Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Apostelgeschichte (Apg 21,18-26,32)

Apg 24,22-23

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Apg 24,22-23

 

 

Übersetzung

 

Apg 24,22-23:22 (Der) Felix aber vertagte ihre Sache, da er recht genau über den Weg Bescheid wusste, und sagte: "Sobald der Tribun Lysias herabkommt, werde ich euren Fall entscheiden.“ 23 Er befahl dem Hauptmann, ihn in Gewahrsam zu halten und [ihm] Erleichterung zu gewähren und niemanden der Seinen zu hindern, ihm behilflich zu sein.

 

 

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V. 22

 

Beobachtungen: Nachdem der Anwalt Tertullus die Anklage vorgebracht (vgl. 24,2-9) und Paulus seine Verteidigungsrede gehalten hatte (vgl. 24,10-21) musste nun der Prokurator Felix zu einer Entscheidung über den Fall kommen. Felix vertagte die Sache, was zunächst annehmen lässt, dass er sich noch genauer über den Sachverhalt informieren musste. Dabei wird jedoch überraschenderweise angemerkt, dass er sich bereits recht gut über "den Weg“, das Christentum, auskannte, wobei zunächst zur Quelle des Wissens nichts gesagt wird. Welche Meinung er zu "dem Weg“ hatte, bleibt offen. Aus der Tatsache, dass der Prokurator nicht sogleich der Klage nachgab, sondern die Sache vertagte, lässt sich aber schließen, dass er "den Weg“ nicht als eine wirkliche Bedrohung für die öffentliche Sicherheit betrachtete.

 

Wörtlich ist "autous“ mit "sie“ zu übersetzen, womit die wörtliche Übersetzung des Beginns des V. 22 "(Der) Felix aber vertagte sie“ lautet. Gemeint ist: "(Der) Felix aber vertagte ihre Sache(n)“.

 

Das Christentum wird als "der Weg“ bezeichnet. Der Verfasser der Apg scheint nicht weiter erklären zu müssen, um was für einen Weg es sich handelt. Wenn die Leser der Apg die Formulierung auch ohne Erklärung verstanden, dann muss es sich um eine allgemein gängige, geprägte Formulierung gehandelt haben. Vielleicht ist von einer Selbstbezeichnung der Christen auszugehen. Ähnliche Selbstbezeichnungen begegnen auch bei den Essern in Qumran (vgl. 1QS 9,17-18; 10,20-21; CD 1,13; 2,6). Vermutlich liegt der Bezeichnung "der Weg“ die Vorstellung eines Weges zugrunde, der von Heil geprägt ist und − zumindest nach christlichem Verständnis − zum ewigen Leben führt.

 

Der Tribun Lysias − in Apg 23,26 wird der vollständigere Name Claudius Lysias gegeben - kam als glaubwürdiger Informant deshalb an erster Stelle infrage, weil er es war, der Paulus angesichts des Aufruhrs auf dem Tempelgelände festgenommen hatte. Auch hatte er − wenn auch mit Mühe - einige Informationen zu Paulus, seiner Verkündigung und zum Christentum sammeln können. Lysias hatte dem Felix bei der Überstellung des Paulus von Jerusalem nach Cäsarea bereits einen Brief mit ersten, für die Prozesseröffnung erforderlichen Informationen mitgegeben (vgl. 23,25-30). Wenn Felix aber zusätzlich Lysias persönlich kommen lassen wollte, lässt dies annehmen, dass ihm die Informationen des Briefes nicht ausreichten. Besondere Wichtigkeit scheint Felix den Informationen des Lysias aber nicht beigemessen zu haben, denn im Folgenden wird nichts mehr über das Kommen des Lysias ausgesagt. So bleibt im Dunklen, ob Lysias wirklich gekommen ist, oder ob es sich nur um ein Täuschungsmanöver des Felix handelte, um Zeit zu gewinnen. Sofern Lysias tatsächlich gekommen ist, bleibt offen, was Felix von diesem erfuhr und wie dies die Meinung über die Sache beeinflusste. Alles in allem bleibt der Eindruck, dass Felix bezüglich des Sachverhaltes bereits ein fertiges Bild hatte und nun Zeit gewinnen wollte, um damit Schwierigkeiten zu vermeiden und daraus vielleicht sogar noch einen Vorteil zu ziehen.

