2 Kor 6,14-7,1
Übersetzung
2 Kor 6,14-7,1:14 Zieht nicht mit Ungläubigen zusammen an demselben Joch! Denn was haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit miteinander zutun, oder was für eine Gemeinschaft besteht zwischen Licht und Finsternis? 15 Welche Übereinstimmung besteht zwischen Christus und Beliar? Oder was für ein Teil hat ein Gläubiger gemeinsam mit einem Ungläubigen? 16 Wie verträgt sich der Tempel Gottes mit Götzen[bildern]? Wir sind nämlich der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesprochen hat: "Ich werde unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“ 17 Darum "zieht aus ihrer Mitte aus und sondert euch ab“, spricht der Herr; "und rührt nichts Unreines an, so werde ich euch annehmen 18 und werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein“, spricht der Herr, [der] Allherrscher. 1 Weil wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, wollen wir uns von jeglicher Befleckung des Fleisches und Geistes reinigen und die Heiligung in [der] Furcht Gottes vollenden.
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Beobachtungen: Bei 6,14-7,1 handelt es sich um eine eingeschobene Ermahnung, die den Zusammenhang zwischen 6,1-3 und 7,2-4 unterbricht. In 6,1-3 und 7,2-4 fordert Paulus die Adressaten auf, sich ihm gegenüber zu öffnen, in 6,14-7,1 ermahnt er sie dagegen, nicht mit den Ungläubigen gemeinsame Sache zu machen.
Es stellt sich die Frage, warum Paulus den Zusammenhang unterbrochen hat. Ein Anknüpfungspunkt könnte sein, dass Paulus die Gefahr sieht, dass die Korinther sich nicht nur ihm gegenüber verschließen, sondern mit seinen Gegnern gemeinsame Sache machen. Dabei kann die Verschlossenheit die Partnerschaft mit den Ungläubigen verursachen, aber auch aus ihr folgen. Angesichts der anderen Thematik, der sprachlichen Eigenheiten und der eigentümlichen und starken Aufnahme von Traditionsgut kann man aber auch daran denken, dass es sich um einen nachträglichen Einschub in den Zusammenhang 6,1-3 und 7,2-4 handelt. Dieser Einschub kann von Paulus selbst verfasst sein und aus einem anderen Brief stammen, oder er kann auf einen anderen Autor zurückgehen. Dann wäre er Paulus zugeschrieben worden, obwohl er nicht von ihm stammt.
Die Adressaten sollen nicht mit den Ungläubigen gemeinsame Sache machen. Paulus drückt diese Ermahnung mit dem Bild eines Gespanns aus, an dessen Joch verschiedene Tiere gespannt werden. Die Korinther sollen sich nicht zusammen mit Ungläubigen, die nichts mit ihnen gemein haben, unter ein Joch begeben. Eine solche Warnung vor der Verbindung oder auch Vermengung von Verschiedenartigem findet sich im AT insbesondere in Dtn 22,8-11 und in Lev 19,19. Die 2 Kor 6,14 ähnlichste Bestimmung ist Dtn 22,10 zu entnehmen, wo es heißt, dass man beim Pflügen nicht Ochse und Esel zusammenspannen soll.
Wer die Ungläubigen sind, bleibt offen. Im eigentlichen Sinne des Wortes sind damit Menschen gemeint, die nicht glauben - aus christlicher Sicht Menschen, die nicht an Jesus Christus glauben. Paulus benutzt das Wort gewöhnlich gemäß der christlichen Sichtweise (vgl. u. a. 1 Kor 6,6; 7,12-15; vermutlich auch 2 Kor 4,4). Folglich ist sie auch für 2 Kor 6,14 anzunehmen. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass Paulus hier seine Gegner meint, die er in 2 Kor 11,13-15 als "falsche Apostel“ bezeichnet und als vom Satan geleitet ansieht. Eine solche ungewöhnliche Wortbedeutung muss jedoch aus dem Zusammenhang des gesamten Zweiten Korintherbriefes erschlossen werden.
