Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Galaterbrief

Der Brief des Paulus an die Galater

Gal 4,8-11

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Gal 4,8-11



Übersetzung


Gal 4,8-11:8 Damals jedoch, als ihr Gott [noch] nicht kanntet, habt ihr Göttern gedient, die es in Wirklichkeit nicht sind. 9 Nun aber, da ihr Gott erkannt habt, vielmehr von Gott erkannt worden seid, wie könnt ihr euch da wieder zu den schwachen und armseligen Elementen hinwenden und ihnen wiederum von neuem dienen wollen? 10 Auf Tage gebt ihr acht und auf Monate, Jahreszeiten und Jahre. 11 Ich fürchte für euch, dass ich mich vergeblich um euch gemüht habe.



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V. 8


Beobachtungen: In 4,1-7 stellt Paulus die Adressaten als Gottessöhne dar, als mündige Erben des „Erbes“. Als solche sind sie eng an ihren Vater gebunden. Das tatsächliche Verhalten der Adressaten lässt eine solche Bindung aber nicht erkennen, was Paulus nicht versteht.


Laut Paulus lassen sich drei Schritte des bisherigen religiösen Werdegangs der Adressaten unterscheiden: 1) heidnischer Götzendienst, 2) Bekehrung zum einen wahren Gott (und zu Jesus Christus), 3) erneute Hinwendung zu schwachen und armseligen Elementen.


Paulus unterscheidet nicht zwischen den Juden- und Heidenchristen unter den Adressaten, sodass das Personalpronomen „ihr“ auf alle Adressaten zu beziehen ist. Das bedeutet, dass die Mehrheit - möglicherweise sogar die Gesamtheit - der Adressaten früher Heide und nicht Jude war.


Als Heiden haben die Adressaten Göttern gedient. Weder ist gesagt, um welche Götter es sich handelte, noch wird deutlich, wie das Dienen vor sich gegangen ist. Beides spielt hier auch keine Rolle, denn Paulus geht es um die Frage der Bindung. Die zentrale Aussage dürfte somit sein: Als die Adressaten noch den Götter dienten, waren sie nicht an Gott, sondern an Götter gebunden.


Die heidnischen Götter werden von Heiden natürlich völlig anders bewertet als von Christen. Ein Heide zweifelt sicherlich nicht an, dass es sich bei seinen Göttern um Götter handelt. Wenn Paulus anmerkt, dass die Götter in Wirklichkeit keine Götter sind, so formuliert er vom christlichen Standpunkt aus. Dabei ist jedoch unklar, ob er grundsätzlich die Existenz von weiteren Göttern neben dem Gott der Christen abstreitet, wie 1 Kor 8,4-6 annehmen lässt, oder ob er nur einem wahren Gott akzeptiert. In letzterem Fall wären die heidnischen Götter unwahre Götter, laut 1 Kor 10,20-21 Dämonen. Dabei wäre jedoch unklar, wie Götter existieren können, ohne wahr zu sein. Was macht die Wahrheit aus? Sicher lässt sich nur sagen, dass Paulus einzig und allein denjenigen Gott als wahr anerkennt, der Vater Jesu Christi ist. Da aus seiner Sicht mit Jesus Christus das Heil der Menschen verbunden ist, ist der christliche Gott der einzige, der Heil bringt. Von daher darf auch nur er allein verehrt werden. Mit der Verehrungswürdigkeit verknüpft Paulus anscheinend die Wahrheit eines Gottes. Wenn nur ein Gott Heil bringt und von daher zu verehren ist, dann ist auch nur ein Gott wahr. Ob andere Götter existieren oder nicht, ist angesichts dieses Sachverhaltes zweitrangig, weil von ihnen kein Heil ausgeht.


Weiterführende Literatur: T. Witulski 2000 befasst sich eingehend mit der Frage, wer die Adressaten des Galaterbriefes sind. In diesem Rahmen gibt er auch einen ausführlichen Überblick über die seitens der Forschung vorgebrachten verschiedenen Deutungen der Formulierung „stoicheia (tou kosmou)“ („Elemente [der Welt]). Ergebnis: Bei dem Galaterbrief handele es sich in Wirklichkeit um zwei Briefe oder Briefabschnitte, und zwar zum einen um 4,8-20 und zum anderen um die übrigen Bestandteile des uns heute vorliegenden Galaterbriefes. Sei nun aber 4,8-20 an im Süden der Provinz lebende Christen gerichtet, so folge schon aus redaktionstechnischen Erwägungen, dass auch die übrigen Bestandteile des uns heute vorliegenden Galaterbriefes an die dortigen Christen adressiert gewesen sein müssen. Ein nachpaulinischer Redaktor habe die beiden Briefe oder Briefabschnitte in Archiven von Gemeinden im Süden der Provinz Galatia gefunden und sie zum heute vorliegenden ntl. Galaterbrief zusammengefasst.


