Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Erster Timotheusbrief

Erster Brief des Paulus an Timotheus

1 Tim 1,3-7

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

1 Tim 1,3-7



Übersetzung


1 Tim 1,3-7 : 3 Wie habe ich dich ermahnt, in Ephesus zu bleiben, als ich nach Makedonien abreiste, damit du einigen verbietest, andere Lehren zu verbreiten 4 und sich mit Fabeln und endlosen Geschlechtsregistern abzugeben, die eher Streitfragen hervorbringen, als Verwalterdienst Gottes, der im Glauben [geschieht]. 5 Das Ziel der Unterweisung ist Liebe aus reinem Herzen, (und) gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben. 6 Davon sind aber einige abgekommen und haben sich Geschwätz zugewendet. 7 Sie wollen Gesetzeslehrer sein und haben doch keine Ahnung von dem, was sie sagen und so sicher behaupten.



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V. 3


Beobachtungen: Die genaue Übersetzung des Beginns von V. 3 lautet „Wie ich dich ermahnt habe, als …“, allerdings ist der Satz unvollständig. Will „Paulus“ sagen „Wie ich dich ermahnt habe, als …, so ermahne ich Dich auch jetzt“? Oder will er sagen „Wie ich dich ermahnt habe, als …, so setze es bitte um“? Diese beiden Möglichkeiten setzen voraus, dass „Paulus“ annimmt, dass „Timotheus“ schon ahnt, was er meint, und es deswegen nicht ausdrücklich sagt. Es kann aber auch sein, dass „Paulus“ beim Schreiben des Satzes den Faden verloren hat.


Laut 1 Tim 1,3 ist Paulus von Ephesus nach Makedonien gereist, wogegen Timotheus in Ephesus blieb. In Apg 19,22 ist es genau umgekehrt: Paulus ist demnach in der Provinz Asien, deren Hauptstadt Ephesus war, geblieben und Timotheus auf Geheiß des Paulus nach Makedonien gereist. Es ist aber vermutlich müßig zu versuchen, die sich widersprechenden Angaben miteinander zu harmonisieren und die Geschehnisse korrekt zu rekonstruieren. Weder ist davon auszugehen, dass die von der Apg geschilderte Reiseroute bis ins Detail historisch korrekt ist, noch ist der 1 Tim ein sicher als echt zu bezeichnender Paulusbrief mit historisch korrekten Informationen zum Reisegeschehen. Wichtiger als die historische Korrektheit dürfte sein, was mit dem Bleiben ausgesagt wird: Timotheus ist nicht mehr der Mitarbeiter des Paulus auf den Missionsreisen, sondern wird mit einer lehrenden Aufgabe in der Gemeindeleitung betraut. Hier mag eine Entwicklung im Missionsgeschehen durchschimmern: Die Verkündigung des Christentums den Heiden gegenüber und die Ausbreitung des Christentums treten in den Hintergrund, Dafür treten Fragen der Gemeindeleitung, zu denen auch die Sicherstellung der rechten Lehre gegenüber Irrlehren gehört, in den Vordergrund.


Die Formulierung „andere Lehren“ lässt erkennen, dass „Paulus“ eine bestimmte Lehre als Norm voraussetzt. Bei dieser Norm handelt es sich um die Lehre des Paulus, nach der sich jede Lehre zu richten hat. „Einige“ richten sich nicht danach, wobei offen bleibt, wer diese Personengruppe ist.


Weiterführende Literatur: P. G. Bush 1990, 152-156 widerspricht Äußerungen, wonach 1 Tim keine wirkliche Struktur und keinen roten Faden bezüglich des Gedankenganges habe. Tatsächlich habe 1 Tim eine klare und durchdachte Struktur – eine Struktur, die darauf hinweise, wie die Botschaft des Briefes zu verstehen ist. 1,3-11 bilde den Hintergrund, auf dem das gesamte Briefkorpus zu lesen sei. 1 Tim 1,12-20 und 6,11-16.20.21 seien in hohem Maße Parallelen und bildeten eine inclusio, umschlössen also den Brief. Dabei sei eine Entwicklung des Gedankengangs zu erkennen: Zunächst gehe es darum, wie „Paulus“ von Jesus Christus das Evangelium empfangen hat. „Paulus“ gebe das Evangelium im Sinne eines Mittlers an „Timotheus“ weiter. In 6,11-16.20.21 werde dann deutlich, dass „Timotheus“ in Zukunft nicht mehr „Paulus“ Rechenschaft abzulegen hat, sondern Gott. Dieser Gedankengang entspreche der Funktion des Briefes, die paulinische Tradition einer neuen Führungsperson zu übergeben und das Evangelium mit Blick auf die erste nachpaulinische Generation zu aktualisieren. Zentraler Inhalt des 1 Tim sei, dass eine recht geleitete und geordnete Kirche in der Lage sei, wirksam Irrlehre zu bekämpfen.


