Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Apostelgeschichte (15,36 - 18,22)

Apg 18,12-17

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Apg 18,12-17

 

 

Übersetzung

 

Apg 18,12-17:12 Als aber Gallio Prokonsul von Achaia war, erhoben sich die Juden einmütig gegen (den) Paulus und führten ihn vor den Richterstuhl 13 und sprachen: "Der hier verführt die Leute, gesetzwidrig (den) Gott zu verehren!“ 14 Als aber (der) Paulus den Mund öffnen wollte, sprach Gallio zu den Juden: "Wenn ein Unrecht oder eine böswillige Tat vorläge, ihr Juden, würde ich eure [Klage] als begründet zulassen. 15 Wenn es aber um Streitigkeiten über Lehre und Namen und das bei euch geltende Gesetz geht, dann seht selber zu! Ich bin nicht gewillt, darüber Richter zu sein. 16 Und er ließ sie vom Richterstuhl fortjagen. 17 Da ergriffen alle den Synagogenvorsteher Sosthenes und verprügelten ihn vor dem Richterstuhl. Auch darum kümmerte sich Gallio in keiner Weise.

 

 

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V. 12

 

Beobachtungen: Paulus hat nach anfänglichen Schwierigkeiten in Korinth Missionserfolge erzielen können, was bei den Juden zu erhöhter Aggressivität und vermutlich auch zu Spannungen innerhalb der Gemeinde führte (vgl. Beobachtungen zu 18,9). Angesichts dieser spannungsgeladenen Atmosphäre ist verständlich, dass die Juden den Hauptverursacher ihrer misslichen Lage anklagten. Sie konnten Paulus ohne Umstände zum Prozess vor den Prokonsul der Provinz Achaia bringen, weil Korinth dessen Sitz war.

Die Einmütigkeit der Juden bezieht sich wohl nur auf die Juden, die den Glauben an Jesus Christus ablehnten, nicht jedoch auf Juden wie den Synagogenvorsteher Krispus, die den Glauben angenommen hatten (vgl. V. 8). Letztere hatten nämlich keinen Grund zum Hass auf Paulus.

 

"Anthypatos“ ist die griechische Bezeichnung für den lateinisch "proconsul“ genannten Statthalter einer senatorischen Provinz des Römischen Reiches. Bestandteil des Römischen Reiches war Achaia (oder: Achäa) seit 27 v. Chr., wobei die Provinz die peloponnesische und die attische Halbinsel, Teile West- und Mittelgriechenlands und zahlreiche griechische Inseln umfasste. 15 n. Chr. war Achaia unter Kaiser Tiberius zur kaiserlichen Provinz geworden, bis Kaiser Claudius sie 44 n. Chr. wieder unter senatorische Kontrolle stellte. Im Gegensatz zu den "legatus Augusti pro praetore“ (griechische Bezeichnungen: antistratêgos, presbeutês) genannten Statthaltern der kaiserlichen Provinzen wurden die Prokonsuln nicht vom Kaiser bestellt, sondern − zumindest nominell − vom römischen Senat ernannt. Alle Statthalter waren senatorischen Standes. Anders als die Bezeichnung "Prokonsul“ vermuten lässt, mussten die Statthalter der senatorischen Provinzen nicht unbedingt das Konsulat bekleidet haben. Dies wurde nur von den Statthaltern der beiden als "provincia proconsularis“ bezeichneten Provinzen Africa und Asia verlangt. Die Statthalter der anderen senatorischen Provinzen waren Prokonsuln mit prätorischem Rang, wobei allerdings Gallio vor seinem Prokonsulat schon das Konsulat innehatte.

 

Junius Annaeus Gallio war Sohn des Rhetorikers Seneca d. Ä. und Bruder des Philosophen Seneca d. J., des Erziehers des Kaisers Nero. Ursprünglich hieß er Lucius Annaeus Novatus, seinen neuen Namen nahm er erst nach der Adoption durch den angesehenen Redner Lucius Junius Gallio an. Es lässt sich anhand von Inschriften und einem Brief des Kaisers Claudius an die Stadt Delphi erschließen, dass Gallio höchstens bis 1. August 52 n. Chr. Prokonsul von Achaia gewesen sein kann. Angesichts einer für einen Prokonsul einer senatorischen Provinz üblichen einjährigen Amtszeit kommt man zu dem Schluss, dass Gallio vermutlich vom Frühsommer 51 bis zum Frühsommer 52 n. Chr. Prokonsul von Achaia war. Nicht ausgeschlossen sind allerdings auch eine krankheitsbedingt kürzere Amtszeit oder eine zweijährige Amtszeit, die die Höchstdauer darstellte.

Aus Apg 18,1-17 ergibt sich folgende Chronologie des paulinischen Wirkens: Im Jahr 49 n. Chr. war der "Jude“ Aquila mit seiner Frau Priscilla von Kaiser Claudius aus Italien − wohl Rom - vertrieben worden und hatte sich in Korinth niedergelassen. Wenig später, also vermutlich im Jahr 50 n. Chr., kam auch Paulus nach Korinth (vgl. Apg 19,1-2 samt Beobachtungen). Dort ist Paulus ein Jahr und sechs Monate, vielleicht auch etwas länger, geblieben (vgl. Apg 19,11 samt Beobachtungen), also bis 51 oder höchstens 52 n. Chr. Geht man davon aus, dass die Juden Paulus schon bald nach dem Amtsantritt des Gallio verklagt haben, lässt sich die Gallio-Szene Apg 18,12-17 in das Jahr 51 n. Chr. datieren.

