2 Kor 1,3-11
Übersetzung
2 Kor 1,3-11:3 Gelobt sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater des Erbarmens und Gott allen Trostes, 4 der uns in all unserer Bedrängnis tröstet, damit wir diejenigen trösten können, die in jeglicher Bedrängnis sind, durch den Trost, mit dem wir [selbst] von (dem) Gott getröstet werden. 5 Denn wie die Leiden Christi in überreichem Maße über uns kommen, so wird uns durch Christus auch in überreichem Maße der Trost zuteil. 6 Sei es, dass wir in Bedrängnis geraten, [so geschieht es] zu eurem Trost und Heil; sei es, dass wir getröstet werden, [so geschieht es] zu eurem Trost, der sich auswirkt im Ertragen der gleichen Leiden, die auch wir erleiden. 7 Und unsere Hoffnung ist fest im Hinblick auf euch, weil wir wissen, dass ihr, wie ihr an den Leiden teilhabt, so auch am Trost [teilhabt]. 8 Denn wir wollen euch, Geschwister, nicht in Unkenntnis lassen über unsere Bedrängnis, die [uns] in Asien widerfahren ist, dass wir im Übermaß über [unsere] Kraft hinaus belastet wurden, so dass wir sogar am Leben verzweifelten. 9 Aber wir selbst hatten in uns das Todesurteil, damit wir nicht auf uns selbst vertrauten, sondern auf (den) Gott, der die Toten auferweckt; 10 der uns [dann] aus so großer Todesgefahr errettet hat und erretten wird. Auf ihn haben wir unsere Hoffnung gesetzt, dass er uns weiterhin erretten wird, 11 indem auch ihr hilfreich im Gebet für uns eintretet, damit von vielen Angesichtern aus für die uns zuteil gewordene Gnade durch viele für uns gedankt werde.
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Beobachtungen: Mit V. 3 beginnt die Danksagung (Proömium), in der in diesem Fall Gott für sein Erbarmen und seinen Trost gepriesen wird (Eulogie). Gott wird sogar als "Vater des Erbarmens und Gott allen Trostes bezeichnet“, was ihn als Quell der Barmherzigkeit und des Trostes erscheinen lässt.
Paulus bezeichnet Jesus Christus als "Herrn“, wobei Gott dessen Vater ist. Daraus ist zu folgern, dass Paulus, wenn er im Zweiten Korintherbrief vom "Herrn“ spricht, Jesus Christus meint. Ein Bezug auf Gott Vater kommt nur dann in Frage, wenn Paulus eine vorchristliche Tradition aufgreift oder aus der hebräischen Bibel, unserem heutigen Alten Testament, zitiert, denn die im antiken hellenistischen Judentum maßgebliche griechische Übersetzung der hebräischen Bibel, die Septuaginta, setzt statt der Gottesbezeichnung JHWH den Titel "Kyrios“ (= "Herr“).
Weiterführende Literatur: L. L. Welborn 2001, 31-60 untersucht unter Berücksichtigung antiker Theorien, wie Paulus in 2 Kor 1,1-2,13; 7,5-16 die Emotionen der Adressaten anspricht.
Zu den verschiedenen Typen der "Danksagung“ siehe F. Schnider, W. Stenger 1987, 42-49, die auch Lobpreise (Eulogien) zu den "Danksagungen“ zählen, allerdings nicht zu denjenigen im engeren Sinn.
N. A. Dahl 1995, 319-332 gibt zunächst einen Überblick über die Lobpreise/Segnungen der hebräischen biblischen Schriften. Dann legt er dar, dass Ausdrücke der Danksagung und der Freude in privaten und offiziellen hellenistischen Briefen durchaus üblich gewesen seien, nicht jedoch ein danksagender Lobpreis als Briefeingang. Ein solcher habe sich nur in jüdischen Briefen gefunden, und zwar bei besonderen Anlässen.
C. Breytenbach 2005, 37-54 versucht anhand einer Auswahl wichtiger Texte des Paulus aufzuzeigen, dass Paulus seine theologischen Formulierungen an urchristlicher, liturgischer Tradition anlehne, die ihrerseits die Tora-Rezeption des griechisch sprachigen Frühjudentums sowohl in der Sprache als auch in der Sache aufnehme. Es zeige sich somit, dass die theologischen Grundsätze der Verkündigung des Paulus v. a. im urchristlichen Bekenntnis und Lobpreis beheimatet waren. Auf S. 49-51 geht C. Breytenbach auf 2 Kor 1,3 ein. Der Christ Paulus rezipiere die israelitisch-frühjüdische Vorstellung von Ex 34,6, dass der "Herr“ ein barmherziger und mitleidiger Gott ist, von der Jesustradition her und lobe ihn als "Vater der Barmherzigkeiten“.