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V. 9


Beobachtungen: Die Adressaten haben sich bekehren und taufen lassen. Von daher haben sie Gott erkannt - den Gott, von dem sie vorher nichts wussten. Das „Erkennen“ („gignôskô“) setzt voraus, dass die Adressaten etwas von dem christlichen Gott, von dem sie ja bisher nichts wussten, erfahren haben. Das „Erkennen“ beinhaltet aber auch die bewusste Entscheidung für diesen Gott, mit der die Abwendung von den bisher verehrten Göttern verbunden ist.


Das Verb „erkennen“ lässt annehmen, dass es sich bei der Bekehrung um aktives Tun der Adressaten gehandelt habe. Paulus legt jedoch Wert darauf, dass es sich bei der Bekehrung weniger um Aktivität der Adressaten als vielmehr um erwählendes Handeln Gottes gehandelt hat. Deshalb hebt er hervor, dass die Adressaten von Gott erkannt worden sind. Gott allein haben sie zu verdanken, dass sie überhaupt durch die Verkündigung der christlichen Missionare von ihm erfahren haben und sich zu ihm bekehren konnten. Ob die Entscheidung für das Christentum ein freier Willensakt der Adressaten war oder ob es sich in Wirklichkeit um göttliche Erwählung handelte, bleibt offen.


Gegenwärtig wenden sich die galatischen Christen wieder den „schwachen und armseligen Elementen“ zu. Mit den „schwachen und armseligen Elementen“ sind jedoch nicht die heidnischen Götter gemeint, denn diese spielen im Galaterbrief keine Rolle. Nicht einen Rückfall in das Heidentum thematisiert Paulus im Galaterbrief, sondern die Hinwendung zur Gesetzlichkeit. Solche Gesetzlichkeit sieht Paulus mit dem jüdischen Glauben verbunden, der sich am „Gesetz“, den in der hebräischen Bibel (= AT) enthaltenen Satzungen und Geboten, orientiert. Da Paulus befürchtet, dass judaisierende Prediger die galatischen Christen zu einer typisch jüdischen Gesetzlichkeit verführen könnten, thematisiert er in Gal 3,1-4,7 ausführlich das Verhältnis von Glaube und Gesetz und macht deutlich, dass das Heil allein aus dem Glauben an den die Sünden der Menschen sühnenden Kreuzestod Jesu Christi und an die Auferstehung kommt. Die „schwachen und armseligen Elemente“ waren schon mit dem Glauben an die heidnischen Götter verbunden, denn sonst könnten sich die Adressaten nicht wieder zu ihnen hinwenden. Nun sind sie aber im Zusammenhang mit der Gesetzlichkeit des Judentums zu sehen.

Bei den „stoicheia“, hier „Elemente“ übersetzt, handelt es sich am ehesten um Grundprinzipien, Elemente oder Gestirne, allerdings kommen auch Buchstaben oder Geister in Frage. Eindeutig ist nur die Zuordnung zur Welt und eben nicht zu Gott, Jesus Christus oder dem heiligen Geist. Es ist anzunehmen, dass auch das jüdische Religionsgesetz mit den „Elementen der Welt“ (vgl. 4,3) in Verbindung zu bringen ist. Laut V. 10 sind die „Elemente“ in einem engen Zusammenhang mit dem genauen Einhalten des Festkalenders zu sehen.


Paulus bezeichnet die „Elemente“ als „schwach und armselig“. „Schwach“ („asthenês“) sind sie wohl insofern, als sie kein Heil bewirken können. Das griechische Adjektiv „ptôchos“ meint zunächst einmal „arm“ im materiellen Sinne. Materielle Armut verhindert Einflussnahme gesellschaftlicher Art, die oftmals von Geld abhängig ist, und somit ist aus das Ansehen Armer in der Bevölkerung gering. Dieser Mangel an Einflussnahme und Ansehen ist sicherlich im Blick, wenn der Apostel die „Elemente“ als „arm(selig)“ bezeichnet. Die „Elemente“ haben keinen Einfluss auf das Heil der Menschen und von daher sind sie auch nicht hoch zu achten.


