeint ist.

 

Weiterführende Literatur: Grundsätzlich zur Abgrenzung und Benennung, zur syntaktischen und semantischen Struktur und Topik der brieflichen Danksagung siehe F. Schnider, W. Stenger 1987, 42-49.

F. S. Malan 1993, 561-575 geht auf die Funktion und Botschaft des Proömiums 1,4-9 ein. Es solle Aufmerksamkeit und Wohlwollen erzeugen und die Leser durch Einschmeicheln auf einen heiklen Sachverhalt einstimmen. Die Korinther, die sich ihrer herausragenden spirituellen Eigenschaften rühmten, würden mit Gottes überwältigender und unverdienter Gnade konfrontiert, die sie alle zusammen in Christus als Anfang, Verlauf und Ende ihres eigenen Lebens verbinde. K. O. Sandnes 1991, 91 dagegen hält die Danksagung für den Schlüssel für die Interpretation des Ersten Korintherbriefes (wie auch anderer Paulusbriefe). Sie führe in die wesentlichen Inhalte des Briefes ein.

P. Arzt 1991, 417-437 legt dar, dass von vielen Auslegern der Abschnitt, der auf das Präskript folgt, als "(innerbriefliche) Danksagung“ bezeichnet werde. Er stellt die Frage, ob diese Bezeichnung tatsächlich von zugänglichen griechischen Papyri her gedeckt ist. In diesem Zusammenhang überlegt er, wie jener Teil in Paulusbriefen, der zugegebenermaßen oft mit einem "eucharistô“ ("ich danke“) beginne, formgeschichtlich bezeichnet werden könne und dürfe. Ergebnis: Das Proömium paulinischer sowie zeitgenössischer griechischer Privatbriefe könne formgeschichtlich nicht als "Danksagung“ bezeichnet werden. Wolle man den in Frage stehenden Teil solcher Briefe nicht nur allgemein als Proömium bezeichnen, so sollte formgeschichtlich von einem Gebetsbericht, einem Erinnerungsmotiv oder von Kombinations- bzw. Erweiterungsformen der beiden gesprochen werden. Der Dank des Paulus, den er Gott für die Adressaten so mancher seiner Briefe darbrachte, sei nicht einfach üblich gewesen, sondern seinem persönlichen Anliegen entsprungen.

 

A. H. Snyman 2009, 1-6 befasst sich mit der Rhetorik von 1 Kor 1,1-9, und zwar nicht anhand einer Übertragung von antiken rhetorischen Kategorien oder der Betrachtung einiger ausgewählter stilistischer Techniken, sondern anhand eines "grounded theoretical approach“. A. H. Snyman hält die Verse für einen integralen Bestandteil der rhetorischen Gesamtstrategie. Diese ziele darauf ab, die korinthischen Gemeindeglieder dazu zu bringen, die apostolische Autorität des Paulus anzuerkennen und ihr Leben nach seinen Anweisungen im Sinne der neuen Existenz im Christus zu führen.

 

1,1-9 im Hinblick auf predigtrelevante Gesichtspunkte liest R. P. Byars 1989, 69-74.

 

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V. 5

 

Beobachtungen: Paulus präzisiert, worin sich die Gnade Gottes zeigt: Sie zeigt sich im Reichtum in aller Rede und Erkenntnis. Er ist nicht menschlichen Bemühungen zu verdanken, sondern Gottes (oder Jesu Christi?) Wirken, denn Gott (oder Jesus Christus?) ist es, der die Korinther reich gemacht hat. Worin der Reichtum der Rede und Erkenntnis besteht, schreibt Paulus nicht, doch dürfte er sich auf das Heilswirken Jesu Christi beziehen.

