1 Kor 14,26-33a
Übersetzung
1 Kor 14,26-33a:26 Was folgt nun daraus, Geschwister? Wenn ihr zusammenkommt, hat jeder ein Lied, eine Lehre, eine Offenbarung, eine Zungenrede, eine Auslegung. Alles geschehe zur Erbauung. 27 Wenn jemand in Zungen redet, [dann] zwei oder höchstens drei, und zwar der Reihe nach; und einer soll auslegen. 28 Wenn aber kein Ausleger da ist, soll er in [der] Gemeinde schweigen; er soll vielmehr für sich und für (den) Gott reden. 29 Propheten aber sollen zwei oder drei reden, und die anderen sollen beurteilen. 30 Wenn aber einem anderen, der sitzt, eine Offenbarung zuteil wird, soll der erste schweigen. 31 Denn ihr könnt alle einer nach dem anderen prophezeien, damit alle lernen und alle ermahnt werden. 32 Und Geister von Propheten ordnen sich Propheten unter. 33a Denn (der) Gott ist nicht ein Gott [der] Unordnung, sondern [des] Friedens.
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Beobachtungen: Nachdem Paulus Zungenrede und Prophetie einander gegenübergestellt hat, legt er nun den "Geschwistern“ − gemeint sind Glaubensgeschwister - die Schlussfolgerungen für den Gottesdienst dar. Die grundsätzliche Leitlinie ist: Alles soll zu Erbauung geschehen, d. h. zur Erbauung nicht nur eines Einzelnen, sondern der ganzen Gemeinde.
Die Erbauung kann auf ganz verschiedene Art und Weise geschehen, wobei Paulus als Möglichkeiten das Lied, die Lehre, die Offenbarung, die Zungenrede und die Auslegung aufzählt. Die verschiedenen Äußerungen basieren auf "Gnadengaben“, auf von Gott geschenkten Fähigkeiten. Verschiedene "Gnadengaben“ zählt Paulus in 1 Kor 12,7-11.28-31a auf, wobei ihr Verhältnis untereinander genauso unklar ist, wie ihre Abgrenzung zu "Ämtern“. Die Formulierung "jeder hat“ legt nahe, dass Paulus davon ausgeht, dass die Korinther reich mit "Gnadengaben“ ausgestattet sind.
Fraglich ist, um was für eine Art des Liedes es sich handelt. Der griechische Begriff "psalmos“ scheint zwar auf die atl. Psalmen hinzuweisen, doch bedeutet er nichts weiter als "Lied“, konkret: "Loblied“. Dieses kann - dem atl. Psalm entsprechend - mit oder ohne Gesangsbegleitung auf einem Saiteninstrument gezupft oder auch unbegleitet gesungen werden. Es kann verständlich sein, aber auch unverständlich. In ersterem Fall würde es den heutigen Kirchenliedern ähneln, in letzterem Fall (wie vermutlich in 1 Kor 14,15) der Zungenrede. Es kann lobpreisenden Charakter haben oder/und einem Gebet entsprechen. Der genaue Charakter des Liedes lässt sich also nicht sicher bestimmen. Damit bleibt auch offen, ob Paulus die uns bekannten at. Psalmen oder andere, frühchristliche Lieder im Blick hat.
Paulus nennt auch die "Lehre“. Darunter ist sicherlich eine Belehrung in geistlichen Dingen, nicht Wissensvermittlung weltlicher Art zu verstehen. In 1 Kor 12,28 nennt Paulus die "Lehrer“. Die "Lehre“ erscheint damit zwar im Zusammenhang mit einem "Amt“, nicht jedoch in der Aufzählung der eigentlichen "Gnadengaben“. Und in 1 Kor 12,8 ist nur von der Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, die Rede, nicht jedoch von der "Lehre“. Dennoch liegt der "Lehre“ sicherlich göttliche Begabung zugrunde.
Bei der "Offenbarung“ handelt es sich um eine Äußerung eigener Art, also nicht um etwas, was die Voraussetzung für andere Äußerungen wie die "Lehre“ oder "Zungenrede“ ist. Es fällt auf, dass in der Aufzählung die "Prophetie“ fehlt, obwohl diese im Kontext eine herausragende Rolle spielt. Das legt nahe, bei der "Offenbarung“ an eine prophetische Offenbarung zu denken.