Angesichts dieser Erbärmlichkeit der „Elemente“ wundert es Paulus sehr, dass sich die Adressaten wieder zu ihnen hinwenden.


Weiterführende Literatur: J. Van W. Cronjé 1992, 417-424 legt dar, dass Paulus von V. 8 an die vernunftgeleitete Argumentation zugunsten einer Thematisierung des ganz persönlichen Verhältnis mit den Galatern aufgebe. Die rhetorische Frage in V. 9 gehöre dem erôtêma-Typ an, der nicht den Inhalt der Frage in den Mittelpunkt stelle, sondern die Gefühle des Schreibenden.


Einen Überblick über die bisherigen Thesen, wie die Formulierung „ta stoicheia tou kosmou“ („die Elemente der Welt“; Gal 4,3; Kol 2,8.20; vgl. Gal 4,9) zu deuten ist, gibt D. R. Bundrick 1991, 353-364. Er selbst meint, dass die grundlegenden religiösen Lehren, wie sie der Menschheit eigen sind, gemeint seien. Diesen seien die Juden und Heiden versklavt gewesen, bevor sie die Freiheit durch den Glauben an Christus erfahren haben. Vgl. W. Carr 1981, 75-76. D. R. Moore-Crispin 1989, 209-212 bezieht die Formulierung allgemeiner noch auf menschliches Gedankengut, das religiöser Art sein kann, aber nicht muss. Bei den meisten Religionen – auch atheistischen Philosophien – gebe es Tabus in Essensangelegenheiten. Das deutlichste Beispiel für solche Tabus seien die verschiedenen Bestimmungen des mosaischen Gesetzes.

E. Schweizer 1988, 455-468 dagegen geht davon aus, dass wie auch in der gesamten Literatur des 1. Jhs. die vier (bzw. fünf) physikalischen Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer (und das „kyklophorikon sôma“, wörtl.: „sich im Kreise drehender Körper“) gemeint seien. Vgl. F. Thielmann 1989, 80-83. Diese These sieht D. Rusam 1992, 119-125 durch eine Vielzahl mittels des „Thesaurus Linguae Graecae“ und der dazugehörigen Hard- und Software aufgefundener, von Paulus unabhängiger Belege der Wortverbindung „ta stoicheia tou kosmou“ gestützt. J. M. Scott 1992, 157-161 meint zwar auch, dass die vier (bzw. fünf) Elemente gemeint seien, merkt jedoch kritisch an, dass eine solche Bedeutung – ebenso wie alle anderen auch – nicht zum Zusammenhang passe.

M. C. de Boer 2007, 204-224 meint, dass Paulus bei der Formulierung „Elemente der Welt“ Glaubensrichtungen und –praktiken im Blick gehabt habe, die mit den vier Elementen (Erde, Luft, Feuer, Wasser) verbunden waren, insbesondere auch kalendarische Bestimmungen (vgl. Gal 4,10). Nur in diesem begrenzten Sinne könne die Formulierung „Elemente der Welt“ als Äquivalent für das Gesetz gelten. Die Richtigkeit dieser Deutung angenommen, stelle sich laut J. Woyke 2008, 221-234 die Frage, in welcher sachlichen Verbindung das mosaische Gesetz zu den vier physikalischen Elementen steht. In welcher Hinsicht sind die von den Galatern vormals göttlich verehrten Grundstoffe der Welt im Zusammenhang der paulinischen Argumentation "schwach und unfähig", und inwiefern entspricht dies eben auch einer im Galaterbrief - insbesondere in Gal 3,21 - konstatierten fehlenden Wirksamkeit des mosaischen Gesetzes? Der Schlüssel für die konzeptionelle Verbindung von "Gesetz" und "Elementen" liege in Gal 3,21c-d: Das mosaische Gesetz könne nicht lebendig machen und Gerechtigkeit wirken. So liege die wesentliche Analogie zwischen "Gesetz" und "Elementen" darin, dass ihnen, obschon ihnen eine grundlegende Funktion in Gottes Welthandeln zukomme, doch keine schöpferische Kraft innewohne. Im Gegenteil: Sie seien Instrumente der Strafe Gottes, welche das "Fleisch" der Vergänglichkeit zuführt. Mehr noch: Beide bewirkten indirekt die mit dem "Fleisch" zusammenhängende Sünde: die Elemente, indem sie das Körperliche konstituierten, und das Gesetz, indem es bestimmte Verhaltensweisen als Übertretung des Gotteswillens überhaupt erst kennzeichne und somit die Sünder in ihrer Versklavung unter die Sünde behafte

