Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Apostelgeschichte (9-12)

Die Anfänge der Heidenmission

Apg 9,32-35

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Apg 9,32-35

 

 

Übersetzung

 

Apg 9,32-35:32 Es geschah aber, als Petrus durch alle [Gemeinden] durchzog, dass er auch zu den Heiligen, die in Lydda wohnten, herabkam. 33 Er fand aber dort einen Mann namens Äneas, der seit acht Jahren bettlägerig war; der war gelähmt. 34 Und (der) Petrus sprach zu ihm: "Äneas, dich heilt Jesus Christus. Steh auf und mach dir selbst dein Bett!“ Und sogleich stand er auf. 35 Und es sahen ihn alle Einwohner Lyddas und der Scharonebene, welche sich zum Herrn bekehrten.

 

 

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V. 32

 

Beobachtungen: Die Heilung des gelähmten Äneas ist die erste von zwei Wundergeschichten, die einen vorbereitenden Vorspann zur Bekehrung und Taufe des Kornelius und zur Heidenmission bilden.

 

Die Reisetätigkeit setzt die in V. 31 beschriebene Zeit der Ruhe vor Verfolgung voraus. Saulus, der selbst erst Verfolger und dann Verfolgter war, ist über Cäsarea nach Tarsus abgereist. In der Zeit der Ruhe festigen sich die Gemeinden und nehmen an Zahl und Größe zu.

 

Mit der Reisetätigkeit des Petrus beginnt die von Jerusalem ausgehende Heidenmission, die in 9,32-11,25 Thema ist und die Reisen des Saulus (= Paulus; 12,1-21,17) vorbereitet. Zunächst werden zwei Heilungswunder geschildert (9,32-35; 9,36-43).

 

Es wird nicht gesagt, wodurch Petrus zog. Zog er durch alle Gegenden? Oder zog er durch alle Gemeinden? Sicher ist, dass Petrus nicht durch alle Gegenden der Welt gezogen ist. Folglich muss es eine geographische Begrenzung geben. Da in V. 31 von der Festigung und Ausbreitung der Kirche in Judäa, Galiläa und Samarien die Rede ist, ist anzunehmen, dass sich die Reisetätigkeit auf diese Gebiete beschränkte. Angesichts der beiden Orte, in denen die beiden Heilungswunder stattfanden, ist sogar noch eine engere Begrenzung möglich: Lydda und Joppe liegen beide in Judäa. Petrus dürfte also mit einiger Sicherheit das Land des Volkes Israel nicht verlassen haben. Geht man davon aus, dass Petrus alle Gemeinden durchzog, so setzt das voraus, dass mit den "Heiligen“ Christen gemeint sind.

 

Lydda liegt in der Küstenebene (Scharon), von Jerusalem kommend knapp 20 Kilometer vor Joppe. Weil Jerusalem im judäischen Bergland, also höher als Lydda, liegt, muss man auf dem Wege von Jerusalem nach Lydda herabsteigen. Der atl. Name der Stadt ist Lod.

 

Fraglich ist, wer die "Heiligen“ sind. Sind es Angehörige des von Gott erwählten und somit geheiligten Volkes Israel, also Juden? Oder sind es nur besonders strenggläubige Juden wie die Essener? Oder sind es Christen?

Eng mit dieser Frage ist eine weitere Frage verbunden: Warum bereiste Petrus alle Gegenden/Gemeinden? Gehen wir davon aus, dass viele Menschen in den bereisten Gegenden noch keine Christen waren, dann wird es sich um eine Missionsreise gehandelt haben. Wenn die "Heiligen“ die zu Bekehrenden sind, dann dürfte es sich um (vielleicht strenggläubige) Juden handeln. Heiden kommen nicht in Frage, weil diese sicherlich nicht als "Heilige“ bezeichnet werden. Wenn die "Heiligen“ aber die Gastgeber bei der Missionsreise sind, dann sind vermutlich Christen gemeint. Es kann auch sein, dass sich in den von Petrus bereisten Gebieten das Christentum schon weit ausgebreitet hatte und es keiner besonderen missionarischen Bemühungen mehr bedurfte. Dann wird es sich wohl eher um eine Visitationsreise durch die verschiedenen Gemeinden als um eine Missionsreise gehandelt haben. Möglich ist auch, dass es sich sowohl um eine Missions- als auch um eine Visitationsreise handelte, die Gemeindebesuche also mit Predigttätigkeit verbunden waren. Dabei können die Predigten die Bekehrung der Nicht-Christen zum christlichen Glauben oder die Stärkung der Gemeindeglieder in ihrem Glauben bezweckt haben.

