1 Kor 5,1-13
Übersetzung
1 Kor 5,1-13:1 Tatsächlich hört man von Unzucht unter euch, und zwar von solcher Unzucht, wie es sie nicht einmal unter Heiden gibt, dass jemand die Frau des Vaters hat. 2 Und ihr seid aufgeblasen und nicht vielmehr in Wehklage ausgebrochen, so dass der, der diese Tat vollbracht hat, aus eurer Mitte entfernt würde?! 3 Ich nämlich, der ich [zwar] nicht leiblich bei euch bin, doch mit dem Geist, habe schon, als wäre ich [persönlich] anwesend, das Urteil gefällt über den, der dies so getan hat: 4 Im Namen des Herrn Jesus sollt ihr, wenn ihr euch versammelt habt und mein Geist samt der Kraft unseres Herrn Jesus [bei euch ist], 5 den Betreffenden dem Satan übergeben - zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tage des Herrn. 6 Euer Ruhm ist nicht gut. Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? 7 Schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr neuer Teig seid, wie ihr ja ungesäuert seid. Denn auch unser Passalamm ist geopfert worden, Christus. 8 Darum lasst uns [das Fest] feiern, nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Schlechtigkeit und Bosheit, sondern mit ungesäuerten [Broten] der Lauterkeit und Wahrheit. 9 Ich habe euch in dem Brief geschrieben, dass ihr mit Unzüchtigen nichts zu schaffen haben sollt. 10 [Damit meinte ich] nicht allgemein die Unzüchtigen dieser Welt oder die Habgierigen und Räuber oder Götzendiener, denn sonst müsstet ihr ja aus der Welt auswandern. 11 Tatsächlich aber schrieb ich euch, dass ihr nichts zu schaffen haben sollt mit einem [Menschen], der sich "Bruder“ [oder "Schwester“] nennt und [dennoch] Unzucht treibt oder habgierig ist oder Götzen dient oder lästert oder säuft oder raubt; mit einem solchen [sollt ihr] nicht gemeinsam essen. 12 Denn was geht es mich an, "die draußen“ zu richten? Richtet nicht ihr "die drinnen“? 13 "Die draußen“ aber wird Gott richten. Entfernt den Bösen aus eurer Mitte!
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Beobachtungen: Hatte Paulus bisher von den Spaltungen in der Gemeinde gesprochen, so kommt er nun auf einen weiteren Kritikpunkt am Verhalten mancher korinthischen Gemeindeglieder zu sprechen: die Unzucht. Den neuen Kritikpunkt leitet er mit "holôs“ ein, was mit "tatsächlich“ oder "überhaupt“ übersetzt werden kann; die Übersetzung "allgemein/überhaupt“ ist sonst für das Wort nicht belegt und daher unwahrscheinlich. Vermutlich markiert der Begriff einen Übergang zu einem neuen Abschnitt.
Die Kritik an der Unzucht ist noch gravierender als diejenige an den Spaltungen, die durch die Wertschätzung der menschlichen statt göttlichen Weisheit verursacht werden. Manche der korinthischen Gemeindeglieder verhalten sich nicht nur wie die Heiden, sondern schlimmer als die Heiden: Eine solche Unzucht gibt es selbst bei den Heiden nicht. Ob diese Aussage tatsächlich die Realität widergibt oder ob sie die krasse Unchristlichkeit des Verhaltens betonen soll, ist fraglich.
Die Unzucht wird konkretisiert: Jemand hat die Frau seines Vaters. Dass er sie geheiratet hat ist möglich, wird jedoch nicht gesagt. Es scheint auch keine Rolle zu spielen, denn Geschlechtsverkehr mit der Frau des Vaters ist laut Paulus grundsätzlich verboten. Eine Begründung fügt Paulus nicht hinzu, was darauf schließen lässt, dass das Verbot den Korinthern bestens bekannt ist. Doch woher? Am ehesten kommt das AT in Frage, dessen Inhalte wohl zumindest einem Teil der Gemeindeglieder Korinths geläufig gewesen sein dürften. So war Krispus, den Paulus laut 1 Kor 1,14 getauft hat, möglicherweise der Synagogenvorsteher von Korinth. Verboten wird der Geschlechtsverkehr mit der "Frau des Vaters“ in Lev 18,7-8; 20,11; Dtn 23,1; 27,20.
Die Formulierung "Frau seines Vaters“ bezeichnet nicht die Mutter des Übeltäters, sondern dessen Schwiegermutter. Dass Paulus nicht den Begriff "mêtruia/mêtruiê“ ("Stiefmutter“) benutzt, legt nahe, dass er sich auf die oben genannten atl. Stellen bezieht, in denen von der "Frau seines Vaters“ die Rede ist.
Ob die Schwiegermutter eine Christin ist, bleibt offen. Es dürfte eher unwahrscheinlich sein, weil im Folgenden nur der Schwiegersohn im Mittelpunkt steht.
Weiterführende Literatur: Eine sozio-rhetorische Analyse von 1 Kor 4,14-5,13 bietet C. A. Wanamaker 2006, 339-364. Bevor Paulus auf das gewichtige ethische Problem 1 Kor 5 zu sprechen komme, sei er angesichts der Umstände dazu gezwungen, bei den Korinthern seine Autorität wieder herzustellen (vgl. 1 Kor 1-4).
Zu Fragen der Sexualität im christlichen Leben in 1 Kor 5-7 siehe A. S. May 2004, der auf S. 58-80 auf 5,1-13 eingeht.
B. Fiore 1990, 135-143 vergleicht die Thematisierung der Leidenschaft in 1 Kor 5-6 mit derjenigen in Plutarchs Polemik gegen die Epikureer.
Laut B. Paschke 2007, 169-192 gäben weder 1 Kor 5,1 noch 1 Thess 4,5 den korrekten historischen Sachverhalt wieder, sondern Paulus übertreibe in beiden Fällen: Die Bewertung griechisch-römischer Sexualethik falle in 1 Kor 5,1 zu positiv aus, in 1 Thess 4,5 zu negativ. Zu letzterem Vers sei anzumerken, dass nicht alle Heiden Sexualpraktiken ausgeübt hätten, die christlicher Sexualmoral widersprachen. Vielmehr habe es durchaus sowohl Intellektuelle als auch dem einfachen Volk angehörende Menschen gegeben, die einer Sexualethik folgten, die derjenigen des Paulus entsprachen.
R. Trevijano Etcheverría 1991, 129-153 betrachtet 1 Kor 5-6 im Licht des Kontextes. Mittels der Erwähnung des konkreten Falls von Unzucht verbinde Paulus die Anprangerung der Selbstgerechtigkeit der Adressaten mit der Warnung davor, von übermäßiger Wertschätzung der Enthaltsamkeit hin dem anderen Extrem, dem Libertinismus, zu verfallen. Dabei handele es sich um eine potenzielle Gefahr, gerade angesichts eines möglichen Rückfalls in heidnische Sitten. Paulus selbst schätze zwar im Hinblick auf das nahe Weltende die Enthaltsamkeit, verteidige jedoch auch die Ehe.
W. Deming 1996, 289-312 setzt sich kritisch mit der These auseinander, dass in 1 Kor 5-6 Paulus den sexuellen Libertinismus in Korinth anprangere. Dagegen spreche jedoch, dass es in historischen Quellen keine eindeutigen Hinweise auf libertinistische Bewegungen und Theologien gebe und außerdem bei einer solchen Interpretation unklar bleibe, wie 6,1-11 mit sexuellem Libertinismus in Verbindung zu bringen ist. Folglich sei eher anzunehmen, dass Paulus einen bestimmten Fall von Unzucht anprangert, den einige Gemeindeglieder erfolglos von öffentlichen Gerichten haben verurteilen lassen wollen.
