Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Apostelgeschichte (Apg 21,18-26,32)

Apg 23,23-24

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Apg 23,23-24

 

 

Übersetzung

 

Apg 23,23-24:23 Dann rief er zwei der Hauptmänner herbei und sagte: "Versetzt zweihundert Soldaten in Bereitschaft, damit sie nach Cäsarea ziehen, dazu siebzig Reiter und zweihundert Lanzenträger, von der dritten Nachtstunde an! 24 Und sie sollen Maultiere stellen, um (den) Paulus aufsitzen zu lassen und wohlbehalten zum Prokurator Felix zu bringen.“

 

 

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V. 23

 

Beobachtungen: In 23,16-22 ist berichtet worden, dass der Sohn der Schwester des Paulus dem Tribun mitgeteilt hatte, dass mehr als vierzig Juden einen Anschlag auf Paulus planten. Der Tribun glaubte der Mitteilung und traf umgehend Vorkehrungen zum Schutz des Paulus. Die Vorkehrungen werden in 23,23-24 beschrieben.

 

Der Tribun führte nicht selbst alle notwendigen Vorkehrungen durch, sondern erteilte nur die für die Vorkehrungen notwendigen Befehle. Die Befehle erteilte er zwei Hauptmännern, die einerseits dem Tribun untergeben waren, andererseits aber auch selbst Befehle geben konnten, nämlich den eigenen Untergebenen.

"Hekatontarchês“ heißt genau übersetzt "Hundertschaftsführer“ (allgemeinere Übersetzung: Hauptmann). Der Begriff verweist auf die Untergliederung des römischen Heeres in Hundertschaften. Die militärische Grundeinheit war die Legion, die 3000-6000 Mann umfasste. Eine Legion war in zehn Kohorten und eine Kohorte wiederum in sechs Centurien, also Hundertschaften, untergliedert. Die Kohorten wurden von den Tribunen befehligt, die Centurien von den Centurionen (= Hundertschaftsführer).

 

Bei dem "stratiôtês“ ("Soldat“), dürfte es sich um einen Fußsoldaten gehandelt haben, denn neben ihm wird auch der "hippeus“ ("Reiter“) genannt, der beritten war, wobei allerdings offen bleibt, ob es sich nur um ein Pferd handelte oder um einen von einem Pferd bzw. von mehreren Pferden gezogenen Wagen. In letzterem Fall hätte es sich bei dem "hippeus“ um einen Wagenlenker gehandelt. Da jedoch Wagen nicht ausdrücklich erwähnt werden, ist wahrscheinlicher, dass hier der Reiter eines Pferdes gemeint ist.

 

Der Begriff "dexiolabos“ taucht in der Bibel nur hier auf und es gibt auch in der zeitgenössischen außerbiblischen Literatur keine weiteren Belege dieses Begriffs. Somit ist dessen Bedeutung unsicher. Wörtlich bedeutet er "einer, der etwas rechts trägt“, wobei "rechts“ wohl im Sinne von "in der rechten Hand“ zu deuten ist. Doch was könnten diese "dexiolabos“ genannten Soldaten in der rechten Hand getragen haben? Am ehesten ist an eine Waffe zu denken, wobei vermutlich an eine ganz bestimmte Waffe zu denken ist, vielleicht an eine Lanze oder an ein Schwert. Dann hätte es sich um Lanzen- oder Schwertträger gehandelt. Die "dexiolaboi“ können aber auch den Zügel eines Pferdes oder anderen Reit- oder Lasttieres in der Hand gehabt haben oder Ausrüstungsgegenstände oder Gepäck. Bei 200 Pferden zusätzlich zu denen der 70 Reiter würde sich die Frage stellen, für wen die vielen Pferde bestimmt gewesen sein sollen. Waren es Ersatzpferde, falls Pferde bei einem Kampf verletzt oder getötet wurden? Oder handelte es sich um Pferde, auf denen die Fußsoldaten die Wegstrecke zurücklegen konnten? Für letztere Möglichkeit spricht, dass die Zahl der Pferde genau derjenigen der Fußsoldaten entsprechen würde. Wenn Gepäck zu transportieren war, dürfte es sich bei den am Zügel geführten Lasttieren um Maultiere, Maulesel oder Esel gehandelt haben. Sie können das Gepäck der Fußsoldaten und vielleicht auch der Reiter und der die Zügel der Lasttiere führenden Personen getragen haben. Allerdings wäre der Aufwand für den Gepäcktransport recht groß gewesen.