 

Bei dem "bêma“ handelte es sich um eine erhöhte Rednertribüne, von der aus in der Antike Personen von besonderem Rang Reden an das Volk hielten. In Korinth befand sich eine Tribüne auf der Südseite des als "Agora“ bezeichneten Marktplatzes. Es ist wahrscheinlich, dass diese Tribüne gemeint ist. Aus V. 12 geht hervor, dass von dieser Tribüne aus auch Recht gesprochen wurde, weshalb man auch von einer "Gerichtstribüne“ sprechen kann. Da der Begriff "bêma“ auch konkret einen Stuhl meinen kann, ist auch die Übersetzung "Richterstuhl“ möglich. Der "Richterstuhl“ kann für den Prozess an sich stehen, was in V. 12 für die Übersetzung "führten ihn vor den Richterstuhl“ nahe legt.

 

Der westliche Text schmückt die geschilderten Geschehnisse aus: Demnach hätten sich die Juden beraten und gegen Paulus Hand angelegt, bevor sie ihn vor den Richterstuhl führten. Dabei fällt der Gebrauch des Verbs "epitithemai tas cheiras“ ("Hand anlegen“) auf. Das Verb "epitithemai“ ("antasten“) findet sich auch in V. 10. In diesem Vers scheint aber das Verb nicht in dem Sinne verstanden worden zu sein, dass Paulus gemäß dem "Herrn“ keine Bedrohung zu befürchten hatte, sondern dass er nicht befürchten musste, dass Bedrohungen seinem Wirken oder gar seinem Leben ein Ende setzen würden. Dementsprechend heißt es in V. 10 nicht "niemand wird dich antasten“, sondern "niemand wird dich antasten, um dir Böses anzutun“. Es handelte sich um eine Ermutigung des Paulus seitens des "Herrn“. Auch das in V. 12 vom westlichen Text erwähnte Anlegen der Hände stellte letztendlich eine Bedrohung dar, die dem Wirken des Paulus kein Ende setzte.

 

Weiterführende Literatur: Entgegen anderen Auslegern vertritt D. Slingerland 1991, 439-449 die Ansicht, dass sich von der Beziehung zwischen der Gallio-Inschrift und Apg 18,1-18 ausgehend keine halbwegs genaue absolute Datierung der verschiedenen Ereignisse des paulinischen Wirkens herleiten lasse.

 

Mit der Bedeutung des Begriffs "homothymadon“ ("einmütig“) in der Apg befasst sich S. Walton 2004, 89-105. Mehrheitlich werde angenommen, dass die Bedeutung von "homothymadon“ im klassischen Griechisch zwar "einmütig“ sei, jedoch in der Septuaginta und im NT eine Bedeutungsverschiebung hin zum abschwächenden "gemeinsam“ festzustellen sei. Nur eine Minderheit vertrete die Ansicht, dass in der Septuaginta "homothymadon“ zwar "gemeinsam“ bedeute, in der NT jedoch die Bedeutung "einmütig“ vorliege. Höchstens für Apg 5,12 und 15,25 sei die Bedeutung "gemeinsam“ anzunehmen. N. Walton kommt zu einem differenzierteren Ergebnis: Gewöhnlich sei nicht nur die Gemeinsamkeit des Ortes gemeint, sondern es schwinge auch die Eintracht im Denken und Handeln mit. Der gemeinsame Ort sei nur in 2,46 vorrangig im Blick. Die gemeinsame Handlung oder Entscheidung stehe dagegen in 12,20 und in 15,25 im Vordergrund. In 8,6; 18,12; 19,29 sei diese Bedeutung ebenso möglich wie die Bedeutung "eines Sinnes“. Letztere Bedeutung liege am ehesten in 1,14; 4,24; 5,12 vor, darüber hinaus wahrscheinlich auch in 7,57; 15,25 und vielleicht auch in 8,6; 18,12; 19,29.

 

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V. 13

 