U. Behlau 1999, 129-134 merkt an, dass die Rede von Gott Vater brisant sein könne, weil nicht jedes Kind mit einem Vater groß wird oder gute Erfahrungen mit seinem Vater macht. Er versucht − auch mit Blick auf das Vaterunser - zu zeigen, wie Christen positiv von Gott als Vater sprechen können.
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Beobachtungen: Paulus unterscheidet zwei Arten des Trostes: den göttlichen und den menschlichen. Dabei ist der göttliche Trost die Voraussetzung für den menschlichen Trost.
Die Begriffe "Erbarmen“, "Trost“ und "Bedrängnis“ werden nicht weiter erklärt. Es ist zu vermuten, dass sich Gottes Erbarmen in seinem tröstenden Handeln zeigt. Dieses tröstende Handeln kommt "uns“ zugute, wobei nicht klar ist, ob Paulus konkret sich selbst und vielleicht auch Timotheus im Blick hat, oder ob auch alle Adressaten einbezogen sind. Am wahrscheinlichsten ist, dass er speziell sich und vielleicht auch Timotheus meint, weil beide im Rahmen ihrer missionarischen Tätigkeit besonderen Gefahren ausgesetzt sind. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass Gottes tröstendes Handeln sich auf die Missionare beschränkt. Vielmehr dürften Paulus’ Aussagen auch für die Adressaten und darüber hinaus für alle Christen gelten. Dafür spricht die Unbestimmtheit des Begriffs "Bedrängnis“, der Bedrohungen im Rahmen der Mission genauso meinen kann wie Nöte der Christen, die das bevorstehende Weltende kennzeichnen. Die Vielfalt möglicher Nöte geht auch aus der Formulierung "jegliche Bedrängnis“ hervor. Wer von Gott - in welcher Bedrängnis auch immer - getröstet wird, ist in der Lage, einen anderen Menschen - in welcher Bedrängnis auch immer - zu trösten.
Weiterführende Literatur: G. Hotze 1996, 336-355 bietet eine Analyse und versweise Auslegung von 2 Kor 1,3-11, wobei er die dialektische Spannung von Leiden und Trost, Todesnot und Rettung als Motiv, das ekklesiale Gemeinschaft zwischen Apostel und Gemeinde schaffe, indem es auf die für beide tragende "communio“ mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus verweise, herausstellt.
O. Hofius 1983, 217-227 geht der Frage nach, was in 2 Kor 1,3-7 unter "Tröstung“ zu verstehen ist. Ergebnis: Es gehe nicht bloß um ermunternden oder ermutigenden Zuspruch, sondern die apostolische Tröstung gehöre zum apostolischen Dienst hinzu, wobei Paulus mit dem göttlichen Trost tröste. Was Paulus über die apostolische Tröstung anführt, berühre sich ebenfalls mit dem Zeugnis alttestamentlicher Texte (u. a. Jes 40,1-2).
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Beobachtungen: V. 5 macht wesentliche Aussagen über die Existenz der Christen, insbesondere der Missionare: Wie das Leben Jesu Christi, so ist auch in dessen Nachfolge das Leben der Christen und insbesondere der Missionare in der weit gehend heidnischen Umwelt von Leiden geprägt. Diese kommen nicht nur in reichem, sondern in überreichem Maße über die Nachfolger Christi - in Mengen, die einem Fass gleichen, das überläuft. Aber die Christen bleiben in ihrer Bedrängnis nicht ohne Hoffnung: Leid, Sterben und Tod hatten ja schließlich bei dem Kreuzesgeschehen nicht das letzte Wort - dieses bleibt der Auferstehung und dem Leben vorbehalten. Aus diesem Geschehen schöpfen auch die Christen und insbesondere die Missionare die Hoffnung, dass auch bei ihnen Leid, Sterben und Tod nicht das letzte Wort haben, sondern am Ende die Auferstehung und das Leben siegen. Dies ist ein überreicher Trost.
