Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Erster Timotheusbrief

Erster Brief des Paulus an Timotheus

1 Tim 1,8-11

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

1 Tim 1,8-11



Übersetzung


1 Tim 1,8-11 : 8 Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn man es in seinem Sinn gebraucht 9 und (dies) bedenkt, dass [das] Gesetz nicht für einen Gerechten bestimmt ist, sondern für Gesetzlose und Ungehorsame, für Gottlose und Sünder, für Heillose und Unheilige, für Vatermörder und Muttermörder, für Mörder, 10 Unzüchtige, Knabenschänder, Menschenhändler, Lügner, Meineidige und was sonst der gesunden Lehre widerspricht, 11 gemäß dem Evangelium von der Herrlichkeit des seligen Gottes, das mir anvertraut worden ist.



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V. 8


Beobachtungen: „Paulus“ weist nun auf bekanntes Wissen hin. Wenn er schreibt „wir wissen aber“, dann ist zunächst einmal anzunehmen, dass es sich um das Wissen des „Paulus“, des Verfassers des 1 Tim, und des „Timotheus“, des Adressaten des 1 Tim, handelt (vgl. 1,1). Weil gut möglich ist, dass der Name „Timotheus“ für einen an vorderer Stelle mit Mission, Gemeindeaufbau und/oder Gemeindeleitung befassten Christen steht und somit auch andere mit Mission, Gemeindeaufbau und/oder Gemeindeleitung befasste Christen Adressaten sein können, mag es sich um Wissen handeln, das speziell diese Personengruppe hat. Allerdings kann der Plural "wir" auch ein literarisches Stilmittel sein. Dann wäre mit dem „wir“ nur „Paulus“ gemeint, womit nur er das Wissen hätte.


In 1 Tim 1,3-7 hat „Paulus“ den „Timotheus“ ermahnt, in Ephesus zu bleiben und den Irrlehrern Einhalt zu gebieten. Die Irrlehrer wurden als Menschen dargestellt, die eine abstruse Auslegung des „Gesetzes“ betreiben. Mit dem „Gesetz“ kann das jüdische Religionsgesetz, die Tora, gemeint sein, aber auch eine Art göttlichen Gesetzes. In 1,8-11 macht „Paulus“ nun deutlich, dass das „Gesetz“ gut ist – vorausgesetzt, es wird seinem Sinn gemäß angewendet/gebraucht. Aus der positiven Bewertung des „Gesetzes“ geht hervor, dass die Fabeln und die endlosen Geschlechtsregister (vgl. 1,4) nicht Bestandteil des „Gesetzes“ sind, denn sie werden von „Paulus“ negativ bewertet. Die Fabeln und die endlosen Geschlechtsregister können nur für die Auslegung des „Gesetzes“ herangezogen worden sein, was „Paulus“ für abstrus hält.


Das Adverb „nomimôs“, das hier mit „in seinem Sinn“ wiedergegeben ist, bedeutet wörtlich „gesetzgemäß“. „Paulus“ setzt also voraus, dass die Bestimmungen des „Gesetzes“ unterschiedlich angewendet werden können, aber nicht jede Anwendung seinem Sinn entspricht.


Was für eine Anwendung bzw. was für ein Gebrauch ist gemeint? Zwei Möglichkeiten kommen infrage: Zum einen kann die Anwendung im täglichen Leben gemeint sein. Dann wäre gefordert, dass sich das Verhalten des Menschen danach richtet, was der Sinn einer gesetzlichen Bestimmung ist, was sie bezwecken will. Zum anderen kann aber auch der Gebrauch des „Gesetzes“ in Lehrvorträgen gemeint sein. Dann wäre gefordert, dass das „Gesetz“ – im Allgemeinen oder einzelne Bestimmungen daraus - in den Lehrvorträgen so zur Sprache kommt, dass es seinem Sinn entspricht.