Wenn Paulus in der Aufzählung der gottesdienstlichen Äußerungen, die der Erbauung der Gemeinde dienen können, auch die Zungenrede erwähnt, dann deswegen, weil diese ausgelegt werden kann und dann für die Gemeinde von Nutzen ist. Dementsprechend nennt Paulus nach der Zungenrede sofort die Auslegung.
Weiterführende Literatur: Laut F.-J. Ortkemper 2008, 125-130 hätten im Gemeindegottesdienst in Korinth Frauen gebetet und prophetisch geredet. 1 Kor 14,26-31 mache deutlich, wie spontan und lebendig der Gottesdienst in Korinth gewesen sein muss. Die Gemeinde habe sich noch im Haus eines reichen Gemeindemitglieds treffen können. Jede und jeder habe sich am Gottesdienst beteiligen können: Mit Lobgesängen, mit Lehräußerungen, mit prophetischer Offenbarung, mit Zungenrede. In diesem Zusammenhang sei auch das öffentliche Beten in 1 Kor 11,4-5 zu sehen. In 1 Kor 11,2-16 bleibe Paulus jedoch hinter seinem sonstigen Niveau zurück. Vor allem Gal 3,28 spreche eine andere Sprache, wo geschlechtliche, nationale oder standesgemäße Unterschiede von Christus her überholt seien. 1 Kor 14,34-35 sei ein späterer Einschub.
Mit dem paulinischen Wortfeld oikodomê ("Erbauung“) und oikodomein ("erbauen“) in 1 Kor 14,26-33a.37-40 befasst sich I. Kitzberger 1986, 111-116.
Gemäß F. Annen 2008, 171-180 wolle Paulus den Gemeinde-Gottesdienst so gestaltet haben, dass er in Ordnung und Würde abläuft, die Gemeinde aufbaut und allen, auch den der Zungenrede Unkundigen, so verständlich ist, dass sie dazu das "Amen“ sprechen können.
Gemäß U. Heckel 1992, 117-138 bestehe zwischen der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit der charismatischen Bewegung und der paulinischen Erörterung der Geistesgaben eine besondere Nähe. Sie ergebe sich nicht nur durch eine gewisse Ähnlichkeit der Phänomene, sondern komme in verstärktem Ausmaß durch das Problem zustande, dass die Existenz besonderer Charismen den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinden auf die Probe gestellt und einzelne Gruppierungen sich schon abgespalten haben. Deshalb gehe es für Paulus wie für uns nicht nur um eine theologische Bewertung dieser Erscheinungen, sondern auch um den praktischen Umgang mit diesen Parteiungen. Hinsichtlich des letzteren Aspekts ergebe sich ein differenziertes Bild: Einerseits bewerte Paulus die Gnadengaben, die zum Gemeindeaufbau beitrügen, positiv, andererseits wende er sich aber gegen das Überlegenheitsgefühl der Charismatiker. Der Wert einer Gnadengabe sei am Nutzen für den Zusammenhalt und die Erbauung der Gemeinde zu messen.
Zum Zusammenhang von Gnadengabe und Gemeindeaufbau siehe R. Gebauer 2000, 132-148.
Die verschiedenen frühchristlichen Gottesdienstformen von charismatischen bis hin zu organisierten, wie sie sich aus dem NT erschließen lassen, hat R. P. Martin 1989, 59-85 zum Thema.
F. S. Malan 1998, 509-524 hat den Kirchengesang gemäß den paulinischen Briefen zum Thema und geht auf S. 515 auch auf 1 Kor 14 ein. Aus 14,15-17 gehe hervor, dass Paulus im Hinblick auf den Gemeindegottesdienst den Gesang zur Erbauung der anderen Gemeindeglieder favorisiere; geistgeleiteter, unverständlicher Gesang habe in der Privatsphäre den rechten Platz. Die Formulierung "hat jeder ein Lied“ weise darauf hin, dass ein Teil des Gemeindegesangs Sologesang gewesen ist. Dieser sei möglicherweise spontan und improvisiert gewesen und von der Gemeinde mit "Amen“ beantwortet worden.
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Beobachtungen: Zungenrede hält Paulus im Gottesdienst durchaus für wünschenswert, jedoch nur dann, wenn bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Paulus nennt drei Bedingungen: Erstens soll die Zahl der Zungenreden auf höchstens drei beschränkt werden. Zweitens sollen die Zungenreden nacheinander erfolgen, nicht gleichzeitig. Drittens soll jede Zungenrede ausgelegt werden.
