Apg 11,4-18
Übersetzung
Apg 11,4-18:4 Da hob Petrus an, erklärte es ihnen der Reihe nach und sprach: 5 "Ich war in [der] Stadt Joppe am Beten und sah in Ekstase eine Erscheinung, ein Gefäß herabkommen, einem großen Leinentuch gleich, das an vier Zipfeln aus dem Himmel herabgelassen wurde; und es kam bis zu mir. 6 Als ich genau hinsah und es betrachtete, (da) sah ich die Vierfüßler der Erde und die wilden Tiere und die Kriechtiere und die Vögel des Himmels. 7 Ich hörte aber auch eine Stimme, die zu mir sprach: "Auf, Petrus, schlachte und iss!' 8 Ich aber sprach: "Auf keinen Fall, Herr! Denn Gemeines oder Unreines ist noch nie in meinen Mund gekommen.' 9 Es antwortete aber eine Stimme zum zweiten Mal aus dem Himmel: "Was (der) Gott gereinigt hat, das halte du nicht für gemein!' 10 Dies geschah dreimal, dann wurde alles wieder in den Himmel hinaufgezogen. 11 Und siehe, alsbald standen drei Männer vor dem Haus, in dem wir uns befanden; die waren von Cäsarea aus zu mir gesandt worden. 12 Da sagte zu mir der Geist, ich solle mit ihnen gehen, ohne zu unterscheiden. Es kamen aber auch diese sechs Brüder mit mir, und wir gingen in das Haus des Mannes hinein. 13 Und er berichtete uns, wie er den Engel in seinem Haus gesehen habe, der dastand und sprach: "Sende nach Joppe und lass Simon mit Beinamen Petrus holen. 14 Der wird Worte zu dir reden, durch die du samt deinem ganzen Haus gerettet werden wirst.' 15 Als ich aber anfing zu reden, fiel der heilige Geist auf sie, so wie auch auf uns im Anfang. 16 Da erinnerte ich mich an das Wort des Herrn, wie er sagte: "Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet mit heiligem Geist getauft werden.' 17 Wenn nun (der) Gott ihnen die gleiche Gabe gegeben hat wie auch uns, nachdem sie zum Glauben an den Herrn Jesus Christus gekommen waren, wie hätte da ich imstande sein sollen, (den) Gott zu hindern? 18 Als sie dies gehört hatten, beruhigten sie sich, (und) priesen Gott und sprachen: "Also hat (der) Gott auch den Heiden die Umkehr zum Leben gegeben.“
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Beobachtungen: Die Rede 11,4-18 stellt die Reaktion des Petrus auf den Vorwurf "derer aus [der] Beschneidung“ dar, dass Petrus bei unbeschnittenen Männern eingekehrt sei und mit diesen zusammen gegessen habe.
11,4-18 stellt nach 10,3-8; 10,22 und 10,30-33 einen vierten Bericht der Ereignisse dar. Die wiederholte Erzählung ist eine stilistische Eigenheit des Verfassers der Apg. Sie dürfte zum einen die Bedeutung des Erzählten unterstreichen, zum anderen aber auch die göttliche Fügung hervorheben, die zum Verlauf der Ereignisse geführt hat. Kleineren Abweichungen von vorherigen Schilderungen der Ereignisse ist keine größere Bedeutung beizumessen, weil die Rede den Charakter einer reinen Nacherzählung der Ereignisse seitens Petrus hat. Änderungen dürften folglich stilistischer Art sein, auf bestimmten Gewichtungen beruhen oder Ergänzungen darstellen.
Petrus berichtet nicht unstrukturiert, sondern "der Reihe nach“. Der Bericht gibt also in chronologischer Reihenfolge das Geschehen wieder. Dabei fällt auf, dass sich Petrus in seinem Bericht eigener Gedanken und Deutungen enthält.
Weiterführende Literatur: R. Pesch 1981, 105-122 geht von den Thesen F. Mußners in dessen Kommentar von 1974 aus, dass trotz der zahlreichen Unterschiede kein Grund zu der Annahme bestehe, Gal 2,1-10 und Apg 15 würden von zwei verschiedenen Ereignissen berichten, und dass vermutlich das "Aposteldekret“ erst einige Zeit nach dem "Apostelkonzil“ zustande gekommen und von Lukas in den Bericht über dasselbe hineingenommen worden sei. R. Pesch stellt nun die Frage, wie Lukas überhaupt dazu kommt, das "Aposteldekret“ in seinen Bericht über das "Apostelkonzil“ hineinzunehmen. Ergebnis: Lukas habe (aus Antiochenischer Tradition) neben dem Bericht über die dortige Gemeindegründung (Apg 11,19-26) einen Bericht über das Jerusalemer Abkommen (Apg 11,27-30; 12,25; 15,1-4.12b) und das Zustandekommen des Aposteldekrets (Apg 10,1-11,18; 15,5-12a.13-33) gekannt. Da ihm daran gelegen sei, die Heidenmission ganz in die Kontinuität der urchristlichen Gemeinde einzubetten und an Jerusalem zurückzubinden, lasse er sie im Werk des Petrus grundgelegt sein. Weil er die Eröffnung der beschneidungsfreien Heidenmission Petrus zuschreibe, dessen Initiative durch die Jerusalemer gebilligt werde, könne er die Berichte über das Jerusalemer Abkommen und die Lösung des Antiochenischen Konflikts zusammenziehen, wobei er freilich die mit dem Jerusalemer Abkommen zusammenfallende Kollekte der Antiochener ablöse und im (vielleicht ursprünglichen) Anschluss an die Erzählung von der Gründung der Gemeinde kurz erwähne; den knappen Bericht schachtele er um die Überlieferung von der Verfolgung durch Agrippa I.