Laut P. Vielhauer 1976, 543-555 habe Paulus die Formulierung wegen der kosmischen Bedeutung, die sie im Hinblick auf die vier Weltelemente habe, gewählt. Paulus habe sie dann auf die großen Mächte der Welt bezogen: Fleisch, Sünde und Tod. Diese Mächte seien in enger Verbindung mit dem Gesetz, dem Charakteristikum des Alten Bundes, zu sehen.

C. E. Arnold 1996, 55-76 meint, dass die „stoicheia“ am ehesten als dämonische Mächte, dem Ausdruck „archai kai eksousiai“ („Mächte und Gewalten“; vgl. Eph 3,10; Kol 2,15; Tit 3,1)

entsprechend, gedeutet werden könnten.

T. C. G. Thornton 1989, 97-100 deutet dagegen Gal 4,3.9 wie folgt: Sowohl die Juden als auch die Heiden seien dem Mond und der Sonne dienstbar gewesen. Juden seien von beiden Gestirnen im Hinblick auf die Festlegung der kalendarischen Daten abhängig gewesen, viele Heiden hätten sie als göttliche Wesen verehrt. Mit dem Kommen Christi hätten für Juden und Heiden jedoch Sonne und Mond an Bedeutung verloren, weil der jüdische Kalender nicht mehr die frühere Rolle spielt und die Heiden sich von ihren Göttern losgesagt haben. Wenn sich nun aber Heidenchristen der Beobachtung des Neumonds und der Befolgung des jüdischen Kalenders hingeben, dann gäben sie sich einer Sache hin, die ihrem früheren Heidentum gleicht. Der Mond und die Sonne gehörten zu den „Elementen der Welt“, von denen die Christen befreit sind.


Zum Stoicheiadienst siehe R. Bergmeier 2003, 89-98.


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V. 10


Beobachtungen: Aus V. 10 geht hervor, was mit dem Elementendienst verbunden ist: Die genaue Einhaltung der Zeiten, im Einzelnen Tage, Monate, Zeitpunkte und Jahre. Diese genaue Einhaltung der Zeiten ist auf jeden Fall mit der Gesetzlichkeit verbunden, die der Apostel dem Judentum zuschreibt und der die galatischen Christen gegenwärtig zugewandt sind. Ob sie es auch mit der früheren heidnischen Religion ist, ist fraglich, wenn auch möglich.


Die Reihung beginnt mit dem kleinsten Zeitzyklus, dem Tag, und endet mit dem größten, dem Jahr. Dazwischen liegen die Monate und die „kairoi“. Der Begriff „kairoi“ bezeichnet zunächst einmal ganz bestimmte Zeiten, die eine spezifische Beschaffenheit haben, der auch das Handeln der Menschen folgt. So finden zu bestimmten Zeiten auch bestimmte Feste statt, sodass man „kairoi“ mit „Festzeiten“ übersetzen kann. Da der Begriff in V. 10 einen Zeitzyklus bezeichnet, der länger als ein Monat, aber kürzer als ein Jahr ist, ist auch an die Übersetzung „Jahreszeiten“ zu denken. Für die Übersetzung „Jahreszeiten“ spricht auch, dass Feste auch mit den Tagen, Monaten und Jahren verbunden sind.


Die Zyklen der Tage, Monate, Jahreszeiten und Jahre richten sich nach den Gestirnen wie Mond und Sonne. Von daher liegt es nahe, die „Elemente“ in V. 9 auf die Gestirne zu beziehen.