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V. 4


Beobachtungen: Die Bezeichnung „mythos“, hier mit „Fabel“ übersetzt, meint eine legendarische Erzählung. Diese hatte sich mit einem Volk aus dem vorgeschichtlichen Dunkel heraus entwickelt und ging Fragen nach Sinn und Wesen der Welt nach. Insofern gab sie eine Weltanschauung wieder. Mythen konnten sehr phantasievoll und lebendig und geradezu ungeheuerlich sein. Es handelte sich um „Geschichte“, allerdings um eine erzählte Geschichte und nicht um Geschichte im heutigen engeren Sinn, wonach Geschichte sich mit Personen, Ereignissen und Zuständen befasst, wie es sie wirklich gab. Ein solches Interesse an historischer Korrektheit gab es zwar auch schon ansatzweise in der Antike, aber es spiegelt sich nicht in den Mythen wieder. Während der aufgeklärte Mensch die Geschichte im engeren Sinn als (historisch) wahr ansieht, erscheinen ihm die Mythen als Fabeln, als blühender Phantasie entsprungene Geschichten. Der unaufgeklärte Mensch der Antike trennte nicht so scharf zwischen (historisch) wahrer Geschichte und fabelhafter Geschichte. Vielmehr sah er in der fabelhaften Geschichte auch (historisch) wahre Geschichte.

„Paulus“, der Verfasser des 1 Tim, hat ein negatives Bild von den Mythen, den Fabeln. Dieses negative Bild liegt aber nicht darin begründet, dass er ihnen das Fehlen von historischer Wahrheit vorwirft. Um historische Wahrheit im aufgeklärt wissenschaftlichen Sinn geht es ihm nicht. Vielmehr wirft er den Mythen, den Fabeln, vor, dass sie für das Heil irrelevant sind. Für das Heil relevant ist nur die paulinische Lehre, die auf dem mit Christus verbundenen Heilsgeschehen gründet.


Geschlechtsregister (Genealogien) dienten in der Antike dazu, Antworten auf Fragen nach Herkunft und Ursprung zu geben. Dies geschah, indem sie über die Abstammung einer Person oder Gruppe von einem Ahn oder mehreren Ahnen informierten. Mittels dieser Informationen wurde die Identität und Autorität einer Person oder Gruppe definiert. Über diese Identität konnte sich auch eine größere Gruppe wie ein Stamm oder Volk definieren.

Auch von den Geschlechtsregistern hat „Paulus“ ein negatives Bild. Und wie schon bei den Mythen, den Fabeln, ist dies nicht mit fehlender historischer Wahrheit zu begründen, sondern mit dem Fehlen von Heilsrelevanz. Es ist davon auszugehen, dass in den Geschlechtsregistern Jesus Christus keine Rolle spielte.


Es stellt sich die Frage, ob es sich bei denjenigen, die andere Lehren verbreiten und sich mit Fabeln und endlosen Geschlechtsregistern abgeben, um eine Sorte Irrlehrer handelt, oder um zwei oder drei Sorten Irrlehrer. Bei einer Sorte Irrlehrer würde es sich um Irrlehrer handeln, die andere Lehren verbreiten, und zwar solche, die Fabeln, also erfundene Geschichten, und endlose Geschlechtsregister zum Inhalt haben. Bei zwei Sorten Irrlehrern würde die erste Sorte wie auch immer beschaffene Irrlehren von sich geben. Die zweite Sorte würde sich mit Fabeln und endlosen Geschlechtsregistern abgeben. Bei drei Sorten Irrlehrern würde die erste Sorte wie auch immer beschaffene Irrlehren von sich geben. Die zweite Sorte würde sich mit Fabeln abgeben und die dritte mit endlosen Geschlechtsregistern.