G. Harris 1991, 1-21 untersucht die Kirchenzucht von 1 Kor 5 auf der Basis von verschiedenen soziologischen Modellen.
G. Sellin 1991, 535-558 analysiert 1 Kor 5-7 literarkritisch. Er geht von einer Kombination von drei ursprünglichen Schreiben aus: a) Vorbrief: 11,2-34; 5,1-8; 6,12-20; 9,24-10,22; 6,1-11; b) Antwortbrief: 5,9-13; 7,1-9,23; 10,23-11,1; 12,1-16,24; c) 1,1-4,21.
M. Lattke 1994, 29-55 fragt nach der Identität des Unzüchtigen. Er vermutet, dass es sich um einen Angehörigen des medischen bzw. persischen Stammes der Mager handeln könnte. Bei den Magern habe das Inzesttabu bzw. die Inzestscheu nicht existiert. Korinth werde zwar in den Quellentexten, die von der Präsenz der Mager u. a. in Kleinasien und Ägypten redeten, nicht genannt, doch könnte auch im frühchristlichen Korinth die eine oder andere Familie bzw. ethnische Gruppe von Magern gelebt haben.
C. S. de Vos 1998, 104-114 vertritt von römischem Recht und römischen Sitten ausgehend die Meinung, dass es sich bei der "Frau des Vaters“ nicht − wie oft angenommen − um die Stiefmutter des Unzüchtigen handele, sondern um die Konkubine des Vaters. Eine solche Beziehung sei zwar ungewöhnlich gewesen, aber nicht als ungesetzlich oder unmoralisch empfunden worden. Paulus jedoch habe den Unterschied nicht verstanden und den Fall als Unzucht angesehen.
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Beobachtungen: Paulus stellt nun das tatsächliche Verhalten der Adressaten dem geforderten gegenüber.Die korinthischen Gemeindeglieder sind aufgeblasen, d. h. sie halten sich selbst für geistlich "vollkommen“, übersehen dabei aber selbst gravierende Vergehen in ihrer Mitte. Eigentlich hätten sie in Wehklage ausbrechen müssen, und zwar darüber, dass nun ein Heiliger wegen seiner Tat aus ihrer Mitte entfernt werden muss. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Warum spricht Paulus von Wehklage, die über eine stille, innerliche Traurigkeit hinausgeht? Es ist davon auszugehen, dass ein Ausschluss aus der Gemeinde existenzielle Folgen für das Heil des Übeltäters hat. Laut 1 Kor 3,17 verdirbt Gott nämlich jeden, der den Tempel Gottes - gemeint ist die Gemeinde - verdirbt. Da ist ein für alle vernehmbares Wehklagen durchaus angebracht.
Dass Paulus angesichts des konkreten Falls der Unzucht den Ausschluss aus der Gemeinde fordert, lässt annehmen, dass er nicht davon ausgeht, dass der Übeltäter von seinem Vergehen ablässt.
Weiterführende Literatur: Mit der Kohärenz der Argumentation 1 Kor 5,1-13 und mit der Herkunft der Argumente befasst sich J. F. M. Smit 2004, 131-143. Paulus folge dem Muster der "Ausarbeitung einer These“ (V. 2b), die zu den üblichen Übungen an den hellenistischen Schulen gehört habe. Der Text des Paulus lasse beachtliche rhetorische Fähigkeiten erkennen. Die Argumente stammten alle aus der jüdischen Lebens- und Denkweise. Die Form der paulinischen Argumentation sei also griechisch, der Inhalt jedoch jüdisch. Aus 1 Kor 5,1-13 sei zu schließen, dass die jüdische Lebensweise − zumindest in diesem konkreten Fall − auch für nichtjüdische Christen Gültigkeit habe. Ähnliches stellt J. F. M. Smit 2004, 344-360 auch für 6,1-11 fest.
M. D. Goulder 1999, 334-348 geht auf das Paradox ein, dass in 1 Kor 5,1-13 und 6,12-20 die korinthischen Gemeindeglieder als Libertinisten erscheinen, nach deren Meinung alles erlaubt sei, in Kap. 7 dagegen als sexuelle Asketen, die von anderen eine ebenso strenge Enthaltsamkeit gegenüber der Sexualität erwarten wie von sich selbst. Dieses Paradox lasse sich mittels folgender Annahmen erklären: Entweder sei die Interpretation von 5,1-13 und 6,12-20 oder die Interpretation von Kap. 7 verkehrt. Oder das Paradox wird mittels einer Harmonisierung der Interpretationen als scheinbares Paradox entlarvt. M. D. Goulder vertritt die Ansicht, dass die korinthischen Gemeindeglieder keine Libertinisten seien. Dass sie die Unzucht in dem einen Fall dulden, hänge damit zusammen, dass es sich bei dem Übeltäter um ein wichtiges Gemeindeglied handele.
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Beobachtungen: Das, was die korinthischen Gemeindeglieder versäumt haben, hat der zwar körperlich abwesende, aber geistig bei den Adressaten anwesende Paulus schon getan: Er hat über den Übeltäter das Urteil gefällt. Dabei fällt auf, dass Paulus wie ein Richter auftritt, der an Christi statt auf Erden richtet. Die Klarheit des paulinischen Urteils entspricht der Klarheit des schweren Vergehens. Es gibt keinen Zweifel daran, dass der Schuldige aus der Gemeinde zu beseitigen ist.
Der Aorist "getan hat“ lässt annehmen, dass der Geschlechtsverkehr mit der "Frau seines Vaters“ kein ständig wiederholtes, sondern ein einmaliges oder zumindest in der Anzahl eng begrenztes Vergehen war, und darüber hinaus abgeschlossen ist. Bei einer ständigen Wiederholung wäre ein Imperfekt zu erwarten gewesen. Das in der Vergangenheit geschehene Vergehen hat als Folge, dass der Mann seine Schwiegermutter nun "hat“ (vgl. V. 1). Der Geschlechtsverkehr hat also eine Art Besitzverhältnis bewirkt.
Weiterführende Literatur: Mit der Satzstruktur von 1 Kor 5,3-5 in der sahidischen Übersetzung des NT befasst sich C. Blumenthal 2004, 280-283.
E. Bammel 1997, 107-110 befasst sich mit dem Selbstverständnis des Paulus im Hinblick auf das Unzuchtsverfahren. Paulus sehe sich wie ein Teilnehmer der einzuberufenden Versammlung, obwohl er nicht anwesend sein werde. Darüber hinausgehend bringe erst Paulus die Freveltat, die allen bekannt sei, zur Kenntnisnahme derjenigen, die das Recht wahren und mache damit ein Verfahren anhängig. Paulus sei zwar kein Zeuge, wirke aber dennoch in erheblichem Maße an dem Verfahren mit. Paulus handele, wie es in anderen Rechtssystemen nicht unüblich sei, etwa wie der princeps senatus in Rom oder wie Alexander bei der Gerichtssitzung über die Mörder seines Vaters : ein Einzelner lege seine Meinung dar, die von Gewicht sei, ohne doch dem Gerichtshof ein Maß der Entscheidungsfreiheit zu nehmen. Paulus’ Votum solle richtunggebend sein, doch liege die letzte Entscheidung bei der Gemeinde.
Auf verschiedene Aspekte der Gemeindezucht in Korinth angesichts des gravierenden Falles von Unzucht geht J. T. South 1992, 23-88 ein.
Sein Anathema, das Paulus nicht in 1 Kor 5,1-13, wohl aber in 1 Kor 16,22 und Gal 1,8 ausspreche, sei laut N. Baumert 1992, 189-198 kein weltliches Urteil, sondern eine Abgrenzung gegen Irrlehrer, um die Wahrheit des Evangeliums zu schützen. Theologisch sei es ein "Dienst des Verurteilens“ analog dem des Mose (vgl. 2 Kor 3,9).
