Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Apostelgeschichte (9-12)

Die Anfänge der Heidenmission

Apg 12,1-5

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Apg 12,1-5

 

 

Übersetzung

 

Apg 12,1-5:1 Zu jener Zeit aber legte der König Herodes (die) Hand an, um einige von der Gemeinde zu misshandeln. 2 Er tötete Jakobus, den Bruder des Johannes, mit [dem] Schwert. 3 Als er sah, dass es den Juden gefiel, ließ er auch Petrus festnehmen; es waren [gerade] die Tage der ungesäuerten Brote. 4 Den warf er auch, nachdem er ihn ergriffen hatte, ins Gefängnis und übergab ihn zur Bewachung an vier Abteilungen von je vier Soldaten, in der Absicht, ihn nach dem Passa dem Volk vorzuführen. 5 (Der) Petrus wurde nun im Gefängnis bewacht; aber von der Gemeinde geschah ein andauerndes Gebet für ihn zu (dem) Gott.

 

 

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V. 1

 

Beobachtungen: "Zu jener Zeit“ ist eine vage Zeitangabe, die eine Brücke zu dem in 9,32 − 11,30 geschilderten Wirken des Petrus und missionarischen Geschehen schlägt. Eine genauere Datierung ist wohl am ehesten an dem letztgenannten Ereignis festzumachen, an der großen Hungersnot, die den "ganzen Erdkreis“ umfasste und zur Sammlung und Übergabe von Geld für die Christen in Judäa (vermutlich einschließlich Jerusalems) führte (vgl. 11,28-30).

 

"König Herodes“ ist eine ungenaue Namensangabe, die zunächst an den König Herodes denken lässt. Weil dieser jedoch schon in der Zeit 37-4 v. Chr., also vor Jesu Lebzeiten, regierte, ist ausgeschlossen, dass dieser hier gemeint ist. Der nächste "Herodes“, der in Frage kommen könnte, ist Herodes Antipas. Allerdings war dieser Herrscher nur ein "Tetrarch“, also ein Herrscher über eines der vier Nachfolgereiche des herodianischen Israel, nicht jedoch ein König. Außerdem erstreckte sich sein Herrschaftsgebiet nicht bis nach Antiochia oder Jerusalem, sondern nur über die Gebiete Galiläa und Peräa, die beide in 9,32-11,30 keine Rolle spielten und wohl auch in 12,1-5 nicht in den Blick kommen. Folglich ist auch Herodes Antipas nicht mit dem "König Herodes“ gemeint. Bleibt schließlich noch der Nachfolger des Herodes Antipas, Herodes Agrippa I., Dieser Enkel des Königs Herodes war in Rom aufgewachsen und hielt sich Zeit seines Lebens mehr in Rom als in Palästina auf. Er war mit den römischen Kaisern Caligula (37-41 n. Chr.) und Claudius (41-54 n. Chr.) befreundet, was seine politische Stellung stärkte. So wurden ihm nach und nach die Nachfolgereiche des Königs Herodes übertragen: Caligula machte ihn zum König und verlieh ihm 37 n. Chr. das Gebiet der Tetrarchie des Philippus, das die transjordanischen Gebiete Batanäa, Trachonitis, Auranitis, Gaulanitis, Paneas und Ulatha umfasste. Außerdem kam die Dekapolis, deren Städte relative Unabhängigkeit genossen, unter seine Herrschaft. Nach der Verbannung des Herodes Antipas erhielt Herodes Agrippa I. 39 n. Chr. auch noch Galiläa und Peräa. Und als Dank für die Unterstützung bei der Erlangung der Kaiserwürde sprach ihm schließlich 41 n. Chr. Claudius Judäa, Idumäa und Samarien zu. Diese Gebiete waren nach dem Tod des Königs Herodes zunächst das Herrschaftsgebiet des Archelaus und seit dessen Verbannung 6 n. Chr. als prokuratorische Provinz Judäa Teil des Römischen Reiches. Herodes Agrippa I., der nun in etwa über ein Reich von der Größe desjenigen seines Großvaters herrschte, starb 44 n. Chr.

