Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Zweiter Korintherbrief

Der zweite Brief des Paulus an die Korinther

2 Kor 13,11-13

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

2 Kor 13,11-13

 

 

Übersetzung

 

2 Kor 13,11-13:11 Im Übrigen, Geschwister, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch ermahnen, seid eines Sinnes, haltet Frieden, und der Gott der Liebe und des Friedens wird mit euch sein. 12 Grüßt einander mit [dem] heiligen Kuss. Es grüßen euch alle heiligen Geschwister. 13 Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe (des) Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes [sei] mit euch allen.

 

 

( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 11

 

Beobachtungen: 13,11-13 bildet den Briefschluss im engeren Sinne. Die den Vers einleitende Formulierung "im Übrigen“ zeigt an, dass ein neuer Abschnitt beginnt. Geht man davon aus, dass es sich bei dem Zweiten Korintherbrief um eine literarische Einheit handelt, dann ist 13,11-13 als dessen Abschluss anzusehen. Anders stellt sich der Sachverhalt dar, wenn man den Zweiten Korintherbrief für eine Sammlung von Fragmenten verschiedener Briefe hält, denn dann ist unklar, welchen Brief 13,11-13 ursprünglich abgeschlossen hat. Dass der Abschnitt schon immer unmittelbar auf den Abschnitt 10,1-13,10 folgte, ist keinesfalls sicher.

 

In dem Briefschluss richtet Paulus nun seinen Blick von dem gegenwärtigen Zustand der Gemeinde auf den Idealzustand. Um diesen zu erreichen ist zweierlei erforderlich: Zum einen müssen die Adressaten sich selbst wandeln; zum anderen ist aber auch Gottes gnädiges Wirken erforderlich, denn ohne dieses ist alles menschliche Mühen umsonst.

 

"Geschwister“ meint hier nicht leibliche Geschwister, sondern Glaubensgeschwister, nämlich Christinnen und Christen. Bei dem Substantiv "adelphoi“ handelt es sich zwar um eine maskuline Form, die zunächst mit "Brüder“ zu übersetzen ist, jedoch sind hier vermutlich auch die "Schwestern“ eingeschlossen. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.

 

Die Adressaten sollen sich freuen, wobei nicht klar, was der Grund der Freude ist. Am ehesten ist an die Freude zu denken, die den Christen angesichts des ihnen von Gott bzw. Jesus Christus geschenkten Heils eigen sein sollte. Mit der Heilsbotschaft ist allerdings die Notwendigkeit verbunden, das Leben so auszurichten, dass es vor dem Urteil Gottes bzw. Jesu Christi Bestand hat.

Die korinthischen Gemeindeglieder sind vom rechten Weg abgekommen und scheinen nicht in der Lage zu sein, ohne Mahnungen von Außen ihr Verhalten grundlegend zu bessern. Für die Besserung ist jedoch erforderlich, dass die Mahnungen von Außen bei den Gemeindegliedern Gehör finden. Dazu gehört die Bereitschaft, sich zurechtbringen und ermahnen zu lassen. Von wem die Ermahnungen stammen, die Gehör finden sollen, sagt Paulus nicht. Da er selbst es ist, der im gesamten Zweiten Korintherbrief und insbesondere auch in dem unmittelbar vorausgehenden Abschnitt 13,1-10 ermahnt und seine apostolische Autorität durchzusetzen versucht, ist anzunehmen, dass seine eigenen Mahnungen in der Gemeinde auf fruchtbaren Boden fallen sollen.

Das passive Verb "katartizomai“ (" sich zurechtbringen lassen“) entspricht dem Substantiv "katartisis“ ("Erneuerung/Vervollkommung“), das sich im NT nur in 13,10 findet. Diese begriffliche Übereinstimmung legt nahe, dass 13,11-13 schon immer den Abschluss von 10,1-13,10 bildete. Andererseits kann man aber auch argumentieren, dass sie den Ausschlag dafür gegeben hat, dass der Briefschluss (erst) im Rahmen der Zusammenstellung des Zweiten Korintherbriefes aus verschiedenen Brieffragmenten an 10,1-13,10 angefügt worden ist.