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Beobachtungen: Es ist fraglich, ob "im Namen des Herrn“ oder "im Namen unseres Herrn“ zu lesen ist.
Auch ist unklar, worauf sich "im Namen des/unseres Herrn“ bezieht. In Frage kommen: a) Bezug auf "ich...habe...das Urteil gefällt“ ("kekrika“); b) Bezug auf "der dies so getan hat“; c) Bezug auf "wenn ihr euch versammelt habt“; d) Bezug auf "sollt ihr ... übergeben“. Gegen Möglichkeit a spricht, dass das Verb "kekrika“ räumlich weit von "im Namen des/unseres Herrn“ entfernt steht. Gegen b spricht, dass der Übeltäter sein Vergehen wohl kaum im Namen des Herrn getan hat, und gegen c, dass der ganze Ausdruck angesichts des folgenden "und mein Geist samt der Kraft unseres Herrn Jesus [bei euch ist]“ überladen wirkt. Am wahrscheinlichsten ist Möglichkeit d, auch wenn dieser Bezug aufgrund des langen eingeschobenen genitivus absolutus keineswegs eindeutig ist.
Paulus legt dar, was die geforderte Handlungsweise der korinthischen Gemeindeglieder angesichts seines schon gefällten Urteils ist: Zunächst sollen sie sich alle versammeln, wobei Paulus’ Geist samt der Kraft des Herrn Jesus bei ihnen ist. Dieses Beisein bewirkt, dass die Gemeindeversammlung kein eigenmächtiges und willkürliches Urteil, sondern eines in der Kraft Jesu Christi spricht. Jesus Christus ist der Herr, dem jede Entscheidung der Gemeinde Rechenschaft schuldig ist. Dies gilt auch für die Anordnungen des Paulus, der zwar nicht körperlich anwesend sein kann, jedoch mit seinem Geist.
Weiterführende Literatur: G. J. Steyn 1996, 479-490 geht der Frage nach, warum betont wird, dass der Name des Herrn Jesus Christus angerufen wird. Welche Bedeutung kommt dem Zusatz "der Name“ zu? G. J. Steyn behandelt die einzelnen Textbelege im Ersten Korintherbrief, wobei er auf S. 485-487 auf 5,4 eingeht. Zunächst gibt er einen Überblick über Möglichkeiten der grammatischen Zuordnung von "im Namen“. Dann wendet er sich der Stadt Korinth zu und macht deutlich, dass dort unmoralische Praktiken verbreitet gewesen seien. Schließlich legt er die Bedeutung von "im Namen des (Herrn Jesus)“ dar: gemeint sei "im Namen von / stellvertretend für“.
Zum Namen Jesu Christi als Vergegenwärtigung der Kraft Jesu Christi äußert sich A. Ruck-Schröder 1999, 77-78.
Zur Verbindung der Gegenwart des erhöhten Herrn mit der Kraft seines Geistes inmitten der betenden Gemeinde siehe P. Gräbe 2000, 71-74.
G. A. Cole 1987, 205 macht sich Gedanken, wie die Formulierung "mein Geist…bei euch ist“ gemeint sein könnte und weist auf die Möglichkeit hin, dass die Anwesenheit in Korinth eine autoritativ-verbale sein könne, die im geschriebenen Urteil ihren Ort habe.
S. Vollenweider 1996, 163-192 geht der − anthropologisch zugespitzten − Frage nach, wie der Geist (pneuma) zum eigentlichen identitätsstiftenden Selbst der Glaubenden werden und doch die fremde, unverfügbare Sturmgewalt sein kann, in welcher der heilige Gott unnahbar über seiner Schöpfung waltet. Dabei geht er auf S. 181-182 auch auf 1 Kor 5,1-5 ein. Die uneigentlich gemeinte Anwesenheit des Briefschreibers werde spätestens in V. 4 so massiv überboten, dass man beim Geist kaum mehr an die seelisch/geistige Komponente als solche zu denken habe, sondern an das pneumatische Selbst des Apostels, das buchstäblich zusammen mit der Kraft (dynamis) des "Herrn“ in der Gemeindeversammlung gegenwärtig werde, um den Sünder dem Satan zu übereignen. Zweitens diene der vom Geist des Apostels mitvollzogene Ausschluss aus der Gemeinde der Rettung eines anderen Geistes, nämlich desjenigen des Betroffenen. Der vor der Vernichtung bewahrte Geist bewahre gerade das, was die spezifische Individualität des Betreffenden vor Gott ausmacht. Entscheidend sei die elementare Bezogenheit dieses pneumatischen Selbst auf die Errettungstat Gottes.
H. K. Nielsen 1980, 137-158 definiert den Begriff "Kreuzestheologie“ als Verwirklichung der Christuszugehörigkeit allein in Schwachheit; dem Gekreuzigten nachfolgen sei also eine Nachfolge in der Sphäre Gottes. H. K. Nielsen geht der Frage nach, inwieweit die so definierte Kreuzestheologie eine haltbare Deutung der paulinischen Auffassung ist. Verhält es sich wirklich so, dass Gottes Macht und Herrlichkeit allein im Leiden und in den Bedrängnissen unter dem Vorzeichen des Kreuzes zum Ausdruck kommen? Um diese Frage zu beantworten, untersucht H. K. Nielsen Paulus’ Verwendung des Begriffs "dynamis“ ("Macht/Kraft“). Zu 1 Kor 5,4 merkt er auf S. 147-148 an, dass auch diesem Vers zufolge die Kraft/Macht Gottes nicht in Schwachheit und Leiden, sondern gerade umgekehrt im machtvollen Auftreten und Einschreiten zum Ausdruck komme.
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Beobachtungen: Dann soll der Betreffende, der Unzüchtige, nicht nur aus der Gemeinde ausgeschlossen, sondern dem Satan übergeben werden. Damit geht er vom Machtbereich Jesu Christi in den Machtbereich des Satans über.
Wie die Übergabe zu erfolgen hat, sagt Paulus nicht, sondern er setzt entsprechendes Wissen voraus.
Es erstaunt, dass Paulus davon ausgeht, dass der Satan nur Macht über den Körper des Unzüchtigen Macht hat, nicht jedoch über dessen Geist. Denn, so schreibt er, dieser wird als Folge des Übergabeaktes gerettet werden.
Doch ist überhaupt von dem Fleisch und Geist des Unzüchtigen die Rede oder geht es nicht vielmehr - worauf das Fehlen von Possessivpronomen hinweist - allgemein um "das Fleisch“ und "den Geist“?
Sollte ersteres der Fall sein, dann würde sich die Frage stellen, warum der Geist des Unzüchtigen gerettet wird, obwohl er aus der Heilsgemeinschaft ausgestoßen worden ist. Laut 1 Kor 3,17 wird ja von Gott verdorben, wer den Tempel Gottes, die Gemeinde, verdirbt. Eine Erklärung könnte sein: Wäre der Unzüchtige in der Gemeinde geblieben, so hätte er sie verdorben und er hätte das Verderben seines Geistes zu erwarten gehabt. Durch den Ausschluss und der Entfernung aus der Mitte der Gemeinde hat er jedoch keinen Einfluss mehr auf sie, woraus man schließen kann, dass aus diesem Grund nur das Verderben des Fleisches, aber nicht das Verderben des Geistes des Unzüchtigen erfolgt. - Dieser Schluss ist jedoch insofern fraglich, als die Heilsbedeutung der Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde in Frage gestellt wird. Eine solche Infragestellung wäre zumindest für den Paulus des Ersten Korintherbriefes untypisch. Möglich ist, dass Paulus von der unaufhebbaren Wirkung der Taufe ausgeht, doch würde dies u. a. der absoluten Formulierung 1 Kor 3,17 widersprechen. Bleibt die Annahme, dass sich der Übeltäter im Machtbereich des Satans aufgrund des Verderbens des Fleisches, das vielleicht körperliche Schmerzen und Leid meint, wieder bekehrt und zur christlichen Gemeinschaft zurückkehrt. Für eine solche Bekehrung und Rückkehr gibt es jedoch im Text keinen Anhaltspunkt. Oder hat körperliche Züchtigung Gerichtscharakter (vgl 1 Kor 11,32), so dass eine Bekehrung und Umkehr nicht mehr nötig wäre?