Weiterführende Literatur: P. G. Bush 1990, 152-156 widerspricht Äußerungen, wonach 1 Tim keine wirkliche Struktur und keinen roten Faden bezüglich des Gedankenganges habe. Tatsächlich habe 1 Tim eine klare und durchdachte Struktur – eine Struktur, die darauf hinweise, wie die Botschaft des Briefes zu verstehen ist. 1,3-11 bilde den Hintergrund, auf dem das gesamte Briefkorpus zu lesen sei. 1 Tim 1,12-20 und 6,11-16.20.21 seien in hohem Maße Parallelen und bildeten eine inclusio, umschlössen also den Brief. Dabei sei eine Entwicklung des Gedankengangs zu erkennen: Zunächst gehe es darum, wie „Paulus“ von Jesus Christus das Evangelium empfangen hat. „Paulus“ gebe das Evangelium im Sinne eines Mittlers an „Timotheus“ weiter. In 6,11-16.20.21 werde dann deutlich, dass „Timotheus“ in Zukunft nicht mehr „Paulus“ Rechenschaft abzulegen hat, sondern Gott. Dieser Gedankengang entspreche der Funktion des Briefes, die paulinische Tradition einer neuen Führungsperson zu übergeben und das Evangelium mit Blick auf die erste nachpaulinische Generation zu aktualisieren. Zentraler Inhalt des 1 Tim sei, dass eine recht geleitete und geordnete Kirche in der Lage sei, wirksam Irrlehre zu bekämpfen.


L. T. Johnson 2008, 19-39 liest 1 Tim 1,8-17 im Lichte eines doppelten Kontrastes: Der erste Kontrast sei das Werk Gottes und das Bestreben des Menschen. Der zweite Kontrast sei die von Bewusstsein geleitete Lebensweise und die vom jüdischen Religionsgesetz geleitete Lebensweise.


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V. 9/10


Beobachtungen: Die V. 9-10 enthalten einen sogenannten Lasterkatalog. Den „Gerechten“, also gottgefällig lebenden Menschen, werden die „Ungerechten“ gegenübergestellt. Dabei ist nicht ausdrücklich von „Ungerechten“ die Rede, sondern von Personengruppen, die verschiedene Arten unmoralischen Verhaltens an den Tag legen: Gesetzlose (anomoi), Ungehorsame (anypotaktoi), Gottlose (asebai), Sünder (hamartôloi). Heillose (anosioi), Unheilige (bebêloi), Vatermörder (patrolôai), Muttermörder (matrolôai), Mörder (androphonoi), Unzüchtige (pornoi), Knabenschänder (arsenokoitai), Menschenhändler (andrapodistai), Lügner (pseustai) und Meineidige (epiorkoi). Es ist nicht nötig, die genaue Bedeutung all dieser Begriffe herauszufinden. „Paulus“ geht es darum deutlich zu machen, welche Personengruppen zu den „Ungerechten“ gehören, für die das „Gesetz“ bestimmt ist. Und weil ihm klar ist, dass er noch Personengruppen vergessen haben könnte, schreibt er: „… und was sonst der gesunden Lehre widerspricht“. Er versucht also alle Verhaltensweisen abzudecken, die der „gesunden Lehre“ widersprechen.

Die genannten Begriffe sind somit weit zu deuten, nicht eng und präzise. „Mörder“ können sicherlich sowohl Mörder im engeren Sinne als auch Totschläger sein. Und „Vatermörder“ und „Muttermörder“ können sicherlich auch Menschen sein, die ihren Vater oder ihre Mutter schlagen oder auf andere Weise schlecht behandeln. Es geht stets um unrechtes Handeln Gott und den Mitmenschen gegenüber, und zwar in den verschiedensten Erscheinungsformen. Durch dieses Handeln sind die „Ungerechten“ Gott und damit auch dem Heiligen und dem Heil fern.


Der Lasterkatalog spiegelt Vergehen gegen die Zehn Gebote wider: Weder wird der Gott Israels, der Einzige, verehrt, noch werden Vater und Mutter geehrt. Es wird getötet und es wird die Ehe gebrochen. Es wird mit der Freiheit beraubten Menschen gehandelt und falsch Zeugnis wider den Nächsten geredet. Es sind also Menschen im Blick, die fundamental gegen die grundlegenden (jüdischen und) christlichen Verhaltensregeln verstoßen. Da es nicht speziell um die Zehn Gebote geht, müssen nicht alle Gebote im Lasterkatalog wiedererkennbar sein. Außerdem ist die „gesunde Lehre“ nicht unbedingt mit den Zehn Geboten gleichzusetzen.


