Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Erster Korintherbrief

Der erste Brief des Paulus an die Korinther

1 Kor 7,10-16

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

1 Kor 7,10-16

 

 

Übersetzung

 

1 Kor 7,10-16:10 Den Verheirateten aber gebiete ich - nicht ich, sondern der Herr - dass sich [die] (Ehe-)Frau nicht vom (Ehe-)Mann scheiden soll - 11 hat sie sich aber doch geschieden, soll sie unverheiratet bleiben oder sich mit [dem] (Ehe-)Mann versöhnen - und dass [der] (Ehe-)Mann [die] (Ehe-)Frau nicht entlassen soll. 12 Den andern aber sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Bruder eine ungläubige (Ehe-)Frau hat und diese gern mit ihm zusammen wohnen will, so soll er sie nicht entlassen. 13 Und wenn eine (Ehe-)Frau einen ungläubigen (Ehe-)Mann hat und dieser gern mit ihr zusammen wohnen will, so soll sie den (Ehe-)Mann nicht entlassen. 14 Denn der ungläubige (Ehe-)Mann ist durch die (Ehe-)Frau geheiligt und die ungläubige (Ehe-)Frau ist durch den Bruder geheiligt. Denn sonst wären eure Kinder unrein, nun aber sind sie heilig. 15 Wenn aber der Ungläubige sich scheiden will, soll er sich scheiden. Der Bruder oder die Schwester ist nicht sklavisch gebunden in solchen [Fällen]. Zum Frieden hat euch Gott berufen. 16 Denn was weißt du, Frau, ob du den Mann retten wirst? Oder was weißt du, Mann, ob du die Frau retten wirst?

 

 

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V. 10

 

Beobachtungen: Nachdem Paulus die Ehelosigkeit und die Ehe als zwei mögliche christliche Daseinsformen diskutiert und dargelegt hat, welches die Voraussetzungen der jeweiligen Daseinsform sind, geht er nun auf die Ehescheidung ein.

 

Paulus empfiehlt nicht, sondern er gebietet. Er wendet sich mit dem Gebot an die Verheirateten, und zwar sowohl an die Ehefrau als auch an den Ehemann. Von der Ehefrau heißt es, sie solle nicht chôristhênai. Der Infinitiv "chôristhênai“, ein Passiv, kann sowohl als Passiv mit "getrennt/geschieden werden“ als auch reflexiv mit "sich trennen/scheiden“ übersetzt werden. Die Übersetzung als Passiv steht entgegen, dass der Frau durchaus Handlungsmöglichkeit bezüglich der Scheidung zugebilligt wird, denn sonst bräuchte sich das Gebot nicht separat an Frau und Mann zu wenden. Fraglich ist jedoch, inwieweit der Frau in der Antike das Recht zustand, sich vom Mann scheiden zu lassen. Im griechisch-römischen Milieu hat sie dieses Recht gehabt; ob dies aber auch für das jüdische Milieu - ein Teil der Adressaten ist ja Judenchrist - gilt, ist umstritten, wenn auch wahrscheinlich.

Schließlich wird noch eine weitere Übersetzungsmöglichkeit vorgeschlagen, die zwar der Frau eine gewisse Entscheidungsbefugnis im Hinblick auf die Scheidung zugesteht, jedoch im Hinblick auf die Übersetzung beim Passiv verbleibt. Sie lautet: "...dass [die] Frau nicht zulassen soll, dass sie getrennt/geschieden wird“. Dieser Kompromissvorschlag ist jedoch von konstruiertem Charakter.

 

Paulus bezieht sich auf ein Herrenwort, das die Ehescheidung verbietet, doch auf welches? Eine Nähe zu Mk 10,11-12 und Mt 19,9 ist offensichtlich, wobei sich das Gebot in Mk 10,11-12 zunächst an den Mann und erst dann an die Frau und in Mt 19,9 sogar nur an den Mann wendet. Wie ist das Verhältnis der paulinischen Worte zur synoptischen Tradition?

 

Paulus geht zunächst davon aus, dass er selbst gebietet. Mit einem Einwurf korrigiert er sich jedoch und führt das Gebot auf ein Herrenwort zurück. Betont Paulus die Autorität des Herrenworts oder distanziert er sich von ihm? Gegen eine Distanzierung spricht, dass Paulus das Gebot verinnerlicht hat, denn sonst würde er nicht zunächst davon ausgehen, dass er selbst gebietet. Es ist also gut möglich, dass Paulus die Dringlichkeit des Gebots unterstreichen will, indem er sich nicht allein auf die eigene Autorität, sondern darüber hinaus direkt auf diejenige des "Herrn“ beruft.

 

Weiterführende Literatur: Eine Auslegung zu 1 Kor 6,12-7,40 bietet H. Külling 2008.

 

Zu Fragen der Sexualität im christlichen Leben in 1 Kor 5-7 siehe A. S. May 2004, der auf S. 223-230 auf 7,10-16 eingeht.