Wahrscheinlicher ist, dass Paulus generell vom Verderben des Fleisches und von der Rettung des Geistes spricht, und zwar nicht im Sinne eines Leib-Seele/Geist-Dualismus, der davon ausgeht, dass die Seele den leiblichen Tod überlebt. Wer des Geistes ist, wird gerettet, wer des Fleisches ist und Unzucht treibt, wird verdorben. Damit nicht auch die Menschen, die des Geistes und damit Christi sind, vom Unzüchtigen "kontaminiert“ werden und damit Gefahr laufen, dem Unheil zu verfallen, soll der Unzüchtige aus der Mitte der Gemeinde entfernt werden. Durch den Übergabeakt wird er der fleischlichen Welt des Satans übergeben. Wer sich dem Geist hingibt, gehört dem Machtbereich Christi an und hat am Tag des Herrn Heil zu erwarten; wer sich dem Fleisch, also der Unzucht, hingibt, gehört dem Machtbereich des Satans an und hat Verderben zu erwarten.
Es fällt auf, dass Paulus in 1 Kor 5,5 ausschließlich das Heil dem Tag des Herrn zuordnet, nicht aber das Verderben. Das Heil am Tag des Herrn ist das Ziel, zu dessen Erreichen die Aussagen des Paulus beitragen sollen. Sicher haben das Heil nur diejenigen Christen zu erwarten, die nicht vom Fleischlichen verdorben werden. Was mit dem Unzüchtigen bei der Wiederkunft des Herrn geschieht, bleibt offen und scheint auch nicht im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Hätte jedoch sein Geist die Rettung zu erwarten, so würde sich die Frage stellen, warum die Gemeindeglieder laut V. 2 angesichts seiner Verfehlung in Wehklagen ausbrechen sollen. Dass eine Wehklage nur aufgrund zu erwartender körperlicher Züchtigungen erfolgen sollte und nicht wegen existenziellerer Heilsgefährdung, ist eher unwahrscheinlich.
Weiterführende Literatur: A. Y. Collins 1980, 251-263 befasst sich mit dem in 5,1-13 geforderten Gemeindeausschluss und geht dabei auf verschiedene exegetische Probleme ein. Sie hebt die magischen Aspekte der Übergabe an den Satan hervor und kommt hinsichtlich des Gemeindeausschlusses zu dem Ergebnis, dass es Paulus wesentlich um die Heiligung der Gemeinde angesichts der Gegenwart des heiligen Geistes gehe. Der Unzüchtige habe am Ende der Tage das physische Verderben und auch sonst kein Heil zu erwarten. Der Begriff "Fleisch“ stehe einerseits für den Körper, darüber hinausgehend aber auch für eine bestimmte widergöttliche Lebenshaltung. Zwar seien Buße und Wiedereingliederung des Unzüchtigen möglich, doch sei beides im gegebenen Text nicht im Blick.
V. C. Pfitzner 1982, 34-55 untersucht die Grundlage und Beschaffenheit des "Gesetzes“ des Ausschlusses in Mt 18,15-18 und 1 Kor 5,1-5, fragt nach der Beziehung der beiden Texte zueinander und bietet abschließend Schlussfolgerung für das kirchliche Leben in der heutigen Zeit.
L. A. Johnson 1999, 145-155 meint, dass die paulinische Rede vom Satan nicht darauf zurückzuführen sei, dass Paulus eine dualistische Kosmologie vertrete. Vielmehr sei die Rede vom Satan weitgehend auf den Briefverkehr mit den Korinthern beschränkt und entspringe dem sozialen Konflikt um Paulus’ Autorität in Korinth.
V. G. Shillington 1998, 29-50 vertritt die Ansicht, dass die Schärfe von V. 5 auf dem Hintergrund biblisch-jüdischer Sühnetheologie zu verstehen sei. Gemäß dieser werde ein sündentragendes Opfer an ein in der Wüste lebendes Wesen, Asasel, übergeben, um Israel von seinen Sünden zu reinigen.
P. W. Macky 1994, 151-168 geht im Rahmen seiner genaueren Bestimmung des in 1 Thess 2,16 erwähnten Zornes Gottes auch auf den Satan ein. Paulus folge der in Ijob 1-2 geäußerten Vorstellung vom Satan als göttlichem Mittler, der die Menschen versuche und leiden lasse. Entgegen der sich im zeitgenössischen Judentum durchsetzenden Annahme, dass der Satan ein mächtiger Widersacher Gottes sei, bleibe er bei Paulus Gott unterstellt. P. W. Macky macht auf S. 156-158 deutlich, dass der Satan in 1 Kor 5,5 die Rolle eines Vernichters innehabe. Ähnlich zur Stellung des Satans K.-H. Ostmeyer 2002, 43.
M. Klinghardt 1997, 61-64 geht im Rahmen seines Zeitschriftenartikels über Sünde und Gericht von Christen bei Paulus auch auf 1 Kor 5,5 ein. Verschiedene Analogien aus magischen Texten legten nahe, dass die "Übergabe an den Satan“ kein geistiger Akt ist, sondern einen leiblichen Schaden für den Betroffenen impliziert, der durchaus den Tod miteinschließen könne. Strittig sei jedoch, welcher Geist als Folge dieser Übergabe gerettet werden soll. Zwei Deutungen würden diskutiert: a) Der Geist der Gemeinde solle gerettet werden. Problem: Zu dieser Deutung passt nicht, dass die Rettung erst am Ende der Tage erfolgen soll. b) Der Geist des Unzüchtigen soll gerettet werden. "Geist“ wäre dann die Instanz, die die Identität des christlichen Individuums verbürgt. Die beiden Deutungen schlössen einander nicht aus: Wenn Paulus sich primär an die Gemeinde wende, an deren Reinheit er interessiert sei und deren Duldung der Unzüchtigen er kritisiere, so könne das die Bestrafung des Sünders mit der Perspektive seiner endzeitlichen Rettung mit einschließen.
J. T. South 1993, 539-561 setzt sich kritisch mit der These auseinander, dass Paulus über den Unzüchtigen einen Fluch ausspreche, in der Erwartung, dass dieser nach der Übergabe an den Satan sterbe. Bei dieser Deutung werde das "Fleisch“ mit dem fleischlichen Körper gleichgesetzt. J. T. South geht dagegen vielmehr davon aus, dass der Unzüchtige aus der Gemeinde ausgeschlossen werden solle, in der Hoffnung, dass er sich wiedergewinnen lässt und dass die Gemeinde vor dem frevelhaften Verhalten geschützt werden kann.
B. Campbell 1993, 331-342 gibt zunächst einen Überblick über die Interpretationsvorschläge zu V. 5. Er selbst interpretiert den Vers unter rhetorischen Gesichtspunkten. Ergebnis: Das "Fleisch“, die selbstgerechte Orientierung, solle nicht mehr für die Gemeinde bestimmend sein. Indem der "alte Sauerteig“, die Schlechtigkeit und das Böse, beseitigt wird, werde die Gemeinde von Aufrichtigkeit und Wahrheit geprägt. So werde der durch den heiligen Geist bewirkte heilige Charakter der Gemeinde gerettet, nicht jedoch der "Geist“ des Übeltäters. Auch N. G. Joy 1988, 429-436 vertritt die Ansicht, dass das "Fleisch“ nicht den fleischlichen Körper meine. Vielmehr könne "Fleisch“ wie auch "Geist“ den ganzen Menschen bezeichnen. Nicht der Körper des Unzüchtigen solle vernichtet werden, sondern seine Neigung zu sündigen.