Weiterführende Literatur: H. Weder 1983, 99-112 befasst sich mit der Frage: Was gibt der paulinische Text (1 Kor 12.14) zu verstehen im Blick auf das hermeneutische Problem? Zur Gestalt der "Deutung/Übersetzung“ (hermêneia) hält er fest: Sie verleihe dem sprachlosen Zungenreden Sprache und mache es insofern verständlich; sie mache das Geistphänomen dem Verstand zugänglich, damit dieser seine Früchte bringen kann; schließlich verwandele sie religiöse Erfahrung und wohl auch religiöse Sprache in ein Wort, das den Außenstehenden in seinem Innersten betrifft. Zur Bedeutung der "Deutung/Übersetzung“ hält er fest: Sie sei eine Gnadengabe und insofern dem Kriterium des Gebers unterstellt. Sie überwinde die Verhältnislosigkeit zwischen Mensch und Mensch. Sie kümmere sich um den "Laien“ (idiôtês) und den Unglaubenden, indem sie ihnen Zugang zur Gottesgegenwart verschafft. Schließlich diene sie der Auferbauung der Gemeinde, indem sie die Gemeinde auf die Spur der Liebe bringt. Im Hinblick auf die Übersetzung der Zungenrede nehme Paulus Abschied von der Unwiderstehlichkeit wortloser Götzen, um sich hinzuwenden zur Widerstehlichkeit des göttlichen Wortes.
B. Zerhusen 1997, 139-152 wendet sich gegen die Annahme, dass in 1 Kor 14 von Zungenrede im Sinne einer Sprache die Rede sei, die ihr Sprecher nicht erlernt hat, die er selbst auch nicht verstehen kann, die wundersamer Art und eine Geistbezeugung ist. Vielmehr sei von der Tatsache auszugehen, dass in Korinth als Handelsstadt ein multikulturelles Leben herrschte. So habe man dort die verschiedensten Sprachen hören können − auch im christlichen Gottesdienst. Auf diesem multikulturellen Hintergrund sei 1 Kor 14 zu verstehen. Griechisch sei die Sprache, in der in Korinth der Gottesdienst abgehalten und auch prophezeit wird. Paulus gestehe allen Gottesdienstbesuchern zu, in der Muttersprache zu sprechen, doch solle solche Rede in die griechische Sprache übersetzt werden. Wer zu einer solchen Übersetzung der eigenen Rede nicht in der Lage sei, solle im Gottesdienst schweigen und für sich und zu Gott sprechen.
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Beobachtungen: Wenn die Bedingung der Auslegung nicht erfüllt werden kann, ist auf die Zungenrede als Äußerung im Gottesdienst zu verzichten. Stellt sich bei dieser Forderung nur die Frage, woher der Zungenredner wissen soll, dass niemand in der Lage ist, seine Zungenrede auszulegen. Der Zungenredner weiß nur, ob er selbst zur Auslegung in der Lage sein wird. Das Gleiche gilt für die Zuhörer. Nun könnte der Zungenredner oder ein Zuhörer die Frage stellen, ob jemand der Anwesenden in der Lage ist, die Zungenrede auszulegen. Dabei stellt sich jedoch das Problem, dass eine Antwort erst möglich ist, wenn die Zungenrede zumindest ansatzweise erfolgt ist. Ist also von festen Auslegungsstrukturen innerhalb der Gemeinde auszugehen, so dass man von vornherein weiß, welcher Zungenredner auch zur Auslegung in der Lage ist, und welche Gemeindeglieder in der Lage sind, von einem bestimmten Zungenredner die Rede auszulegen? Oder hat Paulus im Eifer des Diktierens bzw. Niederschreibens seines Briefes die Problematik nicht bedacht? Oder geht er auf sie nicht ein, weil es ihm auf eine Begrenzung der Zungenrede ankommt und er den korinthischen Gemeindegliedern nur eins einschärfen will: Entweder sorgt ihr von vornherein dafür, dass die Zungenrede ausgelegt wird, oder ihr lasst es ganz bleiben. Wie ihr die Auslegung bewerkstelligt, ist euer Problem, nicht meins.
Wenn jemand nicht in Zungen reden darf, weil niemand auslegen kann, so heißt das nicht, dass er auf seine Zungenrede verzichten muss. Er soll nur eben nicht in der Gemeindeversammlung in Zungen reden, sondern er kann dies zu einem anderen Zeitpunkt und/oder an einem anderen Ort, evtl. daheim, tun. Im Gottesdienst würde die Zungenrede stören, denn sie ist ja sicherlich keine stille Angelegenheit. Weil sowieso niemand seine Zungenrede auslegen kann und sie somit auch für niemanden außer den Redner selbst von Nutzen ist, bedarf es keiner Zuhörer. Die Rede ist folglich ausschließlich an Gott gerichtet.