 

J. D. Gordon 1997 untersucht den Konflikt innerhalb der korinthischen Gemeinde, der 1 Kor 7 zugrunde liege, und geht auf S. 59-98 auf die sozialen Hintergründe ein, wobei auch die Verlobung, Ehe und Scheidung angesprochen werden.

 

Zu den stoischen und kynischen Elementen in 7,10-24 äußert sich W. Deming 1995, 131-173.

 

N. Baumert 1992, 207-260 befasst sich mit der Freiheit der/des unschuldig Geschiedenen. Ergebnis: Paulus schreibe nur demjenigen, der seinem Partner untreu wird und die Scheidung betreibt, eine sittliche Schuld zu. Jesus setze voraus, dass eine Scheidung immer rechtskräftig ist und dass der/die unschuldig Verlassene mit Recht eine neue Ehe eingehen kann. Zur Auslegung von 1 Kor 7,10-16 siehe auch N. Baumert 1986, 63-98, wobei er auf die verschiedenen einzelnen Streitfragen und Aspekte eingeht. Ebenso bietet W. Wolbert 1981, 93-107 eine Auslegung von 1 Kor 7,(8/)10-16. Auf S. 223-226 befasst er sich mit der paulinischen Interpretation der Herrenworte in 1 Kor 7,10ff. und 9,14.

H. Merklein 1987, 385-408 bietet zunächst eine eigene Übersetzung von 1 Kor 7 und geht dann auf die Probleme heutiger Leser ein. Dann geht er der Frage nach, wie V. 1b zu verstehen ist und gliedert 1 Kor 7 grob. Es folgt eine knappe Auslegung der einzelnen Abschnitte. Danach untersucht er, ob die Ehe als "remedium concupiscentiae“ zu verstehen ist, und geht auf folgende Aspekte ein: die paulinische Regel und ihre Handhabung; der Grund für die paulinische Regel; die Bevorzugung der Ehelosigkeit. Zuletzt befasst er sich mit der Frage, ob die Frau abgewertet wird.

 

Laut M. Y. MacDonald 2004, 148-168 ließen sowohl 1 Kor 7 als auch 1 Kor 11,2-16 parallele Aussagen über die jeweiligen Verpflichtungen von Männern und Frauen erkennen. Mittels einer sozialgeschichtlichen Analyse geht sie den Fragen nach, ob die parallele Struktur Hinweise auf initiatives Handeln von Frauen und auf ein besonderes Interesse des Paulus und der korinthischen Gemeinde am Verhalten von Frauen gibt, und ob es eine Verbindung zwischen den in 1 Kor 11,2-16 genannten Aktivitäten von Frauen und den Ermahnungen des Paulus in 1 Kor 7 gibt. M. Y. MacDonald kommt zu einem positiven Ergebnis.

M. Y. MacDonald 1990, 161-181 geht der Frage nach, ob die paulinischen Ermahnungen in 1 Kor 7 ähnlich wie die Anweisungen von 11,2-16 im Hinblick auf die Kopfbedeckung durch das Verhalten der Frauen veranlasst sind. Ergebnis: Es gehe Paulus um das Verhalten der gesamten Gemeinde, also sowohl von Männern als auch von Frauen. Allerdings würden seine Ermahnungen ein besonderes Interesse hinsichtlich des Verhaltens von Frauen zeigen, die in ihrer Ehelosigkeit danach streben, heilig an Leib und Geist zu sein (vgl. 7,34). Frauen hätten möglicherweise in besonders großer Zahl zu den Unterstützerinnen der geistliche Vervollkommnung versprechenden radikal asketischen Lehre gehört.

W. Wolbert 1981, 93-107 befasst sich mit den Anweisungen für die Unverheirateten und Witwen sowie für die "übrigen“.

 

W. J. Houston 1982, 261-264 macht deutlich, dass 1 Kor 7 nicht zur Klärung der Frage herangezogen werden könne, ob die frühen Christen zwischen den Worten des irdischen Jesus und den durch die Propheten vermittelten Worte des auferstandenen "Herrn“ einen Unterschied gemacht haben. Weder finde sich in dem Kapitel Prophetie noch lasse es sich unter dem Gesichtspunkt der Prophetie behandeln. Die Unterscheidungen, die Paulus bezüglich der Autorität mache, seien charakteristisch für verschiedene Typen der Rede. Wenn Paulus auf die Autorität des "Herrn“ verweise, so handele es sich um eine Berufung auf die eigentliche Autorität, den "Herrn“. Das heiße aber nicht, dass Paulus eine Aussage des irdischen Jesus zitiert. Im Hinblick auf die Diskussion um die Authentizität bestimmter Sprüche in den Evangelien sei 1 Kor 7 irrelevant.

Auch F. Neirynck 1986, 265-321 hält das Scheidungsverbot in V. 10 nicht für ein Zitat eines Spruches Jesu, sondern für eine eigene Formulierung. Von dieser ausgehend entwickle Paulus in V. 12-16 − jüdischer Halacha entsprechend - eine eigene vom Scheidungsverbot ausgehende Regelung.