J. M. Gundry Volf 1990, 113-120 fragt, inwiefern Paulus hoffe, dass der Unzüchtige letztendlich gerettet werde. Ergebnis: Paulus gehe davon aus, dass durch die Buße des Unzüchtigen die Rettung herbeigeführt werde. Die Buße könne aufgrund der Zerstörung von Stolz und Lust oder auch aufgrund von körperlichem Leiden erfolgen. Die Rettung müsse nicht erst am Ende der Tage erfolgen, sondern es könne auch gemeint sein, dass nicht die Bestrafung das letzte Wort habe, sondern die Rettung.
K.-H. Ostmeyer 2002, 38-45 befasst sich mit der Verbindung von Satan und Passa. Dabei geht er davon aus, dass 1 Kor 5 einen geschlossenen motivischen Gesamtentwurf biete. Alle Einzelelemente − auch der Satan − seien der Passathematik unterzuordnen. Im Hinblick auf die Wirkungsgeschichte von V. 5 macht K. H. Ostmeyer deutlich, dass sich die Inquisition vornehmlich auf diesen Vers berufen habe und mit ihm Folter und Exekutionen begründet habe.
Die Bedeutung des Begriffs "Geist“ in V. 5 hat S. D. McArthur 1980, 249-256 zum Thema. Der Aufsatz bietet u. a. einen Überblick über verschiedene Thesen, wobei S. D. MacArthur selbst die Meinung vertritt, dass der "Geist“ die verdammte Person insofern repräsentiere, als sie nach dem Tod im Totenreich weiter existiere. Darin oder von dort werde sie zum Jüngsten Gericht gerufen.
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Beobachtungen: Paulus macht nun deutlich, warum es notwendig ist, den Unzüchtigen aus der Mitte der Gemeinde zu beseitigen: Andere Gemeindeglieder werden "angesteckt“, sollte keine Beseitigung erfolgen. Wie die Ansteckung, die Kontamination, erfolgt, wird nicht gesagt. Fangen auch andere Gemeindeglieder mit Unzucht an? Oder werden auch andere vom Verderben des Fleisches, von körperlichem Leid betroffen? Oder hat die Ansteckung Folgen für das Heil am Ende der Tage? Grundsätzlich lässt sich sagen: Die Bagatellisierung und Duldung des konkreten gravierenden Falles von Unzucht gefährdet - wie auch immer - das Heil der anderen Gemeindeglieder.
Dieser Tatsache sind sich die Korinther nicht wirklich bewusst, wie die vorwurfsvolle Frage zeigt. Sie rühmen sich selbst, doch ist dieser Ruhm nicht gut, wie Paulus deutlich macht. Er bewirkt nämlich Blindheit gegenüber den Gefahren für das eigene Heil, die von schwerwiegendem Fehlverhalten innerhalb der Gemeinde ausgehen.
Paulus benutzt das Bild vom Sauerteig, der den ganzen Teig durchsäuert, weil es besonders eingängig und den Adressaten anscheinend geläufig ist. Dass er auf ein Bild aus dem jüdischen religiösen Leben zurückgreift, lässt annehmen, dass die Adressaten größtenteils mit jüdischen Bräuchen vertraut sind. Vermutlich waren einige von ihnen früher Juden.
Weiterführende Literatur: H.-J. Klauck 1983, 109 geht im Rahmen seines Aufsatzes zur kultischen Symbolsprache bei Paulus auch kurz auf den Sauerteig als antikes Sinnbild der Verderbnis und auf Christus das Paschalamm ein.
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Beobachtungen: Der Unzüchtige wird mit altem Sauerteig gleichgesetzt, die Christen, die sich nicht ein solch schweres Vergehen zuschulden haben kommen lassen, mit neuem, ungesäuertem Teig. Es fällt die Gegenüberstellung von alt und neu auf.
Sauerteig entsteht, indem man Wasser und Mehl zu einem dünnflüssigen Brei zusammenmischt und diesen im Warmen stehen lässt. Wenn man jeden Tag wieder etwas Mehl und Wasser zusetzt und durchrührt, beginnt die Masse zu gären und Hefe zu bilden. Nach einigen Tagen entsteht dann ein wohlriechender Sauerteig, der zum Brotbacken verwendet werden kann. Aufgrund der recht aufwändigen Herstellung wird meistens etwas Sauerteig an einem kühlen Ort aufbewahrt, um ihn beim nächsten Backen gleich zur Verfügung zu haben. Da die Entstehung von Sauerteig auf Gärung beruht, kann es leicht geschehen, dass die angesetzte Masse umkippt und ungenießbar wird. Für das Backen eines Brotes ist nur wenig Sauerteig nötig. Er wird dem Brotteig beigemischt und sorgt dafür, dass dieser zu einem großen, lockeren Laib aufgeht. Ohne ein solches Treibmittel entsteht ein hartes Fladenbrot.
Den alten, gesäuerten Teig gilt es wegzuschaffen. Das Verb "ekkathairô“ kann auch mit "reinigen/säubern“ übersetzt werden, so dass sich folgende Gleichung aufstellen lässt: gesäuert = alt = unrein; ungesäuert = neu = rein. Für die christliche Existenz bedeutet dies, dass sie neu und rein sein soll. Unzucht gehört dagegen zur alten, unreinen Existenz, wie sie für die Heiden charakteristisch ist.
Paulus bringt die Aussagen zum ungesäuerten und gesäuerten Teig ausdrücklich mit dem Passalamm und damit auch mit dem Passafest in Verbindung. Der Hintergrund ist wie folgt: Gemäß Ex 12,15.19; 13,7 muss in der Passazeit sieben Tage lang aller Sauerteig aus den jüdischen Häusern entfernt sein; in dieser Zeit dürfen nur ungesäuerte Brote (Mazzen) gegessen werden.
Das Passalamm wird gleich zu Beginn des Festes am 14. Nissan geschlachtet. So wie die Juden ein Passalamm schlachten, so ist auch Christus als Passalamm geschlachtet worden. Welchen Charakter der Opfertod Christi hat, wird nicht gesagt. Es wird nur deutlich, dass er gemäß Paulus der Grund dafür ist, dass die Christen alles Gesäuerte aus ihrer Mitte fortschaffen sollen. Laut Ex 23,18 geht die Beseitigung des Gesäuerten jedoch dem Opfer des Passalamms voraus, denn gemäß dieser Bibelstelle sollen die Israeliten das Blut des Passaopfers nicht zugleich mit dem Sauerteig opfern. Dass Paulus diesem feinen Unterschied keine Beachtung schenkt, ist damit zu erklären, dass er die Gemeinde in einem ständigen Passa-Zustand sieht, der immer wieder neu die Entfernung des Gesäuerten notwendig macht.
Weiterführende Literatur: P. Colella 1986, 197-218 geht auf das Paschafest und das Fest der ungesäuerten Brote gemäß dem AT, dem NT und den apostolischen Vätern ein und interpretiert darauf aufbauend V. 7. Fazit: Es sei nicht "E infatti la nostra pasqua, Cristo, fu immolata”, sondern “Al tempo della nostra pasqua, Cristo fu immolato” zu übersetzen. Bei to pascha hêmôn handele es sich um einen temporalen Akkusativ. Christus sei also nicht als "unser Passa(lamm)“ geopfert worden, sondern zur Zeit "unseres Passas“.