Alle genannten Personengruppen, die sich unrecht verhalten, können Juden oder Nichtjuden sein. Es ist nicht wahrscheinlich, dass „Paulus“ nur Juden im Blick hat. Timotheus bewegte sich wie Paulus sowohl in einem heidnischen und jüdischen als auch in einem heidenchristlichen und judenchristlichen Umfeld. Warum sollte „Paulus“ nur über jüdische oder judenchristliche Gesetzeslehrer (vgl. V. 7) sprechen? Und warum sollte es nur um die Auslegung des jüdischen Religionsgesetzes gegenüber Juden und Judenchristen gehen? Alle Personengruppen, die den „Ungerechten“ zugezählt werden, zeigen Verhaltensweisen, die eher den – aus antik christlicher Sicht den Lastern verfallenen – Heiden zugeschrieben werden könnten. Alle diese Personengruppen können also gut Heiden sein. Ebenso können aber auch Juden, Judenchristen und Heidenchristen freveln, weshalb auch sie den „Ungerechten“ zugehören können. Insofern ist unwahrscheinlich, dass „Paulus“ das „Gesetz“ im Sinne von „jüdisches Religionsgesetz“ versteht, das ja in seiner Gesamtheit für die Heiden und für die Heidenchristen keine Relevanz hat. Vielmehr scheint er das „Gesetz“ im Sinne von „göttliches Gesetz“ zu verstehen, wobei das „göttliche Gesetz“ Bestimmungen – in erster Linie wohl die grundlegenden ethischen Bestimmungen – des jüdischen Religionsgesetzes enthalten kann. Die „Gesetzeslehrer“ wären also Personen, die sich mit rechtem christlichen Verhalten und den Grundlagen für das rechte christliche Verhalten befassen. Zu diesen Grundlagen kann das jüdische Religionsgesetz gehören, aber auch andere Grundlagen sind denkbar, z. B. Fabeln und endlose Geschlechtsregister (vgl. V. 4). Diese Fabeln und endlosen Geschlechtsregister können dem Judentum zugehören, müssen es aber nicht. Es scheint darum zu gehen, dass selbsternannte Gesetzeslehrer für sich in Anspruch nehmen, Regeln für das gottgefällige Leben aufstellen zu können. Dabei scheinen sie Texte heranzuziehen und auszulegen, die sich nicht im AT finden, sondern außerbiblisch sind. Nach Meinung des „Paulus“ führen diese Texte aber vom eigentlichen Sinn des „Gesetzes“ ab, das „Gesetz“ wird nicht seinem Sinn gemäß gebraucht. Dadurch erscheint das „Gesetz“ als schlecht, obwohl es in Wirklichkeit gut ist. Im Gegensatz zu den selbsternannten Gesetzeslehrern lehnt „Paulus“ die Fabeln und endlosen Geschlechtsregister als Grundlage für christliche Verhaltensanweisungen ab.


Weiterführende Literatur: S. Westerholm 1982, 79-95 legt dar, dass sich in 1 Tim 1,3-11 das Bemühen der frühen Kirche widerspiegele, einen rechten Umgang mit dem atl. Gesetz (= Weisung, Tora) zu finden. Die Irrlehrer forderten zwar nicht die vollständige Beachtung des mosaischen Gesetzes, gebrauchten aber das Gesetz als Grundlage für ihre Fabeln und endlosen Geschlechtsregister sowie für ihre asketischen Praktiken. „Paulus“ habe zwar wie die Irrlehrer große Achtung vor dem Gesetz, vertrete aber im Hinblick auf den Gebrauch des Gesetzes eine andere Position. Er teile die in der frühen Kirche verbreitete Überzeugung, dass das mosaische Gesetz ungeachtet seiner göttlichen Herkunft und bestimmten Absicht nicht Maßstab christlichen Verhaltens sei. Das Gesetz sei nicht für die „Gerechten“, also die Christen, bestimmt, sondern für die „Sünder“ außerhalb der Kirche. Die Christen hätten sich nicht nach dem mosaischen Gesetz zu richten, sondern für sie seien die Liebe und der Charakter des Herzens und Glaubens maßgeblich.


Mit den Lasterkatalogen in den Pastoralbriefen befasst sich R. F. Collins 2011, 7-31. Bei dem Lasterkatalog handele es sich um eine literarische Form, die oft von den antiken Moralphilosophen – insbesondere von den Stoikern und Kynikern - verwendet worden sei. Der Lasterkatalog zähle eine Vielzahl von Lastern auf, um diejenigen zu diskreditieren, deren Lebensstil die Moralphilosophen kritisierten. Auch in den Pastoralbriefen fänden sich Lasterkataloge (1 Tim: 5; 2 Tim: 1; Tit: 2). Entscheidend sei die Wirkung der gesamten Aufzählung, nicht die Bedeutung einzelner Laster. Von den vielen in den Pastoralbriefen aufgezählten Lastern handelten nur zwei von der Sexualität. Diese würden jeweils nur einmal erwähnt. Die Verfasser der Pastoralbriefe seien mehr an persönlichen Qualitäten als an abstrakten moralischen Aspekten interessiert. Meist seien die Laster als Adjektive oder Partizipien formuliert, seltener als Nomen.