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Beobachtungen: Der Bericht Apg 11,5-10 gibt die in 10,9-16 geschilderten Ereignisse wieder.
Das feminine Partizip "kathiemenên“ statt des in 10,11 gebotenen neutralen Partizips "kathiemenon“ erklärt sich damit, dass sich − anders als in 10,11 - in 11,5 das Partizip auf das feminine "othonên megalên“ ("großes Leinentuch“) bezieht und nicht auf das neutrale "skeuos“ ("Gefäß“).
Laut 11,5 wurde das wie ein großes Leinentuch aussehende Gefäß an seinen vier Zipfeln nicht "auf die Erde“ herabgelassen, sondern "aus dem Himmel“. Das hinzugefügte "und es kam bis zu mir“ verdeutlicht, wie nahe das Leinentuch bis an Petrus herankam.
Weiterführende Literatur: R. D. Witherup 1993, 45-66 befasst sich mit "functional redundancy“ in der Kornelius-Erzählung (10,1-11,18). "Functional redundancy“ sei eine Erzähltechnik, die sich der Wiederholung und der Variation durch Hinzufügung, Kürzung, Änderung der Reihenfolge, grammatische Umwandlung und Ersetzung bediene. Auf diese Weise solle eine vollständige und eindeutige Erfassung der Aussage eines Textes bewirkt werden. So lasse sich die viermalige Erzählung der Vision des Kornelius (vgl. 10,1-8.22.30-33; 11,11-14) und die zweimalige Erzählung der Vision des Petrus (vgl. 10,9-16; 11,5-10) erklären.
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Beobachtungen: 11,6 schildert im Gegensatz zu 10,12 nicht nur sachlich, was für Tiere sich in dem großen Leinentuch befanden, sondern gibt auch − dem persönlichen Charakter des Berichts entsprechend - die Reaktion des Petrus auf das nahe gekommene Gefäß wieder: Er sah genau hin und betrachtete es.
Die Wahl der Zeitform Imperfekt ("katenooun“) macht deutlich, dass das Verb "katanoeô“ ("bemerken/betrachten“) hier eine länger währende Handlung meint. Es ist also nicht ein kurzzeitiges Bemerken der Tiere gemeint, sondern ein längeres Betrachten des einem großen Leinentuch gleichenden Gefäßes. Das Bemerken der Tiere gibt das folgende Verb "eidon“ wieder, wobei die Wahl der Zeitform Aorist die Kurzzeitigkeit des Bemerkens verdeutlicht.
Die Aufzählung der Tiere weicht von derjenigen in 10,12 ab: Wurden in 10,12 die Vierfüßler, die Kriechtiere der Erde und die Vögel des Himmels genannt, so sind es in 11,6 die Vierfüßler der Erde, die wilden Tiere, die Kriechtiere und die Vögel des Himmels. Die wilden Tiere / Wildtiere (thêria) könnten Gen 1,24-26LXX entnommen sein. Allerdings finden sich dort zusätzlich auch noch die Fische (ichthyes) und das Vieh (ktênos).
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Auch V. 7 ist vom Erleben des Petrus her formuliert: Hieß es in 10,13, dass eine Stimme an ihn erging, so schildert Petrus in 11,7, dass er eine Stimme hörte.
Die Aufforderung "Auf, Petrus, schlachte und iss!“ entspricht wörtlich 10,13.
Weiterführende Literatur: P. E. Dion 1984, 207-210 legt dar, dass gewöhnlich Ez 4,14 als atl. Hintergrund zur Vision des Petrus herangezogen werde. Darüber hinaus sei jedoch angesichts der terminologischen und inhaltlichen Übereinstimmungen auch auf Dtn 12,13-27 hinzuweisen. Insbesondere die Aufforderung "Nimm und iss!“ in der Vision des Petrus sei erwähnenswert. Auch in Dtn 12,13-27 werde das Schlachten und Essen thematisiert, und dies sei ebenfalls unter dem Aspekt des Hungers der Fall.
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Beobachtungen: Die Formulierung "in meinen Mund gekommen“ entspricht dem "gegessen“ in 10,14. Diese Formulierungsvariante verdeutlicht die Eigenart des Verfassers der Apg, Berichte von bereits geschilderten Begebenheiten in leicht abgeänderten Worten erfolgen zu lassen.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: 11,9 macht − anders als 10,15 − deutlich, dass das erneute Antworten der Stimme aus dem Himmel erfolgte. Es erfolgte also von dort her, von wo aus das Gefäß herabgelassen worden war.