 

Die Gesamtzahl von 470 Paulus begleitenden Soldaten erscheint als Begleitung für einen Menschen doch reichlich groß und es ist fraglich, ob diese historisch richtig ist. Hat der Verfasser der Apg die Zahlenangaben für die Fußsoldaten, Reiter und Leichtbewaffneten von einer ihm vorliegenden Quelle, vielleicht einem tatsächlich existierenden Brief, oder ihm bekannten mündlichen Tradition übernommen? Hat er sie korrekt übernommen oder versehentlich oder absichtlich zu hohe Zahlenangaben gemacht? Sofern die Zahlen von dem Verfasser der Apg stammen und erfunden sind, stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Zahlenangabe. Eine symbolische Bedeutung kann vorliegen, ist jedoch nicht ersichtlich. Allerdings ist daran zu denken, dass die hohen Zahlenangaben zwei Dinge herausstellen sollen, nämlich erstens die große Gefahr, die von den Juden ausging, zweitens die Bedeutung der Person des Paulus. Die Paulus begleitenden Truppenkontigente mussten auf jeden Fall mindestens einen Angriff der mehr als vierzig Juden, die konkret den Anschlag geplant hatten, zurückschlagen können. Dass der Tribun tatsächlich Paulus eine dermaßen große Beachtung hat zukommen lassen, ist eher unwahrscheinlich, denn er war ja von dessen staatsgefährdender Schuld nicht überzeugt und behandelte ihn dementsprechend auch nicht wie einen Staatsfeind. Vielmehr betrachtete der Tribun Paulus als einen Juden und römischen Bürger, der von den Juden wegen einer das jüdische Religionsgesetz betreffenden Angelegenheit angeklagt wurde (vgl. 23,29). Dass der Tribun mit dem übermäßigen Truppenaufgebot allen die Macht der römischen Besatzer vor Augen führen wollte, ist möglich, aber eher unwahrscheinlich, weil das Aufgebot in der Nacht weniger Beachtung als am Tag fand. Aber es kann sein, dass der Tribun die Aktion als willkommene militärische Übung für die verschiedenen Truppenkontingente ansah, deren Alltagsleben ansonsten öde war. Falls es sich bei den "dexiolaboi“ um Personen handelte, die Reit- oder Lasttiere am Zügel führten, würde sich die Zahl der Soldaten um 200 reduzieren, was mit 270 Soldaten eine realistischere Zahl ergeben würde.

 

Gemäß jüdischer Zeitrechnung beginnt der Wochentag nicht um Mitternacht, sondern mit dem Sonnenuntergang. Dieser Zeitpunkt ist auf 18 Uhr festgelegt. Der Wochentag ist grob in zwei Hälften aufgeteilt, und zwar in Nachtstunden und in Tagstunden. Die Nachtstunden umfassen die Zeit 18 - 6 Uhr. Die Tagstunden reichen von 6 - 18 Uhr. Da die Länge der Nacht- und Tagstunden im Laufe des Jahres variierte, sind dies die Mittelwerte des ganzen Jahres. Die dritte Nachtstunde ist die dritte Stunde nach Sonnenuntergang, also etwa 21 Uhr.

Fraglich ist, ob der Zeitangabe eine besondere Bedeutung zukommt. Sicher lässt sicher nur sagen, dass aus ihr besondere Eile hervorgeht, denn der Aufbruch sollte am späten Abend in die Nacht hinein erfolgen, also noch an dem Tag (unserer Zeitrechnung), an dem der Tribun von dem geplanten Attentat auf Paulus erfahren hatte. So erfolgte der Aufbruch noch in der Zeit, in der die mehr als vierzig Juden auf die Ankunft des Paulus warteten, denn das Attentat war erst für den folgenden Tag vorgesehen (vgl. 23,20).