 

Das Verb "diagi(g)nôskomai“ enthält hier sowohl den Aspekt der genaueren Untersuchung als auch den Aspekt der Entscheidung des Falls, wobei das Schwergewicht sicherlich auf letzterem Aspekt liegt. Es geht nicht in erster Linie darum, dass sich Felix ein noch besseres Bild vom Sachverhalt machen wollte, sondern darum, dass Felix nicht sofort eine Entscheidung treffen wollte, sondern erst später. Dass zunächst Lysias kommen sollte, diente vordergründig der genaueren Untersuchung des Falls, tatsächlich aber dem Entscheidungsaufschub.

 

Weiterführende Literatur: H. S. Brown 1996, 319-332 untersucht das Wesen römischer Gerichtsakten, wie wir sie in den ägyptischen Papyri fänden. Er vergleicht diese Art Dokument mit Apg 24,1-23 und stellt sie diesem Bibeltext gegenüber, wobei er die Kriterien juristischer und forensischer Rhetorik mit Bezug sowohl zu den Papyri als auch zur Apg beleuchtet. Dann widmet er sich den Gerichtsprozessen in griechisch-römischen Erzählungen und verortet schließlich Apg 24 im zeitgenössischen Schriftgut. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Apg 24 weder ein historischer Bericht noch Berichten von Gerichtsprozessen entnommen sei. Vielmehr handele es sich um eine dramatische Darstellung der lukanischen Sichtweise der Anrufung des Kaisers, die viele Charakteristika tatsächlicher historischer Texte nachahme. Es seien Ähnlichkeiten mit literarisch konstruierten Darstellungen in griechisch-römischen Erzählungen festzustellen.

 

G. Rinaldi 1991, 423-466 geht den Fragen nach dem vollständigen Namen und der Herkunft des Prokurators Felix nach und untersucht anschließend, welches die wesentlichen Ereignisse seiner Amtszeit waren. Es sei auffällig, dass der Verfasser der Apg zwar gewöhnlich präzise neben dem cognomen auch das nomen gentilicium der Prokuratoren mitteile (vgl. Lk 3,1: Pontius Pilatus; Apg 24,27: Porcius Festus), im Falle des Prokurators Felix jedoch nur das cognomen, Felix, nenne. Die Suche nach dem vollständigen Namen sei insofern von Belang, als dem Sklaven bei dessen Freilassung der Name (praenomen und nomen gentilicium) des freilassenden Patrons gegeben wurde. G. Rinaldi folgt C. Hemer 1987, 45-49 und hält für wahrscheinlich, dass der vollständige Name M. (= Marcus) Antonius Felix lautete, nicht aber Tiberius Claudius Felix. G. Rinaldi vermutet, dass die Familie von Felix und seinem Bruder Pallas aus Syrien oder Umgebung, also aus der Nähe von Judäa, stammte. Von bescheidener Herkunft, aber schnell erworbenem Wohlstand sei sie ein Beispiel für das beginnende Eindringen orientalischer Familien in die kaiserliche Verwaltung. In der zweiten Jahreshälfte 52 n. Chr. sei Felix wohl zum Prokurator von Judäa ernannt worden, wobei er die Amtsgeschäfte 53 n. Chr. in Angriff genommen habe.

 

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V. 23

 

Beobachtungen: Es wird nicht gesagt, wo Paulus in Gewahrsam gehalten wurde. Da sich der Ort des Gewahrsams im Verlauf des Aufenthalts in Cäsarea nicht geändert haben dürfte, ist an das Prätorium des Herodes zu denken (vgl. 23,35).