Weiterführende Literatur: J. D. M. Derrett 1988, 205-221 vertritt die Ansicht, dass uns die Vision des Petrus zurück zu Noah führe. Noah habe reine und unreine Tiere gegessen und ein grundlegendes Schlachtritual durchgeführt. Christus habe sowohl die Opferordnung Noahs als auch die Opferordnung des Mose zugunsten des Opfers seiner selbst aufgehoben. Damit seien auch die aus dem Tempelopferdienst und aus dem pharisäischen Haushalt entspringenden Tabus entfallen. Die Reinheit des Neuen Israels, an der gleichermaßen Juden- und Heidenchristen Anteil gehabt hätten, sei nicht darüber hinaus gegangen, die Enthaltung vom Götzenkult, von sexuellen Abschweifungen und von bluthaltigen Speisen zu sichern. Dafür sei der ursprüngliche Bund Gottes mit Noah grundlegend gewesen, von dem Moses "Gesetzgebung“ nur eine vorübergehende Ausnahme gewesen sei. Moses "Gesetzgebung“ habe weiterhin für diejenigen Juden, auf die der Geist nicht gekommen war und die weiterhin des Schutzes ihrer speziellen Tabus bedurften, gegolten. Das Apostolische Dekret hänge also von der Vision des Petrus ab und werde durch einen Verweis auf Amos gestärkt. Amos habe die Reinheit des neuen Priestertums vorhergesehen, über dem Gottes Name habe ausgerufen werden sollen.
C. House 1983, 143-153 macht deutlich, dass zwischen der Bedeutung der Begriffe "koinos“ ("gemein“) und "akathartos“ ("unrein“) zu unterscheiden sei. "Koinos“ könne nur etwas Reines werden, und zwar durch den Kontakt mit etwas Unreinem. Der Gebrauch von "koinos“ ("gemein“) und "koinoô“ ("gemein machen“) lasse eine Fortdauer der atl. Unterscheidungen zwischen "reinen“ und "unreinen“ Fleischgerichten in ntl. Zeit erkennen. Diese Unterscheidung werde nicht infrage gestellt. Allerdings würden in Apg 10-11 bestimmte Vorstellungen des späteren Judentums überwunden: dass "reine“ Lebewesen durch den Umgang mit "unreinen“ Lebewesen verunreinigt (oder gemein gemacht) werden, und dass Juden ihre Exklusivität wahren und sich vor Verunreinigung durch den Umgang mit Heiden hüten müssen.
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Beobachtungen: Im Vergleich mit 10,16 finden sich in 11,10 einige kleinere Änderungen: "euthys“ ("sogleich“) ist entfallen, "palin“ ("wieder“) hinzugefügt. Außerdem heißt es in 11,10 nicht, dass das Gefäß hinaufgenommen (anelêmphthê), sondern dass es hinaufgezogen (anespasthê) worden war.
"Alles“ meint sowohl das einem großen Leinentuch gleichende Gefäß als auch die sich in ihm befindenden Tiere.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Petrus lässt in seiner Schilderung der Ereignisse das Fragen der von Kornelius gesandten Männer nach dem Haus des Simon, in dem sich Petrus aufgehalten hatte, weg, denn für ihn war nicht von Bedeutung, wie die Männer zum Haus des Simon gelangt waren, sondern dass sie dorthin gelangt waren.
Unklar ist, wer mit "wir“ gemeint ist. Infrage kommen Petrus, Simon der Gerber, die Personen, die eine Mahlzeit zubereitet hatten und die "Brüder“, die Petrus und die von Kornelius gesandten Männer schließlich nach Cäsarea begleiteten. In einer Textvariante ist diese Unklarheit beseitigt, denn dort findet sich "êmên“ ("ich war“) statt "êmen“ ("wir waren“). Die Textvariante hat den Blick also nur auf Petrus gerichtet, auf den es ja schließlich nur ankommt. Fraglich ist, ob die Änderung der Textvariante eine absichtliche Korrektur oder ein Versehen (Hör- oder Schreibfehler) ist. Angesichts der Tatsache, dass die Textvariante zwar schlechter, aber immerhin mit dem Papyrus 45 auch durch einen sehr alten Textzeugen aus dem 3. Jh. bezeugt ist, ist nicht ausgeschlossen, dass die Textvariante den ursprünglichen Text wiedergibt. So könnte eine Änderung von "êmên“ ("ich war“) zu "êmen“ ("wir waren“) erfolgt sein, weil die nachfolgend genannten sechs "Brüder“ darauf schließen ließen, dass sich im Haus nicht nur Petrus aufgehalten haben konnte.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: In seinem Bericht lässt Petrus weg, wie er vom Dach zu den Gesandten hinunterstieg, sich von den Gesandten den Grund für das Kommen schildern ließ und wie er sie schließlich hereinbat und sie als Gäste aufnahm.
Im Unterschied zu 10,20 findet sich in 11,12 − außer in der vom Mehrheitstext gebotenen Textvariante - nicht die mediale Verbform "diakrinomai“, sondern die aktive "diakrinô“. Beide Verbformen können "unterscheiden“ und "beurteilen“ bedeuten, die Bedeutung "zweifeln/zögern“ kommt jedoch nur der medialen Verbform zu. In 11,12 dürfte folglich nicht gemeint sein, dass Petrus nicht zögern, keine Bedenken haben sollte, sondern dass er nicht unterscheiden oder beurteilen sollte. Er sollte also nicht das Mitgehen beurteilen. Doch worauf könnte sich die Unterscheidung beziehen? Am ehesten ist anzunehmen, dass Petrus nicht zwischen Juden und Heiden unterscheiden und einfach mit den von Cäsarea aus gesandten Männern mitgehen sollte.