Laut J. A. Harrill 1999, 97-122 finde sich der Begriff „andrapodistai“ („Menschenhändler“) in keinem anderen ntl. Lasterkatalog und erstaunlicherweise nur in wenigen erhaltenen griechisch-römischen Laster- oder Tugendkatalogen. Bei 1 Tim 1,9-10 handele es sich nicht um eine Aufzählung klassischer Laster, sondern um verabscheuungswürdige Vergehen gegen das Gesetz. Die Erwähnung der „Menschenhändler“ mache deutlich, dass „Paulus“ die führenden Persönlichkeiten der häretischen Gruppierung (oder Gruppierungen) als „Menschenhändler“ ansieht, die Familienmitglieder von ihren Eltern und ihrem Haushalt stehlen und sie an eine fehlgeleitete Gruppe verkaufen. Indem sie dies tun, verbreiteten sie „Krankheit“. Außerdem machten sie Orte und Menschen heillos und unheilig und beschmutzten den heiligen Raum der Gemeinschaft. In V. 10 halle die Verurteilung der Menschenhändler/Sklavenhändler durch die griechisch-römische Religion wider.


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V. 11


Beobachtungen: Fraglich ist, worauf sich „… gemäß dem Evangelium …“ genau bezieht. Am nächsten liegt, dass es sich auf die kurz zuvor genannte „gesunde Lehre“ bezieht. Es wäre dann „die gesunde Lehre gemäß dem Evangelium…“ gemeint. Es ist aber auch möglich, dass sich „… gemäß dem Evangelium …“ auf die gesamte Aussage V. 8-10 bezieht, die demnach dem Evangelium entspräche.


Der Begriff "doxa" kann mit "Ehre", "Ruhm", "Glanz" oder "Herrlichkeit" übersetzt werden. Alle diese Aspekte sind miteinander verbunden, wie prächtige Gewänder und prächtiger Schmuck von Herrschern zeigen.


In 1 Tim 1,11 wird Gott selbst, nicht ein Mensch, als „selig“ („makarios“) bezeichnet. Für die Seligkeit gibt es stets einen Grund. Welches mag der Grund dafür sein, dass Gott selig ist? 1 Tim 1,11 sagt nicht, welches der Grund ist. In den griechischen Sagen werden Götter als „selig“ bezeichnet, weil sie nicht dem irdischen Leid und der irdischen Vergänglichkeit unterworfen sind. Dieser Grund ist auch in diesem Vers wahrscheinlich. Gott ist also erhaben. Und er ist nicht nur deshalb erhaben, weil er über das leidvolle und vergängliche irdische Dasein erhaben ist, sondern auch weil ihm Ehre und Ruhm zukommen, weil er glanzvoll und herrlich ist. Der Glanz ist ungetrübt, womit keiner der lasterhaft lebenden Menschen sein Laster auf Gott und/oder das Evangelium zurückführen kann. Vielmehr ist das Evangelium von der Herrlichkeit des seligen Gottes, das in enger Verbindung mit dem „Gesetz“ steht, dazu bestimmt, lasterhaft lebende Menschen von ihren Lastern abzubringen.

Das Evangelium handelt von der Herrlichkeit des seligen Gottes. Wir haben davon auszugehen, dass durch das Evangelium diejenigen, die daran glauben, in den Macht- und Wirkungsbereich Gottes kommen. Damit kann der selige Gott zur Quelle der Seligkeit des gläubigen Menschen werden. Durch den Glauben an das Evangelium bekommt der Mensch an der Seligkeit Gottes Anteil.


Das Verb „pisteuô“ kann „glauben“, „vertrauen“ oder „anvertrauen“ bedeuten. Bei der Verbform „episteuthên“ in V. 11 handelt es sich um ein Passiv, und zwar um ein Passiv der Zeitform Aorist. Die Bedeutung kann „ich habe … geglaubt“ (im Sinne von: „ich habe … gläubig angenommen“) sein, aber auch „mir ist … anvertraut worden“. Paulus ist – vermutlich beim Bekehrungserlebnis bei Damaskus – das Evangelium anvertraut worden, und zwar mittels der Erscheinung Jesu Christi. Paulus war Jude und blieb auch weiterhin ein Jude, mit dem Unterschied, dass er das Evangelium gläubig annahm und fortan daran glaubte (vgl. Apg 9,1-19). Paulus war aber kein gewöhnlicher Gläubiger, sondern er wurde der bekannteste Missionar. Insofern wurde ihm das Evangelium anvertraut, damit er es mittels der Verkündigung weiter verbreitet. Auf diese besondere Rolle weist die Betonung „mir“ („egô“) hin. Das Evangelium wurde zur Verkündigung also an erster Stelle Paulus anvertraut, was ihn von den selbsternannten Gesetzeslehrern (vgl. 1 Tim 1,7) unterscheidet. All dies ruft „Paulus“, der Verfasser des 1 Tim, in Erinnerung. Paulus bzw. „Paulus“ ist demnach die entscheidende Autorität im Hinblick auf das Evangelium und dessen unverfälschte Weitergabe.