 

Cäsarea − zur Unterscheidung mit dem Zusatz Maritima versehen − war ursprünglich eine phönizische Hafensiedlung namens Stratons Turm, in der nach der Einnahme durch den Hasmonäer Alexander Jannäus 96 v. Chr. eine große jüdische Gemeinde entstand. 66 v. Chr. eroberte der römische General Pompeius Stratons Turm, das daraufhin zunehmend heidnisch wurde. König Herodes ließ 22-10 v. Chr. die Stadt zu Ehren seines Adoptivvaters Kaiser (Caesar) Augustus als Cäsarea neu anlegen. Als Herodes 4 v. Chr. starb, wurde sein Reich unter seinen Söhnen aufgeteilt. Dabei erhielt Archelaos Samarien samt Cäsarea, außerdem die Gebiete Judäa und Idumäa. Nach der Amtsenthebung und Verbannung des Archelaos 6 n. Chr. wurde dessen Reich eine römische Provinz, der ein Prokurator vorstand. Dieser hatte seinen Amtssitz in Cäsarea.

 

Weiterführende Literatur: Zur Überstellung des Paulus nach Cäsarea und zum Brief des Tribuns an den Prokurator Felix siehe B. Rapske 1994, 152-155. B. Rapske hält den Umfang der militärischen Begleitung des Paulus angesichts der politischen Unruhe und der daraus resultierenden Gefahren für durchaus realistisch. Die 70 Reiter seien vom Prokurator Felix wohl nicht als Zeichen des besonderen Status' oder der besonderen Bedeutung des Gefangenen gedeutet worden.

 

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V. 24

 

Beobachtungen: Das Verb "diasôzô“ ("wohlbehalten bringen“) ist wörtlich mit "durchretten“ zu übersetzen, wobei diese wörtliche Übersetzung deutlich macht, dass Paulus in Gefahr war. Vor dieser Gefahr musste er gerettet werden, indem er an einen anderen Ort zum Prokurator gebracht wurde.

 

Paulus musste die Wegstrecke zum Prokurator Felix nicht laufen, sondern durfte sie auf einem Reittier zurücklegen. Sofern man nicht annimmt, dass es sich bei dem Reittier um eines handelte, das Paulus entwürdigte, liegt hier der Schluss nahe, dass Paulus seitens der römischen Besatzungsmacht eine gewisse Achtung erfuhr.

 

"Ktênê“ ist ein Plural, wobei eine Mehrzahl Reit- oder Lasttiere gemeint ist. Eines dieser Reit- oder Lasttiere war dazu bestimmt, Paulus zu tragen. Bei den Reit- oder Lasttieren kann es sich um Pferde, Maultiere, Maulesel oder um Esel gehandelt haben. Dabei sind Pferde eher unwahrscheinlich, weil Paulus bei einem Pferd als Reittier doch ein übermäßig hohes Maß an Ehre zugekommen wäre, außerdem Pferde weniger Transport- und Lasttiere als Reittiere für den Kampf waren. Sie erforderten eine gewisse Reiterfahrung der aufsitzenden Person, waren weniger auf Ausdauer als auf Geschwindigkeit ausgerichtet und in unwegsamem Gelände weniger trittsicher als Maultiere, Maulesel und Esel.

Für den Transport des Paulus hätte ein Reit- oder Lasttier gereicht. Warum wurde mindestens ein weiteres Reit- oder Lasttier mitgeführt? Es ist möglich, dass man ein Ersatztier bzw. Ersatztiere benötigte, wenn das Paulus tragende Reit- oder Lasttier ermüdete. Auch kann das andere Reit- oder Lasttier bzw. die anderen Reit- oder Lasttiere dazu bestimmt gewesen sein, das Gepäck des Paulus oder Gepäck der begleitenden Soldaten zu tragen.

 

Die Bezeichnung "hêgemôn“ meint eigentlich allgemein "Führer“, "Befehlshaber“, "Herrscher“ oder "Fürst“. In V. 24 ist ein ganz bestimmtet Befehlshaber oder Herrscher gemeint, nämlich "Felix“, wie hier der von 52 − ca. 60 n. Chr. in der römischen Provinz Judäa herrschende Statthalter Antonius Felix genannt wird. Judäa war eine kaiserliche Provinz, d. h. sie wurde dem Kaiser auf Zeit vom Senat übertragen. Der Kaiser wiederum ernannte eine Person, die an seiner statt als Statthalter die Amtsgeschäfte in der Provinz übernahm. Der Statthalter Judäas wurde als "Prokurator“ bezeichnet und war gewöhnlich − der Freigelassene Antonius Felix bildete eine Ausnahme - aus ritterlichem Stand.

