Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Der Brief des Paulus an Philemon

Phlm 23-25

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Phlm 23-25



Übersetzung


Phlm 23-25:23 Es grüßt dich Epaphras, mein Mitgefangener in Christus Jesus, 24 [auch] Markus, Aristarch, Demas [und] Lukas, meine Mitarbeiter. 25 Die Gnade des Herrn Jesus Christus [sei] mit eurem Geist.



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V. 23


Beobachtungen: In V. 23 kehrt Paulus zur Anrede einer einzelnen Person, wie sie für den ganzen Brief mit Ausnahme der beiden formalhaften Segenswünsche V. 3.25 und des V. 22 typisch ist, zurück. Die Grüße sind also nur an Philemon gerichtet, vielleicht weil er zu den grüßenden Personen eine besondere Beziehung hat.


Bei den V. 23-24 handelt es sich um die Ausrichtung von Grüßen. Der Singular „es grüßt“ („aspazetai“) lässt an nur eine grüßende Person denken; tatsächlich werden aber fünf grüßende Personen genannt: Epaphras, Markus, Aristarch, Demas und Lukas. Vielleicht ist auch „Jesus“ als eigener Name zu verstehen, dann wären es sechs grüßende Personen. Wie ist nun die singulare Verbform angesichts der Mehrzahl grüßender Personen zu verstehen? Vermutlich bezieht sich der Singular auf die an erster Stelle genannte einzelne Person – hier: Epaphras. Diese wird durch eine Beifügung noch näher bezeichnet, bevor dann weitere Personen genannt werden, die ihre Grüße bestellen.


Epaphras wird als „Mitgefangener“ („synaichmalôtos“) bezeichnet. Er dürfte also das Schicksal des Apostels Paulus teilen. Epaphras taucht als Grüßender auch in Kol 4,12-13 auf und erscheint dort als in besonderem Maße mit den Gemeinden in Kolossä, Laodizea und Hierapolis geistlich verbunden. Gemäß 1,7 handelt es sich um einen „geliebten Mitknecht“ und „treuen Diener Christi“. Fraglich ist, ob der Epaphras des Kolosserbriefes mit dem Epaphras des Philemonbriefes identisch ist. Im Kolosserbrief wird Epaphras nicht als „Mitgefangener“, sondern „nur“ als „Knecht“ bezeichnet, und zwar als „Knecht Christi Jesu“ (oder: „Knecht Christi“). Sollte tatsächlich der Epaphras des Philemonbriefes mit demjenigen des Kolosserbriefes identisch sein, dann würde dies wegen dessen Herkunft aus Kolossä und dessen besonderen Beziehung zu der dortigen Gemeinde dafür sprechen, dass der Philemonbrief ebenso wie der Kolosserbrief an Adressaten in Kolossä gerichtet ist. „Epaphras“ kann auch die Kurzform des Namens „Epaphroditus“ sein. Von einem Gesandten der Gemeinde in Philippi namens Epaphroditus ist in Phil 2,25-30 die Rede, doch gibt es keinen Hinweis darauf, dass es sich bei diesem Epaphroditus und dem in Phlm 23 erwähnten Epaphras um dieselbe Person handelt.

Die Gefangenschaft des Epaphras erfolgt „in Christus Jesus“, erfolgt also im christlichen Glauben und ist wohl durch die Verkündigung Jesu Christi (= Christi Jesu) bedingt. Unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich auszuschließen ist, dass Epaphras nicht im eigentlichen, sondern „nur“ im übertragenen Sinn „Gefangener in Christus Jesus“ ist. Dann wäre er nicht frei, sondern als Handelnder im Macht- und Heilsbereich Jesu Christi gebunden (= gefangen). Zum Handeln in diesem Macht- und Heilsbereich wäre nichts weiter ausgesagt, doch wäre daran zu denken, dass er ein Mitarbeiter des Paulus und somit in der Verkündigungsarbeit und im Gemeindeaufbau tätig ist. Hält man den übertragenen Sinn der „Gefangenschaft“ für richtig, ist dieser übertragene Sinn auch im Hinblick auf den „Gefangenen Christi Jesu“ Paulus anzunehmen, der somit ebenfalls „nur“ im übertragenen und nicht im eigentlichen Sinn gefangen wäre (vgl. V. 1).