Paulus charakterisiert die ungleichen "Tiere“ völlig unterschiedlich. Das eine ist von "Gerechtigkeit“ und "Licht“ geprägt, das andere von "Gesetzlosigkeit“ und "Finsternis“.
Was ist unter "Gerechtigkeit“ und "Licht“ zu verstehen? Die Gerechtigkeit ist vermutlich mit Blick auf den üblichen paulinischen Sprachgebrauch als Rechtfertigung des Menschen durch das mit Jesus Christus verbundene Heilsgeschehen und zu verstehen. Mit dieser Rechtfertigung ist untrennbar eine Lebensführung nach christlichen Maßstäben verbunden. Nicht gemeint ist folglich die typisch jüdische Gerechtigkeit, die an das genaue Befolgen der atl. Weisung samt den Satzungen und Geboten gebunden ist. Auch ist sicherlich nicht der moderne Gerechtigkeitssinn im Blick, wonach gute oder böse Taten angemessen belohnt bzw. bestraft werden sollen. Nicht nur die "Gerechtigkeit“ dürfte sich auf das mit Jesus Christus verbundene Heilshandeln beziehen, sondern auch das "Licht“ (vgl. 2 Kor 4,4). "Licht“ ist da, wo die frohe Botschaft vom Heilshandeln Jesu Christi seine Wirksamkeit entfaltet.
"Finsternis“ herrscht dementsprechend dort, wo dies nicht der Fall ist. Wer also die frohe Botschaft ablehnt, lebt in der "Finsternis“. Mit der "Finsternis“ wiederum ist die "Gesetzlosigkeit“ verbunden. Es ist kaum anzunehmen, dass Paulus hier die Gesetzlosigkeit meint, die herrscht, wenn Menschen ohne weltliche Gesetze leben oder sich nicht an solche halten. Paulus geht nicht von einem weltlichen, sondern von einem christlichen Gesetzesverständnis aus. Ebenso wenig dürfte er es als "Gesetzlosigkeit“ ansehen, wenn jemand nicht in allen Einzelheiten die mosaischen Satzungen und Gebote befolgt. Typisch für Paulus ist es ja gerade, dass er bei seiner Heidenmission nicht fordert, dass sich die zu Christus Bekehrten an die mosaischen Satzungen und Gebote halten müssen. Wahrscheinlich meint Paulus die "Gesetzlosigkeit“, die entsteht, wenn jemand nicht an Jesus Christus glaubt und folglich sein Leben nicht an christlichen Maßstäben, dem Willen Gottes, ausrichtet (vgl. 1 Kor 9,21).
Weiterführende Literatur: Mit dem Verhältnis von 6,14-7,1 zu den ersten sieben Kapiteln des Zweiten Korintherbriefes befasst sich D. A. DeSilva 1993, 3-16.
Die Stellung und die Rolle von 6,11-7,4 im Rahmen von 2,14-7,4 hat D. Patte 1987, 221-264 zum Thema, wobei sich seine Vorgehensweise an Prinzipien der Semiotik orientiert.
Eine strukturelle Exegese von 2,14-7,4 mit einem Schwerpunkt auf 2,14-3,6 und 6,11-7,4 bietet D. Patte 1987, 23-49. Sein Ziel ist es, die Hauptaspekte und die rhetorische Strategie, die dem gesamten Abschnitt zugrunde liegen, zu erhellen.