 

M. u. R. Zimmermann 1996, 83-100 befassen sich mit der Frage, wie Paulus in 1 Kor 7,10-11 und 9,14 die Herrenworte verwendet. Es ließen sich seitens der Ausleger drei Interpretationsgruppen unterscheiden: Der Betonung der Herrenworte (a) stehe die These der bewussten Widerlegung und Abwertung des Paulus entgegen (b). Andere Exegeten versuchten, zwischen beiden Extremen zu vermitteln (c). Um zu einem eigenen Ergebnis zu kommen, führen M. u. R. Zimmermann eine Traditionsanalyse und einen Vergleich mit der Parallelüberlieferung durch und fragen erst in einem letzten Schritt nach der Verwendung der Tradition bei Paulus. Ergebnis: Die paulinischen Bezüge auf Logientradition in 1 Kor 7 und 9 müssten weder als bewusster Widerspruch noch als erfahrungsbezogene Ausnahmeregelungen aufgefasst werden. Die traditionsgeschichtliche Verankerung der Herrenworte zeige vielmehr, dass Paulus die Jesuslogien durchaus im Sinne ihrer eigentlichen Intention verwende.

F. Neirynck 1996, 158-160 vertritt die Ansicht, dass sich Paulus an die Verheirateten wende und dabei einen ganz konkreten Fall im Kopf habe. Er habe erst eine persönliche Aussage machen wollen, dann sei ihm jedoch eingefallen, dass er unterstützend ein Herrenwort anführen könne. So lasse sich der verspätete Einschub "nicht ich, sondern der Herr“ verstehen.

R. L. Omanson 1983 geht auf den Stil von 1 Kor 9,15 und 7,10 ein, wobei er jeweils verschiedene Übersetzungen miteinander vergleicht. Der Einschub in 7,10 sei als nachträglicher Einfall zu verstehen. Eine Übersetzung, die annehmen lässt, dass Paulus sogleich auf ein Gebot des "Herrn“ verweise, gebe V. 10 nicht korrekt wieder.

 

Allgemein auf die Berufung auf Autoritäten in den paulinischen Briefen und in den jüdischen und hellenistischen Schulen geht L. Alexander 2001, 103-127 ein.

 

B. Brooten 1982, 65-80 geht davon aus, dass Paulus in 1 Kor 7,10-11 (wie Mk 10,11-12) voraussetze, dass sich die Frau vom Mann scheiden lassen kann. Dass sich eine solche Möglichkeit bei Matthäus und Lukas nicht finde, hänge damit zusammen, dass es in Palästina zur Zeit Jesu zwei Rechtsauffassungen darüber gegeben hat, ob sich jüdische Frauen von ihren Männern trennen konnten oder nicht. Die eine habe es erlaubt, die andere nicht. Diese beiden Meinungen spiegelten sich in den nt. Versionen von Jesu Scheidungsverbot wider. Paulus und Markus nähmen an, dass die Frau das Recht auf Scheidung hatte, Matthäus und Lukas nicht. Deshalb bräuchten 1 Kor 7,10-11 und Mk 10,11-12 nicht für weniger ursprünglich als die Parallelen bei Matthäus und Lukas gehalten zu werden. E. Schweizer 1982, 294-297 hält dagegen B. Brootens These vom Scheidungsrecht der Frau in Palästina für fraglich. Allerdings liege nahe, dass in den christlichen Gemeinden in der hellenistischen Welt auch der Frau das Scheidungsrecht zugestanden wurde, wie überall in der Umgebung. Im Hinblick auf 1 Kor 7,10-11 merkt er an, dass der Text nicht einfach sei. "… dass eine Frau nicht von ihrem Mann geschieden werde“ sei ja nicht eindeutig. Auch das an sich ungenaue, aber oft nachweisbare Verständnis "…sich nicht scheiden lasse“ mache Schwierigkeiten, da es ja keine Behörde oder andere Instanz gegeben habe, bei der man sich scheiden lassen konnte. Auch H. Weder 1983, 175-178 weist die These vom Scheidungsrecht der Frauen in Palästina zurück. 1 Kor 7,10f. und Mk 10,11-12 spiegelten beide nicht die jüdische Auffassung wider und seien als weiterführende Interpretation eines Jesuswortes in einem anderen kulturellen Kontext zu begreifen. B. Brooten 1983, 466-478 wiederum setzt sich mit den Einwänden von E. Schweizer und H. Weder auseinander und geht auf S. 475 auch auf 1 Kor 7,10-11 ein. Auch in diesem Text gehe es nicht darum, ob die ursprüngliche Formulierung vorliegt, sondern lediglich darum, ob die erste Hälfte des Spruches von vornherein als sekundär gelten muss. Die Frage sei nicht damit gelöst, dass man auf die wohl heidenchristliche korinthische Gemeinde hinweist. Sowohl hier wie auch bei Mk 10,11-12 sei die historische Rekonstruktion der entscheidende Punkt. Wenn man ein Scheidungsrecht der Frau für das Judentum ablehnt, müsse man die Fassungen des Jesus-Wortes, die dieses Recht voraussetzen, auch als sekundär ablehnen.