Die meisten Textzeugen lesen „zêtêseis“, was „Nachforschungen“, „Untersuchungen“ oder „(Streit-)Fragen“ bedeutet. Die Minderheit der Textzeugen liest „ekzêtêseis“, das nur in 1 Tim 1,4 vorkommt und hier „(Streit-)Fragen“ bedeuten dürfte. Möglicherweise wird stärker als beim Gebrauch des Begriffs „zêtêseis“ betont, dass die Fragen im Menschen entstehen und sich dann als Fragen äußern, deren Beantwortung aufgrund der vielen Spekulationen im Streit enden kann. Trotz der schlechteren Bezeugung dürfte „ekzêtêseis“ die ursprüngliche Lesart sein, weil sie die schwierigere ist. Es ist wahrscheinlicher, dass eine schwierige Lesart versehentlich oder absichtlich zu einer üblicheren geändert wird als umgekehrt.


Der altgriechische Begriff "oikonomia" kann sowohl die Heilsordnung oder den Heilsplan an sich, als auch die Verwirklichung des Heilsplans, also dessen "Verwaltung", oder das Verwalteramt selbst meinen. Er bezeichnet gewöhnlich die Verwaltung einer Hauswirtschaft, sei es im privaten staatlichen oder kultischen Bereich. Auch in V. 4 geht es um Verwaltung, und zwar um „oikonomia theou“, also um die „Verwaltung Gottes“. Nun wird nicht Gott selbst verwaltet, sondern es geht um die Verwaltung eines göttlichen „Gutes“. Bei diesem „Gut“ dürfte es sich um den Heilsplan Gottes handeln. Die Verwaltung obliegt Verwaltern. Bei diesen Verwaltern handelt es sich um die Christen, speziell um diejenigen in lehrender Funktion. Sie gehen ihrer Aufgabe wohl im Auftrag Gottes nach. Damit Gott seinen Heilsplan umsetzen kann, benötigt er „Werkzeuge“. Das wichtigste „Werkzeug“ ist Jesus Christus, aber auch die Christen, speziell die in lehrender Funktion, spielen in der Verwirklichung des Heilsplans eine wichtige Rolle. Gemäß V. 4 ist es nicht die Aufgabe von Christen, schon gar nicht von denen in lehrender Funktion, sich Streitereien um erdachte Geschichten (Fabeln) und um endlose Geschlechtsregister hinzugeben. Vielmehr haben sie mit dafür zu sorgen, dass der Heilsplan umgesetzt wird. Dies geschieht, indem sie das lehren, was auch Paulus gelehrt hat.

Diese Erläuterungen zeigen, dass die Formulierung „oikonomia theou“ („Heilsplan/Verwaltung/Verwalteramt/Verwalterdienst Gottes“) in V. 4 mehrdeutig ist: Sie bezeichnet zum einen ein „Gut“, nämlich den Heilsplan Gottes. Sie bezeichnet aber auch die Verwaltung des „Gutes“, nämlich das Mitwirken an der Verwirklichung des göttlichen Heilsplans. Die Verwalter arbeiten wohl im Auftrag Gottes. Es handelt sich demnach wohl um einen Dienst: Indem sich die Verwalter der Verwirklichung des göttlichen Heilsplans hingeben, dienen sie Gott. Dieser Dienst geschieht im Glauben, wobei der Glaube an Gott und an das Heilsgeschehen gemeint sein dürfte.


Weiterführende Literatur: S. Westerholm 1982, 79-95 legt dar, dass sich in 1 Tim 1,3-11 das Bemühen der frühen Kirche widerspiegele, einen rechten Umgang mit dem atl. Gesetz (= Weisung, Tora) zu finden. Die Irrlehrer forderten zwar nicht die vollständige Beachtung des mosaischen Gesetzes, gebrauchten aber das Gesetz als Grundlage für ihre Fabeln und endlosen Geschlechtsregister sowie für ihre asketischen Praktiken. „Paulus“ habe zwar wie die Irrlehrer große Achtung vor dem Gesetz, vertrete aber im Hinblick auf den Gebrauch des Gesetzes eine andere Position. Er teile die in der frühen Kirche verbreitete Überzeugung, dass das mosaische Gesetz ungeachtet seiner göttlichen Herkunft und bestimmten Absicht nicht Maßstab christlichen Verhaltens sei. Das Gesetz sei nicht für die „Gerechten“, also die Christen, bestimmt, sondern für die „Sünder“ außerhalb der Kirche. Die Christen hätten sich nicht nach dem mosaischen Gesetz zu richten, sondern für sie seien die Liebe und der Charakter des Herzens und Glaubens maßgeblich.