War in 10,23b die Zahl der "Brüder“ aus Joppe, die Petrus nach Cäsarea begleiteten, offen geblieben, so findet sich in 11,12 eine genaue Zahl: sechs. Nun schreibt der Verfasser der Apg aber nicht "Es kamen aber auch diese sechs Brüder mit mir“, sondern "Es kamen aber auch diese sechs Brüder mit mir“. Da diese sechs "Brüder“ in 11,4-12 noch nicht erwähnt wurden, verweist das Demonstrativpronomen "diese“ nicht auf eine vorhergehende Erwähnung der sechs "Brüder“. Folglich ist anzunehmen, dass diese sechs "Brüder“ Petrus nach Jerusalem begleitet hatten und bei seiner späteren Verteidigungsrede in Jerusalem − vermutlich als Zeugen - anwesend waren, so dass Petrus auf sie hinweisen konnte. Das bedeutet aber, dass nicht sicher ist, dass tatsächlich alle "Brüder“, die Petrus nach Cäsarea begleitet hatten, auch tatsächlich mit nach Jerusalem gekommen waren. Die Zahl der "Brüder“, die Petrus nach Cäsarea begleitet hatte, kann mehr als sechs betragen haben. Weil allerdings eine solche Aufteilung der "Brüder“ nicht in den Blick kommt, ist anzunehmen, dass Petrus tatsächlich von genau sechs "Brüdern“ nach Cäsarea begleitet worden war.
Es ist fraglich, ob der Zahl Sechs eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Um Ereignisse vor einer judenchristlichen Zuhörerschaft zu bezeugen, hätte es keiner insgesamt sieben (sechs "Brüder“ plus Petrus) Zeugen bedurft, denn gemäß Dtn 19,15 (vgl. Mt 18,16; 2 Kor 13,1; 1 Tim 5,19) hätten insgesamt zwei oder drei Zeugen ausgereicht. Außerdem ist nicht gesagt, dass die sechs "Brüder“ zwecks späteren Zeugnisses mit Petrus nach Jerusalem gereist sind.
Es verwundert, dass Petrus keine genaueren Angaben zu dem Mann machte, in dessen Haus er und die ihn begleitenden sechs "Brüder“ hineingegangen waren. Immerhin wusste Petrus ja, dass der Mann, ein Hauptmann namens Kornelius, ein gerechter und gottesfürchtiger Mann, angesehen beim ganzen Volk der Juden war (vgl. 10,22). Hat hier der Verfasser der Apg den Bericht des Petrus schlampig gestaltet? Das würde insofern verwundern, als durchaus von Belang ist, dass Kornelius samt seinem Haus gottesfürchtig war. Denn gemäß 10,35 sind Gott nicht alle Menschen willkommen, sondern nur diejenigen, die ihn fürchten und Gerechtigkeit üben. Allerdings hat Petrus auch aus der Offenbarung des Gefäßes mit den Tieren die Lehre gezogen, dass er keinen Menschen gemein oder unrein nennen soll (vgl. 10,28). Dieser Lehre gemäß wäre unwichtig, wer der Mann war, in dessen Haus Petrus und die ihn begleitenden sechs "Brüder“ hineingegangen waren. Der Verfasser könnte also wegen dieser Belanglosigkeit jegliche Informationen über den Hauseigentümer weggelassen haben. Gegen diese Möglichkeit ist allerdings einzuwenden, dass sich die Rede des Petrus nicht an seinem eigenen Wissen und den Aussagen von Gott orientieren musste, sondern an dem Wissen und der Meinung der Adressaten. Diese argumentierten nämlich von einer anderen Warte aus und griffen ihn von ihrer eigenen Argumentation und Meinung ausgehend an. Folglich hätte eigentlich Petrus ihnen die Falschheit ihrer eigenen Argumentation und Meinung darlegen müssen. Entweder hat der Verfasser der Apg diesen Gesichtspunkt übersehen oder er hielt ihn für unwichtig, weil er davon ausging, dass in den folgenden Versen alles für die Umstimmung der Kritiker Notwendige gesagt wird.
Weiterführende Literatur: Mit dem Lehrstück von Joppe in der Verteidigungsrede des Petrus in Jerusalem (Apg 11,2-17) befasst sich B. Orth 2002, 200-209. Bei einer detaillierten Betrachtung dieser Rede falle auf, dass sie nicht nur eine zusammenfassende Wiederholung sondern zugleich auch eine Neuakzentuierung des in Kapitel 10 Erzählten enthält. Eine Neuakzentuierung erfolge durch "Platzwechsel“ − der Geist komme in 11,15 im Gegensatz zu 10,44 schon zu Beginn und nicht erst am Ende der Petruspredigt -, dramaturgische Stilmittel und ergänzende Hinzufügung. So stünden in 11,12 "sechs Brüder“ gegenüber "einigen Brüdern“ in 10,23. Diese sechs Brüder wollten glaubhafte Zeugen für das sein, was Petrus in der Rede berichtet.