Erschien in V. 3-4 Gott als Quelle des Trostes, so ist es nun Jesus Christus. Der plötzliche Wechsel mag damit zusammenhängen, dass Paulus Gott Vater und dessen Sohn Jesus Christus in einem engen Zusammenhang sieht. Leiden und Kreuzigung Jesu Christi gehören zum Heilsplan Gottes und stellen wohl eine Konkretisierung dar, wie wir uns den Trost Gottes zu denken haben
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Paulus unterscheidet nun zwischen "ihr“ und "wir“, was eine gewisse mentale Distanz zwischen Absendern und Adressaten nahe legt. Paulus (und vielleicht auch Timotheus) erscheint nun als derjenige, der in Bedrängnis gerät und dem Gottes Trost zuteil wird und der dadurch in die Lage versetzt wird, seine Glaubensgenossen zu trösten.
Wenn Paulus in Bedrängnis gerät, so geschieht dies den Adressaten zum Trost und zum Heil. Doch welchen Trost und welches Heil (oder: Rettung) sollten die Adressaten dadurch empfangen, dass Paulus leidet? Ist etwa nicht Christus allein Heilsmittler, sondern auch Paulus? Am ehesten ist anzunehmen, dass Paulus sich zwar nicht in einer heilsmittelnden Funktion sieht, jedoch in einer Vorbildfunktion. Er ist sich nämlich seiner besonderen Gefährdung als Missionar bewusst und weiß, dass die Adressaten gewöhnlich nicht den gleichen Gefahren ausgesetzt sind. Er weiß jedoch, dass auch die Adressaten nicht von Bedrängnis verschont bleiben und leiden müssen. Grundsätzlich ist solche Bedrängnis eine Situation, in der Verzweiflung aufkommt und die Gefahr des Abfalls vom christlichen Glauben gegeben ist. In einer solchen Situation befindet sich insbesondere Paulus. Dieser bleibt jedoch in seiner Not nicht allein, sondern erhält von Gott aufgrund des Kreuzesgeschehens Trost (s. o.). Dieser Trost bewirkt, dass Paulus seine leidvolle Lage ertragen kann. Wenn nun auch die Adressaten wegen ihres Glaubens Leid ertragen müssen, so brauchen auch sie nicht verzweifeln, da Paulus sie tröstet: Christliche Existenz ist zwar von Leid geprägt, doch haben nicht Leid, Sterben und Tod das letzte Wort, sondern Auferstehung und Leben. Aufgrund dieses Trostes können auch die Adressaten das Leid ertragen.
Wenn Paulus davon ausgeht, dass die Christen in Korinth die gleichen Leiden wie er ertragen müssen, so ist damit nicht gesagt, dass die Art der Leiden identisch ist, denn diejenigen des Paulus’ entspringen ja seinem spezifisch missionarischen Dasein. Vielmehr dürften der gleiche Grund der Leiden, nämlich das Leben im christlichen Glauben, und vielleicht auch das gleiche Ausmaß im Blick sein.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Dass die korinthischen Gemeindeglieder Leid ertragen müssen, erscheint als ein gegenwärtiger Zustand. Paulus ist sich aber sicher, dass sie nicht nur am Leid teilhaben, sondern auch am Trost. Diese Teilhabe am Trost ist aus Sicht des Paulus eine feste Hoffnung, also noch keine Tatsache. Tatsache ist gegenwärtig nur das Leid der Christen; dessen Überwindung ist verheißen, steht jedoch noch aus.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Paulus kommt nicht nur allgemein auf die leidvolle christliche Existenz zu sprechen, sondern verweist auf eine konkrete (vgl. die Verbformen im Aorist!) Todesgefahr, in der er (und vielleicht auch Timotheus) sich befunden hat. Dafür, dass die Todesgefahr den Korinthern unbekannt ist, bleibt die Schilderung aber seltsam vage. Es wird nur der Ort des Geschehens genannt: es hat sich in Asia abgespielt, wobei die römische Provinz im Westen der heutigen Türkei gemeint ist. Um was für eine Bedrängnis es sich genau gehandelt hat, bleibt unklar. Deutlich wird nur, dass sie Paulus (und vielleicht auch Timotheus) über dessen Kraft belastet hat und er sich im Angesicht des Todes wähnte.