 

Das Substantiv "logos“ kann hier sowohl das "Wort“ als auch die aus vielen Worten bestehende "Rede“ bezeichnen. Die Wortbedeutung auf die dogmatische "Lehre“ einzuengen, ist vermutlich nicht angebracht, denn für die Notwendigkeit einer solchen Einengung gibt es im Zusammenhang keinen Hinweis.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 6

 

Beobachtungen: V. 6 nennt den Grund für die gläubige Rede und die Erkenntnis: Das Zeugnis von Christus ist in den korinthischen Gemeindeglidern kräftig geworden, was bedeutet, dass die Predigt der Missionare, die das Heilshandeln Jesu Christi zum Inhalt hatte, mit den Ohren und dem Herzen aufgenommen worden ist.

 

Weiterführende Literatur: G. W. MacRae 1982, 171-175 vertritt die Ansicht, dass in V. 6-8 ein Wortspiel vorliege, so dass in diesen Fall die gleiche Übersetzung gleicher Wörter sinnvoll sei. Die Revised Standard Version (RSV) biete "was confirmed“ (V. 6) und "will…sustain“ (V. 8), doch sei hier die Übersetzung "has grown strong“ und "will keep…strong“ dem Wortspiel angemessener. Dabei versteht G. W. MacRae das "Zeugnis“ nicht − wie die Mehrheit der Exegeten − als gepredigtes Evangelium, sondern als Zustand oder Handlung, mittels derer eine Wahrheit, hier die Person Christi, bezeugt werde. Diese Deutung entspreche dem Kontext, der davon spricht, was Gott in den Korinthern bewirkt (hat). Das "Zeugnis“ erhalte also nicht erst durch die Gnadengaben seine Gültigkeit und werde durch diese auch nicht bestätigt, sondern es sei als Zustand der Gemeinde dermaßen von Gott gestärkt worden, dass sie an keiner Gnadengabe mehr Mangel hat.

 

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V. 7

 

Beobachtungen: Da das Evangelium in den Herzen aufgenommen worden ist und sich verfestigt hat, haben die Korinther an keiner Gnadengabe Mangel. Die Bedingung für den Erhalt einer Gnadengabe ist also, dass zuvor die Predigt verinnerlicht worden ist. Dass die Korinther an keiner Gnadengabe Mangel haben, bedeutet nicht, dass jeder einzelne Korinther jede Gnadengabe besitzt. Vielmehr dürften sich die Gnadengaben auf die Korinther, die alle unterschiedliche Gnadengaben besitzen, so verteilen, dass alle Gnadengaben ausreichend vertreten sind (vgl. 12,12-31). Welche Gnadengaben im Blick sind, bleibt offen. V. 5 nennt mit "Rede“ und "Erkenntnis“ zwei Gnadengaben, die einen übergeordneten Charakter haben. So kann beispielsweise mit der Rede sowohl die Prophetie als auch die Zungenrede oder auch die Lehre gemeint sein. Eine ähnliche Bedeutungsvielfalt ergibt sich bezüglich der Erkenntnis. Die Formulierung "irgendeine Gnadengabe“ weist schließlich darauf hin, dass alle Gnadengaben im Blick sind, wobei sie sämtlich den übergeordneten, Rede und Erkenntnis, zuzuordnen sind. Genau genommen haben die Korinther folglich auch keinen Mangel an Glaube, Liebe und Hoffnung, was angesichts der im Ersten Korintherbrief erwähnten Missstände erstaunt.

 

Aus den Worten Paulus’ geht endzeitliche Stimmung hervor: Die Korinther warten wie auch er selbst auf die Wiederkunft Jesu Christi.

 

Weiterführende Literatur: P. von der Osten-Sacken 1987, 31-55 bezweifelt, dass sich die sachlichen und stilistischen Härten in V. 7b-9 allein durch traditionelle Ausdrücke der christlichen Gebetssprache erklären lassen. Vielmehr deuteten alle Indizien darauf hin, dass Paulus in diesen Versen nicht nur traditionelle Elemente aufgreift, sondern sich eines fast unversehrt erhaltenen Traditionsstückes bedient, dessen Rekonstruktion zugleich seine formgeschichtliche Bestimmung erlaube. P. von der Osten-Sacken macht zunächst deutlich, dass Partizipial- und Relativstil Kennzeichen geprägter liturgischer Tradition seien, nennt dann Indizien für die Existenz eines eschatologisch-parakletischen Treuespruches als eigener Spruch-Gattung und geht abschließend der Frage nach den Motiven für die Aufnahme und Redaktion des Spruches 1,7b-9 durch Paulus nach.