 

Dass der Tribun solch übermäßig große Sicherheitsvorkehrungen für den Schutz des Paulus traf und so die geplante Ermordung verhinderte, wirft die Frage auf, was das für die mehr als vierzig Juden bedeutete, die das Attentat geplant und sich (bei Selbstverfluchung) geschworen hatten, weder zu essen noch zu trinken, bis sie Paulus getötet hätten (vgl. 23,12.14). Mussten sie nun verhungern und verdursten? Oder aßen und tranken sie zwar, mussten aber aufgrund der Selbstverfluchung nun die Strafe ihres Gottes befürchten? Vermutlich war nichts von alledem der Fall, denn gemäß der Mischna (mNed 3,3) war es im Falle unvorhergesehener Ereignisse möglich, den Schwur aufzuheben.

 

Weiterführende Literatur: Weil der Codex Bezae Cantabrigiensis abrupt in 22,29 abbricht und die Leerstelle bis zum Ende der Apg (28,31) reicht, versucht É. Delebecque 1984, 83-91 den sogenannten westlichen Text mittels einer Minuskel des 13. Jh.s, Randglossen der syrischen Harklensis, der sahidischen, koptischen Textversion und verschiedener lateinischer Vulgata-Handschriften zu rekonstruieren. Bezüglich der V. 23-24 seien folgende wesentlichen Änderungen seitens der rekonstruierten, längeren Textfassung, die dem Vokabular nach der Apg entspreche, festzustellen: es ist nicht von 70, sondern von 100 Reitern die Rede; Paulus sollte bei Nacht − gemeint sei: die ganze Nacht hindurch − zu Felix gebracht werden; Cäsarea wird als Aufenthaltsort des Felix ausdrücklich genannt; den Lesern werden die verborgenen Gefühle des Tribuns und damit die Motive seines Handelns offenbart.

 

G. Rinaldi 1991, 423-466 geht den Fragen nach dem vollständigen Namen und der Herkunft des Prokurators Felix nach und untersucht anschließend, welches die wesentlichen Ereignisse seiner Amtszeit waren. Es sei auffällig, dass der Verfasser der Apg zwar gewöhnlich präzise neben dem cognomen auch das nomen gentilicium der Prokuratoren mitteile (vgl. Lk 3,1: Pontius Pilatus; Apg 24,27: Porcius Festus), im Falle des Prokurators Felix jedoch nur das cognomen, Felix, nenne. Die Suche nach dem vollständigen Namen sei insofern von Belang, als dem Sklaven bei dessen Freilassung der Name (praenomen und nomen gentilicium) des freilassenden Patrons gegeben wurde. G. Rinaldi folgt C. Hemer 1987, 45-49 und hält für wahrscheinlich, dass der vollständige Name M. (= Marcus) Antonius Felix lautete, nicht aber Tiberius Claudius Felix. G. Rinaldi vermutet, dass die Familie von Felix und seinem Bruder Pallas aus Syrien oder Umgebung, also aus der Nähe von Judäa, stammte. Von bescheidener Herkunft, aber schnell erworbenem Wohlstand sei sie ein Beispiel für das beginnende Eindringen orientalischer Familien in die kaiserliche Verwaltung. In der zweiten Jahreshälfte 52 n. Chr. sei Felix wohl zum Prokurator von Judäa ernannt worden, wobei er die Amtsgeschäfte 53 n. Chr. in Angriff genommen habe.

 

 

Literaturübersicht

 

Delebecque, Édouard; Paul entre Juifs et Romains, selon les deux versions de Act. XXIII, RThom 84/1 (1984), 83-91

Hemer, Colin, The Name of Felix Again, JSNT 31 (1987), 45-49

Rapske, Brian; The Book of Acts and Paul in Roman Custody (The Book of Acts in Its First Century Setting 3), Grand Rapids, Michigan - Carlisle 1994

Rinaldi, Giancarlo; Procurator Felix. Note prosopografiche in margine ad una rilettura di At 24, RivBib 39/4 (1991), 423-466

 

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