 

Der bestimmte Artikel "der“ lässt annehmen, dass der Hauptmann den Lesern der Apg bereits bekannt ist, weil er schon zuvor erwähnt wurde. Das ist jedoch nicht der Fall. Folglich stellt sich die Frage, warum dieser mit einem bestimmten Artikel versehen wird. Auf jeden Fall wird der Hauptmann als ein ganz bestimmter dargestellt, und zwar entweder als derjenige, der direkt dem Prokurator unterstand, oder als derjenige, der mit der Überwachung des Paulus und vielleicht auch anderer Gefangener betraut war. Ob der Hauptmann von Jerusalem gekommen war oder dauerhaft seinen Dienst in Cäsarea leistete, bleibt offen.

 

Auch die erleichterten Haftbedingungen lassen darauf schließen, dass Felix "den Weg“ nicht als wirkliche Bedrohung für die öffentliche Sicherheit betrachtete. Auch scheint er die Anklage der Juden nicht für voll genommen zu haben, wie die Tatsache beweist, dass er dem Hauptmann befahl, niemanden "der Seinen“, also der Angehörigen des Paulus, zu hindern, diesem behilflich zu sein. Selbst für eine Untersuchungshaft waren die Bedingungen also ungewöhnlich erleichtert.

 

Es wird nicht präzisiert, wer "hoi idioi autou“ ("seine Angehörigen“, "die Seinigen“) waren. An erster Stelle ist an die Verwandten des Paulus zu denken, dann aber auch an die Freunde und vielleicht auch grundsätzlich an die Glaubensgenossen, die ja immerhin seine "Glaubensbrüder und −schwestern“ waren.

 

Es bleibt offen, welche Hilfeleistungen das Verb "hypêreteô“ ("helfen“, "Hilfe leisten“) in V. 23 umfasst. Aussagen dazu sind schwierig, weil nicht deutlich wird, wie sich die Haftbedingungen im Einzelnen gestalteten, ob es z. B. ausreichend Essen und Trinken gab, und welche Annehmlichkeiten Paulus hinsichtlich des täglichen Lebens gewährt wurden. Grundsätzlich ist daran zu denken, dass Paulus mit allem "geholfen“ werden durfte, was sein tägliches Leben erleichterte, also mit Speise und Trank, mit Gegenständen des täglichen Bedarfs und vielleicht auch mit Ausstattungsgegenständen wie einem Stuhl oder einer besseren Schlafunterlage. Sicherlich war es Paulus auch gestattet, Briefe zu empfangen, zu schreiben und zu übergeben. Da nicht zu erkennen ist, dass der Prokurator sich des Falles entledigen wollte, indem er Paulus zur Flucht verhalf, ist wohl nicht an Ermöglichung der Flucht gedacht. Eine solche hätte sicherlich den Zorn der Juden hervorgerufen und dem Prokurator Schwierigkeiten bereitet und war insofern sicherlich ausgeschlossen.

 

Es stellt sich die Frage, warum Felix nicht gleich die Klage der Juden als unbegründet zurückwies. Die möglichen Antworten auf diese Frage gehen aus 24,24-27 hervor.

 

Weiterführende Literatur: Zu den erleichterten Haftbedingungen des Paulus im Prätorium des Herodes siehe B. Rapske 1994, 167-172.

 

 

Literaturübersicht

 

Brown, H. Stephen; Paul’s Hearing at Caesarea: A Preliminary Comparison with Legal Literature of the Roman Period, SBL.SPS 35 (1996), 319-332

Hemer, Colin, The Name of Felix Again, JSNT 31 (1987), 45-49

Rapske, Brian; The Book of Acts and Paul in Roman Custody (The Book of Acts in Its First Century Setting 3), Grand Rapids, Michigan - Carlisle 1994

Rinaldi, Giancarlo; Procurator Felix. Note prosopografiche in margine ad una rilettura di At 24, RivBib 39/4 (1991), 423-466

 

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