 

Die Angabe "einige von der Gemeinde“ ist sehr ungenau. Zum einen bleibt offen, wie viele Gemeindeglieder in "einige“ eingeschlossen sind. Zwei misshandelte Gemeindeglieder werden im Folgenden namentlich genannt, nämlich Jakobus und Petrus, jedoch können noch mehr Gemeindeglieder misshandelt worden sein. Zum anderen wird nicht gesagt, um welche Gemeinde es sich handelte. Entweder geht man davon aus, dass der griechische Begriff "ekklêsia“ hier ganz allgemein die Kirche als Gemeinschaft aller Christen meint, oder man untersucht, welche konkrete Gemeinde im Blick ist. In 11,1-30 waren die Gemeinden in Jerusalem und Antiochia im Mittelpunkt des Interesses. Folglich ist davon auszugehen, dass entweder die Gemeinde in Jerusalem oder die Gemeinde in Antiochia gemeint ist. Weil die im nachfolgenden genannten, von Misshandlungen betroffenen Apostel Jakobus und Petrus der Gemeinde in Jerusalem zuzuordnen sind, dürfte wohl die Gemeinde in Jerusalem gemeint sein. Für die Datierung der Ereignisse besagt das wiederum, dass sie sich in der Zeit 41-44 n. Chr. ereignet haben müssen, weil nur in dieser Zeit Jerusalem zum Herrschaftsgebiet des Herodes Agrippa I. gehörte.

 

Weiterführende Literatur: B. W. Longenecker 2004, 185-204 befasst sich mit der Bewerkstelligung möglichst fließender Übergänge von einem Abschnitt zum anderen seitens antiker Rhetoriker. So habe man textliche Verdichtungen oder Streckungen oder gar Lücken zu vermeiden versucht, indem man die Inhalte der aufeinander folgenden Abschnitte wie zwei Kettenglieder ineinander übergehen ließ. Dies habe durch Überschneidungen thematischer Art geschehen sollen. Auch Lukas mache sich diese Technik zu eigen, und zwar bei den Übergängen von Lk zu Apg, von Apg 7 zu 8,1b-2, von 11,27-30; 12,1-24 und 12,25 zu 13,1 und von 19,21-22 zu 19,23-41. Im Einzelnen befasst sich B. W. Longenecker mit den Kettengliedern entsprechenden Verbindungen von 11,27-30; 12,1-24; 12,25 und 13,1.

 

Während die um die Geschichte des Frühchristentums bemühte historisch-kritische Exegese mit einem Subtraktionsverfahren alle wunderhaften Elemente der Darstellung des Lukas streiche, um den verbleibenden Rest für ihre historische Konstruktion verwerten zu können, sei Lukas gemäß S. Alkier 1998, 111-134 gerade darum bemüht, mit Hilfe des Wunderdiskurses göttliche und menschliche Geschichte in einer Story unzertrennlich zu verknüpfen. S. Alkier geht dieser Erzählstrategie narrativer Theologie in einer semiotischen Lektüre von Apg 12 nach. Dabei rücke das in den Vordergrund, was Apg 12 sei: ein Text.

 

Im Rahmen seiner Analyse der Befreiungswunder analysiert J. Hintermaier 2000, 187-240 auch Apg 12. Anhand von Vergleichstexten insbesondere des Lukasevangeliums macht J. Hintermaier deutlich, dass Apg 12 auf der Passion (V. 1-6) und Auferstehung Jesu (V. 12-19) aufbaue. Insbesondere ab V. 6 kämen Elemente des Exodusmotivs hinzu, das für Apg 12 eine zentrale Bedeutung habe. Es handele sich nicht nur um Anspielungen auf den gemeinsamen Zeitpunkt der Befreiung (in jener Nacht, Pascha) oder den Ablauf des Paschafestes, der in den Anordnungen des Engels im Gefängnis anklinge (Hüften gürten, Schuhe an den Füßen, hastig), sondern auch die narrative Struktur (Gefangenschaft, Bitte um Hilfe, Befreiung, Erkenntnis, Weggang, Verfolgung, Bestrafung der Verfolger) sei in der Apg aufgegriffen worden. Zudem fänden sich einzelne Stichwörter, die sowohl in Exodus als auch in Apg 12 von Bedeutung seien (patassô, exagô, kyrios), und die mit den anderen Elementen eine ganze Kette von Zusammenhängen bildeten. Die Aufgliederung in Szenen und die sprachlich-syntaktische und semantische Betrachtung zeigten laut J. Hintermaier die grundsätzliche Einheit der gesamten Perikope 12,1-23 auf, auch wenn in der Begründung des Straftodes ein Bruch festzustellen sei.