Weiterführende Literatur: L. A. Jervis 1999, 695-712 geht der Frage nach, wer Paulus in der Rhetorik des 1 Tim ist. Dabei befasst sie sich nicht mit der Verfasserfrage, sondern – auf Grundlage von 1,11-17; 2,3b-7; 3,14-16 - nur mit der Absicht, der die Person des Paulus in 1 Tim dient. Paulus erscheine als eine Autoritätsperson und die Bekenntnisse seien autoritative Texte. Die drei Bekenntnisse erinnerten an die Geschichte der Gemeinschaft. Paulus werde als eine Persönlichkeit dargestellt, die die wahre Geschichte kennt, die dazu bestimmt ist, die wahre Geschichte zu erzählen, und die Anweisungen bezüglich der angemessenen Frömmigkeit geben kann. Paulus sei der Dichter der Gemeinschaft. In der Antike sei die Dichtung als wirksamstes Mittel der Unterrichtung angesehen worden. Folglich habe die Stimme des Dichters Kraft gehabt.


Das Interesse von O. Hofius 2010, 261-284 gilt der Frage nach Gestalt und Bedeutung der in den Pastoralbriefen bezeugten Ordination. Diese Frage lasse sich ohne Rekurs auf den rabbinischen Ordinationsritus beantworten. O. Hofius befasst sich mit der Terminologie, dem ordinationsgebundenen Amt, dem Ordinator, der Voraussetzung für den Empfang der Ordination, der Handauflegung und der Verleihung des Amtscharismas, der Übergabe der apostolischen Lehrtradition und dem Bekenntnis der Ordinanden, der apostolischen Sukzession und abschließend mit dem soteriologischen Aspekt. Wie insbesondere 2 Tim 2,2 zeige, sei mit den Ordinationsaussagen der Pastoralbriefe die Vorstellung einer Sukzession verbunden – nämlich der Gedanke, dass die apostolische Lehrtradition in kontinuierlicher Abfolge von Amtsträger zu Amtsträger weitergegeben wird. Paulus sei von Gott selbst mit dem Evangelium und seiner Verkündigung betraut. Nur er werde als „Apostel“ (vgl. 1 Tim 2,7; 2 Tim 1,11) bezeichnet, nicht jedoch Timotheus. Die „apostolische Sukzession“ bestehe nicht darin, dass das Amt der Apostel an „Nachfolger“ übertragen und dann durch die Zeit der Kirche hindurch in einer ununterbrochenen Kette weitergegeben wird, wobei die in die Sukzession Eingetretenen durch einen besonderen hierarchischen Status und durch nur ihnen verliehene Vollmachten wie etwa die Weihegewalt ausgezeichnet wären. Die „apostolische Sukzession“ habe ihr Wesensmerkmal vielmehr in der strengen Bindung an das von den Aposteln authentisch und verbindlich bezeugte Evangelium, und sie sei somit als die Sukzession in der gehorsamen Bezeugung und unverfälschten Weitergabe der Wahrheit des Evangeliums zu bestimmen.



Literaturübersicht


Bush, Peter G.; A Note on the Structure of 1 Timothy, NTS 36/1 (1990), 152-156

Collins, Raymond F.; How Not to Behave in the Household of God, LS 35/1-2 (2011), 7-31

Harrill, J. Albert; The Vice of Slave Dealers in Greco-Roman Society: The Use of a Topos in 1 Timothy 1:10, JBL 118/1 (1999), 97-122

Hofius, Otfried; Die Ordination zum Amt der Kirche und die apostolische Sukzession nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe, ZThK 107/3 (2010), 261-284

Jervis, L. Ann; Paul the Poet in First Timothy 1:11-17; 2:3b-7; 3:14-16, CBQ 61/4 (1999), 695-712

Johnson, Luke Timothy; First Timothy 1,1-20: The Shape of the Struggle, in: K. P. Donfried [ed.], 1 Timothy Reconsidered (Colloquium Oecumenicum Paulinum 18), Leuven 2008, 19-39

Westerholm, Stephen; The Law and the "Just Man" (1 Tim 1,3-11), ST 36/2 (1982), 79-95

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