 

Paulus nennt die wesentlichen Aspekte, die das ideale Gemeindeleben ausmachen: Eintracht und Friede. Im Hintergrund steht vermutlich das Bild der Gemeinde als Leib Christi, in dem alle Christen eine Einheit bilden. Innerhalb dieser Einheit kommt jedem Christen als (Körper-)Glied eine besondere Funktion zu, wobei alle Glieder unerlässlich und zu achten sind. Die Gemeindeglieder sollen untereinander Freud und Leid teilen (vgl. 1 Kor 12,12-26).

 

Es fällt auf, dass der Gott der Liebe und des Friedens nicht automatisch bei den korinthischen Gemeindegliedern ist. Vielmehr scheint er sich unter denjenigen Menschen zu finden, die seinem eigenen Wesen entsprechen. Denn Gott ist nicht irgendein Gott, sondern der Gott der Liebe und des Friedens. Wenn dieser Gott der Liebe und des Friedens bei den Adressaten ist, so bedeutet dies vermutlich, dass die Liebe und der Friede in deren Gemeinde gestärkt werden. Diese Stärkung von Liebe und Friede verheißt Paulus, wobei eine Verheißung über einen Wunsch hinausgeht.

 

Weiterführende Literatur: H.-G. Sundermann 1996, 39-45 äußert sich zum rhetorischen Genus von 11,1-12,18 wie folgt: 11,1-12,18 gebe sich vordergründig als forensische Rede in einem Gerichtsverfahren zu erkennen, auf das sich Paulus − wenn auch zum Schein − in der Rolle des Angeklagten einlasse, der sich vor der richterlichen Instanz der korinthischen Gemeinde zu rechtfertigen suche. Die Gegner bzw. deren Sprecher in der Gemeinde seien in diesem Verfahren als Kläger präsent. In rhetorischen Kategorien sei in diesem Zusammenhang vom "genus turpe“ auszugehen, das denjenigen Partei-Gegenstand kennzeichne, der das Rechtsempfinden (oder: das Wert- und Wahrheitsempfinden) des Publikums schockiert. 12,19-13,13 stelle den Schluss der Rede dar. Die Aufforderungen des V. 11a setzten den Erfolg des Schreibens bereits voraus. Der in V. 11b ausgesprochene Segenswunsch schließe die Paränese stilgemäß ab und sei nicht als Folge für das Wohlverhalten der Korinther zu verstehen, sondern bezeichne die den Adressaten zugesprochene Gegenwart Gottes, durch welche sie allererst in die Lage versetzt werden, ihr Verhalten zu ändern.

 

( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 12

 

Beobachtungen: Bevor Paulus Grüße ausrichtet, fordert er die Adressaten auch zu Grüßen auf. Wen die Adressaten grüßen sollen, sagt Paulus nicht konkret - sie sollen "einander“ grüßen. Da sich die Adressaten ja in einer einzigen Gemeinde befinden und sie sich ohne Schwierigkeiten persönlich sehen können, hat Paulus anscheinend keine Grüße über eine weite Distanz hin im Blick, wie sie in seinem eigenen Brief erfolgen. Er erwähnt zwar im vorhergehenden Satz "alle Geschwister“, doch bezieht sich das Wort "einander“ sicherlich in erster Linie auf die korinthischen Gemeindeglieder, die sich einander grüßen sollen.

 

Der Gruß soll untereinander mit dem "heiligen Kuss“ erfolgen. Der Gruß hat nicht wie ein Begrüßungskuss rein weltlichen Charakter, sondern er entspringt dem Wirken des heiligen Geistes. Er ist symbolischer oder ritueller Art. Er verdeutlicht die Zuneigung aller Gemeindeglieder untereinander und damit die Einheit der einzelnen Gemeinde und darüber hinaus aller Gemeinden als Kirche Christi. Der "heilige Kuss“ hebt nicht einzelne Personen hervor, denen Ehrerbietung entgegengebracht wird, sondern er betont vielmehr die Gleichheit aller Christen. Dass die Formulierung auf einem tatsächlich körperlich ausgetauschten Kuss beruht, ist anzunehmen, jedoch nicht sicher.