Auch W. Radl 1983, 81-96 weist auf den Bezug der Befreiungswundergeschichte zur Herausführung Israels (Exodus) hin und spricht Parallelen zum Lukasevangelium an. Der entscheidende Gesichtspunkt sei der, dass Petrus wie Jesus von Gott gerettet wird. Sicher nicht aus dem Tod, sondern nur aus dem Gefängnis. Aber seine Einkerkerung, aus der es kein Entkommen gebe, sei gleichbedeutend mit dem Tod. Und im Kontrast zum Tod des Herodes erscheine die Befreiung des Petrus wie eine Rückkehr ins Leben. Über Gott lasse sich aussagen, dass dieser kontinuierlich als Gott des Exodus erscheine. Laut W. Radl solle die Befreiung des Petrus aus der Gewalt des Herodes die Christen ermutigen und die Juden vom Christusglauben überzeugen.

S. R. Garrett 1990, 656-680 vertritt die These, dass Tod, Auferstehung und Himmelfahrt als ein "Exodus“ erschienen, weil Jesus, der "Stärkere“, mittels dieser Ereignisse das Volk aus den Fesseln des Satans befreit habe. Dieser "Exodus“ sei typologisches Vorbild für Petrus' Befreiung aus der Gefangenschaft und den Fall des Tyrannen Herodes.

D. T. N. Parry 1995, 156-164 weist auf den Zusammenhang von Passafest, Auferstehung und Befreiung mit eschatologischen Erwartungen hin.

Zum "Rettungswunder“ Apg 12,1-19(.20-25) siehe auch R. Kratz 1979, 459-473, der gattungs- und literarkritische Überlegungen, eine Gliederung und eine Einzelauslegung bietet.

 

Laut D. Ziegler 2008, 183-187 evoziere Apg 12 die aus dem dionysischen Kontext (vgl. die "Bakchen“ des Euripides) hinreichend bekannten Motive des theomachos, der abrupt einsetzenden (erneuten) Verfolgung, die sogar von einem König (vgl. Pentheus!) initiiert werde, und das Motivrepertoire eines Türöffnungs- und Befreiungswunders, begleitet vom Gebet der Gemeinde. Der Tod des Agrippa werde in einer Weise geschildert, die der antiken Gattung vom Tod des Verfolgers entspricht.

 

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V. 2

 

Beobachtungen: Das Aktiv "er tötete“ ("aneilen“) ist doppeldeutig: Herodes Agrippa I. kann selbst der Mörder gewesen sein oder aber die Ermordung veranlasst haben.

 

Jakobus und Johannes waren beide die Söhne des Zebedäus (vgl. Mt 4,21 parr.; 10,2 parr.; Mk 1,19 parr. u. a.). Sie gehörten beide zu dem von Jesus persönlich berufenen Kreis der Zwölf, gehörten also zu den engsten Vertrauten Jesu. Selbst innerhalb dieses engsten Vertrautenkreises Jesu zeichnete sie ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Jesus aus (vgl. Lk 8,51; 9,28.54). Insofern dürfte Jakobus den frühen Christen als führende Persönlichkeit gegolten haben.