Eine Todesgefahr hat Paulus schon im Ersten Korintherbrief erwähnt, wo er davon spricht, dass er in Ephesus, der Hauptstadt der römischen Provinz Asien (Asia), mit wilden Tieren gekämpft habe (15,32). Handelt es sich bei der in 2 Kor 1,8 erwähnten Todesgefahr um eben diesen Kampf mit wilden Tieren? Dagegen spricht, dass - geht man von der Abfassung des Ersten Korintherbriefes vor dem Zweiten Korintherbrief aus - den Korinthern das Ereignis schon mitgeteilt worden und damit nicht mehr unbekannt wäre. Sollte Paulus etwa vergessen haben, dass er den Korinthern die Todesgefahr schon mitgeteilt hat? Auch wäre verwunderlich, dass Paulus in 2 Kor 1,8 nicht konkret die Stadt Ephesus nennt, sondern nur allgemein die Provinz Asia. Dies legt nahe, dass sich die in 2 Kor 1,8 erwähnte Todesgefahr nicht in Ephesus, sondern an einem anderen Ort in Asia ereignet hat. Dass Paulus in 2 Kor 1,8 im Gegensatz zu 1 Kor 15,32 nicht konkret von einem Kampf mit wilden Tieren spricht, ist nicht unbedingt ein Argument dafür, dass Paulus von zwei verschiedenen Ereignissen spricht, denn die Formulierung "wilde Tiere“ muss nicht wörtlich genommen werden; es kann sich auch um einen bildlichen Ausdruck für eine andersartige Todesgefahr handeln. Alles in allem ist aber davon auszugehen, dass Paulus in 2 Kor 1,8 von einer nicht genauer bestimmbaren Todesgefahr spricht, die sich nach der Abfassung des Ersten Korintherbriefes ereignet hat.
"Geschwister“ meint hier nicht leibliche Geschwister, sondern Glaubensgeschwister, nämlich Christinnen und Christen. Bei dem Substantiv "adelphoi“ handelt es sich zwar um eine maskuline Form, die zunächst mit "Brüder“ zu übersetzen ist, jedoch sind hier vermutlich auch die "Schwestern“ eingeschlossen. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.
Weiterführende Literatur: Mit Paulus als Heiligem befasst sich D. Stanley 1986, 71-97, der auf S. 87-92 auf die in 2 Kor 1,8 erwähnte Todesgefahr und auf die Folgen dieses Erlebnisses für Paulus’ Todes- und Auferstehungsvorstellungen eingeht. Paulus komme zu der Einsicht, dass der Übergang von der irdischen Existenz zur zukünftigen Auferstehung nur über die persönliche Einwilligung in die Zerstörung des irdischen Selbst erfolgen könne. Das eschatologische Element im paulinischen Denken könne am ehesten als ethischer Prozess bezeichnet werden, der sich um das Bild von Christus als "letzter Adam“ drehe.
Einen Überblick über verschiedene Thesen, in welche Todesgefahr Paulus gekommen sein mag, gibt R. Yates 1981, 241-245: Aufstand der Silberschmiede unter Demetrius (vgl. Apg 19,23-41); Kampf mit wilden Tieren (vgl. 1 Kor 15,32); Prozess vor einem staatlichen Gerichtshof (vgl. 2 Kor 11,23); Auspeitschung vor einem jüdischen Gericht; schwere Krankheit (vgl. 2 Kor 12,7-10); Aufruhr in den Gemeinden (vgl. 2 Kor 11,28). R. Yates geht selbst davon aus, dass Paulus von jüdischen Gegnern bedroht worden sei.
P. Arzt-Grabner 2010, 149-150 erwägt, dass Paulus kurzfristig das Opfer eines Übergriffes örtlicher Behörden war und Lebensgefährliches erdulden musste. Möglich sei, dass Paulus in Ephesus aufgrund irgendeiner Anschuldigung von örtlichen Polizisten festgenommen und gefoltert wurde (darauf könnten sich die erwähnte Todesnähe und die "innere Entscheidung über den Tod“ beziehen, aber auch die in 6,5 und 11,23 erwähnten Schläge) und erst nach Intervention einer höhergestellten Persönlichkeit wieder freigelassen wurde.
M. Gielen 2007, 71-72 dagegen meint, dass die "Bedrängnis“, von der Paulus in 2 Kor 1,8 spricht, nicht auf äußere Umstände bezogen werden müsse, sondern sehr wohl auch seine innere Verfassung beschreiben könne. So dürfte die Sorge um den Verlust der Gemeinde in Korinth Paulus in eine tiefe seelische Krise gestürzt haben, die sich in 2 Kor 1,8-10 widerspiegele.