Die Aussage, dass der Zungenredner in der Gemeinde schweigen solle, bezieht sich einzig und allein auf die beabsichtigte Zungenrede des konkreten, einzelnen Gottesdienstes. Dabei setzt Paulus voraus, dass sich Zungenrede mit dem Verstand unterdrücken lässt.
Weiterführende Literatur: B. Zerhusen 1997, 139-152 wendet sich gegen die Annahme, dass in 1 Kor 14 von Zungenrede im Sinne einer Sprache die Rede sei, die ihr Sprecher nicht erlernt hat, die er selbst auch nicht verstehen kann, die wundersamer Art und eine Geistbezeugung ist. Vielmehr sei von der Tatsache auszugehen, dass in Korinth als Handelsstadt ein multikulturelles Leben herrschte. So habe man dort die verschiedensten Sprachen hören können − auch im christlichen Gottesdienst. Auf diesem multikulturellen Hintergrund sei 1 Kor 14 zu verstehen. Griechisch sei die Sprache, in der in Korinth der Gottesdienst abgehalten und auch prophezeit wird. Paulus gestehe allen Gottesdienstbesuchern zu, in der Muttersprache zu sprechen, doch solle solche Rede in die griechische Sprache übersetzt werden. Wer zu einer solchen Übersetzung der eigenen Rede nicht in der Lage sei, solle im Gottesdienst schweigen und für sich und zu Gott sprechen.
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Beobachtungen: Nicht nur für die Zungenrede sollen bestimmte Regeln gelten, sondern auch für die prophetische Rede. Es sollen nach Möglichkeit nur zwei oder drei Propheten reden: Die Zahl entspricht also derjenigen der Zungenreden, nur dass "drei“ nicht die Höchstgrenze markiert (vgl. V. 31). Die Beschränkung der Zahl aufeinander folgender Prophetien ist möglicherweise damit zu erklären, dass jede der Reden ihre Zeit dauert und auch Aufmerksamkeit der Zuhörenden verlangt, die ansonsten überstrapaziert würde. Dass die Propheten nacheinander reden sollen, versteht sich von selbst, so dass Paulus dies nicht eigens betont.
Die "anderen“ sollen die prophetischen Reden beurteilen. Bei der Beurteilung geht es sicherlich um die Prüfung, ob die Prophetie auch wirklich auf Gottes Geist zurückgeht, und nicht auf einen bösen Geist oder auf menschliche "Eingebung“. Aus 1 Kor 12,10 geht hervor, dass es sich bei der "Unterscheidung der Geister“ um eine "Gnadengabe“ handelt, die nur bestimmten Christen von Gott geschenkt ist. Diese Tatsache ist hinsichtlich der Klärung der Frage relevant, wer denn die "anderen“ sind. In Frage kommen sowohl die anderen anwesenden Propheten als auch die anderen Anwesenden, also die Zuhörer. Wenn nicht allen Christen die "Gnadengabe“ der Beurteilung der Prophetie gegeben ist, so können auch nicht alle zur Beurteilung aufgefordert sein. Gegen die Annahme, dass nur die weiteren anwesenden Propheten die Prüfung durchführen sollen, spricht jedoch die Tatsache, dass die "Gnadengabe“ der Prophetie und die "Gnadengabe“ der "Unterscheidung der Geister“ nicht zwingend miteinander verbunden sind. Wer prophezeien kann, ist nicht unbedingt imstande, eine Prophetie zu beurteilen - und umgekehrt. Es sind also weder nur die anderen Propheten noch alle anderen Anwesenden zur Beurteilung aufgefordert. Daraus folgt, dass der Kreis der Aufgeforderten über den Kreis der Propheten hinausgeht, also auch andere Zuhörer einschließt. Eine konkretere Eingrenzung lässt sich nicht vornehmen, weil die Fähigkeit, eine Prophetie zu beurteilen, nicht an bestimmte "Gnadengaben“ gebunden ist. So ist V. 29 wohl am ehesten so zu deuten, dass alle anderen Zuhörer, die zur Beurteilung in der Lage sind, die Prophetie beurteilen sollen. Weil die Einschränkung auf der Hand liegt, hat Paulus sie möglicherweise nicht ausdrücklich erwähnt.