Der jüdische Festkalender ist eng mit der Beobachtung der Gestirne verbunden. Bei Festtagen ist an den Sabbat, den Ruhetag, zu denken, der einen ganzen Tag dauert, und zwar von einem Sonnenuntergang zum nächsten. Zu den auf einen Tag beschränkten Festen gehört auch beispielsweise der Versöhnungstag (Jom Kippur) am 10. Tischri. Die jüdischen Monate, zu denen der Tischri gehört, orientieren sich an den Mondzyklen. Ein mit den Monaten eng verbundenes Fest ist der Neumondtag, der den Beginn eines neuen Monats markiert. Er fällt immer auf den Tag, an dem erstmals die Sichel des Neumondes am Himmel erscheint, was genaue Mondbeobachtung voraussetzt. Ganze Monate stellen keine Festzeiten dar, doch sind mit bestimmten Monaten wichtige Festzeiten verbunden. So wird das Laubhüttenfest (Sukkot) im Tischri, das Passafest im Nissan und das Wochenfest (Schavuot) im Siwan gefeiert. Diese drei Festzeiten kann man aber auch auf den Begriff „kairoi“ beziehen und ihn mit „Festzeiten“ übersetzen. Allerdings stellt sich das Problem, dass auch die Hauptfeste nicht länger als einen Monat dauern und somit die „Festzeiten“ in der Aufzählung vor den „Monaten“ stehen müssten. Aber welche Feste sollten mit länger als einen Monat währenden „Jahreszeiten“ verbunden sein? Mit dem längsten Zeitzyklus, den vom Stand der Sonne abhängigen Jahren, hängen das Neujahrsfest, das alle sieben Jahre stattfindende Sabbatjahr und das alle siebenmal sieben Jahre stattfindende Erlassjahr zusammen. Um die am Mondjahr ausgerichteten Monate mit dem Sonnenjahr in Übereinstimmung zu bringen, bediente man sich eines Schaltmonats.


Ob aus V. 10 im Hinblick auf V. 9 folgt, dass auch das heidnische Dasein der Adressaten vor der Taufe die genaue Befolgung eines an der Stellung der Gestirne orientierten Festkalenders beinhaltete, ist fraglich.


Weiterführende Literatur: Die Frage nach jenem anderen Evangelium spitze sich laut D. Lührmann 1980, 428-445 durch W. Schmithals‘ (1965) die heutige Diskussion bestimmende These, Paulus habe sich aufgrund lückenhafte Informationen völlig über die Lage in Galatien getäuscht, zu. In Wirklichkeit sei dort gar nicht, wie er unterstelle, das Gesetz propagiert worden, sondern – wie später in Korinth und Philippi auch – gnostische Lehre; die geforderte Beschneidung sei Zeichen nicht jüdischen Gesetzesgehorsams, sondern gnostischer Entweltlichung. Auch wer Schmithals‘ Deutung nicht voll übernehme, scheine u. a. durch 4,9-10 genötigt, in den Gegnern nicht mehr „Judaisten“ zu sehen, da die beiden Themen der Elemente und der Zeiten nicht zu einer streng allein am Gesetz orientierten Verkündigung zu passen scheinen. Die Palette der Versuche, jene gegnerische Position zu charakterisieren, sei denn auch eher verwirrend: Christliche Judaisten jüdischer Herkunft? Christliche Judaisten heidnischer Herkunft? Judenchristliche Gnostiker? Heidenchristliche Gnostiker? Gnostizierende Judenchristen? Gnostizierende Heidenchristen? Synkretistische Juden? Judaisierende Judenchristen? D. Lührmann legt dar, dass sich der von Paulus bei seinen Gegnern beobachtete Zusammenhang von Beschneidung, Elementen und Gestirnordnung mit Paulus durchaus unter dem Oberbegriff „Gesetz“ verstehen lassen könne.


T. W. Martin 1996, 105-119 meint, dass die Listen in Gal 4,10 und Kol 2,16 nicht – wie oft angenommen – Parallelen hinsichtlich Inhalt und Funktion seien. Aus der vermeintlichen Parallelität würden (von J. B. Lightfoot, Kommentar) falsche Schlüsse gezogen: Der Inhalt der Liste Gal 4,10 stelle eine Liste jüdischer kalendarischer Zeiten dar, weil auch Kol 2,16 als eine derartige Liste anzusehen sei. Und: Die Liste in Kol 2,16 habe die Funktion, die nichtchristlichen Praktiken der Gegner zu beschreiben, weil die Liste in Gal 4,10 eindeutig ein nichtchristliches Zeitschema sei, das zurückzuweisen sei. T. W. Martin dagegen vertritt die Ansicht, dass der Inhalt der Liste in Kol 2,16 eindeutig jüdisch sei, wogegen die Liste in Gal 4,10 entweder jüdisch oder heidnisch sein könne. Hinsichtlich der Funktion beschreibe die Liste in Gal 4,10 einen Kalender, der von Paulus eindeutig abgelehnt werde, wogegen die Liste in Kol 2,16 einen Kalender darstelle, der nicht so einfach von den paulinischen Gemeinden getrennt werden könne.