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Beobachtungen: Dass Petrus erst die in seiner Ekstase erfolgte Erscheinung berichtete und erst danach auf die Kornelius zuteil gewordene Erscheinung einging, lässt sich mit der subjektiven Sichtweise des Berichtes erklären: Zuerst hatte ja Petrus selbst die Erscheinung des Gefäßes mit den Tieren erlebt und erst danach war ihm berichtet worden, dass Kornelius ein Engel erschienen war.
Der Bericht des nicht weiter charakterisierten Mannes gibt verkürzt 10,30-33 wieder. Weggelassen sind Detailinformationen wie diejenige zur neunten Gebetsstunde, zum glänzenden Gewand des Engels und zum gottesfürchtigen Verhalten des Kornelius.
Fraglich ist, warum der Verfasser Petrus bestimmt von "dem Engel“ reden lässt, wo doch der Engel vorher in der Rede des Petrus noch nicht erwähnt worden ist und es folglich hätte "ein Engel“ heißen müssen. Ist der Verfasser der Apg davon ausgegangen, dass die Zuhörer schon über den Engel informiert waren? Dann wären sie sicherlich auch über die Ereignisse schon informiert gewesen und es hätte nicht mehr der Rede des Petrus bedurft. Oder hat der Verfasser der Apg Petrus von dessen Kenntnisstand aus berichten lassen? Dann hätte er ausgeblendet, dass der Kenntnisstand der zu überzeugenden Zuhörer ein anderer als derjenige des Petrus war. Das wäre ein Hinweis darauf, dass die Rede des Petrus nur scheinbar für die judenchristliche Zuhörerschaft gehalten wurde, tatsächlich jedoch für die − bereits informierten - Leser der Apg erfolgt ist. Diesen konnten mittels der Rede nochmal die wesentlichen Ereignisse in Erinnerung gerufen werden, wobei eine Zuspitzung auf den zentralen Aussagegehalt hin möglich war. Tatsächlich wäre es dann dem Verfasser nicht um die Überzeugung der judenchristlichen Zuhörer, sondern um die Überzeugung der Leser der Apg gegangen. Abgesehen von dieser Möglichkeit kann die Rede von "dem Engel“ auch einfach auf eine Nachlässigkeit des Verfassers der Apg zurückzuführen sein.
Auch der Wahl des Verbs "apostellô“ ("senden“) statt "pempô“ ("senden“; vgl. 10,5.32) dürfte keine inhaltliche Bedeutung zukommen. Der gleiche Sachverhalt wird nur in anderen Worten ausgedrückt.
Weiterführende Literatur: J. H. Elliott 1991, 102-108 legt das, dass der Korneliuserzählung 10,1-11,18 eine Diskussion innerhalb der Jesusbewegung zugrunde liege, ob die Jesusbewegung an das Judentum gebunden bleiben soll und inwieweit jüdische Reinheitsgebote für das Verhalten aller Christen gelten sollen. Die Korneliuserzählung mache deutlich, dass auch Heiden in die Jesusbewegung aufgenommen werden sollten, für die die Reinheitsgebote nicht gelten. Lukas stelle dem Tempel samt seinen Satzungen und (Reinheits-)Geboten das Haus und die Gastfreundschaft gegenüber. In diesem häuslichen Rahmen würden die soziale Abgrenzung und die jüdischen Satzungen und Gebote überwunden und den Heiden das Evangelium, das Reich Gottes und die christliche Gemeinschaft eröffnet. Ähnlich D. J. Scholz 2002, 47-61, der eine Analyse erzählerischer Gesichtspunkte bietet.
C. A. Miller 2002, 302-317 geht der Frage nach, ob Petrus gemäß der Korneliuserzählung vor seinem Aufsuchen der Heiden erst von der Befolgung des Gesetzes (= Tora) Abstand nahm, oder ob Petrus einfach den Heiden das Evangelium brachte. In ersterem Fall ginge es in der Vision um die Aufhebung des Gesetzes, in letzerem Fall um die gleichberechtigte Aufnahme der Heiden in das Haus Gottes. Ergebnis: Trotz der Mehrdeutigkeit der Vision sei doch offensichtlich, dass sie nicht auf die Speise bzw. Speisegebote, sondern auf Menschen bezogen werden soll. C. A. Miller merkt an, dass der Engel und Petrus das Haus des Kornelius betreten hätten, wie Kornelius später das Haus Gottes betreten sollte. Ähnlich D. J. Scholz 2002, 47-61, der eine Analyse erzählerischer Gesichtspunkte bietet.
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Beobachtungen: Entgegen 10,5-6.32 wurde gemäß 11,14 Kornelius schon vom Engel mitgeteilt, warum er nach Joppe senden und Simon mit Beinamen Petrus holen lassen sollte. 10,33 entsprechend erwartete Kornelius eine Rede zu hören. War aber in 10,33 nur gesagt worden, dass der Inhalt der Rede Petrus vom "Herrn“ aufgetragen war, so nennt 11,14 den wesentlichen theologischen Inhalt der Rede: Durch die Rede werde Kornelius samt seinem Haus gerettet.
Wovor die verheißene Rettung erfolgen werde, bleibt offen. Aus 10,42-43 ist allerdings zu erschließen, dass Sündenvergebung und Rettung in einem engen Zusammenhang zu sehen sind. Wem die Sünden vergeben werden, der hat keine Verurteilung durch den Richter Jesus Christus zu erwarten. Er wird also vor der Verurteilung und den nicht weiter erwähnten Folgen gerettet, d. h. bewahrt.