Sofern der Kuss tatsächlich körperlich ausgetauscht wird und nicht nur im übertragenen Sinn gemeint ist, stellt sich die Frage, in welchem Rahmen der Austausch erfolgt. Gibt man einander den "heiligen Kuss“ nur im Gottesdienst oder (auch) außerhalb? Nahe liegend wäre es, den "heiligen Kuss“ nach der Verlesung des Paulusbriefes auszutauschen. Dass dies tatsächlich so geschieht und der Erwartung des Paulus entspricht, ist jedoch nicht gesagt.

 

Die Grüße, die Paulus ausrichtet, sind sehr allgemein gehalten. Es grüßen "alle heiligen Geschwister“. Bei den "Geschwistern“ handelt es sich um Glaubensgeschwister. "Heilig“ sind nach paulinischem Verständnis alle Christen, nicht nur Wundertäter o. ä. (vgl. 1 Thess 5,23; 1 Kor 6,11 u. ö.). Dass alle Christen grüßen, bedeutet nicht, dass alle Christen der Welt den Apostel persönlich, schriftlich oder über Dritte gebeten haben, Grüße auszurichten. Vielmehr betont Paulus mit der Formulierung den Einheitsgedanken der Christenheit. Ob einzelne Gläubige ausdrücklich gebeten haben, dass Paulus von ihnen Grüße übermitteln möge, geht aus der Formulierung nicht hervor. Am ehesten ist an einen Gruß der Gemeindeglieder des Ortes, an dem Paulus die Zeilen verfasst, zu denken.

 

Weiterführende Literatur:

 

( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 13

 

Beobachtungen: Der abschließende Segenswunsch nennt alle "Personen“ der Trinität: Jesus Christus, Gott und heiliger Geist, wobei auffällt, dass Gott (Vater) erst an zweiter Stelle statt an erster genannt wird.

Von Jesus Christus sollen die Adressaten die "Gnade“ erhalten. Was konkret mit der "Gnade“ gemeint ist, lässt der Apostel offen. Zunächst ist sicherlich an die Gnade des Kreuzestodes Jesu Christi am Kreuz zu denken, die die Grundlage der Sündenvergebung bildet (vgl. insbesondere 2 Kor 8,9). Gnadenhaftes Wirken ist auch die Gabe von Wohlstand im weiteren Sinne (vgl. 2 Kor 9,8-10) und von Geistesgaben (vgl. 1 Kor 12,4-11), aber sowohl der Wohlstand als auch die Geistesgaben gehen weniger auf das Wirken Jesu Christi zurück als vielmehr auf das Wirken Gottes oder des heiligen Geistes. Allerdings sind die drei trinitarischen "Personen“ und deren Wirkungsbereiche nicht streng zu trennen.

Auch die "Liebe Gottes“ wird nicht konkretisiert. Es kann sich wie bei dem ersten Genitiv um einen genitivus subiectivus handeln, d. h. die Liebe geht von Gott aus. Im Mittelpunkt dürfte dann wohl der Gedanke stehen, dass es ein besonderer Liebeserweis Gottes ist, dass er seinen einzigen Sohn, Jesus Christus, für die Tilgung der Sünden der Menschen hingab. Es ist aber auch möglich - wenn auch unwahrscheinlicher -, dass es sich um einen genitivus obiectivus handelt, die Liebe also Gott selbst gilt.