Beobachtungen: Die Anklage der Juden ist alles andere als klar. Offen bleibt, von welchem "Gesetz“ die Juden reden, vom jüdischen Gesetz oder vom römischen Gesetz. Auch wird nicht deutlich, welcher Gott im Blick ist. So kann der Gott, den die Juden verehren, ein im Römischen Reich verehrter Gott oder auch ein anderer Gott gemeint sein. Der Gebrauch des Artikels "der“ lässt annehmen, dass es sich um einen mindestens den Juden, wahrscheinlich aber auch dem Prokonsul Gallio bekannten Gott handelt. Aufgrund der Unklarheiten bezüglich des "Gesetzes“ und des "Gottes“ sind vier Deutungen und innerhalb dieser verschiedene Deutungsvarianten möglich. Die erste Deutungsmöglichkeit ist, dass das in der Tora (= fünf Bücher Mose) niedergeschriebene jüdische Religionsgesetz und der von den Juden verehrte Gott Israels gemeint sind. Gemäß dieser Deutung lautete die Anklage, dass Paulus gegen das jüdische Gesetz die Leute verführe, den Gott Israels zu verehren. Demnach seien die Juden davon ausgegangen, dass jegliche Verehrung des Gottes Israels seitens Nichtjuden von der Tora abgelehnt werde. Diese Deutung ist unwahrscheinlich, denn es bliebe die Frage, inwiefern die Tora die Verehrung des Gottes Israels seitens der Nichtjuden verbietet. Außerdem wäre merkwürdig, dass es trotz dieses Verbotes prophetische Aussagen gibt, die davon ausgehen, dass sich in der Endzeit schließlich alle Völker zum Gott Israels hinwenden werden. Diese Aussagen erscheinen als Verheißung, nicht als etwas zu Verurteilendes. Da die Formulierung "para ton nomon“, die zunächst mit "gegen das Gesetz“ oder "gesetzwidrig“ zu übersetzen ist, auch mit "in einer den Gesetz widersprechenden Weise“ übersetzt werden kann, gibt es auch eine Deutungsvariante. Demnach lautete die Anklage, dass Paulus die Leute verführe, in einer nicht dem jüdischen Religionsgesetz entsprechenden Weise den Gott Israels zu verehren. Für diese Deutung spricht, dass Paulus nicht nur von den Nichtjuden, sondern auch von den Juden auch nach seiner Hinwendung zu Jesus Christus als Jude wahrgenommen worden sein dürfte. Die Frage, ob Jesus Christus der dem Volk Israel von seinem Gott verheißene Messias (= Christus = Gesalbter) ist, war eine innerjüdische Auseinandersetzung. Die Bekehrung der Nichtjuden und Juden zu dem Messias Jesus konnte also von denen, die nicht an den Messias Jesus glaubten, als eine Bekehrung zu Gott verstanden werden, die nicht der in dem jüdischen Religionsgesetz geforderten Weise entsprach. Die richtige Weise wäre gewesen, sich nicht von Jesus, dem angeblichen Messias, verführen zu lassen, sondern auf den wahren Messias zu warten. Gegen diese Deutungsvariante (wie auch die erste Deutung insgesamt) spricht jedoch, dass eine dem jüdischen Glaubensstreit entspringende Anklage nicht dem Prokonsul hätte vorgebracht werden zu brauchen, weil dieser nicht für innerjüdische Glaubensangelegenheiten zuständig war. Die Juden hätten − will man ihnen nicht gänzliche Unkenntnis der politischen Sachverhalte unterstellen − wissen müssen, dass ihre Anklage vor dem Prokonsul keine Aussichten auf Erfolg haben würde. Somit ist diese Deutungsvariante nur dann in Betracht zu ziehen, wenn man davon ausgeht, dass die Juden die abweichende Weise der Gottesverehrung als so erheblich darstellten, dass die Christen als nicht mehr zum Judentum gehörig erschienen und somit nicht mehr als "religio licita“ gelten konnten. Die zweite Deutungsmöglichkeit ist, dass mit dem "Gesetz“ das römische Gesetz und mit "dem Gott“ der Gott Israels gemeint sind. Dann hätte die Anklage gelautet, dass Paulus gegen das römische Gesetz die Leute zur Verehrung des Gottes Israels verführe. Diese Deutung würde voraussetzen, dass das römische Gesetz die Bekehrung von Nichtjuden zum Gott Israels verbot. Doch war dies tatsächlich der Fall? Die Religion der Juden galt im Römischen Reich als "religio licita“, also als erlaubte Religion. Somit durften sie ihren religiösen Sitten nachgehen. Paulus ging aber über die reine Religionsausübung hinaus, indem er andere Menschen zu seiner Religion zu bekehren suchte. Es ist unklar, ob dies zum Zeitpunkt der Geschehnisse an genau diesem Ort erlaubt war. In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten drangen verstärkt orientalische Fremdkulte in das Römische Reich ein. Mag angesichts der vielfältigen fremden Einflüsse jüdische Mission in einem begrenzten Rahmen toleriert worden sein, so stellt sich die Frage, ob dies auch in der römischen Kolonie Korinth der Fall war. Möglicherweise war Korinth in besonderem Maße auf seine römische Identität und den Schutz der römischen Religiosität bedacht. Bei der Beantwortung der Frage, ob Römer zum jüdischen Glauben bekehrt werden durften, ist eine