J. Murphy-O’Connor 1981, 601-602 vertritt die Ansicht dass der Aorist Infinitiv chôristhênai als Passiv zu verstehen sei. 1 Kor 7,10b gebe jüdisches Milieu wieder, in dem nur der Mann das Recht gehabt habe, seine Frau zu entlassen. Im Gegensatz dazu setze 7,13 griechisch-römisches Milieu voraus, in dem auch die Frau eine Scheidung habe aktiv betreiben können.

F. Neirynck 1996, 160-166 gibt einen ausführlichen Überblick über die Diskussion, wie denn der Aorist Infinitiv chôristhênai zu übersetzen sei.

 

U. von Arx 2009, 193-221, nimmt an, dass wir in 1 Kor 7,1-24 eine Art paulinischer Deutung von Gal 3,28 vor uns hätten und Paulus somit den Ersten Korintherbrief nach dem Galaterbrief geschrieben habe.

 

Zur Auslegung von 1 Kor seitens Johannes Chrysostomos siehe T. Zisis 2009, 603-612.

 

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V. 11

 

Beobachtungen: Paulus ist sich bewusst, dass es trotz des Gebotes, sich nicht scheiden zu lassen, durchaus Geschiedene in der Gemeinde gibt bzw. geben wird. Welche geschiedenen Frauen hat Paulus im Blick? Zunächst ist davon auszugehen, dass es zur Zeit der Abfassung des Briefes in der korinthischen Gemeinde schon Geschiedene gibt, die sich als Heidinnen (oder Jüdinnen) oder erst später nach der Taufe als Christinnen haben scheiden lassen (oder: geschieden worden sind). Darüber hinaus ist sich Paulus aber möglicherweise auch darüber im Klaren, dass es trotz des Scheidungsverbots auch in Zukunft in der Gemeinde Frauen geben wird, die sich von ihren Männern scheiden lassen (oder: geschieden werden). Im Hinblick auf all diese geschiedenen Frauen ist zu klären, ob sie erneut heiraten dürfen oder nicht.

Eine erneute Heirat kommt nicht in Frage. Entweder bleiben die Geschiedenen unverheiratet oder sie versöhnen sich wieder mit ihrem Mann. Es ist davon auszugehen, dass die Versöhnung die Scheidung rückgängig macht und die Partnerschaft wieder herstellt.

 

Auch der Mann soll sich von seiner Frau nicht scheiden. Es fällt auf, dass Paulus für diese Scheidung nicht wie bei der Frau das Verb "chôristhênai“ ("sich scheiden“, "geschieden werden“), sondern "aphienai“ ("fortschicken/entlassen“) benutzt. Der Mann kann also zweifelsohne aktiv die Scheidung betreiben. Außerdem wird deutlich, dass der Mann sich von seiner Frau trennen kann, ohne dass ihr Einverständnis erforderlich ist. Er kann sie fortschicken, ob sie will oder nicht. Die Unterscheidung bei der Benutzung der Verben kann als Argument für die Annahme dienen, dass die Frau die Scheidung nicht aktiv betreiben kann.

 

Weiterführende Literatur: G. J. Laughery 1997, 109-128 geht der Frage nach, ob Paulus Ehe und Sexualität als gottwidrig angesehen hat. Er verneint dies und kommt stattdessen zu dem Ergebnis, dass Paulus eine angesichts des nahen Weltendes übertrieben asketische Einstellung der Adressaten korrigiert habe.

 

J. C. Laney 1982, 283-294 versteht Paulus als Ausleger der Aussagen Jesu zur Ehescheidung. Seiner Meinung nach gehe Paulus − ohne Ausnahmeklausel − davon aus, dass die Ehe unauflöslich sei. Beendet werde die Ehe allein durch den Tod.

 

H. Frankemölle 1995, 38-39 geht im Rahmen seines Aufsatzes über Ehescheidung und Wiederverheiratung von Geschiedenen im NT auch auf 1 Kor 7,10-16 ein. V. 11 spreche neben der Versöhnung von der Scheidung, nicht − wie das katholische Eherecht fälschlicherweise annehme − von der "Trennung von Tisch und Bett“. Die Haltung zu gemischten Ehen (V. 12-16) zeige, dass Paulus die Ehe nicht kasuistisch, sondern in personal-glaubensmäßigen Kategorien verstehe.

 

D. Instone-Brewer 2001, 101-116 vergleicht die Sprache und den gesellschaftlichen Hintergrund von 1 Kor 7 mit griechischen und lateinischen Heirats- und Scheidungsurkunden. Mittels dieses Vergleichs erhellt er, was es mit der Scheidung durch Trennung, die Paulus in V. 10-15 thematisiert, auf sich hat, warum Paulus das Verb "aphiêmi“ für "scheiden/entlassen“ benutzt und warum er in 1 Kor 7 nicht auf erneutes Heiraten eingeht. Hinter 7,10-15 stehe die Annahme, dass eine Ehe einfach dadurch geschieden werden könne, dass die Mitgift zurückgegeben wird und sich das Paar trennt. Nach der Trennung könnten beide Partner eine neue Ehe eingehen. Paulus rate aber nicht zur Trennung, weil er die eheliche Bindung als Verpflichtung ansehe. Daher gebrauche er auch die Verben "aphiêmi“("scheiden/entlassen“) und "douloô“ ("binden“). Dass Paulus nicht für die Ehe plädiert, sei nicht mit asketischer Tendenz zu begründen, sondern mit der Schwierigkeit, in Zeiten der Hungersnot eine Familie zu ernähren.