 

Petrus ist nicht nur zu den "Heiligen“, die in Lydda wohnten, gekommen, sondern auch zu anderen Menschen, die jedoch nicht erwähnt werden. Bei den anderen aufgesuchten Menschen kann es sich um Menschen jeglicher Religionszugehörigkeit handeln. Es ist möglich, aber nicht zwingend anzunehmen, dass es sich auch um "Heilige“ handelt. Nimmt man eine Visitationsreise an, so muss es sich bei den anderen aufgesuchten Menschen ebenfalls um "Heilige“ handeln, wobei wiederum Christen gemeint wären. Neben den Gemeinden anderer Orte hätte Petrus auch die Gemeinde in Lydda besucht.

 

Weiterführende Literatur: J. Schwartz 1990, 1-18 befasst sich mit dem Aufenthalt des Petrus in Lydda auf dem Hintergrund der rabbinischen Ben Stada − Tradition.

 

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V. 33

 

Beobachtungen: "Dort“ kann sich auf die Stadt Lydda oder auf die "Heiligen“ in Lydda beziehen, wobei letzteres wahrscheinlicher ist: Die erzählte Begebenheit spielte sich in der Gemeinschaft der "Heiligen“ ab.

 

Zur Herkunft und Religionszugehörigkeit des Äneas wird nichts gesagt. Vermutlich gehörte er der Gemeinschaft der "Heiligen“ an, denn aus welchem Grund sollte er sich sonst in ihrer Mitte aufhalten? Dass der Verfasser der Apg nichts über die Identität des Mannes schreibt zeigt, dass diese unerheblich ist. Von zentraler Bedeutung ist nicht der Mann an sich, sondern das, was an ihm geschieht.

 

Auch der Grund für die Lähmung ist uninteressant. Entscheidend ist, dass Äneas an das Bett gefesselt und aufgrund seiner Lähmung handlungsunfähig ist. Welche Gliedmaßen gelähmt waren, spielt keine Rolle.

 

Fraglich ist, ob Petrus die "Heiligen“, die in Lydda wohnten, aufgesucht hat, weil er wusste, dass sich in ihrer Mitte ein Gelähmter befand und er diesen heilen wollte. Eher ist anzunehmen, dass Petrus vom Dasein des Gelähmten nichts wusste, das "Finden“ also im Sinne des "(zufällig) Vorfinden“ zu verstehen ist.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 34

 

Beobachtungen: Petrus rief nicht Jesus Christus um heilende Hilfe an, sondern er machte eine Aussage: "dich heilt Jesus Christus“. Petrus war sich also der heilenden Kraft Christi sicher. Die heilende Kraft kam Äneas zugute. Petrus nannte sicher dessen Namen, als wollte er das Ziel der heilenden Kraft in aller Deutlichkeit bestimmen.

 

Fraglich ist, woher Petrus den Namen des Gelähmten wusste. Er kann den Namen schon vor seinem Besuch gewusst, ihn aber auch während des Besuches erfahren haben, sei es von dem Gelähmten selbst oder von einem Dritten. Möglich, wenn auch unwahrscheinlich, ist auch, dass Petrus über hellseherische Fähigkeiten verfügte oder dass ihm der Name von Gott oder Jesus Christus eingegeben wurde.

 

Es ist nicht davon die Rede, dass Äneas Petrus darum gebeten hat, dass dieser ihn heilen oder von Jesus Christus Heilung erbitten solle. Daher ist davon auszugehen, dass Petrus ungebeten das Wort ergriff und so allen die heilende Kraft Christi vor Augen führte.

 

Wichtig ist, dass nicht Petrus selbst heilte, sondern er "nur“ den Heilenden, Jesus Christus, nannte. Nicht Petrus erscheint also als Wundertäter, sondern Jesus Christus.