Weiterführende Literatur: Laut J. J. Kilgallen 1998, 301-302 lasse sich 10,1-11,18 besser verstehen, wenn man klar und deutlich zwischen "gemein/unrein“, "Gott willkommen“ und "gerettet“ unterscheidet. Kornelius sei rein, weil alle Menschen rein sind. Folglich verunreinige der Kontakt mit Kornelius einen Juden nicht. Ebenfalls sei Kornelius Gott willkommen, weil er Gott fürchtet und Gerechtigkeit übt. Dennoch könnten ihm erst die Vergebung der Sünden zuteil und der Geist gegeben werden, wenn er an Jesus Christus glaube. Erst dann könne er auch als gerettet angesehen werden.
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Beobachtungen: Entgegen 10,44 fiel gemäß 11,15 der heilige Geist nicht erst während der Rede auf alle, die das Wort hörten, sondern schon ganz am Anfang der Rede. Damit wird möglicherweise die göttliche Initiative unterstrichen, die der Rede vorausging.
Laut 11,15 eint der Empfang des heiligen Geistes die Heidenchristen in Cäsarea, die Zuhörer der Rede und Petrus selbst. Auf alle ist der heilige Geist gefallen.
Unklar ist, auf welchen Zeitpunkt sich "im Anfang“ bezieht. Am ehesten ist an das Pfingstereignis (vgl. 2,1-4) zu denken. Allerdings ist fraglich, ob tatsächlich alle Zuhörer samt Petrus von dem Pfingstereignis betroffen waren und dabei den heiligen Geist empfangen haben. Möglich ist auch, dass die Zuhörer − zumindest teilweise − den Geist erst zu einem späteren Zeitpunkt vor, bei oder nach der Taufe empfangen haben (vgl. 2,38.41).
Der "Anfang“ erscheint als ein Zeitraum, in dem der Geist auf Gläubige herabfiel. Doch welcher Zeitraum ist gemeint? Der Anfang des Christentums? Doch was ist als Anfang zu verstehen? Das Wirken Jesu und die Herausbildung einer Jüngerschar? Oder die Zeit nach Christi Auferstehung? Oder die Zeit nach Christi Himmelfahrt? Gemäß Lk 24,49; 1,4-5; 3,25-26 läutete Christi Auferstehung die von Gott verheißene Segenszeit ein, in deren Anfang der ebenfalls verheißene heilige Geist herabkam. Das Pfingstereignis wäre demnach auf jeden Fall in diesem "Anfang“ erfolgt; ob jedoch auch der Geistempfang des Kornelius und der anderen in dessen Haus Anwesenden auch in diesem "Anfang“ erfolgt ist, ist fraglich. Vermutlich ist nämlich nicht der Zeitpunkt des Geistempfangs das Verbindende, sondern der Geistempfang an sich.
Weiterführende Literatur: J. J. Kilgallen 1990, 405-410 befasst sich kritisch mit der These, dass sich der heilige Geist nach 10,44 an allen heidnischen Zuhörern am Ende der Predigt des Petrus manifestiert habe, nach 11,15 dagegen kein Platz für die Rede des Petrus gewesen sei. J. J. Kilgallen erwägt dagegen, dass Petrus durchaus geredet haben könnte, bevor der heilige Geist auf die heidnischen Zuhörer kam. Er nennt sprachliche Gesichtspunkte, die dafür sprechen, und erwähnt auch zwei alternative Deutungsmöglichkeiten. Gemäß der ersten alternativen Deutungsmöglichkeit habe Petrus durchaus reden und seine Rede zu Ende führen können, jedoch Lukas die Erzählung für die Leser spannender machen wollen. Zu diesem Zweck habe er den Lesern suggeriert, Petrus sei inmitten seiner Rede durch das Herabkommen des heiligen Geistes unterbrochen worden. Die zweite alternative Deutungsmöglichkeit gehe davon aus, dass Petrus eine Zeit lang habe reden können, jedoch inmitten der Rede vom Herabkommen des heiligen Geistes unterbrochen worden sei.
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Beobachtungen: Das "Wort des Herrn (= Jesus Christus)“ findet sich in Apg 1,5. Eine ähnliche Aussage findet sich jedoch auch in Lk 3,16 parr., dort jedoch aus dem Munde Johannes des Täufers.
Weiterführende Literatur: Die Beziehung zwischen Jesus und Gott nach den Petrusreden der Apg hat M. Cifrak 2003 zum Thema. Auf S. 269-294 befasst er sich mit 11,5-17 und arbeitet dabei folgende Beziehungen heraus: Die Stimme des Herrn habe aufgrund der Reinigung durch Gott Petrus angeordnet "Gemeines“ und "Unreines“ zu essen (vgl. 11,7-9). Das geschehe in der Absicht die heilbringenden Ereignisse den Heiden zu verkünden (vgl. 11,14). Nachdem sie zum Glauben an den Herrn Jesus Christus kommen, gebe ihnen Gott den Heiligen Geist (vgl. 10,45; 11,17). Aufgrund dieses Glaubens würden sie mit dem Heiligen Geist getauft (vgl. 11,16) und gerettet. Jesus Christus sei der Herr. Seinetwegen sei der Heilige Geist von Gott gegeben worden.