 

Es wird nicht gesagt, warum Herodes Agrippa I. Jakobus mit dem Schwert tötete. Auch wird nicht gesagt, ob er dies aus eigenem Antrieb oder auf äußeren Druck hin tat. Weil Jakobus eine führende christliche Persönlichkeit war, dürfte die Ermordung nicht nur als persönlich motiviert, sondern als Schlag gegen die Christen allgemein aufzufassen sein. Die Christen erregten wohl Anstoß oder wurden als Gefahr angesehen.

Es finden sich auch keine Angaben zur Art und Weise der Tötung des Jakobus. Ging der Tötung ein Prozess voraus oder wurde Jakobus ohne Prozess ermordet? Wurde Jakobus erdolcht oder wurde er enthauptet? Wie auch immer: Die gewählte Formulierung lässt die Tötung als willkürlich erscheinen.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 3

 

Beobachtungen: "Die Juden“ erscheinen pauschal als Feinde des Jakobus und vermutlich auch der Christen allgemein. Wenn sie an der Ermordung des Jakobus Gefallen gefunden haben, so wird dies auch hinsichtlich der Festnahme des Petrus der Fall gewesen sein.

Herodes Agrippa I. scheint sein Verhalten daran ausgerichtet zu haben, ob es den Juden gefiel. Ein solches Gefallen motivierte nach der Ermordung des Jakobus eine weitere Misshandlung, nämlich die Gefangennahme des Petrus. Fraglich ist allerdings, ob das Schielen nach der Gunst der Juden auch der entscheidende Grund für die Ermordung des Jakobus war.

 

Unklar ist, welche Bedeutung der Zeitangabe "es waren [gerade] die Tage der ungesäuerten Brote“ zukommt. Die Tage der ungesäuerten Brote erstreckten sich vom 15. bis zum 21. Nisan, stellten also die der Opferung des Passalammes am 14. Nisan unmittelbar folgende Woche dar, während der die Israeliten nur ungesäuertes Brot essen durften. Es stellt sich also die Frage, ob der Verfasser der Apg eine Entsprechung zwischen der Verhaftung Jesu am Passa und der seines Jüngers andeutet. Der Verfasser der Apg (und des Lukasevangeliums) setzt nämlich das Fest der ungesäuerten Brote und die Opferung des Passalamms als Passafest gleich (vgl. Lk 22,1.7). Zu bedenken ist auch, dass an den Tagen der ungesäuerten Brote die Stadt Jerusalem voll von jüdischen Pilgern war. Die Misshandlungen erfolgten also in einer Zeit, in der die Menschenmenge in Jerusalem besonders groß und dazu noch in besonderem Maße für religiöse Belange sensibilisiert war.

 

Weiterführende Literatur: D. Marguerat 2003, 163-188 befasst sich mit dem intertextuellen Netz, das der Verfasser der Apg im Hinblick auf Apg 12 mittels Zitaten und Anspielungen knüpfe, und deutet Apg 12 auf Grundlage dieses Netzes. V. 1-5 liest D. Marguerat insbesondere mit Blick auf Texte aus dem Lukasevangelium (u. a. 23,13-25; 22,54).

 

R. W. Wall 1991, 628-643 vertritt die Meinung, dass insbesondere folgender Aspekt zur großen Bedeutung von Apg 12 im gesamten lukanischen Werk beitrage: In den V. 12-17 erzähle und billige Lukas den Übergang der Führung der frühesten Christen von der "apostolischen“ Leitung, deren Repräsentant Petrus sei, zur zweiten Generation christlicher Führungspersönlichkeiten, deren Repräsentanten Jakobus für das Judenchristentum und − in besonderem Maße − Paulus für das Heidenchristentum seien.

 

R. I. Pervo 1987, 62-63 weist darauf hin, dass in Apg 12,5-17 Komik und Spannung kunstvoll miteinander verwoben seien. Dies sei u. a. daran zu erkennen, dass Petrus am Passafest ("Tage der ungesäuerten Brote“), dem Fest der Befreiung aus der Gefangenschaft, ins Gefängnis geworfen und aus diesem wundersam befreit wird.