Fraglich ist, ob tatsächlich „in Christus“ und „Jesus“ zusammen zu lesen ist. Möglich ist es auch, „in Christus“ und „Jesus“ durch ein Komma zu trennen, also „in Christus, Jesus“ zu lesen. Dann wäre Epaphras ein „Mitgefangener in Christus“ und „Jesus“ eine eigenständige Person namens Jesus. Für eine solche Deutung spricht, dass auch in Kol 4,11 der Name „Jesus“ auftaucht. Ein weiteres Argument für diese Deutung ist, dass sich im Philemonbrief sonst nirgends „in Christus Jesus“ findet. In V. 8.20 lautet die Formulierung „in Christus“ und in V. 16.20 „im Herrn“. Allerdings ist dagegen einzuwenden, dass diesem Sachverhalt aufgrund der Kürze des Briefes kaum Gewicht zukommt. Außerdem müsste der Nominativ „Iêsous“ statt „Iêsou“ gelesen, also ein „s“ hinzugefügt werden, das sich in keiner antiken Handschrift findet. Und schließlich ist problematisch, dass der Philemonbrief bei dieser Deutung im Lichte des Kolosserbriefes gelesen wird, was die Gefahr birgt, dass die Eigenheiten des Philemonbriefes übersehen werden.


Weiterführende Literatur: J. A. Weima 1994, 230-236 legt dar, dass unter den Auslegern Uneinigkeit darüber bestehe, wo der Schluss des Philemonbriefes beginnt. Die vorgeschlagenen Abgrenzungen des Schlusses reichten von V. 17-25 bis V. 23-25. J. A. Weima hält einen Beginn mit V. 19 für wahrscheinlich und analysiert die Struktur des von ihm so abgegrenzten Briefschlusses. Der Schluss des Philemonbriefes habe eine stark zusammenfassende und wiederholende Funktion. Paulus bediene sich zwar der gewohnten Schlusskonventionen, doch füge er einige weitere briefliche Formeln hinzu, so dass der Briefschluss besser die Bitte des Briefkorpus‘ wiederhole und verstärke. Philemon solle es geradezu unmöglich gemacht werden, nicht der Bitte seines Freundes Paulus zu entsprechen.


J.-M. Salamito 1999,191-210 geht der Frage nach, wie das Substantiv „synaichmalôtos“ („Mitgefangener“) zu verstehen ist. Die wörtliche Bedeutung sei „gemeinsamer Kriegsgefangener“. Es sei nicht nur eine Gefangennahme durch Jesus Christus im Blick, also eine rein metaphorische, geistliche Gefangennahme, sondern eine reale. Doch warum benützt Paulus im Hinblick auf seinen Mitgefangenen nicht den Begriff „desmos“ („Gefangener/Gefesselter“), mit dem er sich ja selbst bezeichnet? J.-M. Salamito weist darauf hin, dass in der griechischen, römischen und hellenistisch-jüdischen Kultur die Gefangenschaft dauerhafte Erniedrigung mit sich gebracht habe. Positiver sei die Kriegsgefangenschaft bewertet worden. Hellenistische Inschriften zeigten, dass Kriegsgefangene nicht ihren freien Status verloren und die Städte diejenigen ehrten, die in ihre Mitte zurückkehrten. Indem Paulus seinen Mitgefangenen als „synaichmalôtoi“ bezeichnet, verkläre er mittels einer militärischen Metapher dessen materiell prekäre und sozial erniedrigende Lage.


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V. 24


Beobachtungen: Zu den weiteren grüßenden Personen Markus, Aristarch, Demas und Lukas wird nichts weiter gesagt, als dass sie „Mitarbeiter“ („synergoi“) des Paulus sind, wobei offen bleibt, inwiefern sie mit diesem zusammen arbeiten. Am ehesten ist an Verkündigungsdienst und an Gemeindeaufbau zu denken, die wesentlichen Tätigkeiten des Apostels. Die „Mitarbeiter“ scheinen nicht inhaftiert zu sein. Da sie von Paulus Grüße ausrichten lassen können, scheinen sie Zugang zum Apostel zu haben. Möglich ist aber auch, dass ein Mittelsmann die Kommunikation zwischen Paulus und den „Mitarbeitern“ aufrecht erhält. Dass der in V. 23 genannte Epaphras als „Mitgefangener“ bezeichnet wird, Markus, Aristarch, Demas und Lukas dagegen als „Mitarbeiter“ erscheinen, ist ein Beleg für die tatsächliche Gefangenschaft des Epaphras. Wäre nämlich Epaphras nicht im eigentlichen, sondern „nur“ im übertragenen Sinne gefangen, dann hätte ihn Paulus ebenso als „Mitarbeiter“ bezeichnen können. Und es wäre auch möglich gewesen, Markus, Aristarch, Demas und Lukas ebenso wie Epaphras als „Mitgefangene(r)“ zu bezeichnen. Im übertragenen Sinne sind nämlich auch die Mitarbeiter des Apostels in Christus Jesus gefangen – eben weil auch sie in ihrem Handeln nicht frei, sondern im Macht- und Heilsbereich Jesu Christi gebunden (= gefangen) sind.