D. Instone-Brewer 2001, 225-243 legt dar, dass der von Paulus favorisierte Lebensstil und die von ihm gewünschte Moral auf der jüdischen Auslegung des AT basieren. Dies werde aus griechisch-jüdischen Papyri, die einen tief in der griechisch-römischen Welt verwurzelten Judaismus erkennen ließen, und aus aramäischen Papyri, deren Konzeptionen der paulinischen ähnelten, deutlich. Paulus bleibe aber nicht bei jüdischen Vorbildern stehen, sondern orientiere sich an der Lehre des "Herrn“. Somit ständen seine Aussagen bei manchen bedeutenden Aspekten im Widerspruch zu allen zeitgenössischen Heirats- und Scheidungsurkunden.

 

Mit dem Verb "katallassô“ ("versöhnen“) in der antiken griechischen Literatur mit Bezug zu den paulinischen Briefen befasst sich S. E. Porter 1994, der auf S. 119-123 auf den nichttheologischen Gebrauch des Verbs im NT (1 Kor 7,11; Mt 5,24; Lk 12,58; Apg 7,26) eingeht. Gemäß 1 Kor 7,11 solle sich die Frau, wenn sie nicht unverheiratet bleiben wolle, mit ihrem Ehemann versöhnen, also ihre verletzten Gefühle zurückstellen und die Partnerschaft wieder herstellen. Die Frau erscheine also als aktiv, auch wenn die passive Verbform offen lasse, was das Mittel oder die Wirkkraft der Versöhnung ist.

 

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V. 12

 

Beobachtungen: Nun wendet sich Paulus an die "andern“. Genau genommen müssten dies die Unverheirateten sein, weil sich Paulus ja zunächst an die Verheirateten gewandt hat. Tatsächlich meint Paulus aber diejenigen, die nicht in einer rein christlichen Ehe leben, sondern einen heidnischen Ehepartner oder eine heidnische Ehepartnerin haben.

 

Das nun Gesagte führt Paulus allein auf seine eigene Autorität und nicht auf diejenige des "Herrn“ zurück und ist damit in dieser Hinsicht vom vorigen Gebot unterschieden. Auch diesmal stellt sich wieder die Frage, ob sich Paulus vom "Herrn“ distanziert, indem er seine eigene Theologie samt ethischen Geboten ausbildet. Wahrscheinlich ist dies nicht, denn eine Distanzierung von der höchsten Autorität, dem "Herrn“, den Paulus immer wieder nennt, wäre schon sehr verwunderlich. Wahrscheinlicher ist, dass Paulus im Hinblick auf das nun folgende Gesagte kein Herrenwort in mündlicher oder schriftlicher Form vorgefunden hat. Weil es sich um eine konkrete Weisung für eine bestimmte Situation in einer bestimmten Gemeinde handelt, muss Paulus aus eigener Vollmacht heraus Bestimmungen treffen, die nach Möglichkeit im Sinne des "Herrn“ sind.

 

Paulus findet die Situation vor, dass es in Korinth gemischtreligiöse Ehen gibt. Diese sind im Vergleich zu christlichen Ehen aus religiöser Sicht Problemfälle und so stellt sich die Frage, ob sie nicht eigentlich getrennt werden müssten. Dagegen spricht aber das Scheidungsverbot. Nun ist also unklar, wie mit den gemischtreligiösen Ehen zu verfahren ist: Dürfen sie getrennt werden? Oder sollen oder müssen sie gar getrennt werden? Es ist möglich, dass Paulus auf eine konkrete Frage des korinthischen Schreibens an ihn eingeht.

 

Paulus lehnt die Trennung eines Christen von einer nichtchristlichen Ehepartnerin ab, sofern diese (weiterhin) gerne mit ihm zusammen wohnen will. Die Entscheidung liegt also bei der nichtchristlichen Ehepartnerin.

 

Wenn Paulus von einer "ungläubigen Frau“ spricht, dann meint er nicht eine Atheistin, sondern eine andersgläubige Frau. Dieser andere Glaube ist aus Paulus’ Sicht jedoch Unglaube hinsichtlich des wahren Gottes und des Heilshandelns dessen Sohnes, Jesus Christus.

 

Weiterführende Literatur: F. Neirynck 1996, 171-174 gibt einen Überblick über die exegetische Diskussion über die Frage, wie denn das "sage ich, nicht der Herr“ zu verstehen sei. Umstritten sei, ob es sich um einen Widerspruch zum Herrenwort V. 10 handele oder nicht.