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Beobachtungen: Paulus (und vielleicht auch Timotheus) hatte in sich selbst das Todesurteil. Dass er es gesprochen hat, sagt er nicht, sondern aus der Formulierung geht nur hervor, dass Paulus den Tod als unumgänglich verinnerlicht hatte - unumgänglich insofern, als er sich aus eigener Kraft nicht mehr vermeiden ließ; nun konnte nur noch Gott helfen.
Dass Paulus es bei einem vagen Hinweis auf die Todesgefahr belässt und - statt Details zu nennen - sogleich auf Verzweiflung und alleiniges Vertrauen auf Gott eingeht, lässt folgenden Grund für die Ungenauigkeit der Schilderung der Todesgefahr annehmen: Paulus ist nicht die Todesgefahr an sich wichtig, sondern das Vertrauen, das man in der Todesgefahr, die durch das Bekenntnis zum christlichen Glauben hervorgerufen wurde, in Gott hat.
Die Formulierung "Gott, der die Toten auferweckt“ macht deutlich, was Gott bewirkt: Er überwindet mittels der Auferweckung Leid und Tod, so dass letztendlich das Leben siegt (vgl. 1 Kor 15,50-58).
Beachtenswert ist die Wahl des Wortes "Tote“ statt des abgeschwächten "Entschlafene“. Durch diese Wortwahl wird der Kontrast zwischen Verderben und Tod, denen sich die Christen in der feindlichen, heidnischen Umwelt ausgesetzt sehen, und gottgewirkter Auferweckung und gottgewirktem Leben herausgestellt.
Weiterführende Literatur: N. M. Watson 1983, 384-398 hält V. 9b für den Kern der paulinischen Theologie.
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Beobachtungen: Das durch die Todesgefahr und die verlorene Hoffnung, aus eigener Kraft entrinnen zu können, geradezu erzwungene Vertrauen auf Gott wurde nicht enttäuscht, denn dieser hat Paulus (und vielleicht auch Timotheus) der Todesgefahr entrissen. Damit ist Gottes helfendes Tun jedoch nicht endgültig abgeschlossen, sondern Gott wird auch bei zukünftigen (Todes-)Gefahren wieder helfend eingreifen. Dabei ist zunächst an weitere irdische Todesgefahren zu denken, die während der gefährlichen Tätigkeit der Missionare noch auftreten können. Nun benutzt Paulus aber nicht nur einmal das Verb "rhysetai“ ("er wird...erretten“), sondern er wiederholt es. Bei der Wiederholung geht dabei das adverbiale "eti“ voraus, das "noch“ bedeutet, und zwar entweder im zeitlichen Sinne von "noch weiter“ oder im steigernden Sinne "noch mehr“. Warum benutzt Paulus zweimal hintereinander das Verb "rhysetai“ ("er wird...erretten“) und wiederholt damit seine Aussage? Gut möglich ist, dass er sie wiederholt, weil sie ihm wichtig ist. Darauf, dass Gott weiterhin erretten wird, hat er seine Hoffnung gesetzt, wobei die Perfekt-Verbform deutlich macht, dass diese Hoffnung auch gegenwärtig sein Leben bestimmt. Eine weitere Möglichkeit ist, dass sich die Rettung auf zwei verschiedene Arten der Rettung aus Todesgefahr bezieht. In einem Fall wären Todesgefahren in seinem weiteren irdischen Leben als Missionar im Blick, im anderen Fall die existenzielle Todesgefahr, die beim leiblichen Tod eintritt. Ist der Mensch leiblich gestorben, so kann nur Gott am Ende der Tage den Menschen auferwecken und damit erretten. Wer nicht auferweckt wird, ist verloren. Die Doppeldeutigkeit des adverbialen "eti“ ("noch“) macht einen Bezug auf beide Arten Todesgefahr möglich. Bei der zeitlichen Bedeutung "noch weitere“ wären weitere irdische Todesgefahren im Blick, bei der steigernden Bedeutung "mehr noch“ wäre die Errettung vor dem endgültigen Tod gemeint.
Dass die Wiederholung schon in der frühen Christenheit zu Verwirrung geführt hat, belegen verschiedene glättende Textvarianten.