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V. 5


Beobachtungen: Das Substantiv „parangelia“ („Weisung/Unterweisung“) erinnert an das Verb „parangellô“ („anweisen/gebieten“) in V. 3, das in der verneinten Form „verbieten“ bedeutet. Gemäß V. 3 soll „Timotheus“ „einigen“ verbieten, andere Lehren zu verbreiten. Dieses Verbot könnte in V. 5 als „Weisung“ verstanden sein. Würde es aber nur um diese spezielle Weisung gehen, dann wäre eigentlich eine Konkretisierung im Sinne von „diese Weisung“ zu erwarten, womit es um „das Ziel dieser Weisung“ ginge. Tatsächlich geht es aber um „das Ziel der Weisung“. Das legt nahe, dass es nicht nur um diese Weisung geht, sondern um Weisung generell. Wenn „Timotheus“ „einigen“ verbietet, andere Lehren zu verbreiten, dann kann dies so verstanden werden, dass sie gar nicht mehr lehren dürfen. Es kann aber auch so verstanden werden, dass sie nur die rechte Lehre im Sinne des „Paulus“ verbreiten dürfen. Das setzt aber voraus, dass sie in der rechten Lehre unterwiesen bzw. an die rechte Lehre erinnert werden. Damit erhält das Substantiv „parangelia“ die Bedeutung „Unterweisung“. Und die Unterweisung stammt nicht von „Timotheus“, denn „Timotheus“ hat sie von jemand anderem erhalten. Weil „Timotheus“ „Kind“ des „Paulus“ ist, liegt die Annahme nahe, dass er selbst in der rechten Lehre von „Paulus“ unterwiesen wurde. Und da wir davon auszugehen haben, dass „Paulus“ nicht Paulus selbst ist, sondern ein Verfasser, der sich in der paulinischen Tradition sieht, dürfte „Paulus“ den Paulus als seinen Lehrer ansehen. Demnach hätte „Paulus“ seine Lehre von Paulus erhalten. Und Paulus hätte sie von Jesus Christus erhalten. Die „Unterweisung“ wäre demnach die rechte paulinische Lehre, die direkt von Jesus Christus herstammt.


Das Ziel der Weisung/Unterweisung ist Liebe. Offen bleibt, wem die Liebe gilt. Allen Menschen? Allen Christen? Allen Gemeindegliedern? Gott? Jesus Christus? Sich selbst? Eine eindeutige Entscheidung ist wohl nicht nötig, weil alle Möglichkeiten miteinander zu tun haben. Die Liebe steht auf jeden Fall in einem Kontrast zum Verhalten der selbsternannten Gesetzeslehrer, die sich wegen nichtiger Streitfragen in die Wolle kriegen und nicht als Verwalter und Diener Christi handeln. Dadurch lieben sie weder Jesus Christus noch ihre Mitmenschen und letztendlich auch nicht sich selbst, weil sie nicht das Heil im Blick haben.


„Aus reinem Herzen, (und) gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“ gibt die Haltung an, aus der heraus die Liebe erfolgt: „Aus reinem Herzen“ sagt die vollkommene Aufrichtigkeit aus. Es wird nichts Schlechtes im Schilde geführt. „Aus gutem Gewissen“ hängt mit der Aufrichtigkeit zusammen, denn ein aufrichtiger Mensch kann ein gutes Gewissen haben. „Aus ungeheucheltem Glauben“ macht deutlich, dass die Liebe aus dem Glauben heraus erfolgt, wobei der christliche Glaube gemeint sein dürfte. Es handelt sich somit um eine spezifisch christliche Liebe. Dabei wird deutlich, dass es auch geheuchelten Glauben gibt. Es bleibt allerdings offen, wie sich ein geheuchelter Glaube zeigt.