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Beobachtungen: Das Partizip "pisteusasin“ ("geglaubt habend“) kann sich sowohl auf "autois“ ("ihnen“ = Kornelius und die anderen in dessen Haus anwesenden Heiden) als auch auf "hêmin“ ("uns“ = Petrus, die "Apostel“ und die in Judäa lebenden "Brüder“) beziehen. Logisch nahe liegender ist ein Bezug auf "autois“, grammatisch nahe liegender ein Bezug auf das unmittelbar vorausgehende "hêmin“. Dass Petrus, die "Apostel“ und die in Judäa lebenden "Brüder“ vor dem Geistempfang zum Glauben an den "Herrn“ Jesus Christus gekommen sind, ist zwar zu vermuten, wird jedoch in Apg 10,44-48, wo die Geistverleihung geschildert wird, nicht ausdrücklich gesagt. Dieser Sachverhalt spricht weder für noch gegen einen Bezug auf "autois“. Dass Petrus und die (anderen) "Apostel“ bereits vor dem Geistempfang an den "Herrn“ Jesus Christus glaubten, ist sicher, bei den in Judäa lebenden "Brüdern“ ist dies anzunehmen. Dies spricht für einen Bezug auf "hêmin“.
"Gott hindern“ dürfte im Sinne von "die Durchführung des Willens Gottes verhindern“ zu verstehen sein. Weil der heilige Geist völlig unvermittelt auf die versammelten Heiden herabkam, war es Petrus ganz und gar unmöglich, Gott an der Sendung des heiligen Geistes zu hindern. Es war ihm nur möglich, die Durchführung des Willens Gottes zu verhindern. Dazu hätte es nur eines Verzichtes auf die Taufanordnung (vgl. 10,48) bedurft. Diese Verhinderung der Durchführung des Willens Gottes lehnte Petrus jedoch ab.
Die Textvariante des westlichen Textes bietet einen Einschub, wonach Petrus es abgelehnt habe zu verhindern, dass den zum Glauben Gekommenen der heilige Geist gegeben wurde. Dieser Einschub führt jedoch in die Irre. Die Apostel und die in Judäa lebenden Brüder warfen nämlich Petrus vor, dass auch die Heiden "das Wort (des) Gottes angenommen“ hatten. Zielscheibe der Kritik dürfte − entgegen der Ergänzung des westlichen Textes - weniger der Geistempfang an sich, von dem die Kritiker vermutlich nichts wussten, als vielmehr die folgende Taufe gewesen sein. Der Taufritus besiegelte nämlich nach außen hin sichtbar die Annahme des Wortes Gottes durch die Heiden und die Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen. Nach Ansicht der Kritiker hätte Petrus die Taufe nicht anordnen dürfen.
Möglich ist auch die Deutung, dass Petrus vorgeworfen wurde, dass er einige Tage bei den Heidenchristen zu Gast war. Gegen diese Deutung spricht jedoch, dass der Aufenthalt in 10,48 nur am Rande erwähnt wird und dass offen bleibt, wie sich der Aufenthalt gestaltete. Wäre die Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen Stein des Anstoßes gewesen, dann wäre sie sicher ausdrücklich erwähnt worden. Außerdem ist Tischgemeinschaft nicht als "Annahme des Wortes Gottes“ zu verstehen, sondern als eine Folge der "Annahme des Wortes Gottes“ seitens der Heiden.
Könnte man aus dem Herrenwort 11,16 auch schließen, dass für die Taufe im Namen Jesu Christi allein der heilige Geist ausreicht und kein Wasser mehr benötigt wird, so geht aus 11,17 (in Verbindung mit 10,47-48) doch hervor, dass für den Taufritus Wasser erforderlich ist. Die Verleihung des heiligen Geistes an die "Heiden“ stellte nicht die Taufe an sich dar, sondern nur einen zwingenden Schritt zur Taufe hin. Ansonsten wäre mit der Geistverleihung schon die Taufe erfolgt und Petrus hätte Gott − konkret den die Taufe der Heiden vorsehenden Plan Gottes - nicht mehr hindern können.
Weiterführende Literatur: A. Barbi 1996, 277-295 untersucht, auf welchem Weg der Heide Kornelius in die Kirche aufgenommen und vollständig integriert wird. Dabei geht er auf die Person des Kornelius, auf die Überwindung der jüdischen Vorurteile bezüglich rein und unrein, die die Heidenmission ermöglicht, auf die Gleichstellung von Juden- und Heidenchristen sowie auf die Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen ein. Der Weg der Aufnahme und Integration des Kornelius in die Kirche werde durch die Initiative Gottes und durch die Erfahrung des gesetzestreuen Juden Petrus, der gehorsam ist und die Vorbehalte überwindet, eröffnet.
B. R. Gaventa 1986, 107-129 befasst sich mit 10,1-11,18. Sie bespricht die einzelnen Szenen und legt dar, auf welche Weise die Wiederholungen den dramatischen Effekt steigern. Sie zeigt, dass nicht nur Kornelius, sondern auch Petrus bekehrt werde. Petrus erkenne, dass er nicht das Recht hat zu bestimmen, was Gott rein gemacht hat und was nicht. Die Aufhebung von Speisegeboten und die Aufnahme von Heiden in die Kirche seien untrennbar miteinander verbunden.