H. Buchinger 2000, 238-264 befasst sich mit 1 Kor 5,7 als opfertheologischem Lieblingstext des Origenes. Dabei sei die merkwürdige Ambivalenz festzustellen, dass das Pascha zwar für Origenes selbstverständlich ein Opfer ist, ihn aber Darlegungen über das Opferverständnis nicht notwendig zur Paschathematik hinführen. In der Untersuchung von H. Buchinger kommen zunächst jene beiden Texte zur Sprache, in denen sich Origenes ausdrücklich und systematisch mit den exegetischen und theologischen Problemen auseinandersetzt, die die paulinische Identifikation Christi mit den geopferten Pascha(lamm) aufwirft. Anschließend wird nach dem Sitz dieser Auseinandersetzung im Leben der Gemeinde des Origenes gefragt. In den abschließenden systematischen Überblick gehen dann auch jene Texte ein, in denen Origenes aus anderem Anlass auf den paulinischen Vers zu sprechen kommt.
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Beobachtungen: Weil Christus als das Passalamm der Christen geopfert wurde, fordert Paulus zum Feiern des Passamahles bzw. Festes der ungesäuerten Brote auf. Gefeiert wird auf jeden Fall, es stellt sich nur die Frage wie. Der "alte Sauerteig“ steht für die alte Existenz, die derjenigen vor der Taufe entspricht. Der "alte Sauerteig“ ist nicht mit dem "Sauerteig der Schlechtigkeit und Bosheit“ gleichzusetzen, denn beide stehen nebeneinander. Allerdings werden beide abgelehnt, denn Paulus ist der Ansicht, dass das Fest mit den "ungesäuerten Broten der Lauterkeit und Wahrheit“ gefeiert werden solle. Diese stehen für die von Lauterkeit und Wahrheit geprägte Existenz nach der Taufe. Paulus definiert die Begriffe nicht weiter. Gemeint sein dürfte ein aufrichtiges Leben ohne Lug und Trug und größere Verfehlungen beispielsweise sexueller Art.
Ob Paulus den Brief in zeitlicher Nähe zum Passa- bzw. Osterfest verfasst hat, lässt sich nicht nachweisen. Die Aufforderung zu feiern ist auf jeden Fall nicht auf das Osterfest beschränkt, sondern die gesamte christliche Existenz wird als eine Art ständiges Passafest angesehen.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Paulus macht nun deutlich, dass die Adressaten durchaus wussten, dass sie nichts mit Unzüchtigen zu schaffen haben sollen. Er sagt, dass er es ihnen geschrieben habe, und zwar "in dem Brief“. Er sagt weder ausdrücklich "in diesem Brief“ noch "in dem/einem früheren Brief. Folglich kommen beide Möglichkeiten in Frage: Entweder bezieht er sich auf den Ersten Korintherbrief oder er bezieht sich auf einen früheren Brief, wobei in letzterem Fall der Erste Korintherbrief in Wirklichkeit nicht der erste Brief an die Korinther wäre. Aus dem Zusammenhang geht hervor, dass davon auszugehen ist, dass sich Paulus tatsächlich auf einen früheren Brief bezieht. Wenn Paulus die Korinther auf eine in der Vergangenheit verfasste briefliche Mahnung erinnert, so muss diese dem getadelten Verhalten der Korinther vorausgegangen sein. Zu tadeln ist also, dass die korinthischen Gemeindeglieder wider besseres Wissen gehandelt haben. Die Adressaten auf eine Ermahnung zu verweisen, die ihnen in der Zeit des falschen Handelns noch nicht bekannt war, würde keinen Sinn machen. Außerdem wäre unklar, welche Formulierung von 1 Kor 5,1-8 dem Inhalt der Ermahnung von V. 9 entspricht, so dass Paulus auf sie verweisen könnte.
Ob der Brief, der dem Ersten Korintherbrief vorausging und gewöhnlich "Vorbrief“ genannt wird, verloren gegangen oder von einem Redaktor in einen der uns heute erhaltenen Paulusbriefe eingefügt worden ist, ist ungeklärt.
In V. 9 bleibt zunächst noch unklar, weshalb sich die korinthischen Gemeindeglieder nicht an die Mahnung des Paulus gehalten haben. Verschiedene Gründe sind möglich: Vielleicht haben sie die in dem Schreiben enthaltene Mahnung nicht wirklich ernst genommen. Es könnte auch sein, dass sie Paulus’ Formulierung missverstanden haben. Wenn sie aber so unklar war, weshalb haben sie nicht nachgefragt, wie sie gemeint war? Eine Erklärung wäre, dass sich die korinthischen Gemeindeglieder eine bestimmte Interpretation zu eigen gemacht und sich aufgrund ihres nachvollziehbaren Sinns bei Paulus nicht nach ihrer Richtigkeit erkundigt haben. Überhaupt stellt sich die Frage, wie die Formulierung der Mahnung im "Vorbrief“ lautete. Wir kennen ja nur die Aufnahme der Formulierung im Ersten Korintherbrief, die jedoch eine Verfälschung oder Vereinfachung darstellen kann. Sie besagt, dass die korinthischen Gemeindeglieder nichts mit Unzüchtigen zu schaffen haben sollen. Paulus setzt dabei voraus, dass die Adressaten wissen, wer als "Unzüchtiger“ anzusehen ist. Sollte sich Paulus da verschätzt haben? Aber selbst Definitionsprobleme können kaum als Erklärung dafür herhalten, dass ein krasser Fall von Unzucht nicht als Unzucht angesehen worden sein sollte - es sei denn, dass Verfehlungen von Gemeindegliedern von vornherein nicht im Blick waren.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen:Paulus nennt nun eine Begründung für die ausbleibende Abgrenzung der Korinther: es hat sich um ein Missverständnis gehandelt. Demnach habe Paulus sagen wollen, dass die korinthischen Gemeindeglieder mit den gottlos Handelnden der nichtchristlichen Umwelt keinen Umgang haben sollten. Diese Interpretation - das macht Paulus unmissverständlich deutlich - kann er nicht gemeint haben, denn sonst müssten die Christen ja aus dieser Welt auswandern. Die Begründung liegt auf der Hand. Die christliche Gemeinde Korinths musste sich in einer nichtchristlichen Umwelt behaupten; da stellten sich Kontakte mit Nichtchristen zwangsläufig ein. Nur durch ein Verlassen dieser Welt könnte jeglicher Kontakt mit gottlos handelnden Heiden vermieden werden.
Paulus stellt heraus, dass es nicht auf eine strikte Abgrenzung nach außen hin ankommt, sondern auf die Bewahrung der Reinheit der Gemeinde. Wird diese Reinheit bzw. Heiligkeit durch Gemeindeglieder - also vom Inneren der Gemeinde her - gefährdet, so sind diese Übeltäter auszuschließen.
Auch wenn Paulus ein Missverständnis als Begründung für die ausbleibende Abgrenzung der Korinther heranzieht, so ist damit noch nicht gesagt, dass dies die wahre Begründung ist.
Es verwundert, dass Paulus einen Unzüchtigen anprangert, aber im Hinblick auf das mögliche Missverständnis plötzlich auch auf drei andere Tätergruppen zu sprechen kommt. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Paulus auf diese Weise die Realitätsferne einer solchen Interpretation zeigen will. Würde er allein von Unzüchtigen reden, so ließe sich der Umgang mit diesen sicherlich vermeiden und die paulinische Argumentation wäre nicht so klar nachvollziehbar.
Warum Paulus gerade die genannten drei Tätergruppen wählt, bleibt offen.
Pleonektai sind "Habgierige“ oder "Betrüger“. Es handelt sich um Menschen, die nach Geld oder Besitz streben und dabei auch vor unlauteren Mitteln nicht zurückschrecken.
Weiterführende Literatur: B. J. Oropeza 1998, 9-10 fragt nach der Bedeutung der Lasterkataloge, die sich gerade im Ersten Korintherbrief zahlreich fänden (vgl. 3,3-4; 5,9-11; 6,9-10; 10,6-10; 13,4-7). Ergebnis: Obwohl Paulus in anderen Briefen die Laster möglicherweise willkürlich gewählt habe, hätten sie doch im Ersten Korintherbrief einen Bezug zur Situation. Die korinthischen Gemeindeglieder hätten zahlreiche der genannten Laster begangen.