Vielzahl von Aspekten zu beachten: die grundsätzliche Toleranz gegenüber einer Vielzahl verschiedener Götter, die privilegierte Stellung des Judentums, die Abneigung der Heiden gegenüber dem von Juden (und Christen) vertretenen religiösen Ausschließlichkeitsanspruch, zeitlich und örtlich begrenzte besondere Begebenheiten, die Differenzierung zwischen den verschiedenen jüdischen Sitten. Es ist also möglich, aber keineswegs sicher, dass die Bekehrung von Nichtjuden zum jüdischen Glauben zum Zeitpunkt der Anklage in Korinth verboten war. Gegen die zweite Deutungsmöglichkeit spricht, dass die Juden in Korinth, um ihre Sache glaubhaft zu vertreten, der Bekehrung von Nichtjuden zum jüdischen Glauben gegenüber hätten kritisch eingestellt sein müssen. Tatsächlich waren jedoch neben den Juden durchaus auch "Griechen“, also vermutlich dem Judentum nahe stehende Heiden, in der Synagoge anwesend (vgl. 18,4). Diese Tatsache lässt die Anklage der Juden als wenig glaubwürdig erscheinen. Allerdings können die Juden trotzdem eine solche Anklage vorgebracht haben, weil erstens nicht gesagt ist, dass der Prokonsul über das Leben in der Synagoge informiert war, und zweitens die Juden Paulus vermutlich unbedingt loswerden wollten. Da konnten sie sich zu Lasten ihrer eigenen Glaubwürdigkeit auch auf falsche Sachverhalte stützen und verleumderisch vorgehen. Angesichts der in der Synagoge verkehrenden "Griechen“ hätte der Verweis auf ein (angebliches) Bekehrungsverbot jedoch die Gefahr mit sich gebracht, dass die Anklage schließlich vom Prokonsul gegen die Juden selbst gerichtet worden wäre. Als Variante der zweiten Deutungsmöglichkeit kommt infrage, dass die Anklage lautete, dass Paulus die Leute in einer nicht dem römischen Gesetz entsprechenden Weise dazu verführte, den Gott Israels zu verehren. Doch welche Weise könnte das römische Gesetz vorgeschrieben haben? Und inwiefern könnte Paulus gegen die Vorschriften verstoßen haben? Die dritte Deutungsmöglichkeit bezieht das "Gesetz“ auf das jüdische Gesetz und "den Gott“ auf einen heidnischen Gott. Demnach lautete die Anklage, dass Paulus die Leute verführe, gegen das jüdische Religionsgesetz einen heidnischen Gott zu verehren. Sofern ein heidnischer Gott im Blick ist, der im Römischen Reich verehrt wurde, ist diese Deutung ausgeschlossen. Der Prokonsul wird sich nicht für die Bestimmungen des jüdischen Religionsgesetzes interessiert haben. Ganz im Gegenteil: Ihm konnte nur recht sein, wenn die Einwohner des Römischen Reiches die zugelassenen Götter verehrten. Nur die Verehrung eines fremden Gottes wird auf Ablehnung seitens des Prokonsuls gestoßen sein. Dieser Sachverhalt gilt auch, wenn die Anklage lautete, dass Paulus die Leute verführe, in einer nicht dem jüdischen Religionsgesetz entsprechenden Weise einen heidnischen Gott zu verehren. Diese Variante wird zudem noch dadurch ausgeschlossen, dass das jüdische Gesetz die Verehrung eines heidnischen Gottes ablehnte, in welcher Weise die Verehrung auch immer erfolgte. Die vierte Auslegungsmöglichkeit geht davon aus, dass sich das "Gesetz“ auf das römische Gesetz bezieht und "der Gott“ auf einen heidnischen Gott. Dabei kann es sich um einen im Römischen Reich zugelassenen heidnischen Gott oder auch um einen fremden heidnischen Gott handeln. Da römisches Gesetz sicherlich nicht die Verehrung von im Römischen Reich zugelassenen Göttern verbot, kann in ersterem Fall die Anklage nur gelautet haben, dass Paulus die Leute verführe, in einer nicht dem römischen Gesetz entsprechenden Weise einen im Römischen Reich zugelassenen heidnischen Gott zu verehren. In letzterem Fall kann die Anklage nur gelautet haben, dass Paulus die Leute verführe, entgegen dem römischen Gesetz einen im Römischen Reich nicht zugelassenen heidnischen Gott zu verehren. In beiden Fällen wäre die Anklage tatsächlich Sache des Prokonsuls gewesen, weil dieser für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig war, zu der auch die rechte Gottesverehrung gehörte. Zwar dürfte den Juden gleichgültig gewesen sein, ob die Verehrung der heidnischen Götter dem römischen Gesetz entsprach, doch könnten sie durchaus Interesse an der rechten heidnischen Gottesverehrung vorgetäuscht haben, um Paulus loszuwerden. Als fünfte Deutungsmöglichkeit bleibt, dass die Juden absichtlich eine unklare Anklageformulierung wählten, weil sie keinen stichhaltigen Anklagepunkt vorweisen konnten, sondern darauf hofften, dass sich auch ohne einen solchen der Prokonsul gegen Paulus aufbringen ließ. Dann hätten sie nicht auf eine rationale Überprüfung der Anklageberechtigung anhand von rechtlichen Vorschriften gesetzt, sondern auf die Emotionen des Prokonsuls, dem die Aufrechterhaltung am Herzen liegen musste.