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Nun kann es zur Situation kommen, dass einer prophetisch redet, ein anderer jedoch plötzlich eine Offenbarung zuteil wird. In diesem Fall soll eine Art "Vorfahrtsregel“ in Kraft treten. "Vorfahrt“ hat die Person, der plötzlich die Offenbarung zuteil wird. Daraus können zwei Schlüsse gezogen werden: Entweder ist eine Offenbarung von größerer Wichtigkeit als die Prophetie, oder sie ist schwerer mit dem Verstand zu kontrollieren. Schon aus V. 26 ist deutlich geworden, dass die Prophetie und die Offenbarung in einem engen Zusammenhang stehen, und es sich wahrscheinlich um eine prophetische Offenbarung handelt. Da eine Prophetie sicherlich nicht ohne eine Offenbarung möglich ist, handelt es sich bei ersterer vermutlich um eine zeitlich verzögerte Darlegung einer Offenbarung. Auch Prophetien, die auf Offenbarungen beruhen, die vor dem Gottesdienst erfolgt sind, sollen gehört werden. Vorrang haben aber diejenigen, die während des Gottesdienstes eine Offenbarung haben. Eine solche "Offenbarung“ ist "frischer“ und möglicherweise auch unverfälschter, so dass sie am besten auch sofort kundgetan wird. Das ist möglich, weil bei der prophetischen Rede auch der Verstand aktiv ist, und der Prophet daher bei Bedarf seine Rede unterbrechen kann.
Aus der Betonung, dass die Person, der plötzlich eine Offenbarung zuteil wird, sitzt, geht hervor, dass es Stehende und Sitzende gibt. Nahe liegend ist, dass mindestens die redende Person steht. Das wäre also ein Prophet. Möglich ist, dass darüber hinaus auch die anderen Propheten stehen. Die anderen Anwesenden scheinen dagegen zu sitzen. Die Person, der plötzlich eine Offenbarung zuteil wird, würde also für ihre Rede aufstehen. Ob die Reden auch an einem ganz bestimmten Ort im Gottesdienstraum erfolgen, lässt sich nicht erschließen.
Weiterführende Literatur: Auf die Frage, ob Paulus der Meinung ist, dass Prophetie in der Gemeindeversammlung immer aus der aktuellen Geist- und Offenbarungserwartung erwächst, geht G. Dautzenberg 1999, 58-60 ein. Seiner Meinung nach scheine aus dem Gefälle der Aussagen in 14,26.29-33 hervorzugehen, dass prophetische Rede durchweg auf Grund von "Offenbarung“ erfolgt. Zwar sei nach 14,30 ein akutes Offenbarungsgeschehen während der Versammlung nicht außergewöhnlich, aber wenn zwei oder drei Propheten nacheinander reden, sei es schon dann, wenn man sich den Verlauf einer Versammlung vorzustellen sucht, wahrscheinlich, dass nicht nur in der Stunde der Versammlung erfahrene Offenbarungen mitgeteilt werden.
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Beobachtungen: V. 31 ist keine Ermahnung im eigentlichen Sinne, sondern drückt eine Fähigkeit aus. Es ist die Fähigkeit, gewisse Ordnungen im Gottesdienst einzuhalten, wobei Paulus konkret die Fähigkeit nennt, die prophetischen Reden samt plötzlichen Offenbarungen aufeinander folgen zu lassen. Jeder, der prophetisch reden will, kommt dann auch zu Wort und wird gehört. Eine solche Ordnung bewirkt, dass alle lernen und alle ermahnt werden. Dies wäre bei einem durcheinander erfolgenden Gerede nur schwerlich möglich.
Weiterführende Literatur: T. Callan 1985, 125-140 befasst sich mit der Prophetie in der griechisch-römischen Religion und im Ersten Korintherbrief. Ergebnis: Paulus sei in einer ähnlichen Situation wie Philo von Alexandrien. Er werde mit einer Gemeinde konfrontiert, die nicht zwischen Zungenrede und Prophetie unterscheidet und davon ausgeht, dass Prophetie von Trance begleitet werde. Im Gegensatz dazu unterscheide Paulus beides sehr wohl. Er definiere Prophetie als etwas, was − anders als die Zungenrede - nicht von Trance begleitet wird. Er tue dies aufgrund seiner Treue zum AT und auch, weil es ihm erlaube, verstehbare inspirierte Rede zu fördern, die die Gemeinde erbaut.