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V. 11


Beobachtungen: Aus V. 11 ist eine gewisse Hoffnungslosigkeit herauszuhören: Paulus fürchtet, dass er sich vergeblich gemüht hat. Dabei steht jedoch nicht die eigene vertane Zeit im Mittelpunkt, sondern das vergebliche Bemühen um die Adressaten, die Paulus dem Heil zuführen wollte. Dementsprechend ist auch die Befürchtung auf die Adressaten bezogen, denn diese sind es, die ihr Heil gefährden.


Das griechische Verb „kopiaô“ betont den Aspekt der Mühe, die die Arbeit bereitet und ist deswegen am besten mit „sich abmühen“ zu übersetzen. Paulus hat sich für die Adressaten abgemüht.


Weiterführende Literatur:



Literaturübersicht


Arnold, Clinton E.; Returning to the Domain of the Powers: Stoicheia as Evil Spirits in 4:3,9, NT 38/1 (1996), 55-76

Bergmeier, Roland; Der Stoicheiadienst nach Gal 4,3.9, in: U. Mittmann-Richert u. a. [Hrsg.], Der Mensch vor Gott: Forschungen zum Menschenbild in Bibel, antikem Judentum und Koran, FS H. Lichtenberger, Neukirchen-Vluyn 2003, 89-98

Bundrick, David R.; “ta stoicheia tou kosmou (Gal 4:3)”, JETS 34 (1991), 353-364

Carr, Wesley; Angels and Principalities: The Background Meaning and the Development of the Pauline Phrase “hai archai kai hai exousiai” (SNTSMS; 42), Cambridge 1981

de Boer, Martinus C.; The Meaning of the Phrase tai stoicheia tou kosmou in Galatians, NTS 53/2 (2007), 204-224

Lührmann, Dieter; Tage, Monate, Jahreszeiten, Jahre (Gal 4,10), in: R. Albertz [Hrsg.], Werden und Wirken des Alten Testaments, FS C. Westermann, Göttingen – Neukirchen-Vluyn 1980, 428-445

Martin, Troy W.; Pagan and Judeo-Christian Time-Keeping Schemes in Gal 4.10 and Col 2.16, NTS 42/1 (1996), 105-119

Moore-Crispin, Derek R.; Galatians 4:1-9: The Use and Abuse of Parallels, EvQ 61/3 (1989), 203-223

Rusam, Dietrich; Neue Belege zu den stoicheia tou kosmou (Gal 4,3.9; Kol 2,8.20), ZNW 83/1-2 (1992), 119-125

Schweizer, Eduard; Slaves of the Elements and Worshipers of Angels: Gal 4:3,9 and Col 2:8,18,20, JBL 107/3 (1988), 455-468

Scott, James M.; Adoptions as Sons of God: An Exegetical Investigation into the Background of hyiothesia in the Pauline Corpus (WUNT II/48), Tübingen 1992

Thielmann, Frank; From Plight to Solution: A Jewish Framework for Understanding Paul’s View of the Law in Galatians and Romans (NT Suppl.; 61), Leiden 1989

Thornton, T. C. G.; Jewish New Moon Festivals, Galatians 4:3-11 and Colossians 2:16, JTS 40 (1989), 97-100

Van W. Cronjé, J.; The Stratagem of the Rhetorical Question in Galatians 4:9-10 as a Means towards Persuasion, Neotest 26/2 (1992), 417-424

Vielhauer, Philipp; Gesetzesdienst und Stoicheiadienst im Galaterbrief, in: J. Friedrich u. a. [Hrsg], Rechtfertigung, FS E. Käsemann, Tübingen 1976, 543-555

Witulski, Thomas; Die Adressaten des Galaterbriefes: Untersuchungen zur Gemeinde von Antiochia ad Pisidiam (FRLANT 193), Göttingen 2000

Woyke, Johannes; Nochmals zu den “schwachen und unfähigen Elementen“ (Gal 4.9): Paulus, Philo und die stoicheia tou kosmou, NTS 54/2 (2008), 221-234

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