 

Die Aufforderung an Äneas, aufzustehen und selbst das Bett zu machen, macht deutlich, dass es Äneas tatsächlich möglich war, aufzustehen und selbst das Bett zu machen. Das betonte "selbst“ unterstreicht die neu gewonnene Handlungsfähigkeit des Äneas. Als logische Folge des Gesagten stand Äneas auch tatsächlich auf. Dass er auch selbst das Bett machte, wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, jedoch stillschweigend vorausgesetzt. Andernfalls wären Zweifel an der vollständigen Heilung des Gelähmten angebracht gewesen. Aus der in V. 35 geschilderten Reaktion der Menschen geht jedoch hervor, dass niemand an der vollständigen Heilung des Gelähmten zweifelte.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 35

 

Beobachtungen: Von den "Heiligen“, die in Lydda wohnten, ist in V. 35 nicht mehr die Rede. Die Rede ist nur von "allen Einwohnern Lyddas und der Scharonebene“. Diese Menschen sind Nicht-Christen, also entweder Juden oder Heiden, denn nur als Nicht-Christen können sie sich zum "Herrn“ (= Jesus Christus) hinwenden. Dass die Reaktion der "Heiligen“ nicht getrennt zur Sprache kommt, obwohl sie doch mit dem Wunder und dem geheilten Äneas am ehesten konfrontiert wurden, kann zwei Gründe haben: Entweder werden sie zu allen weiteren Einwohnern Lyddas und der Scharonebene hinzugezählt oder sie sind schon Christen. Ersterer Grund würde die Frage aufwerfen, warum in V. 32 die "Heiligen“ so herausgehoben werden, wenn sie letztendlich in V. 35 doch nur mit allen anderen Einwohnern zusammengefasst werden. Wenn die "Heiligen“ tatsächlich Nicht-Christen und vorrangige Zielgruppe der Predigten des Petrus sind, dann ist zu erwarten, dass ihre Reaktion an erster Stelle genannt wird. Weil dies nicht der Fall ist, ist anzunehmen, dass die "Heiligen“ nur als Gastgeber und besondere Zielgruppe der Reisetätigkeit des Petrus eine Rolle spielen, nicht aber im Hinblick auf die Reaktion auf das Wunder. Das spricht dafür, dass es sich bei den "Heiligen“ um Christen − vermutlich Judenchristen - handelt, die Petrus aufgesucht hat, weil er sie im Glauben stärken und/oder die Gemeinde visitieren wollte. Als Christen brauchen sie sich nicht zum "Herrn“ zu bekehren. Bekehren müssen sich nur die Menschen, die nicht zu den "Heiligen“ gehören. Diese Menschen dürften mit der Formulierung "alle Einwohner Lyddas und der Scharonebene“ gemeint sein.

 

Dass "alle Einwohner Lyddas und der Scharonebene“ Äneas sahen, setzt räumliche Nähe voraus. Es müssen also entweder "alle Einwohner Lyddas und der Scharonebene“ Äneas besucht haben oder sie müssen von Äneas besucht worden sein. Dass "alle“ wörtlich zu nehmen ist, ist sehr unwahrscheinlich, denn die Scharonebene, die Küstenebene Israels, in der Lydda liegt, ist ein Gebiet von großer Fläche mit mehreren Städten. Alle Menschen dieser Ebene werden kaum Äneas besucht haben oder von ihm besucht worden sein. Die zentrale Aussage, um die es dem Verfasser der Apg geht, dürfte vielmehr sein, dass Äneas so vollständig geheilt war, dass er sich ungehindert umher bewegen konnte und mit vielen Menschen in Kontakt kam. Aufgrund der wundersamen Beweglichkeit des Gelähmten bekehrten sich "alle“ zum "Herrn'.

 

Dass sich die Menschen zum "Herrn“ bekehrten, zeigt, dass sie die wundersame Heilung des Gelähmten auf die heilende Kraft des "Herrn“ Jesus Christus zurückführten. Wäre die Heilung auf das wundersame Wirken des Petrus zurückgeführt worden, dann wäre dieser sicherlich als Wundertäter gefeiert worden. Davon ist aber nicht die Rede.

 

Weiterführende Literatur:

 

 

Literaturübersicht

 

Schwartz, Joshua; Ben Stada and Peter in Lydda, JSJ 21 (1990), 1-18

 

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