É. Delebecque 1982, 105-110 befasst sich mit Apg 11 gemäß der Textversion des Codex Bezae Cantabrigiensis. Die Auslassung von "ho theos“ ("der Gott“) in V. 17 sei zweifellos lukanisch, wogegen der Einschub auf einen gutes Griechisch schreibenden Verfasser zurückgehe. Der Einschub sei damit zu erklären, dass der Verfasser ein zusätzliches Argument geben wollte, um das Verhalten des Petrus zu erklären.
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Beobachtungen: "Sie“ sind gemäß 11,1 die Apostel und die in Judäa lebenden Brüder. Ob diese sich tatsächlich so schnell beruhigen ließen, wie dies 11,18 glauben machen will, ist unklar. Möglicherweise ist diese Darstellung dem Bemühen des Verfassers der Apg geschuldet, Konflikte, die unter den Urchristen bei der Ausbreitung des Christentums aufkamen, möglichst auszublenden.
Der Aorist "edoxasan“ ("sie priesen“) macht deutlich, dass das Preisen Gottes eine unmittelbar auf die Worte des Petrus folgende Reaktion war. Eine Textvariante bietet dagegen den Imperfekt "edoxazon“ ("sie priesen“), der das Preisen Gottes als andauernde Handlung erscheinen lässt. Demnach wäre von nun an die judenchristliche Gemeinschaft vom Lobpreis Gottes geprägt gewesen.
Dass pauschal von den "Heiden“ und nicht nur von Kornelius und den anderen bei der Geistverleihung in dessen Haus anwesenden (gottesfürchtigen) Heiden die Rede ist, weist darauf hin, dass der Verfasser der Apg die Geistverleihung in Cäsarea als einen Meilenstein auf dem Wege der Ausbreitung des Christentums von Jerusalem über Judäa und Samarien bis an das Ende der Erde (vgl. 1,8) − konkret: Rom − ansieht. Der Gemeindeaufbau in Judäa, Galiläa und Samarien ist gemäß 9,31 bereits erfolgt, wobei sich dieser auf judenchristliche Gemeinden beschränkt haben dürfte. Das zu Samarien gehörende Cäsarea ist also nicht zum Schritt der Ausbreitung des Christentums in Samarien hinzuzuzählen. Da Petrus in seinem Bericht nicht erwähnt, dass Kornelius und seine Hausgemeinschaft sowie vermutlich auch die anderen bei der Geistverleihung anwesenden Heiden Gottesfürchtige waren, dürfte Gottesfurcht für die Geistverleihung kein Kriterium gewesen sein. Folglich markiert die Geistverleihung in Cäsarea auch nicht den Schritt der Ausbreitung des christlichen Glaubens unter den Gottesfürchtigen. Dieser Schritt ist vermutlich schon mit der Taufe des äthiopischen Kämmerers erfolgt (vgl. 8,26-40). Die Geistverleihung an die "Heiden“ in Cäsarea markiert vielmehr den Schritt der Ausbreitung des Christentums über das Volk Israel, die Juden, hinaus. Von nun an werden auch Nichtjuden, "Heiden“, in die christliche Gemeinschaft aufgenommen.
"Umkehr zum Leben“ ist wohl im Sinne von "Umkehr, die zum Leben führt“ zu verstehen. Diese Umkehr setzt voraus, dass das vor der Umkehr geführte Dasein nicht zum Leben führte. "Leben“ ist wohl als "ewiges Leben“ zu verstehen, denn dieses wird durch den stellvertretenden Kreuzestod Christi und die damit verbundene Vergebung der Sünden bewirkt. Voraussetzung für die Teilhabe an diesem Heilsgeschehen ist jedoch der Glaube an Jesus Christus und die Taufe, die vermutlich an Kornelius und den weiteren in seinem Hause anwesenden Heiden vollzogen wurde.
Weiterführende Literatur: Zu den Parallelen zwischen der Apg und Homers Ilias siehe D. R. MacDonald 2003, der auf S. 19-65 auf die Parallelen zwischen Apg 10,1-11,18 und Ilias 2 zu sprechen kommt: Kornelius' Vision Apg 10,1-18 stelle eine Parallele zu Agamemnons Traum Ilias 2,16-47 dar, die Versammlung in Cäsarea Apg 10,23b-48 zur Versammlung der Ältesten Ilias 2,48-83, die Versammlung in Jerusalem Apg 11,1-18 zur Heeresversammlung Ilias 2,84-335. Die Vision des Petrus 10,9-16 stelle zwar eine Parallele zum Omen von Aulis Ilias 2,301-335 dar, jedoch werde dieses Omen erst neun Jahre nach seinem Eintreten in einem Rückblick des Odysseus erwähnt. Die beste Erklärung für die Parallelen sei Nachahmung. D. Zoroddu 2009, 563-603 knüpft an die Untersuchung von D. R. MacDonald an, geht jedoch über den Aspekt der Nachahmung hinaus, indem sie sich traditionsgeschichtlichen Aspekten widmet. Die Anspielungen auf Homers Ilias seien nicht nur als literarischer Kniff zu verstehen, sondern hätten auch theologische Bedeutung: Fortsetzung und Erfüllung.
Literaturübersicht
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