 

Weiterführende Literatur: B. Wander 2000, 465-476 bewertet im Gegenzug zum üblichen Strom der Forschung die Komposition und Anordnung der Apg im Hinblick auf die dokumentierten Apologien und Unschuldsbeteuerungen als ein angelegtes und durchdachtes System, in welchem in aller Genauigkeit und Vollständigkeit sämtliche Vorwürfe und Vorhaltungen gegen den "neuen Weg“ angeführt werden, um sie gleichzeitig Zug um Zug zu entkräften. Eine solche Beurteilung sei gegenüber bisheriger Forschung insofern neu, als Apologien nicht nur als solche enttarnt und vorgeführt, sondern als sinnvoller Teil innerhalb eines Ganzen anerkannt und gewürdigt werden. Zu 18,13: Lukas wolle seiner Leserschaft unmissverständlich nahebringen, dass die Zugehörigkeit zur Christusbewegung weder heilsgeschichtlich noch in der Lebenspraxis mit der Auflösung des Judentums in Verbindung gebracht werden kann.

 

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V. 14

 

Beobachtungen: "Den Mund öffnen“ meint hier nicht in erster Linie den Vorgang an sich, sondern die mit dem Öffnen des Mundes verbundene Absicht, das Wort zu ergreifen, um die eigene Sicht der Dinge darzulegen und sich angesichts der Anklage zu verteidigen.

 

Fraglich ist, welches Unrecht der Begriff "adikêma“ ("Unrecht“) genau meint. Auf jeden Fall muss ein Vergehen gemeint sein, dessen Schwere tatsächlich zu einer Verurteilung führen konnte und dessen Verurteilung Sache des Prokonsuls war. Konkret kann der Begriff auch die Beleidigung oder das unrechtmäßige Gut bezeichnen. Sollte in V. 14 eine solche Wortbedeutung vorliegen, dann würde die Verurteilung von Beleidigungen und Betrügereien in den Zuständigkeitsbereich des Prokonsuls fallen.

 

Auch die Formulierung "rhadiourgêma ponêron“ ("böswillige Tat“) ist unklar, zumal sie in der Bibel nur hier vorkommt. Ist eine unbedachte Handlung von böswilliger Art gemeint oder ein Verbrechen im eigentlichen Sinne? Möglicherweise bilden "adikêma“ und "rhadiourgêma ponêron“ ein Hendiadyoin, wobei zwei im Wesentlichen gleichbedeutende Begriffe ein Ganzes bilden (vgl. die Formulierung "Hab und Gut“). Beide Begriffe würden gleichermaßen ein Vergehen meinen, dessen Schwere tatsächlich zu einer Verurteilung führen konnte und dessen Verurteilung Sache des Prokonsuls war

 

Weiterführende Literatur: Laut M. Ebner 2009, 535-548 zeigten die Korinth-Episoden in Apg 18,1-18, wie sich Lukas im Modell christliche Gemeindeentwicklung vorstellt: In klarer Kontinuität zum Judentum, aber nicht in Abhängigkeit von evtl. lokal bedingten negativen Reaktionen; auf jeden Fall offen für Heiden. Dass Christen inzwischen getrennt von den Synagogen in eigenen Häusern lehren und "Brot brechen“, sehe Lukas als Konsequenz von eigentlich unbegründeten Anfeindungskampagnen von Seiten der Juden. Positives Kriterium für die christlichen Hausgemeinden sei die Versöhnung von religiösen und sozialen Gegensätzen. Das, so erzähle es Lukas, schaffe Akzeptanz auch auf der städtischen Ebene − wie in Korinth an der Gallioszene zu sehen sei.

 

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V. 15

 

Beobachtungen: Der Begriff "logos“ meint hier wahrscheinlich die Lehre oder die Rede, mittels der eine Lehre verkündet wird. Vermutlich ist konkret die jüdische Glaubenslehre im Blick.

 

Bei den "zêtêmata“ handelt es sich in V. 15 wohl nicht um Untersuchungen, sondern um Streitigkeiten. Mit Blick auf V. 14 wird deutlich, dass sich Gallio bei reinen Streitigkeiten nicht zum Eingreifen gezwungen sah, zumal wenn es sich um rein innerjüdische Streitigkeiten handelte. Er trat nur als Richter auf, wenn dem Angeklagten bösartige Handlungen vorgeworfen werden konnten.

 

Mit den "onomata“ können die Namen an sich, aber auch die Personen, die die Namen tragen, gemeint sein. Es ist an den Namen "Jesus“ zu denken, auch an den Titel "Christus“. Schließlich kann auch die Person Jesu im Blick sein, an der sich der Streit ja entfacht hatte. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich der Prokonsul Gallio als Nichtjude eingehend mit der Messiasverheißung befasst hatte. Dementsprechend dürfte er wohl auch Schwierigkeiten gehabt haben, zwischen dem Namen "Jesus“ und dem Titel "Christus“ zu unterscheiden. Vermutlich waren "Jesus“, "Christus“ und "Jesus Christus“ ihm allesamt nicht geläufige "Namen“. Es ist sogar möglich, dass er "Jesus“, "Christus“ und "Jesus Christus“ für verschiedene Personen hielt. Darüber hinaus kann Gallio auch den Namen "Paulus“ oder die Person des Paulus im Blick gehabt haben.

 

Gallio bezog eindeutig den von den Juden gebrauchten Begriff "nomos“ ("Gesetz“) auf das bei den Juden geltende Gesetz, also auf das jüdische Religionsgesetz, wie es in der Tora niedergeschrieben ist. Dieser Bezug lässt am deutlichsten erkennen, dass Gallio davon ausging, dass ihm eine innerjüdische Lehre, Personen/Namen und Religionsgesetz betreffende Angelegenheit vorgebracht wurde, für die er sich nicht zuständig hielt. Paulus war also in seinen Augen ein Jude.

Es fällt auf, dass sich Gallio nicht die Mühe machte in Erfahrung zu bringen, von welchem "Gesetz“ und von welchem Gott die Juden in ihrer Anklage sprachen. Entweder war ihm dies sofort klar oder − was angesichts der schwammig formulierten Anklage wahrscheinlicher ist − er durchschaute die Anklage der Juden als ein plumpes Manöver. So erkannte er sofort, dass nicht die öffentliche Ordnung im Römischen Reich gefährdet war, sondern dass eine innerjüdische Streitsache vorlag, bei der die eine streitende Partei den Anführer einer anderen streitenden Partei loswerden wollte.