A. Lindemann 1992, 677-688 vertritt die Meinung, dass die vom konkreten Einzelfall unabhängige Weisung des "Herrn“ als prinzipielle Norm ihre nicht überbietbare Würde besitze. Gleichwohl sei sie im Grunde bedeutungslos, wenn sie von denen, an die sie sich richtet, de facto nicht eingehalten wird (V. 11a und V. 15a). Dann müssten praktikable Alternativen genannt werden, und eben das tue der Apostel − unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass er damit im Widerspruch stehe zur Weisung des "Herrn“, die diesen Fall überhaupt nicht vorgesehen hatte.

 

C. J. Hodge 2010, 1-25 geht der Frage nach, wie sich das gemeinsame Leben eines/einer an Christus Glaubenden und eines/einer nicht an Christus Glaubenden gestaltet haben mag. Diese Frage dränge sich insofern auf, als in der antiken Welt Ehe, religiöse Praktiken und Kinder untrennbar in dem einen Haushalt verbunden gewesen seien. Auch wenn Paulus die Gegenseitigkeit betone, so hätten seine Ausführungen doch für die Ehefrau andere Folgen mit sich gebracht als für den Ehemann. Ergebnis: Christliche religiöse Praktiken hätten sich durchaus mit nichtchristlichen mischen können, stärker als es den christlichen Denkern wie Paulus oder Tertullian in den Sinn gekommen ist. Christliche Praktiken hätten Stück für Stück in die nichtchristlichen integriert werden können; ebenfalls sei es der Ehefrau möglich gewesen, ihre christlichen Praktiken im Geheimen durchzuführen.

 

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V. 13

 

Beobachtungen: Auch eine Christin soll sich nicht von ihrem "ungläubigen Mann“ scheiden, sofern dieser gern mit ihr zusammen wohnen will. Wiederum hängt die Entscheidung vom heidnischen Ehepartner ab.

Ob der Wille zum Zusammenleben mit der nichtchristlichen Ehepartnerin eine Abkehr von heidnischen religiösen Praktiken beinhaltet, wird nicht gesagt, ist aber wahrscheinlich. Zumindest wird die Akzeptanz christlicher Lebensform vorausgesetzt, denn Paulus würde kaum eine Anpassung der Christen an heidnische Lebensweise respektieren.

 

Diesmal benutzt Paulus auch für das Scheidungsbetreiben der Frau das Verb "aphienai“ ("fortschicken/entlassen“); in V. 10-11 war es dem Mann vorbehalten. Dies ist ein Beleg dafür, dass Paulus davon ausgeht, dass auch die Frau die Scheidung aktiv betreiben kann. Dass er sich nur an eine bestimmte Gruppe Frauen wendet, beispielsweise nur an Frauen, die vom heidnischen - und nicht vom jüdischen - zum christlichen Glauben übergetreten sind, lässt sich nicht aus dem Text erschließen.

 

Weiterführende Literatur: Mit der gesellschaftlichen Stellung von christlichen Frauen in gemischten Ehen befasst sich M. Y. MacDonald 1990, 221-234. Sie seien in besonderem Maße in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt gewesen und beargwöhnt worden, so dass sie an ihre weibliche häusliche Rolle gebunden gewesen seien. Ihr Dasein sei angesichts der Berührung mit den heidnischen Daseinsformen und des Bewusstseins, dass eine Entdeckung Leiden mit sich bringen würde, von Sorge geprägt gewesen.

 

L. Schottroff 1994, 185-189.195-199 vertritt die Ansicht, dass Paulus ein gespaltenes Bewusstsein habe: Paulus sei kein Vertreter einer patriarchalen Ehetheorie. Er gebe der Eheverweigerung und sexuellen Enthaltsamkeit den Vorrang vor der Ehe und er halte eine Scheidung für gott- und friedensgemäßer als eine Ehe gegen den Willen des anderen. In der Frage der Ehe sei Paulus also durchaus ein patriarchatskritisches Bewusstsein und eine entsprechende öffentliche Praxis zuzuschreiben. Das bedeute aber nicht, dass Paulus auch nur die Spur eines kritischen Bewusstseins gegenüber der Herrschaftsausübung von Männern und Frauen hat. Das gespaltene Bewusstsein des Paulus zeige sich auch in seiner unterschiedlichen Haltung zur Unterdrückung von Sklaven und Frauen. Zwar nehme er das Unrecht der römischen Weltherrschaft und das Unrecht der Sklavenunterdrückung wahr, doch bleibe seine Wahrnehmung androzentrisch: Frauenunterdrückung sei für ihn Gottes gute Ordnung.

 

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V. 14

 

Beobachtungen: Paulus begründet seine Bestimmung damit, dass der christliche Ehepartner den nichtchristlichen heiligt. Dabei ist jedoch nicht an eine Übertragung, an eine Art "Ansteckung“ zu denken, denn sonst müsste Paulus ja Mischehen geradezu empfehlen. Vielmehr ist davon auszugehen, das der nichtchristliche Partner in irgendeiner Weise an dem neuen Glauben des christlichen Partners Anteil hat, die Heiligkeit also ausstrahlt.

Dass auch die Unheiligkeit des nichtchristlichen Partners ausstrahlen könnte, kommt nicht in den Blick.