Auch P. S. Zaas 1988, 622-629 setzt sich mit den Lasterkatalogen in 1 Kor 5-6 auseinander. Ergebnis: Die Anordnung und Auswahl der Laster sei nicht willkürlich erfolgt. Auch wende sich Paulus nicht gegen ganz bestimmte Laster, sondern die Lasterkataloge seien aus dem Gesamtkontext des Ersten Korintherbriefes heraus zu verstehen und seien ein Teil der Diskussion über "Schädigung des Körpers“, Heiligkeit der Gemeinschaft und Trennung von Kirche und Welt.
F. Ivarsson 2007, 163-184 befasst sich mit der Art der Laster, die Paulus in 1 Kor 5,10-11 und 6,9-10 aufzählt, und mit ihrer rhetorischen Funktion. Ergebnis: Die Laster dienten dazu, die Gefahren jugendlichen Hochmutes, den Paulus seinen Gegnern in Korinth vorwerfe, herauszustellen. Die hochmütigen jungen Leute sollten aufhören, sich gegen ihren geistlichen Vater Paulus aufzulehnen, und sich seiner Autorität unterstellen.
A. Lindemann 1996, 63-96 befasst sich mit der paulinischen Ekklesiologie angesichts der Lebenswirklichkeit der christlichen Gemeinde in Korinth. Paulus fordere - anders als manche seiner zeitweilig in Korinth agierenden Gegner − nicht die Abschottung der Gemeinde von der heidnischen Umgebung. Die auf der einen Seite in 1 Kor 5,9-13 und auf der anderen Seite in 1 Kor 10,32 gegebenen Ratschläge seien charakteristisch für die von Paulus selbst eingenommene und von ihm den Adressaten empfohlene Haltung.
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Beobachtungen: Das einleitende nun ist nicht im zeitlichen Sinne ("jetzt“), sondern im logischen Sinne ("jetzt“) gemeint.
Paulus verweist erneut auf sein vorheriges Schreiben, vermutlich den "Vorbrief“. Er legt nun dar, wie sein Schreiben zu interpretieren ist. Ob Paulus hier tatsächlich den Wortlaut widergibt, ist nicht zu klären. Auf jeden Fall möchte Paulus so die Ermahnungen des früheren Briefes verstanden wissen.
Bei dem Substantiv "adelphos“ handelt es sich um eine maskuline Form, die zunächst mit "Bruder“ zu übersetzen ist. Dabei ist nicht an einen leiblichen Bruder gedacht, sondern an einen geistlichen, also an einen Glaubensgenossen. Da hier jedoch nicht zu erkennen ist, dass sich der Begriff ausschließlich auf Männer und nicht auf Frauen bezieht, ist in der Übersetzung "oder Schwester“ hinzuzufügen. Infolge dieser Hinzufügung ist ebenfalls "Menschen“ hinzu zu fügen, damit sich das Relativpronomen "der“ nicht nur auf Männer, sondern auch auf Frauen bezieht.
In V. 11 fügt Paulus den im vorhergehenden Vers genannten vier Tätergruppen zwei weitere hinzu: die Lästerer und die Säufer. Ein Grund für die Hinzufügung ist nicht ersichtlich, genauso wenig ein Grund für die Umstellung der Reihenfolge der Tätergruppen. Dass sich Paulus hinsichtlich der Aufzählung verschiedener Tätergruppen an die Reihenfolge seines früheren Schreibens anlehnt, ist fraglich, denn gemäß V. 9 hat er darin ja nur vor dem Umgang mit Unzüchtigen gewarnt. Offensichtlich ist, dass es Paulus nicht auf die Reihenfolge ankommt und er auch nicht in besonderem Maße auf eine bestimmte Tätergruppe eingeht.
Bei dem "loidoros“ handelt es sich um eine Person, die schlecht über andere redet. Dabei kann es sich um Lästern handeln, aber auch um Verleumden.
Was daran so schlimm ist, wenn jemand ein Säufer ist, bleibt offen.
Die Aussagen von 1 Kor 5,1-8 sind mit Blick auf den "Vorbrief“ und auf die Vorkommnisse in Korinth folgendermaßen einzuordnen. Der "Vorbrief“ sprach vermutlich davon, dass die Korinther nichts mit Unzüchtigen - vielleicht wurden auch die anderen Tätergruppen erwähnt - zutun haben sollten. Nach einiger Zeit kommt Paulus (gemäß V. 1) zu Ohren, dass es in Korinth einen schwerwiegenden Fall von Unzucht gibt, ohne dass die Gemeindeglieder etwas dagegen unternehmen. Dieser konkrete Fall veranlasst Paulus dazu, in einem weiteren Schreiben die frühere Mahnung dahin gehend zu konkretisieren und interpretieren, dass es ihm nicht auf die Abgrenzung gegenüber heidnischen gottlos Handelnden ankam, sondern auf die Abgrenzung gegenüber Gemeindegliedern, die sich zwar "Bruder“ oder "Schwester“ nennen, tatsächlich aber gottlos handeln. Die Reinheit bzw. Heiligkeit der Gemeinde ist das paulinische Hauptinteresse.
Das Partizip "mêde“ kann mit "und nicht“, "auch nicht“, "nicht einmal“, aber auch mit "nicht“ übersetzt werden. Erstere beide Übersetzungen setzen voraus, dass das gemeinsame Essen nicht als "zu schaffen haben“ zu verstehen ist, denn es wird ja separat erwähnt. Tatsächlich ist aber das gemeinsame Essen eine bestimmte Form der Gemeinschaft, des "zu schaffen haben“. Insofern sind erstere beide Übersetzungen hier nicht passend. Die Übersetzung "nicht einmal“ setzt voraus, dass das gemeinsame Essen eine sehr geringfügige Form der Gemeinschaft ist. Selbst dieser geringfügigen Form der Gemeinschaft mit den falschen Christen sollen sich die Gemeindeglieder demnach enthalten. Diese Übersetzung passt hier ebenfalls nicht, weil die Tischgemeinschaft keinesfalls eine besonders geringfügige Form der Gemeinschaft ist. Vielmehr ist die Tischgemeinschaft eine besonders augenfällige Form der Gemeinschaft, des "zu schaffen haben“. Dies erklärt vermutlich auch, warum sie eigens erwähnt wird. Die Gemeindeglieder sollen also nicht mit den falschen Christen Tischgemeinschaft haben. Die passendste Übersetzung von "mêde“ dürfte folglich "nicht“ sein. Die Übersetzung "und nicht“ kommt nur infrage, wenn sie nicht im Sinne einer Hinzufügung von etwas Andersartigem, sondern im Sinne einer Konkretisierung des zuvor Genannten, des "nicht zu schaffen haben“, verstanden wird.
Tischgemeinschaft erscheint als etwas durchaus Gängiges. Um welche Mahlzeiten es sich handelt, wird nicht gesagt, so dass Mahlzeiten in Gottesdienst und Gemeinde genauso in Frage kommen wie private Mahlzeiten.
Weiterführende Literatur: J. Schwiebert 2008, 159-164 hält die Übersetzung "nicht einmal“ für "mêde“ in 1 Kor 5,11 für zu stark. Die gewöhnliche, auch hier zu wählende Übersetzung laute "nicht“ oder "und nicht“. Ausschluss aus der Gemeinschaft und Ausschluss aus der Tischgemeinschaft gingen miteinander einher.
J. M. Gundry Volf 1990, 117 geht davon aus, dass mit dem gemeinsamen Essen die christlichen Gemeinschaftsmähler gemeint seien, an denen der Unzüchtige nicht teilnehmen solle.