 

Die Formulierung "…dann seht selber zu!“ macht nur deutlich, dass die Juden die Streitereien in ihren Reihen selbst beilegen sollten. Auf welche Weise dies geschehen sollte, bleibt offen.

 

Weiterführende Literatur: Auf S. 187-267 bringt W. Stegemann 1991, 187-267 die Gefährdung der Christen durch den Verdacht von Staatsverbrechen zur Sprache, analysiert also die Konfliktebene lukanischer Christen mit der heidnischen Obrigkeit. Dabei solle anhand von vier in der Apg geschilderten Konflikten des Paulus und anderer Christen (vgl. 19,23-40; 16,19-40; 17,6-7; 18,12-17) die rechtliche bzw. politische Dimension dieser Konflikte im Verhältnis der Christen zur heidnischen Öffentlichkeit aufgezeigt und aus der besonderen historischen Situation von Christen unter dem Prinzipat Domitians erklärt werden. In einem Vergleich mit anderen christlichen Texten werde schließlich die Gefährdung der lukanischen Christen wieder historisch eingeordnet. Zu Apg 18,12-17: Die Gallio-Episode lebe von der Zweideutigkeit der von Juden in Korinth gegen den Juden Paulus vorgetragenen Anklage. Beabsichtigt sei gewesen, Paulus wegen der Verführung von Nicht-Juden zur jüdischen Lebensweise anzuklagen. Doch Gallio fasse die Klage als einen Ausdruck innerjüdischer Streitigkeiten auf, für die er nicht zuständig sei. Er lehne die Klage ab. Die Nichtbeachtung der Anklage durch Gallio geschehe nicht aus Christenfreundlichkeit, sondern aus Judenfeindlichkeit des Statthalters.

 

Laut B. Winter 1999, 213-224 seien die Juden im 1. Jh. n. Chr. eine "religio licita“ ("erlaubte Religion“) gewesen, und hätten als "mos maiorum“ nach den althergebrachten jüdischen Traditionen leben dürfen. Mittels des Vorwurfes, Paulus verführe die Leute, gesetzwidrig Gott zu verehren, hätten die Juden versucht, das Christentum als "religio illicita“ ("unerlaubte Religion“) darzustellen. Mit dieser Darstellung hätten die Juden jedoch keinen Erfolg gehabt. Der angesehene Jurist Gallio − B. Winter 2006, 291-308 versucht Gallios juristische Kompetenz anhand von außerbiblischen Quellen nachzuweisen - habe das Christentum als eine Gruppierung innerhalb des Judentums angesehen, womit es ebenfalls den Status einer "religio licita“ und einer "mos maiorum“ gehabt habe.

 

Laut B. Winter 1999, 213-224 seien die Juden im 1. Jh. n. Chr. eine "religio licita“ ("erlaubte Religion“) gewesen, und hätten als "mos maiorum“ nach den althergebrachten jüdischen Traditionen leben dürfen. Mittels des Vorwurfes, Paulus verführe die Leute, gesetzwidrig Gott zu verehren, hätten die Juden versucht, das Christentum als "religio illicita“ ("unerlaubte Religion“) darzustellen. Mit dieser Darstellung hätten die Juden jedoch keinen Erfolg gehabt. Der angesehene Jurist Gallio habe die Christen als eine Gruppierung innerhalb des Judentums angesehen

 

J. L. North 1983, 264-266 vermutet, dass es sich bei der Formulierung "idein peri“ in Apg 15,6 um einen Latinismus handelt. Darauf weise zum einen ihr sehr seltenes Vorkommen nur in zwei Stellen bei Epiktet, dem jüngeren Zeitgenossen des Lukas, hin, zum anderen das häufige Vorkommen der entsprechenden lateinischen Formulierung "videre de“. Dass Lukas in Apg 15,6 die gängige Formulierung "episkeptesthai peri“ durch "idein peri“ ersetzt hat, lasse sich damit erklären, dass er erstere Formulierung dem göttlichen Eingreifen in menschliche Angelegenheiten vorbehalte (vgl. Lk 1,68.78; 7,16; 19,44; Apg 15,14). Auch bei der Formulierung "opsesthe autoi“ ("seht selber zu!“) in Apg 18,15 sei lateinischer Einfluss wahrscheinlich.

 

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V. 16

 

Beobachtungen: Das Verb "apelaunô“ bedeutet "fortweisen“, "fortjagen“ oder "forttreiben“. V. 16 lässt annehmen, dass es Gallio selbst war, der die Juden vom Richterstuhl fortwies, fortjagte oder forttrieb. Da Gallio wohl kaum selbst Hand angelegt haben dürfte, ist anzunehmen, dass er entweder die Juden vom Richterstuhl fortwies oder die Anweisung gab, die Juden vom Richterstuhl fortzujagen bzw. fortzutreiben.

Der westliche Text bietet dagegen das Verb "apolyô“, das "fortweisen“ oder "entlassen“ bedeutet. Er schwächt also die Härte des Fortweisens ab und lässt nicht an die Anwendung von Gewalt denken.