 

J. H. Roberts 1986, 29-35 befasst sich mit den eschatologischen Texten in den Übergängen zu den paulinischen Briefkorpora. Er untersucht die verschiedenen Techniken, v. a. die eschatologische Klimax in 1 Kor 1,7-8, Phil 1,10, 1 Thess 1,1-10, 2 Thess 1,6-10, und legt den Forschungsstand dar. Auch geht er auf den größeren Zusammenhang ein. Ergebnis: Die eschatologischen Übergänge hätten wichtige rhetorische Bedeutung. 1 Kor 1,7-8 bereite die Leser auf die folgenden Ermahnungen vor und verdeutlichten die Relevanz für die Gläubigen.

 

J. J. Kilgallen 1992, 297-298 geht im Rahmen seiner Abhandlung über die Bedeutung des Begriffs "Gnadengabe“ im NT auf 1 Kor 1,7 ein. Dass Paulus hier nicht ausführlicher über die "Gnadengaben“ spricht und sie aufzählt, lasse sich mit dem einleitenden Charakter von 1,4-9 erklären. Die "Gnadengaben“ seien Gaben des heiligen Geistes.

 

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V. 8

 

Beobachtungen: Der Glaube der Korinther ist nicht nur ein gegenwärtiger Zustand, der wieder vergeht, sondern Jesus Christus selbst wird sie in ihrem Glauben festigen. Das Futur drückt aus, dass es sich um eine sichere Vorhersage handelt und nicht um einen Wunsch. Der entscheidende Moment, der zählt, ist der Tag der Wiederkunft des "Herrn“, das "Ende“ (der Welt). An ihm gilt es untadelig zu sein, was ohne das Wirken Jesu Christi bzw. Gottes nicht möglich ist.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 9

 

Beobachtungen: Gott wird als treu bezeichnet, doch ist der Grund fraglich. Am naheliegendsten ist es, diese Charakterisierung mit der Festigung der Korinther im Glauben in Verbindung zu bringen, doch geschieht die Festigung durch Jesus Christus, nicht aber durch Gott Vater. Überhaupt ist das Verhältnis zwischen Gott Vater und seinem Sohn Jesus Christus unklar und eine nähere Bestimmung scheint Paulus nicht wichtig zu sein. So stellt sich bei Paulus immer wieder die Frage, ob Gott der Handelnde ist, oder nicht vielmehr Jesus Christus. Die Charakterisierung Gottes als treu mag sich auf das Handeln Jesu Christi in V. 8 beziehen oder auch auf das in V. 4 und V. 5 geschilderte Handeln Gottes (?). Möglicherweise ist auch kein bestimmter Vers im Blick, sondern das gesamte Handeln von Gott und Jesus Christus. Letztere Annahme ist aufgrund des unklaren Vater-Sohn-Verhältnisses am wahrscheinlichsten.

 

Die Korinther sind berufen worden. Die Zeitform des Aoristes zeigt eine einmalige Berufung an, doch bleibt offen, wann die Berufung geschehen ist. Ob die Berufung mit der in der Vergangenheit erfolgten Taufe der Korinther gleichzusetzen ist, ist fraglich.

Die korinthischen Christen sind zur Gemeinschaft mit Gottes Sohn, Jesus Christus, berufen. Diese Gemeinschaft kann sich entweder in der Lebensführung zeigen, die am Willen Gottes und Jesu Christi orientiert ist und Nähe zum Gottessohn ausdrückt, oder auch in der Hinführung der Christen zu Jesus Christus (vgl. 1 Thess 4,16-17) bzw. in der Verwandlung der Leiber zur (himmlischen) Unverweslichkeit am Ende der Tage (vgl. 1 Kor 15,50-58).