 

Paulus muss seine These begründen. Dies tut er, indem er darauf verweist, dass sonst die Kinder aus gemischtreligiösen Ehen unrein und nicht heilig wären. Er schließt also von der Heiligkeit der Kinder auf die Heiligkeit der Mischehe.

Dass Paulus bezüglich der Kinder von deren Unreinheit spricht, lässt annehmen, dass sie nicht getauft sind. Wenn sich aber die Reinheit auch ohne Taufe erlangen lässt, so stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit der Taufe. Wird sie im Fall der Kinder aus Mischehen hinfällig oder müssen sie später getauft werden? In letzterem Fall könnte als Parallele die jüdische Auffassung herangezogen werden, dass Kinder bereits vor der Verpflichtung auf die Gebote der Tora (Mädchen mit 12 Jahren, Jungen mit 13 Jahren) in das Bundesverhältnis eingeschlossen sind. Allerdings ist von einer späteren Taufe - parallel zur Verpflichtung auf die Gebote der Tora - keine Rede.

Doch wieso verlangt Paulus die Taufe nicht, wenn er ihr doch sonst eine so große Bedeutung beimisst? Ist die Heiligkeit "vererbbar“ und reicht dafür ein christlicher Elternteil aus?

 

Weiterführende Literatur: Y. M. Gillihan 2002, 711-744 interpretiert V. 12-16 im Lichte jüdischer Halacha. Dies sei eine berechtigte Herangehensweise, denn es gebe deutliche Hinweise darauf, dass es in Korinth eine große und einflussreiche jüdische Gemeinde gab. Der christlichen Gemeinde hätten prominente Judenchristen angehört; sie sei also durchaus mit bestimmten Aspekten jüdischer Gesetzgebung vertraut gewesen. Und auch Paulus als ehemaliger "Pharisäer“ dürfte das jüdische Gesetz gut gekannt haben. Paulus erscheine als Mittler zwischen der jüdischen und der heidnischen Kultur. Auch als "Apostel der Heiden“ sei er in jüdischen Traditionen verwurzelt gewesen. Andererseits sei Paulus von der heidnischen Kultur durchdrungen gewesen, so wie auch jüdische Kultur die heidnische Welt durchdrungen habe. Die Mittlerfunktion zeige sich auch in seiner Sprache, So hätten sowohl heidnische als auch jüdische Leser die Formulierungen − jeweils auf eigene Weise − verstehen können.

 

J. C. O’Neill 1986, 357-361 vertritt die Ansicht, dass Paulus nicht behaupte, dass der heidnische Partner geheiligt ist, sondern vielmehr, dass er geheiligt sein könnte. Daraus sei zu folgern, dass mit der Heiligung die Taufe verbunden ist, und dass Kinder, die noch zu jung zum Glauben sind, natürlich getauft werden.

Anders L. E. Vaage 2009, 557-571, wonach es sich bei V. 14c um ein Paar Faktenaussagen handele: Würde die Heiligkeit eines Ehepartners in einer gemischten Ehe zunichte gemacht, dann wären die Kinder − so die gängige jüdische Sichtweise der Zeit des zweiten Tempels − unrein. Aufgrund der christlichen Mutter oder des christlichen Vaters seien sie jedoch laut Paulus rein/heilig. Die Übersetzung von V. 14c müsse lauten: "Since therefore your children are unclean, but now they are holy“.

 

E. Best 1990, 158-166 bietet eine Auslegung von V. 14. Das Possessivpronomen "eure“ lasse annehmen, dass es sich nicht nur um die Kinder der gemischten Ehen, sondern auch um Kinder aus christlichen Elternhäusern handelt. "Heilig sein“ bedeute Mitglied der Kirche, des heiligen Bundes, sein, wobei der ethische Aspekt mitschwinge. Die Übertragung der Heiligkeit erfolge auf zweierlei Weise: Zum einen sei sie mit den Menschen selbst verbunden, zum anderen mit dem Lebensstil. E. Best geht davon aus, dass die Kinder von der Gemeinde, wenn sie vom christlich Elternteil oder von den christlichen Eltern zu christlichen Versammlungen gebracht wurden, von den Gemeindegliedern als heilig erachtet wurden. Und wenn die Kinder heilig sind, so müssten doch auch beide Eltern - auch das heidnische Elternteil - heilig sein. V. 14a folge also aus V. 14b.

 

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V. 15

 

Beobachtungen: Das Scheidungsverbot gilt nur für die Christen, den "Bruder“ bzw. die "Schwester“ (des Paulus und der anderen Christen). Selbst wenn der "Ungläubige“ nicht in der Ehe verbleiben will, soll ihn die Ehepartnerin (bzw. der Ehepartner im Falle einer Ungläubigen) nicht entlassen. Die eheliche Bindung muss der Ungläubige schon selbst trennen.

Diese Trennung soll der "Bruder“ bzw. die "Schwester“ nicht verhindern, denn dies wäre nur bei einem strengen Scheidungsverbot erforderlich und käme einer sklavischen Bindung gleich.