Paulus benutzt für "Tod“ und "Todesgefahr“ das gleiche Wort, nämlich "thanatos“. Wenn der Tod in einer Gefahr als unentrinnbar erscheint, ist er in gewisser Weise schon eingetreten. Wenn Gott nun aus einer solchen Todesgefahr erscheint, so ist dies nach paulinischem Verständnis folglich eine Auferweckung von den Toten. Wenn Gott gemäß V. 9 also von den Toten auferweckt, so weckt er nicht nur Verstorbene auf, sondern errettet auch aus irdischen Todesgefahren.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Um die Errettung zu bewirken, sollen die korinthischen Gemeindeglieder für ihn (und Timotheus) beten. Dass sie mit ihrem Gebet nicht die einzigen sind, belegt das Wort "auch“ ("kai“). Sie werden sich also mit ihrem Gebet in Gemeinschaft mit Christen anderer Gemeinden befinden.
Es wird allerdings nicht bei einer Fürbitte bleiben, wie der folgende, vermutlich finale Nebensatz zeigt. Das letztendliche Ziel ist, dass die Betenden Gott für die Erhörung des Gebets und die Paulus (und Timotheus) zuteil gewordene Errettung, eine von Gott gewährte Gnadengabe, danken. Dieses Dankgebet geht von vielen Angesichtern aus. Paulus wählt diese Formulierung, weil die Gesichter der Betenden zu Gott, zum Himmel hingewandt sind. Und weil die Münder zum Gebet geöffnet sind, erschallt das Gebet nicht nur von vielen Angesichtern aus, sondern aus (ek) vielen Angesichtern hinaus.
Die Tatsache, dass Paulus auf das der Errettung folgende Dankgebet abzielt, klärt auch, warum er in V. 10 das Verb "rhysetai“ ("er wird...erretten“) wiederholt: Ihm ist die Aussage, dass Paulus auch in Zukunft erretten wird, wichtig. Dabei ist die Errettung aus Todesgefahren, die das Missionarsleben mit sich bringt, im Blick.
Der komplizierte, wiederholende Satzbau mag damit begründen zu sein, dass der Schluss eines Absatzes markiert wird.
Weiterführende Literatur: J. J. Kilgallen 1992, 294 legt dar, dass die Tatsache, dass Paulus’ in der Todesgefahr das Leben bewahrt und nicht den Tod erlitten hat, als Gottes Gnade/Gnadengabe (charis) zu verstehen sei. Gottes Liebe habe an Paulus gewirkt.
Literaturübersicht
[ Hier geht es zur Übersicht der Zeitschriftenabkürzungen ]
Arzt-Grabner, Peter; Neues zu Paulus aus den Papyri des römischen Alltags, Early Christianity 1/1 (2010), 131-157
Behlau, Ulrich; “Gepriesen sei der Gott und Vater Jesu Christi unseres Herrn” (2 Kor 1,3), Ordenskorrespondenz 40,2 (1999), 129-134
Breytenbach, Cilliers; Der einzige Gott − Vater der Barmherzigkeit. Thoratexte als Grundlage des paulinischen Redens von Gott, BThZ 22/1 (2005), 37-54
Dahl, Nils Alstrup; Benediction and Congratulation, in: T. Fornberg, D. Hellholm [eds.], Texts and Contexts, FS L. Hartman, Oslo 1995, 319-332
Gielen, Marlis; Paulus − Gefangener in Ephesus? Teil 2, BN NF 133 (2007), 63-77
Hofius, Otfried; "Der Gott allen Trostes“ Paráklêsis und parakalein in 2 Kor 1,3-7, TBe 14/4- 5 (1983), 217-227
Hotze, Gerhard; Gemeinde als Schicksalsgemeinschaft mit Christus (2 Kor 1,3-11), in: R. Kampling, T. Söding [Hrsg.], Ekklesiologie des Neuen Testaments, FS K. Kertelge, Freiburg 1996, 336-355
Kilgallen, John J.; Reflections on Charisma(ta) in the New Testament, SM 41 (1992), 289-323
Schnider, Franz; Stenger, Werner; Studien zum neutestamentlichen Briefformular (NTTS 11), 1987, 3-41
Stanley, David; The Apostle Paul as Saint, SM 35 (1986), 71-97
Yates, Roy; Paul’s Affliction in Asia: 2 Corinthians 1,8, EvQ 53/4 (1981), 241-245
Watson, Nigel M.; "…to make us rely not on ourselves but on God who raises the dead“. 2 Cor 1,9b as the Heart of Paul’s Theology, in: U. Luz, H. Weder [ed.], Die Mitte des Neuen Testaments, FS E. Schweizer, Göttingen 1983, 384-398
Welborn, Laurence L.; Paul’s Appeal to the Emotions in 2 Corinthians 1.1-2.13; 7.5-16, JSNT 82 (2001), 31-60