1 Kor 3,5-9
Übersetzung
1 Kor 3,5-9:5 Was ist nun Apollos? Was ist Paulus? Diener sind sie, durch die ihr gläubig geworden seid, und zwar jeder so, wie es ihm der Herr gegeben hat: 6 Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben. 7 So ist nun weder der pflanzt noch der begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt. 8 Der aber pflanzt und der begießt, sind eins. Jeder aber wird seinen besonderen Lohn empfangen nach seiner besonderen Arbeit. 9 Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; Gottes Acker, Gottes Bau seid ihr.
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Beobachtungen: In 3,5-9 geht Paulus nun auf die Bedeutung der Missionare ein. Dabei knüpft er an V. 4 an, der besagt, dass die korinthischen Christen sich nicht Christus zugehörig fühlen, sondern einem der Missionare. Dieser Hochschätzung begegnet Paulus, indem er rhetorisch nach der Bedeutung des Apollos und des Paulus fragt. Nicht wer sie sind will er wissen - dies haben einige Textzeugen missverstanden -, sondern was sie sind.
Paulus gibt sogleich die Antwort: Diener sind sie; Diener, durch die die Korinther gläubig geworden sind. Die Missionare haben die Korinther also nicht sich selbst zugeführt, sondern dem Glauben an Jesus Christus bzw. Gott. Die Befähigung zum Dienst haben die beiden Missionare als Gabe vom "Herrn“, d. h. Jesus Christus. Auftrag und Erfolg lassen sich nicht auf menschliche Leistung zurückführen. Der Dienst jedes einzelnen ist so beschaffen, wie es der "Herr“ ihm gegeben hat. Daraus ist zu schließen, dass sich die Art und Weise der Verkündigung bei den Missionaren unterscheidet.
Zu beachten ist die Doppeldeutigkeit: "jeder so,...“ bezieht sich auf die Missionare und nicht auf die Korinther, die gläubig geworden sind. Es ist also nicht gemeint, dass die Korinther so gläubig geworden sind, wie es "der Herr“ jedem einzelnen von ihnen gegeben hat. Vielmehr wird ausgesagt, dass der "Herr“ jeden einzelnen Missionar mit einer unterschiedlichen Dienstbefähigung ausgestattet hat.
Weiterführende Literatur: M. Bünker 1984, 56-57 befasst sich unter rhetorischen Gesichtspunkten knapp mit 3,1-17 als "probatio“.
R. Gebauer 2000, 132-148 untersucht den Zusammenhang von Charisma und Gemeindeaufbau, wobei er sich auf die paulinischen Briefe konzentriert. Er geht speziell auf 1 Kor 14 und auf S. 137-142 auf 1 Kor 3,5-17 ein und kommt abschließend auf weitere Texte zu sprechen. In 3,5-17 gehe es sowohl um fundamentalen als auch inneren Gemeindeaufbau. Während ersterer in charismatischer Vollmacht grundlegender, auf Glauben und Entstehung von Gemeinde zielender Christusverkündigung geschehe und in dieser Eigenart dem Apostel obliege, lasse sich für letzteren der charismatische Charakter und die primäre Zuordnung zur innergemeindlichen Verkündigung von Propheten und Lehrern nur vermuten.
B. Byrne 1987, 83-87 legt dar, dass in 1 Kor 1,10-4,21 drei Themen im Vordergrund ständen: Spaltungen in der Gemeinde; Weisheitspredigt; die rechte Bewertung des christlichen Dienstes. Diese Themen seien ineinander verwoben, so dass ihr Verhältnis untereinander zu klären sei. Außerdem sei nach Ursache und Symptom der korinthischen "Krankheit“ zu fragen. Frühere exegetische Studien hätten die Parteiungen fokussiert, später hätten Exegeten aber auch eine christologische Häresie in Korinth angenommen. Die meisten Exegeten nähmen jedoch an, dass die falsche Erwartung, dass die Prediger Weisheit predigen sollten, Schuld an den Streitigkeiten sei. B. Byrne unterstreicht, dass Paulus’ Dienstverständnis theozentrisch sei und das Kreuz in den Mittelpunkt stelle. Mit dem rechten Verhältnis zu Gott sei auch die Bewahrung der menschlichen Würde und Freiheit und das rechte Verhältnis zur Welt verbunden.