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Beobachtungen: Mit dem "Geist“ ist wahrscheinlich die Wirkung des Geistes gemeint. Bei dem Propheten handelt es sich wohl um den Propheten mit dem "Geist“, denn sonst hätte Paulus sprachlich sicherlich auf einen Unterschied hingewiesen. V. 32 sagt also vermutlich aus, dass der Prophet nicht von einer Geisteswirkung mitgerissen wird. Diese Interpretation entspricht V. 30-31, wonach der Prophet seine Rede mit dem Verstand kontrollieren, aufschieben und auch abbrechen kann.
Weiterführende Literatur:
Beobachtungen: Paulus führt seine Forderungen auf das Wesen Gottes zurück. So, wie Gott ist, so soll auch der Gottesdienst beschaffen sein. Weil Gott kein Gott der Unordnung ist, soll auch im Gottesdienst keine Unordnung herrschen. Paulus nennt nun als Gegenteil nicht die Ordnung, sondern den Frieden: Gott ist ein Gott des Friedens. Daraus wird deutlich, dass aus der Unordnung Unfriede resultiert. Die einen kommen möglicherweise nicht zu Wort - eben weil die Zungenredner den Gottesdienst dominieren -, die anderen werden nicht gehört, weil mehrere Reden gleichzeitig stattfinden, und wiederum andere beschweren sich möglicherweise, dass sie die Reden nicht verstehen, beurteilen oder deuten können. Darüber hinaus dient wahrscheinlich auch manche Rede in der korinthischen Gemeinde eher der Selbstdarstellung als der Sache Gottes.
Weiterführende Literatur: G. Clarke 2001, 144-147 befasst sich mit der Frage, ob V. 33 als Einheit zu verstehen ist. Er schlägt vor, den Satz "for God is not [a God] of disorder but of peace“ ("denn Gott ist nicht [ein Gott] der Unordnung, sondern des Friedens“) als beiläufige Aussage zwischen V. 32 und V. 33b in Klammern zu lesen. V. 32-33 laute somit: "And spirits of prophets subordinate themselves to prophets (for God is not of disorder but of peace), as in all the churches of the saints.”
Literaturübersicht
[ Hier geht es zur Übersicht der Zeitschriftenabkürzungen ]
Annen, Franz; “Alles geschehe so, dass es aufbaut” (1 Kor 14,26). Paulus und die Gottesdienstpraxis in Korinth, BiLi 81/3 (2008), 171-180
Callan, Terrance; Prophecy and Ecstasy in Greco-Roman Religion and in 1 Corinthians, NT 27 (1985), 125-140
Clarke, Graham; "As in all the churches of the saints“ (1 Corinthians 14:33), BiTr 52/1 (2001), 144-147
Dautzenberg, Gerhard; Prophetie bei Paulus, JBTh 14, Neukirchen-Vluyn 1999, 55-70
Gebauer, Roland; Charisma und Gemeindeaufbau. Zur oikodomischen Relevanz der Paulinischen Charismenlehre, in M. Karrer u. a. [Hrsg.], Kirche und Volk Gottes, Neukirchen-Vluyn 2000, 132-148
Heckel, Ulrich; Paulus und die Charismatiker. Zur theologischen Einordnung der Geistesgaben in 1 Kor 12-14, TBe 23/3 (1992), 117-138
Kitzberger, Ingrid; Bau der Gemeinde: Das paulinische Wortfeld oikodomê (FzB 53), Würzburg 1986
Malan, F. S.; Church Singing According to the Pauline Epistles, Neotest. 32/2 (1998), 509- 524
Martin, Ralph P.; Patterns of Worship in New Testament Churches, JSNT 37 (1989), 59-85
Ortkemper, Franz-Josef; Paulus − ein Frauenfeind?, in: T. Schmeller [Hrsg.], Neutestamentliche Exegese im 21. Jahrhundert. Grenzüberschreitungen, FS J.Gnilka, Freiburg i. Br. 2008, 125-130
Weder, Hans; Die Gabe der hermeneia (1 Kor 12 und 14), in: H. F. Geisser, W. Mostert [Hrsg.], Wirkungen hermeneutischer Theologie, FS G. Ebeling, Zürich 1983, 99-112
Zerhusen, Bob; The Problem Tongues in 1 Cor 14: A Reexamination, BTB 27/4 (1997), 139- 152