 

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V. 4

 

Beobachtungen: Es fällt auf, dass Jakobus ermordet oder hingerichtet wurde, ohne dass von einem Prozess die Rede ist. Petrus dagegen wurde zunächst ins Gefängnis geworfen und dort bewacht. Erst nach dem Passafest sollte der nächste Schritt unternommen, nämlich Petrus dem Volk vorgeführt werden. Dabei stellen sich zwei Fragen: Warum wurde Petrus nicht während des Passafestes dem Volk − gemeint dürfte das jüdische Volk sein (vgl. V. 11) − vorgeführt? Wie ist das öffentliche Vorführen zu denken? Die Antwort auf erstere Frage mag sich aus der Antwort aus der letzteren ergeben. Geht man davon aus, dass sich Herodes Agrippa I. noch nicht sicher war, wie er mit Petrus verfahren sollte, dann ist an ein öffentliches Gerichtsverfahren zu denken. Angesichts der zielgerichteten Aktion gegen Jakobus würde aber eine Unsicherheit beim Vorgehen gegen Petrus verwundern. Warum sollte Herodes Agrippa I. sogleich Jakobus ermorden (lassen) oder hinrichten (lassen), sich jedoch hinsichtlich des Schicksals des Petrus auf des Volkes Stimme verlassen und eine mögliche Freilassung riskieren? Nachvollziehbar wäre nur ein Schauprozess vor dem Volk, der der Abschreckung dienen sollte. Auch ist daran zu denken, dass nur die Hinrichtung vor dem Volk erfolgen sollte. Eine solche geplante Hinrichtung wäre auch eine Erklärung für die vorübergehende Gefangenschaft des Petrus. So fürchtete man bei einer Hinrichtung während des Passafestes einen Aufruhr des Volkes (vgl. Mk 14,2; Mt 26,5; Lk 22,2). Doch warum sollte man bei einer Hinrichtung des Petrus vor einem Aufruhr des Volkes Angst gehabt haben, wo doch gemäß V. 3 die Ermordung oder Hinrichtung des Jakobus bei den Juden Gefallen gefunden hatte? Am ehesten ist davon auszugehen, dass eine Ermordung oder Hinrichtung während des Passafestes als Entheiligung des Festes angesehen wurde und daher abgelehnt wurde, auch wenn man sie vor dem Passafest oder danach befürwortet hätte.

 

Der Begriff "tetradion“ bezeichnet eine aus vier Soldaten − dass es sich um Soldaten handelte, wird durch den unmittelbar folgenden Begriff "stratiôtês“ unterstrichen - bestehende Wachabteilung. Petrus wurde also an vier aus vier Soldaten bestehende Wachabteilungen übergeben. Warum reichte nicht eine Abteilung? Aus der spätantiken Abhandlung des Vegetius über das römische Militärwesen (de re militari 3,8) geht hervor, dass die insgesamt zwölfstündige Nachtwache in vier Abschnitte zu je drei Stunden geteilt wurde, weil man davon ausging, dass nur über diese begrenzte Zeit hinweg die Wachsamkeit der Wachtposten gewährleistet sein würde (vgl. Philo, In Flaccum 2,111). Insgesamt wären damit in einer Nacht 16 Soldaten mit der Bewachung des Petrus befasst gewesen. Daraus ist zu schließen, dass Herodes Agrippa I. zumindest über einen Teil der römischen Truppen Befehlsgewalt hatte. Dass der Verfasser der Apg auf die Beschaffenheit der Wache eingeht, mag damit zu begründen sein, dass er die Sorgfalt unterstreichen will, die man angesichts möglicher Befreiungsversuche seitens anderer Christen bei der Bewachung walten ließ. So erscheint die folgende Befreiung (vgl. 12,6-10) umso wundersamer.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 5

 

Beobachtungen: Das Adverb "ektenôs“ kann "andauernd“ oder "innig/eifrig“ bedeuten. Das Gebet von der Gemeinde (oder: Kirche) kann also andauernd oder innig gewesen sein. Möglicherweise ist auch beides zugleich: Seitens der Gemeinde geschah ein andauerndes, inniges Gebet. Welches der Inhalt des Gebetes war, bleibt offen. Vermutlich erbat die Gemeinde von Gott − ganz allgemein ausgedrückt − für Petrus Heil. Möglicherweise formulierte die Gemeinde ihr Gebet konkret, wobei sie die Befreiung oder Freilassung des Petrus erbeten haben dürfte.