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Beobachtungen: Paulus benutzt nun das - schon im AT (Jes 5,1-7; 61,3) vorhandene - Bild des Pflanzens und Begießens, um den von Gott gegebenen unterschiedlichen Dienst zu verdeutlichen. Paulus erscheint als derjenige, der die Gemeinde gepflanzt, d. h. gegründet hat. Apollos hat dagegen nicht gepflanzt, sondern begossen. Daraus ist zu schließen, dass Apollos die Gemeinde nicht mit gegründet hat, sondern den Dienst in Korinth erst begonnen hat, als die dortige Gemeinde schon bestand. Es erstaunt, dass Paulus das Wirken so deutlich unterscheidet, so, als habe er nicht auch begossen. Ist mit den verschiedenen Tätigkeiten eine Wertung verbunden? Ist das Pflanzen höher zu bewerten als das Begießen? Man kann aus der strikten Trennung der Tätigkeiten schließen, dass Paulus - im Sinne des Konkurrenzdenkens - seine besondere Stellung gegenüber Apollos hervorheben will. Man kann aber auch - ohne Konkurrenzdenken anzunehmen - davon ausgehen, dass Paulus aufzeigen will, dass sich die vom "Herrn“ gegebenen Gaben unterscheiden und jede Aufgabe wichtig ist. Jede Gabe hat in der Missionsarbeit ihren Wert, so dass Konkurrenz und Parteienbildung jeglicher Berechtigung entbehren.
Dass Paulus nur sich selbst und Apollos und nicht auch Kephas (= Petrus) und Christus (vgl. 1,12) nennt, dürfte damit zu begründen sein, dass nur er selbst und Apollos in Korinth gewirkt haben.
Der Erfolg der Mission ist nicht den Fähigkeiten der Missionare, sondern allein dem göttlichen Wirken zu verdanken. Mittels des Imperfektes drückt Paulus aus, dass das Wirken Gottes dauerhaft war bzw. ist. Es fällt auf, dass Paulus die "Personen“ der Trinität nicht sorgsam unterscheidet. Zwar hat der "Herr“, womit vermutlich Jesus Christus gemeint ist, den Missionaren die Befähigung zum (unterschiedlichen) Dienst gegeben, doch gibt Gott das Gelingen. Der kommentarlose Sprung von einer "Person“ zur nächsten zeigt, dass Paulus eine ausgearbeitete Trinitätslehre zum Zeitpunkt der Abfassung des Briefes nicht für wichtig hält und vermutlich auch nicht kennt.
Weiterführende Literatur: C. G. Müller 1995, 67-80 fragt nach dem Bildfeld und Kontext der Bildes der Gemeinde als "Gottes Pflanzung“ und geht der Geschichte der Metaphorik im AT, Judentum, Hellenismus, NT und im kulturübergreifenden Bereich nach. Er untersucht die heuristische und paränetische Valenz und schließlich die Verarbeitung des Bildfelds in weiteren neutestamentlichen Texten. C. G. Müller hält das Bild der Gemeinde als "Gottes Pflanzung“ für ausgesprochen traditionell. Sie sei allerdings vor allem im jüdischen Bereich beheimatet und könne damit nicht als ausgesprochen kulturübergreifend bezeichnet werden. Mit der Kennzeichnung der Gemeinde als "Pflanzung“ werde sie als im Werden begriffen verstanden, habe ein Wachstum nach Breite und Tiefe noch nötig.
Zum Bauern als von weisheitlicher Literatur benutztes Bild, das unterweisende Funktion hat, äußert sich knapp J. S. Lamp 2000, 179-180.
D. P. Ker 2000, 75-97 befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Paulus und Apollos. Dieses sei von Konkurrenz geprägt gewesen, so dass Paulus angesichts der Hochschätzung des Apollos seitens der Korinther versucht habe, seinen Missionspartner herabzustufen. Dies zeige sich auch in 3,5-9. Zwar sei sowohl das Pflanzen als auch das Begießen wichtig, doch könnten die Leser auf eine Höherrangigkeit ersterer Tätigkeit schließen. Inwieweit Apollos weisheitlicher Rede zugeneigt gewesen ist, lasse sich nicht sicher ausmachen. Er sei jedoch anzunehmen, dass er ein guter Redner war und die Korinther dies schätzten. Damit habe möglicherweise ein weiterer Unterschied bezüglich der Missionstätigkeit zusammengehangen: Im Gegensatz zu Paulus habe Apollos finanzielle Unterstützung seitens korinthischer Gemeindeglieder angenommen.
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Beobachtungen: V. 7 spricht dagegen, dass sich Paulus bewusst als Parteigründer gegenüber Apollos hervorheben will. Vielmehr kommt es ihm darauf an, die missionarische Tätigkeit als Dienst hinzustellen, dessen Gelingen einzig und allein von Gott abhängt. Somit ist auch Gott allein "etwas“. Ohne sein Wirken wäre alles Pflanzen und Begießen umsonst.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Paulus macht deutlich, dass beide Missionare und ihre Tätigkeiten "eins“ sind. Dies ist wohl so zu verstehen, dass sie eine Sache machen, beide im Auftrag Gottes und mit dem gleichen Ziel arbeiten. Parteiungen innerhalb der Gemeinde widersprechen dieser Einheit.