Weiterführende Literatur:


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V. 6


Beobachtungen: Aus V. 6 geht hervor, dass die Irrlehrer – oder zumindest ein Teil von ihnen – zuvor die paulinische bzw. „paulinische“ Lehre gelehrt haben. Sie sind aber von ihr abgekommen und haben sich „Geschwätz“ zugewandt.


Der altgriechische Begriff „mataiologia“ taucht im NT nur hier auf (in 6,20 findet sich der vermutlich bedeutungsgleiche Begriff „kenophônia“). Man kann ihn mit „Geschwätz“ (oder: „leeres Gerede“) übersetzen. Bei dem „Geschwätz“ handelt es sich um Gerede, das man nicht ernst nehmen kann. Es ist töricht und hat mit der Wahrheit nichts zu tun. Somit ist es nichtig und führt nicht zum Heil. Es ist also ein völlig irrelevantes Gerede.


Weiterführende Literatur:


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V. 7


Beobachtungen: Es stellt sich die Frage, welches „Gesetz“ gemeint ist. Ist das jüdische Religionsgesetz gemeint? Dann wären es selbsternannte Lehrer der Tora und möglicherweise Judenchristen. Bei den Fabeln wären vielleicht Geschichten des AT bzw. der Tora im Blick, bei den Geschlechtsregistern diejenigen, die sich im AT bzw. der Tora finden. Für die Deutung „Lehrer der Tora“ spricht, dass in den beiden anderen Versen, in denen der Begriff vorkommt (Lk 5,17; Apg 5,34), jüdische Gesetzeslehrer gemeint sind. Allerdings ist nicht wahrscheinlich, dass „Paulus“ Texte der Tora bzw. des AT dermaßen abqualifiziert. Immerhin war der Apostel Paulus der Herkunft nach Jude. Insofern legt sich nahe, dass Fabeln und Geschlechtsregister gemeint sind, die sich nicht im AT finden, aber dennoch von den Irrlehrern als zum jüdischen Religionsgesetz gehörig dargestellt werden. Dabei kann das jüdische Religionsgesetz im Sinne von „schriftlicher Tora“ oder im Sinne von „mündlicher Tora“ verstanden sein. Dass die schriftliche Tora, die fünf Bücher Mose, im Blick ist, ist unwahrscheinlich, weil sich leicht hätte nachprüfen lassen, ob sich die Fabeln und die Geschlechtsregister, auf die sich die „Gesetzeslehrer“ bezogen, tatsächlich in ihr finden. Das gilt auch für das gesamte AT. Gut möglich ist jedoch, dass die „Gesetzeslehrer“ die Fabeln und Geschlechtsregister im Rahmen der mündlichen Tora, also der Auslegung der schriftlichen Tora, ins Spiel gebracht haben. Aus Sicht des „Paulus“ hätte es sich dann um eine abstruse Art der Auslegung der schriftlichen Tora gehandelt. Allerdings müssen die selbsternannten Gesetzeslehrer nicht unbedingt das jüdische Religionsgesetz gelehrt haben. Möglich ist nämlich auch, dass sie ein vermeintlich göttliches Gesetz lehrten. Das „göttliche Gesetz“ wäre dann eine Lehre, die so dargestellt wird, als entspreche sie dem göttlichen Willen und Heilsplan. Eine solche Darstellung wird von „Paulus“ aber als irrig dargestellt. Ob die „Gesetzeslehrer“ behaupten, dass ihre Lehre christlich sei, ist unklar.


In V. 7 macht sich „Paulus“ über einen Widerspruch lustig. Die Irrlehrer geben sich sehr selbstbewusst und stellen sicher Behauptungen auf, sind aber in Wirklichkeit überhaupt nicht sicher. Vielmehr streiten sie über die Fabeln und endlosen Geschlechtsregister, eben weil es diesbezüglich so viele Fragezeichen gibt. Sie haben also überhaupt keine Ahnung von dem, was sie sagen und sicher behaupten und ihre ganze Lehre steht auf tönernen Füßen.


Weiterführende Literatur:



Literaturübersicht


Bush, Peter G.; A Note on the Structure of 1 Timothy, NTS 36/1 (1990), 152-156

Westerholm, Stephen; The Law and the "Just Man" (1 Tim 1,3-11), ST 36/2 (1982), 79-95


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