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Beobachtungen: Wie in V. 3 sieht sich Paulus in richtender Position. Allerdings hat er gemäß seiner rhetorischen ersten Frage nicht über "die draußen“, also die Nichtchristen, zu urteilen, sondern allein über die Christen, also "die drinnen“.
Paulus fragt, ob nicht die korinthischen Gemeindeglieder "die drinnen“ richten. Wieso wendet er sich plötzlich mit dieser Frage direkt an die Adressaten? Die Frage scheint zunächst eine Art Begründung für das eigene Verhalten darzustellen: Weil die Adressaten nur "die drinnen“, also ihre Glaubensgenossen, richten, tut dies auch Paulus. Angesichts der Tatsache, dass die korinthischen Gemeindeglieder aber gerade nicht ihre Glaubensgenossen richten, wie die Untätigkeit bezüglich des krassen Falles von Unzucht zeigt, kann deren Verhalten kaum als Vorbild dienen. Paulus geht es ja gerade darum, den Adressaten ihr Fehlverhalten aufzuzeigen. Also kann die Frage des Paulus nur auffordernd gemeint sein, wobei der Sinn wäre: Ich, Paulus, habe mich nicht um "die draußen“ zu kümmern, habt also auch ihr euch nicht um "die draußen“, sondern nur um "die drinnen“ zu kümmern und sie zu richten? Aus der Formulierung der Frage wird die Aufforderung jedoch nicht deutlich, so dass möglicherweise Paulus hier schon das richtige Handeln der Adressaten vorwegnimmt.
In 1 Kor 5,1-13 spielt die in V. 1 erwähnte "Frau des Vaters“ keine Rolle. Daraus ist zu schließen, dass es sich bei ihr um eine Heidin handelt, die von Christen nicht zu richten ist.
Weiterführende Literatur: L. Schottroff 2003, 429-450 versucht, das Zerrbild von der Tora, das diese als Gesetz interpretiert und als dem Evangelium entgegengesetzt ansieht, gerade zu rücken. Dabei geht sie speziell auf Röm 3,31 und 1 Kor 5,1-13 ein. Zum Ersten Korintherbrief sei generell zu sagen, dass die Gemeinde in Fragen finanzieller Streitigkeiten, von Ehescheidung und Beurteilung von Aposteln und Apostelinnen rechtliche Entscheidungen fällt. Zugleich lehre sie eschatologisches Recht. Grundlage der Rechtsprechung und des eschatologischen Rechtes sei die Tora. Die Tora erscheine in der frühchristlichen Situation wie ein vielstimmiger Chor, zu dem Mose, die Väter und Mütter der mündlichen Tora und Jesus gehören. Die Auslegung dieser Tora sei mit völliger Selbstverständlichkeit kontextuell oder kasuistisch auf die Gegenwart bezogen. Sie sei zwar verbindlich, jedoch nicht irrtumsfrei und dauerhaft kodifizierbar. Sie sei Teil eines lebendigen Prozesses und des Weges zum Reich Gottes.
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Beobachtungen: Die Heiden wird Gott richten, wobei das Futur auf das Jüngste Gericht am Ende der Tage hinweist.
Richtet Gott die Heiden, so haben sich die Adressaten allein um ihre eigene Gemeinde zu kümmern. Folglich haben sie nun endlich angemessen auf den krassen Fall von Unzucht in ihren Reihen zu reagieren und den Übeltäter, den Bösen, aus ihrer Mitte zu entfernen. Die Formulierung der Aufforderung entspricht nahezu wortwörtlich Dtn 17,7; 21,21; 22,21.24; 24,7LXX und damit der alttestamentlichen Weisung. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass Paulus die Einhaltung sämtlicher Bestimmungen des Buches Deuteronomium verlangt.
Weiterführende Literatur: Mit der Ausmerzung und dem Gemeindeausschluss im AT befasst sich W. Horbury 1985, 13-38, der annimmt, dass zeitgenössische synagogale Praxis Vorbild für die christliche, in 1 Kor 5 zugrunde gelegte Ausschlusspraxis sei.
P. S. Zaas 1984, 259-261 legt dar, dass Paulus wohl nicht aus dem Buch Deuteronomium zitiere, um eine zusätzliche Autorität für seine apostolische Forderung nach dem Ausschluss des Unzüchtigen aus der Gemeinde beizubringen, sondern dass Paulus mit dem Abschnitt 5,9-13 den rhetorischen Rahmen seiner Anklage gegen Unzucht in Kap. 5 liefere und mit dem Zitat auf das ursprüngliche Ethos verweise, das auch auf die Lage in Korinth zutreffe.
C. Tuckett 2000, 411-416 geht im Rahmen seiner Überlegung, inwieweit die Adressaten at. Zitate im NT auf dem at. Hintergrund gedeutet haben, auf 1 Kor 5,13 ein. 5,13 sei von den Adressaten wohl kaum vom AT her gedeutet worden, denn Paulus führt das Zitat nicht als solches ein, womit zumindest heidnischen Lesern der genaue Hintergrund verborgen geblieben sein dürfte. Auch finde sich das Zitat ganz am Ende von 5,1-13; vorher habe Paulus jedoch in keiner Weise auf das Verbot des Deuteronomiums hingewiesen, mit der Frau seines Vaters sexuell zu verkehren.
B. S. Rosner 1996, 513-518 geht der Frage nach, warum der unzüchtige Mann aus der Gemeinde ausgeschlossen werden soll. Anhand von atl.-jüdischen Belegen legt er dar, dass vermutlich 1 Kor 3,16-17 den theologischen Rahmen für die Forderung abgebe: Wer den Tempel verdirbt, solle selbst verdorben werden. Mit dem Tempel sei hier die christliche Gemeinde gemeint. In der Gemeinde könnten nicht Heiligkeit und Unheiligkeit nebeneinander existieren. Vgl. B. S. Rosner 1991, 137-145.
B. S. Rosner 1992, 470-473 legt dar, dass aufgrund der Verantwortung, die die Gemeinschaft als ganze trägt, der Unzüchtige aus der Gemeinde beseitigt werden müsse.
A. Lindemann 1996, 199-225 merkt an, dass es nicht verwundere, dass Paulus alttestamentliche Texte zitiere, denn er sei pharisäischer Jude gewesen. Erstaunlich und erklärungsbedürftig sei aber, dass der Erste Thessalonicherbrief als der älteste der uns erhaltenen Paulusbriefe biblische Zitate oder auch nur Anspielungen gar nicht enthält. Tatsächlich bedürfe es aber auch beim entgegengesetzten Befund einer Erklärung: Warum zitiert Paulus in Briefen an überwiegend heidenchristliche Gemeinden die jüdische Bibel? A. Lindemann geht im Hinblick auf diese Frage auf zwei Gesichtspunkte ein: auf die Perspektive des Autors Paulus und auf die Bedeutung der biblischen Zitate aus der (zu vermutenden) Perspektive der Rezipienten des Briefes in Korinth. Er analysiert die biblischen Zitate des Ersten Korintherbriefes der Reihe nach und geht auf S. 209-210 auf 5,13 ein. Paulus zitiere wohl bewusst, auch wenn offen bleiben müsse, ob die Korinther den Zitatcharakter erkennen. Paulus verwende den Satz Dtn 17,7b wohl der Klarheit und der Knappheit der Sprache wegen. Eine autoritativ begründende Kraft habe das Zitat nicht; es bringe den Argumentationsgang rhetorisch durchaus geschickt zum Abschluss.
B. S. Rosner 1996, 513-518 befasst sich mit der Funktion der Schriftzitate in 1 Kor 5,13b und 6,16. Bezüglich 5,13b kommt er zu dem Ergebnis, dass das Zitat eine entscheidende Rolle im paulinischen Argumentationsgang des Abschnitts spiele.
Literaturübersicht
[ Hier geht es zur Übersicht der Zeitschriftenabkürzungen ]
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