 

Es stellt sich die Frage, warum Gallio die Kläger so vehement, möglicherweise sogar gewalttätig abwies. Entspricht dies den historischen Tatsachen? Oder ist die überspitzte Darstellung des Vorgehens des Prokonsuls ein Beleg für eine judenfeindliche Einstellung des Verfassers der Apg? Oder will der Verfasser der Apg verdeutlichen, dass die römischen Behörden unwissentlich eine Schutzmacht des Paulus waren? Paulus mag in gleicher Weise wie die Juden vom Richterstuhl fortgejagt worden sein; entscheidend ist, dass Gallio sich nicht für zuständig erklärt und die Verurteilung so unmöglich gemacht hatte.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 17

 

Beobachtungen: Wer ist mit "alle“ gemeint? Sind alle Juden gemeint oder alle Griechen oder sowohl alle Juden als auch alle Griechen? Für "alle Juden“ spricht, dass von diesen in 18,12-17 die Rede ist. Doch warum sollten sie angesichts der fehlgeschlagenen Anklage des Paulus ihren eigenen Synagogenvorsteher verprügelt haben? Musste dieser aufgrund irgendeines Fehlverhaltens als Sündenbock herhalten, an dem die Juden ihren Frust ablassen konnten? Hatte er vielleicht verhindert, dass die Streitsache vor einem jüdischen Gericht geklärt wurde? Für "alle Juden und alle Griechen“ spricht, dass "alle“ durchaus in diesem umfassenden Sinn zu verstehen sein kann. Allerdings stellt sich die Frage, warum die Juden gemeinsam mit Griechen, von denen sie ja eigentlich aus Furcht vor Unreinheit Abstand hielten, gemeinsame Sache gegen ihren eigenen Synagogenvorsteher gemacht haben sollten. Dass "alle Griechen“ gemeint sein könnten, liegt zunächst einmal fern, weil diese zuletzt in 18,4 erwähnt wurden. Allerdings ist durchaus möglich, dass die Juden bei den Griechen schlecht angesehen waren und die Griechen nun den Aufruhr der Juden dazu nutzten, ihre Abneigung den Juden und deren Verhalten gegenüber handfest und öffentlich kund zu tun. Allerdings wäre bei solchen Gewalttätigkeiten der Griechen zu fragen, ob nicht der Prokonsul hätte einschreiten müssen, denn er hätte für die öffentliche Ordnung Gefahr im Verzuge sehen müssen. Dagegen kann eingewandt werden, dass Gallio das Verprügeln des Sosthenes möglicherweise nicht als öffentlichen Aufruhr empfand, sondern als eine gezielte Aktion gegen die Juden, als deren Schutzherr Gallio nicht auftreten wollte. Vielleicht sah er die Gewalt gegen Sosthenes als gerechte Strafe für das Verhalten der Juden an.

Zwei Textvarianten klären die Unklarheit, wer mit "alle“ gemeint ist, durch Einfügungen: Gemäß einigen Minuskeln verprügelten "alle Juden“ Sosthenes, gemäß u. a. dem westlichen Text und Mehrheitstext waren "alle Griechen“ die Gewalttäter.

 

Der Schwerpunkt von V. 17 scheint nicht darauf zu liegen, dass der Synagogenvorsteher Sosthenes verprügelt wurde, sondern darauf, dass dies vor dem Richterstuhl geschah und sich Gallio trotzdem nicht darum kümmerte. Vielleicht soll dies die völlige Gleichgültigkeit des Gallio dem Streit gegenüber betonen.

 

Es ist fraglich, ob Sosthenes in Korinth der einzige Synagogenvorsteher war. In 18,8 wird ein weiterer erwähnt, nämlich Krispus, doch kann es sein, dass dieser nach seiner Taufe von Sosthenes abgelöst worden war.

In 1 Kor 1,1 erscheint ein gewisser Sosthenes als Mitabfasser des Ersten Korintherbriefes. Handelt es sich um den Synagogenvorsteher, der sich zwischenzeitlich zum christlichen Glauben hingewandt hat? Falls ja: Ist die Hinwendung zum Christentum als Folge der erlittenen Gewalt zu verstehen? Hegte Sosthenes vielleicht schon Sympathien dem Christentum gegenüber und zog sich daher den Zorn der Juden und/oder der Griechen zu? Der Vorgänger des Krispus wird er sicherlich nicht gewesen sein, denn dann wäre seine Bekehrung zum christlichen Glauben sicherlich geschildert oder zumindest erwähnt worden. Da dies nicht der Fall ist, ist 18,8 so zu deuten, dass Krispus der erste und möglicherweise auch der einzige Synagogenvorsteher Korinths gewesen ist, der sich bis zur Gallio-Szene zum Christentum bekannt hat.

 

"Ouden“ ("nichts“) kann Subjekt und "toutôn“ ("dieser Dinge“) dazugehöriger genitivus partitivus sein. Dann lautet die wörtliche Übersetzung "und/auch um nichts dieser Dinge kümmerte sich Gallio“. "Toutôn“ könnte sich nur auf das Ergreifen des Sosthenes und auf das Verprügeln beziehen, aber über diese Ereignisse hinausgehend auch auf die Anklage der Juden. In ersterem Fall wäre die Konjunktion "kai“ mit "auch“ zu übersetzen, in letzterem Fall mit "und“ oder unübersetzt zu lassen. Möglich, wenn auch ungenauer, ist die Übersetzung "und/auch um diese Dinge kümmerte sich Gallio nicht“, bei der "ouden“ im Sinne von "oude“ ("und nicht“) verstanden wird. "Ouden“ kann aber auch "in keiner Weise“ bedeuten, womit die Übersetzung "und/auch darum (= um diese Dinge) kümmerte sich Gallio in keiner Weise“ lautet. Wiederum könnte sich "toutôn“ nur auf das Ergreifen des Sosthenes und auf das Verprügeln beziehen, oder aber über diese Ereignisse hinausgehend auch auf die Anklage der Juden. Und wiederum wäre in ersterem Fall die Konjunktion "kai“ mit "auch“ zu übersetzen, in letzterem Fall mit "und“ oder unübersetzt zu lassen. Da V. 17 nach der Zurückweisung der Anklage einen zweiten Fall schildert, bei dem Gallio sich nicht zuständig fühlt, ist wahrscheinlicher, dass sich "toutôn“ nur auf das Ergreifen des Sosthenes und auf das Verprügeln bezieht.