Sämtliche genannten, grüßenden Personen werden auch in Kol 4,10.14 genannt. Sind die Personen des Philemonbriefes und Kolosserbriefes identisch? Oder handelt es sich um verschiedene Personen, deren Namensgleichheit Zufall ist? Oder ist der Kolosserbrief mit Blick auf den Philemonbrief geschrieben worden, um so paulinische Verfasserschaft des Kolosserbriefes vorzutäuschen? Oder besteht ein umgekehrtes Abhängigkeitsverhältnis, wurde der Philemonbrief also mit Blick auf den Kolosserbrief verfasst?

Gemäß dem Kolosserbrief ist nicht Epaphras „Mitgefangener“ („synaichmalôtos“) des Apostels, sondern Aristarch. Ein Aristarch taucht auch in der Apostelgeschichte auf, und zwar handelt es sich bei dieser Person um einen aus Thessalonich stammenden Reisebegleiter des Paulus (vgl. Apg 19,29; 20,4; 27,2). Dabei muss die Namensgleichheit jedoch nicht bedeuten, dass es sich um dieselbe Person handelt. Markus ist gemäß Kol 4,10 ein „Vetter“ (oder: „Neffe“) des Barnabas. Ob er mit dem Jerusalemer Johannes Markus (vgl. Apg 12,12.25; 13,5.13 u. v. m.) oder mit dem laut 1 Petr 5,13 Grüße ausrichtenden Markus identisch ist, ist fraglich. Lukas wird in Kol 4,14 als „geliebter Arzt“ bezeichnet. Er gilt in der kirchlichen Tradition nachweislich seit dem 2. Jh. als Verfasser des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte. Zu Demas werden im Kolosserbrief keine weiteren Angaben gemacht (vgl. 4,14). Lukas und Demas tauchen auch in den fiktiven persönlichen Mitteilungen des nicht von Paulus stammenden, diesem aber zugeschriebenen Zweiten Timotheusbriefes auf. Dort heißt es in 4,10-11, dass Demas „die Welt geliebt“ und deshalb Paulus verlassen hat. Lukas erscheint als der einzige, der es bei dem gefangenen Apostel ausgehalten hat. Auch Markus wird erwähnt, als „brauchbar für den Dienst“ bezeichnet.


Weiterführende Literatur: W.-H. Ollrog 1979, 41-50 geht davon aus, dass der Philemonbrief in Ephesus abgefasst wurde und zählt somit Markus, Aristarch, Demas und Lukas zu den Mitarbeitern des Paulus in Ephesus. Für die Rekonstruktion der Geschichte dieser Mitarbeiter zieht er insbesondere auch die Passagen des Kolosserbriefes zu den dort erwähnten gleichnamigen Personen heran.


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V. 25


Beobachtungen: Der abschließende Segenswunsch ist ebenso wie der Segenswunsch V. 3 (und V. 22b) nicht nur an Philemon gerichtet, sondern an alle Adressaten, also an Philemon, Apphia und Archippus.


Die Herausstellung der Gnade des „Herrn“ Jesus im Segenswunsch (Eschatokoll) ist typisch christlich; im gewöhnlichen hellenistischen Privatbrief findet sich nur die Formulierung „Lebe(t) wohl!“.


Fraglich ist, ob mit dem „Geist“ („pneuma“) der heilige Geist gemeint ist, der den Adressaten innewohnt, oder der Lebensgeist des jeweiligen Individuums. In letzterem Fall wäre stärker als bei der Formulierung „…sei mit euch“ die Lebendigkeit der Adressaten betont, wobei nicht weiter präzisiert wäre, was diese Lebendigkeit ausmacht. Im NT kann der „Geist“ den ganzen Menschen bezeichnen, aber es können auch in erster Linie geistige oder geistliche Aspekte gemeint sein.


Weiterführende Literatur:



Literaturübersicht


Ollrog, Wolf-Henning; Paulus und seine Mitarbeiter: Untersuchungen zu Theorie und Praxis der paulinischen Mission (WMANT 50), Neukirchen-Vluyn 1979

Salamito, Jean-Marie; SYNAICHMALÔTOI: les “compagnons de captivité” de l’apôtre Paul, in: C. Bertrand-Dagenbach et al. [éds.], Carcer. Prison et privatisation dans l’Antiquité classique, Paris 1999, 191-210

Weima, Jeffrey A.; Neglected Endings: the Significance of the Pauline Letter Closings (JSNT.SS 101), Sheffield 1994


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