 

Angesichts der auf die Danksagung folgenden Kritik an gemeindlichen Missständen wirkt die Danksagung allzu positiv und zuversichtlich. Ist folglich ein literarischer Bruch anzunehmen? Oder ist die überaus positive Danksagung damit zu begründen, dass Paulus das Wohlwollen der Adressaten erreichen will ("captatio benevolentiae“)? Möglich ist auch, dass Paulus zwar deutlich macht, dass bei den Korinthern die Gnadengaben reichlich vorhanden sind, sie diese jedoch aufgrund eines problematischen Verständnisses falsch gebrauchen, so dass sie zu Zwietracht führen. Diese Kritik am falschen Gebrauch der Gnadengaben, die den Dank für deren Vorhandensein nicht ausschließt, wäre dann zentraler Inhalt des Hauptteiles des Ersten Korintherbriefes. Grund für die Missstände dürfte wohl ein Mangel an Liebe sein, die zumindest in 1 Kor 12,4-11.28-31 (wie der Glaube und die Hoffnung) nicht zu den eigentlichen Gnadengaben gezählt wird, sondern in 1 Kor 13 als eine "größere Gabe“, eine Art Geisteshaltung, erscheint, in der die Gnadengaben ausgeübt werden. - Eher unwahrscheinlich dürfte sein, dass Paulus nur von der Vergangenheit und der Zukunft spricht, den gegenwärtigen Zustand jedoch ausspart. Das gilt auch für die Annahme, dass die V. 4-9 ironisch gemeint sind.

 

Weiterführende Literatur: Zum Motiv der Berufung in 1,1-9 siehe R. F. Collins 1996, 55-56.

 

 

Literaturübersicht

 

Arzt, Peter; “Ich danke meinem Gott allezeit…“: Zur sog. "Danksagung“ bei Paulus auf dem Hintergrund griechischer Papyrusbriefe, in: F. V. Reiterer [Hrsg.], Ein Gott − eine Offenbarung , Würzburg 1991, 417-437

Byars, Ronald; Sectarian Division and the Wisdom of the Cross: Preaching from First Corinthians, QR 9/4 (1989), 65-97

Collins, Raymond F.; Reflections on 1 Corinthians as a Hellenistic Letter, in: R. Bieringer [ed.], The Corinthian Correspondence (BETL 125), Leuven 1996, 39-61

Kilgallen, John J.; Reflections on Charisma(ta) in the New Testament, SM 41 (1992), 289- 323

MacRae, G. W.; A Note on 1 Corinthians 1:4-9, ErIs 16 (1982), 171-175

Malan, F. S.; Die funksie en boodskap van die "voorword“ in 1 Korintiers, HTS 49/3 (1993), 561-575

Roberts, J. H.; The Eschatological Transitions to the Pauline Letter Body, Neotest. 20 (1986), 29-35

Sandnes, Karl Olav; Paul − One of the Prophets? A Contribution to the Apostle’s Self- Understanding (WUNT II/43), Tübingen 1991

Schnider, Franz; Stenger, Werner; Studien zum neutestamentlichen Briefformular (NTTS 11), 1987, 3-41

Snyman, Andries H.; Persuasion in 1 Corinthians 1:1-9, VE 30/2 (2009), 1-6

von der Osten-Sacken, Peter; Gottes Treue bis zur Parusie. Formgeschichtliche Beobachtungen zu 1 Kor. 1,7b-9, in: P. von der Osten-Sacken [Hrsg.], Evangelium und Tora: Aufsätze zu Paulus (Theologische Bücherei 77, NT), München 1987, 31-55 (=ZNW 68 [1977], 176-199)

 

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