Weiterführende Literatur: Zur literarischen Struktur von Apg 12,1-19 siehe W. Rakocy 1994, 39-45. Im Text komme V. 5 als dispositio eine Hauptrolle zu. Thematisch gehe es in den V. 1-19 um die Befreiung von Petrus, nicht um die Verfolgung der Christen.

 

D. R. MacDonald 2003, 122-145 sieht eine Parallele zwischen der Flucht des Paulus vor Herodes (Apg 12,1-17) und der Flucht Priams vor Achilles (Homer, Ilias 24). Die beste Erklärung für die Parallele(n) sei Nachahmung. D. Zoroddu 2009, 563-603 knüpft an die Untersuchung von D. R. MacDonald an, geht jedoch über den Aspekt der Nachahmung hinaus, indem sie sich traditionsgeschichtlichen Aspekten widmet. Die Anspielungen auf Homers Ilias seien nicht nur als literarischer Kniff zu verstehen, sondern hätten auch theologische Bedeutung: Fortsetzung und Erfüllung.

 

 

Literaturübersicht

 

Alkier, Stefan; Hinrichtungen und Befreiungen: Wahn − Vision − Wirklichkeit in Apg 12. Skizzen eines semiotischen Lektüreverfahrens und seiner theoretischen Grundlagen, in: S. Alkier u. a. [Hrsg.], Exegese und Methodendiskussion, Tübingen − Basel 1998, 111-134 (semiotische Lektüre von Apg 12)

Garrett, Susan R.; Exodus from Bondage. Luke 9:31 and Acts 12:1-24, CBQ 52/4 (1990), 656-680

Hintermaier, Johann; Die Befreiungswunder in der Apostelgeschichte: motiv- und formkritische Aspekte sowie literarische Funktion der wunderbaren Befreiungen in Apg 5,17-42; 12,1-23; 16,11-40, Rom 2000

Kratz, Reinhard; Rettungswunder: Motiv-, traditions- und formkritische Aufarbeitung einer biblischen Gattung (Europäische Hochschulschriften: Reihe XXIII, Theologie; Bd. 123), Frankfurt a. M. u. a. 1997

Longenecker, Bruce W.; Lukan Aversion to Humps and Hollows: The Case of Acts 11.27- 12.25, NTS 50/2 (2004), 185-204

MacDonald, Dennis R.; Does the New Testament Imitate Homer? Four cases from the Acts of the Apostles, London 2003

Marguerat, Daniel; Un jeu d’échos intertextuels. L’évasion de Pierre et la mort du tyran (Actes 12), in: D. Marguerat [éd.], Quand la bible se raconte, Paris 2003, 163-188

Parry, David T. N.; Release of the Captives: Reflections on Acts 12, in: C. M. Tuckett [ed.], Luke’s Literary Achievement (JSNTS 116), Sheffield 1995, 156-164

Pervo, Richard I.; Profit with Delight: The Literary Genre of the Acts of the Apostles, Philadelphia, Pennsylvania 1987

Radl, Walter; Befreiung aus dem Gefängnis. Darstellung eines biblischen Grundthemas in Apg 12, BZ NF 27/1 (1983), 81-96

Rakocy, W.; Struktura literacka Dz Ap 12,1-19, ColT 64/4 (1994), 39-45

Wall, Robert W.; Successors to "the Twelve“ according to Acts 12:1-17, CBQ 53/4 (1991), 628-643

Ziegler, Detlef; Dionysos in der Apostelgeschichte − eine intertextuelle Lektüre (Religion und Biographie / Religion and Biography 18), Münster 2008

Zoroddu, Donatella; Does the New Testament imitate Homer?, Athenaeum (Pavia), 97 (2009), 563-603

 

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