 

Paulus kommt es weniger auf eine sklavische Bindung als vielmehr auf den Frieden an, wobei der Begriff "Friede“ nicht konkretisiert wird. In erster Linie ist dabei an den zwischenmenschlichen Frieden (in der Ehe) zu denken, darüber hinaus aber auch an den Frieden mit Gott, der bei Streitereien um den Glauben gefährdet ist.

 

Weiterführende Literatur: J. Murphy-O’Connor 1981, 605-606 hält Paulus für inkonsequent: In V. 15 halte er eine Scheidung für begründet und erlaube sie somit, was V. 10 widerspreche.

 

G. L. Borchert 1999, 125 macht sich für eine Bibelauslegung stark, die nicht das Scheidungsverbot betont, sondern − unter besonderer Berücksichtigung von 1 Kor 7,15 -bedenkt, dass bei einem tragischen Scheitern der Ehe eine Scheidung durchaus akzeptabel sein kann.

 

L. Schottroff 2004, 183-194 geht insbesondere unter Heranziehung von 1 Kor 7,15 und Apg 9,36-43 folgenden Fragen nach: Was bedeutete es für eine nichtjüdische Frau, Christin zu werden? Was bedeutete es für eine jüdische Frau, Christin zu werden? Das traditionelle heidenchristliche Konzept gebe folgende, wenig befriedigende Antworten: Diese Frauen glauben an Jesus als den Messias des jüdischen Volkes. Das jüdische Religionsgesetz ist für sie kein Heilsweg mehr. In Übereinstimmung mit Paulus sollen sie die Beschneidung für männliche Nichtjuden ablehnen. Mit Blick auf 1 Kor 7,15 legt L. Schottroff dar, dass für Paulus das Leben gemäß der göttlichen Berufung und damit das Halten von Gottes Geboten (vgl. V. 19; gemeint sei die Tora) das entscheidende Kriterium sei, nicht der Familienstand (geschieden oder nicht), die religiöse Herkunft ("Beschneidung“, d. h. jüdische oder nichtjüdische Herkunft) oder der gesetzliche Status (Sklave oder Freier). Unter bestimmten Umständen brauche somit eine Ehe nicht aufrecht erhalten zu werden, ebenso wie ein männlicher Nichtjude nicht unbedingt beschnitten werden müsse. Nun stelle sich aber die Frage, was die anonyme heidenchristliche Frau von einer jüdischen Proselytin, von einer Gottesfürchtigen wie Tabitha (vgl. Apg 9,36-43) unterscheidet. Wo liegt der christliche Unterschied? Tabitha sei aufgrund ihres Christusglaubens ein besonderer Fall unter Proselytinnen und Gottesfürchtigen, doch folge sie der jüdischen Lebensweise, die zugleich die christliche Lebensweise sei. L. Schottroff betont nicht die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten von Juden und Christen, zu denen zuvörderst das Nachdenken über die Frage gehöre, was das Leben nach Gottes Geboten, der Tora, ausmacht.

 

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V. 16

 

Beobachtungen: Das Verhindern einer Scheidung seitens des Ungläubigen bzw. der Ungläubigen könnte durch das Bestreben motiviert sein, ihn/sie zu retten. Diese Rettung erfolgt wohl im Hinblick auf die Geschehnisse am Ende der Tage und setzt die Möglichkeit des Verlorengehens voraus. Ob der Heide bzw. die Heidin aber durch die Ehe vor dem Untergang am Ende der Tage gerettet werden kann, liegt nicht in der Hand des christlichen Ehepartners bzw. der christlichen Ehepartnerin. Deshalb macht es auch keinen Sinn, die Ehe unbedingt aufrecht erhalten zu wollen. Auch Heiligung im Rahmen der Mischehe garantiert die Rettung nicht.

Die Aussage zur Rettung des heidnischen Ehepartners bzw. der heidnischen Ehepartnerin kann auch optimistisch verstanden werden, indem ei mit "vielleicht“ wiedergegeben wird, so dass sich die Übersetzung "Was weißt du... vielleicht...“ ergibt. Ein solcher Optimismus macht jedoch aus zwei Gründen wenig Sinn: Erstens würde er ja geradezu zur Aufrechterhaltung der Ehe auffordern, was V. 15 widersprechen würde; zweitens gäbe es bei einer erfolgten Trennung für den heidnischen Ehepartner bzw. die heidnische Ehepartnerin im Hinblick auf das Ende der Tage wenig Grund zum Optimismus, denn warum sollte Abwendung vom Christentum belohnt werden?

 

Weiterführende Literatur: Mit der Frage, ob V. 16 optimistisch oder pessimistisch zu verstehen ist, befasst sich S. Kubo 1978, 539-544. Es sei unwahrscheinlich, dass sich V. 16 auf V. 12-14 bezieht. Vielmehr seien V. 15-16 als Einheit zu sehen. Die Sichtweise sei damit pessimistisch.

O. L. Yarbrough 1984, 112 hält dagegen die optimistische Sicht für wahrscheinlicher.

 

 

Literaturübersicht

 

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