Etwas unvermittelt kommt der Lohngedanke ins Spiel. Jeder einzelne Missionar erhält - vermutlich am Ende der Tage - seinen besonderen Lohn. Dieser entspricht der besonderen Arbeit, die jeder einzelne bei der Verkündigung leistet. Verwunderlich ist, dass der "Herr“ nicht nur die Art und Weise des Dienstes bestimmt, sondern auch den Lohn, der sich an dem individuellen Dienst bemisst. Paulus und Apollos erscheinen geradezu als Gefangene ihres vom "Herrn“ bestimmten Schicksals.
Weiterführende Literatur: K. L. Yinger 1999, 204-215 befasst sich mit dem Empfang des Lohns nach Werken in 1 Kor 3,5-9. Dabei sieht er bezüglich V. 5b und 8 Parallelen. Paulus’ Hauptinteresse sei es, das aus verschiedenen Fähigkeiten resultierende gegenseitige Vergleichen und Prahlen zu unterbinden. Dabei eliminiere er nicht die Unterschiedlichkeit der Menschen, sondern er mache nur deutlich, dass die Diener Gott gehören. Gott allein bestimme und verteile den angemessenen Lohn.
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Beobachtungen: Nun begründet Paulus die in V. 8 gemachten Aussagen, indem er darauf verweist, dass die beiden Missionare Gottes "Mitarbeiter“ sind. Der Begriff "Mitarbeiter“ ist doppeldeutig. Der griechische Ausdruck "synergoi“ besagt, dass mehrere Personen gemeinsam (syn) arbeiten (ergazô) . Offen bleibt in V. 9 jedoch, ob Paulus und Apollos zusammen arbeiten, oder ob sie gemeinsam mit Gott arbeiten. Da beide Missionare als "Gottes Mitarbeiter“ bezeichnet werden, ist sicherlich Zusammenarbeit mit Gott eingeschlossen. Zu beachten ist jedoch, dass Paulus und Apollos nicht als gleichberechtigte Mitarbeiter Gottes anzusehen sind, da sie in dessen Dienst stehen und in gewisser Weise in dessen Auftrag arbeiten. Alles Gelingen ist vom Wirken Gottes abhängig. Der Begriff "Mitarbeiter“ dürfte aber auch den Aspekt der gemeinsamen Arbeit der beiden Missionare beinhalten. Weil die beiden "Gottes Mitarbeiter“ sind, sind sie gemäß V. 8 "eins“. Nicht nur der Auftrag und das Ziel sind gleich, sondern auch der Status. Dennoch sind die Dienste des Paulus und Apollos nicht identisch, sondern jeweils ganz eigen. Deshalb wird auch jeder seinen besonderen, vom anderen unterschiedenen Lohn bekommen, und zwar von Gott.
Die korinthischen Gemeindeglieder werden von den "Mitarbeitern Gottes“ abgegrenzt. Sie sind Gottes Acker, auf dem Paulus gepflanzt, Apollos begossen und Gott das Gedeihen gegeben hat. Zusätzlich zum Bild vom Acker und der Arbeit auf ihm führt Paulus nun ein neues Bild ein: Die Gemeinde Korinths ist auch Gottes Bau. Dieses neue Bild liegt dem Abschnitt 3,10-17 zugrunde.
Weiterführende Literatur:
Literaturübersicht
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Bünker, Michael; Briefformular und rhetorische Disposition im I Korintherbrief, Göttingen 1984
Byrne, Brendan; Ministry and Maturity in 1 Corinthians 3, ABR 35 (1987), 83-87
Gebauer, Roland; Charisma und Gemeindeaufbau. Zur oikodomischen Relevanz der Paulinischen Charismenlehre, in M. Karrer u. a. [Hrsg.], Kirche und Volk Gottes, Neukirchen-Vluyn 2000, 132-148
Ker, Donald P.; Paul and Apollos − Colleagues or Rivals?, JSNT 77 (2000), 75-97
Lamp, Jeffrey S.; First Corinthians 1-4 in Light of Jewish Wisdom Traditions (Studies in Bible and Early Christianity 42), Lewiston et al. 2000
Müller, Christoph Gregor; Gottes Pflanzung − Gottes Bau − Gottes Tempel: die metaphorische Dimension paulinischer Gemeindetheologie in 1. Kor. 3,5-17 (Fuldaer Studien 5), Frankfurt a. M. 1995
Yinger, Kent L.; Paul, Judaism, and Judgment according to Deeds (SNTS.MS 105), Cambridge 1999