Schließlich ist auch die Formulierung "Gemeinschaft des heiligen Geistes“ nicht eindeutig. Wiederum stellt sich die Frage, ob wir hier einen genitivus subiectivus oder einen genitivus obiectivus vorliegen haben. Der griechische Begriff "koinônia“ kann sowohl "Gemeinschaft“ als auch "Teilhabe“ bedeuten. Es kann also die Gemeinschaft, die vom heiligen Geist hervorgebracht wird (genitivus subiectivus), gemeint sein, oder auch die Teilhabe am heiligen Geist und dessen Wirken (genitivus obiectivus). Da es sich bei den ersten beiden Genitiven vermutlich jeweils um einen genitivus subiectivus handelt und Paulus der Gemeinschaft und Einheit besondere Bedeutung beimisst, ist zunächst an erstere Bedeutung zu denken. Da jedoch auch dem Wirken des heiligen Geistes besondere Bedeutung zukommt, und zwar nicht nur im Hinblick auf Geistesgaben wie prophetische Rede, Zungenrede usw. (vgl. 1 Kor 12,4-11), sondern auf das gesamte Gemeindeleben (vgl. v. a. Röm 8,14), dürfte auch zweite Bedeutung zu bedenken sein.

 

Weiterführende Literatur: O. Wischmeyer 1983, 234-235 vertritt die Ansicht, dass die Vorstellung der Liebe Gottes zu den Menschen, die hinter der paulinischen "Liebe Gottes“ steht, alttestamentlich (vgl. Jer 38,3LXX; Zeph 3,17LXX), allerdings auf Israel bezogen, sei. In verbaler Formulierung fänden wir sie häufiger im Judentum, und zwar erstens allgemein auf Israel bezogen, zweitens für Gerechte, drittens für einzelne "Heroen“ wie Mose, Jakob, Samuel und die Patriarchen in Test XII Patr. Einzig die Wendung in PsalSal 18,3 setze den genitivus subiectivus voraus, ohne dass er hier ausgesprochen wäre. Wieder sei Israel das Objekt der Gottesliebe. Die substantivische Formulierung dagegen fänden wir zuerst explizit bei Paulus (vgl. Röm 5,5; 8,39; 2 Kor 13,13).

 

L. L. Belleville 1996, 281-304 meint, dass die Bedeutung des (heiligen) Geistes in der Theologie des Paulus oft nicht angemessen gewürdigt werde. Sie befasst sich daher mit der Theologie des Geistes und fragt, wie sie die polemische und argumentative Haltung des Apostels in dem Zweiten Korintherbrief kreuzt. Auf S. 288-290 gibt L. L. Belleville einen Überblick über die verschiedenen Deutungen der Genitivverbindung "Gemeinschaft des (heiligen) Geistes“, wobei sie annimmt, dass ein genitivus subiectivus vorliege.

Eine linguistische Analyse der Formulierung "Gemeinschaft des (heiligen) Geistes“ bietet A. S. Di Marco 1988, 63-75, der dabei der Frage nachgeht, ob die "Gemeinschaft des (heiligen) Geistes“ auch die Bedeutung "Geist der Gemeinschaft“ beinhaltet. A. S. Di Marco bejaht dies.

 

L. Gagnebin 1986, 63-73 befasst sich mit der Geschichte der Dogmen zur Trinität und kommt dabei auch kurz auf 2 Kor 13,13 zu sprechen.

 

 

Literaturübersicht

 

Belleville, Linda L.; Paul’s Polemic and Theology of the Spirit in Second Corinthians, CBQ 58 (1996), 281-304

Di Marco, A. S.; Koinonia pneumatos − pneuma koinonias: circolarità e ambivalenza linguistica e filologica, FN 1 (1988), 63-75

Gagnebin, Laurent, De Trinitate: questions de méthode, ETR 61/1 (1986), 63-73

Sundermann, H.-G.; Der schwache Apostel und die Kraft der Rede. Eine rhetorische Analyse von 2 Kor 10-13 (EHS R. XXIII; 575), Frankfurt 1996

Wischmeyer, Oda; Traditionsgeschichtliche Untersuchung der paulinischen Aussagen über die Liebe (agapê), ZNW 74 (1983), 222-236

( Impressum )   ( Datenschutzhinweise )