Geht man davon aus, dass "ouden“ mit "in keiner Weise“ zu übersetzen ist, dann kann "toutôn“ nicht nur als Neutrum verstanden werden, sondern auch als Maskulinum. "Toutôn“ kann folglich nicht nur auf Dinge bezogen und mit "darum“ oder mit "um diese Dinge“ übersetzt werden, sondern es ist auch ein Bezug auf Menschen möglich. Dabei kann ein Bezug nur auf "alle“ vorliegen, oder es können aber auch Paulus und/oder die "Juden“ einbezogen sein. Die Übersetzung wäre "und/auch um diese Menschen kümmerte sich Gallio nicht“. Bei einem Bezug nur auf "alle“ wäre die Konjunktion "kai“ mit "auch“ zu übersetzen, bei einem Bezug auch auf die Juden mit "und“ oder unübersetzt zu lassen. Dass "toutôn“ aber tatsächlich als Maskulinum zu verstehen ist, ist jedoch unwahrscheinlich, weil nicht die Menschen im Vordergrund stehen, sondern die Anklage und die Gewalt. Gallio sollte sich nicht mit Paulus oder mit den Juden befassen, sondern mit der Anklage gegen Paulus. Auch sollte er sich nicht um die gewalttätigen Menschen kümmern, sondern um die gewalttätigen Handlungen.

 

Weiterführende Literatur: M. V. Hubbard 2005, 416-428 versteht die Verprügelung des Sosthenes auf dem sozio-historischen Hintergrund städtischer Aufstände und Ausschreitungen des Mobs. So sei auch zu verstehen, dass "alle“ Sosthenes verprügelten. Einige der Zuschauer, die sich schließlich am Tumult beteiligten, könnten zwar durchaus eine fremden- oder judenfeindliche Einstellung gehabt haben, jedoch sei nicht anzunehmen, dass Sosthenes in erster Linie ethnisch begründeter Feindseligkeit zum Opfer gefallen ist.

Anders C. Karakolis 2008, 233-246: Sosthenes habe sich von der christlichen Verkündigung des Paulus angezogen gefühlt und sei ihr letztlich gefolgt, weshalb er auch als Mitabsender des Ersten Korintherbriefes an die Seite des Apostels trete. Die Juden hätten Sosthenes für einen Apostaten gehalten und ihn deshalb verprügelt. Gallio sei nicht eingeschritten, weil sich die römischen Behörden nicht für innerjüdische Probleme und Konflikte interessiert hätten. Sie hätten nur dann eingegriffen, wenn die Probleme die Grenzen der jüdischen Gemeinden überschritten.

 

 

Literaturübersicht

 

Ebner, Martin; Soziale und religiöse Grenzüberschreitung in der Gemeinde von Korinth nach Apg 18,1-18: Ein lukanisches Genrebild, in: C. J. Belezos et al. [eds.], Saint Paul and Corinth, vol. I, Athen 2009, 535-548

Hubbard, Moyer V.; Urban Uprisings in the Roman World: The Social Setting of the Mobbing of Sosthenes, NTS 51/3 (2005), 416-428

Karakolis, Christos; "Alle schlugen Sosthenes, Gallio aber kümmerte sich nicht darum“ (Apg 18,17). Zur Bedeutung eines narrativen Details, ZNW 99/2 (2008), 233-246

North, J. Lionel; Is idein peri (Acts 15.6, cf. 18.15) a Latinism?, NTS 29/2 (1983), 264-266

Slingerland, Dixon; Acts 18:1-18, the Gallio Inscription, and Absolute Pauline Chronology, JBL 110/3 (1991), 439-449

Stegemann, Wolfgang; Zwischen Synagoge und Obrigkeit: Zur historischen Situation der lukanischen Christen (FRLANT 152), Göttingen 1991

Walton, Steve; Homothymadon in Acts: Co-location, Common Action or “Of One Heart and Mind”?, in: P. J. Williams et al. [eds.], The New Testament in Its First Century Setting, Grand Rapids, Michigan - Cambridge. 2004, 89-105

Wander, Bernd; "In Gefahr durch Heiden, durch das eigene Volk“. Apologien und Unschuldsbeteuerungen als besonderes Mittel des Lukas, in: A. von Dobbeler [Hrsg.], Religionsgeschichte des Neuen Testaments, Tübingen − Basel 2000, 465-476

Winter, Bruce; Rehabilitating Gallio and His Judgement in Acts 18:14-15, TynB 57/2 (2006), 291-308

Winter, Bruce W.; Gallio’s Ruling on the Legal Status of Early Christianity (Acts 18:14-15), TynB 50/2 (1999), 213-224

 

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