E. Schwarz 1993, 355-372 geht davon aus, dass 6,14-7,1 ein in sich geschlossenes, klar strukturiertes Textstück darstelle, das den offenkundigen Zusammenhang 6,11-13; 7,2-4 zerreißt. So macht er zunächst den Versuch, den Abschnitt aus sich selbst heraus zu klären, und geht dem "Sitz im Leben“ nach. Dann fragt er, ob das Konzept paulinischem Gemeindeverständnis entspricht, ob sich mit dem Abschnitt heutige Abgrenzungsforderungen theologisch begründen lassen, und ob die Exegese dieses Passus bei der Diskussion um heutiges Gemeindeverständnis, bei der Klärung unseres Kirchenbildes hilft. Ergebnis: 6,14-7,1 spiegele die Ursprungssituation einer christlichen (Haus-)Gemeinde wieder, die ihre Selbstständigkeit durch Herauslösung aus dem Synagogenverband durch Paulus gewinne. Der Abschnitt stehe also am Anfang einer Entwicklung, auch einer (Weiter-)Entwicklung paulinischer Sprache und Theologie. Seine Aussagen seien auf eine ganz konkrete Konfliktsituation bezogen und wollten von hierher verstanden werden. Der Abschnitt dürfe also nicht einfach als Legitimation für heute angeblich erforderliche Abgrenzungsprozesse "benutzt“ werden.
J. A. Adewuya 2001, 1-128 geht nach einem einleitenden Kapitel auf den gegenwärtigen Forschungsstand bezüglich 6,14-7,1 und auf den sozio-historischen Kontext des Abschnittes ein und bietet eine eigene Auslegung.
J. Lambrecht 1994, 531-549 behandelt formale Aspekte und Strukturelemente im unmittelbaren Kontext, die für die Authentizität und Integrität von 6,14-7,1 sprechen.
Der Aufsatz R. Bieringer 1994, 551-570 ergänzt denjenigen von J. Lambrecht, wobei das Hauptinteresse den inhaltlichen Zusammenhängen im Zweiten Korintherbrief als Ganzem gilt. R. Bieringer gibt zunächst eine Übersicht über die in der neueren Forschung zu 6,14-7,1 vertretenen Positionen. Dann analysiert er kritisch, wie die Exegeten, die die Integrität von 6,14-7,1 verteidigen, den Zusammenhang mit dem Kontext und die Funktion des Textes im Kontext bestimmen. Schließlich fragt er im Rahmen seiner eigenen Analyse des Kontextbezuges von 6,14-7,1, ob sich die Aussagen dieses Textes auf die in 6,11-13 und 7,2-4 angesprochene Beziehung zwischen Paulus und den Korinthern beziehen.
W. O. Walker 2002, 142-144 macht auf den seiner Meinung nach vernachlässigten Sachverhalt aufmerksam, dass die Entnahme von 2 Kor 6,14-7,1 einen perfekten Chiasmus innerhalb der nun vereinten Texte 6,11-13; 7,2-3 zutage treten lasse.
E. Waller 1990, 151-165, die selbst von einer nichtpaulinischen Verfasserschaft ausgeht, untersucht, wer 6,11-7,4 verfasst und wer den Abschnitt an dieser Stelle eingefügt hat. Sie kommt u. a. mit Blick auf Parallelen aus dem Ersten Clemensbrief zu folgendem Ergebnis: : Der Redaktor (oder: die Redaktorin) habe zu der Gruppe korinthischer Gemeindeglieder gehört, die dem Apostel diejenigen Fragen zur möglichen rituellen Verunreinigung durch den Verzehr von Fleisch vom heidnischen Markt gestellt hat, die Paulus im Ersten Korintherbrief beantwortet hat. Es habe sich um einen Bewunderer des Apostels gehandelt, der dessen Briefe gesammelt oder zumindest Zugang zu einer Briefsammlung gehabt hat. Er habe starke jüdische Bindungen gehabt, worauf die Betonung ritueller Reinheit und Abgrenzung, die Tempel und Gläubige verbindende Bildsprache und der midraschartige Umgang mit den biblischen Schriften hinweise. Hellenistischen religiösen Praktiken habe er ablehnend gegenüber gestanden.
S. J. Hultgren 2003, 39-56 hält 2 Kor 6,14-7,1 für eine sekundäre Einfügung eines Redaktors aus Ephesus. Linguistische und theologische Parallelen zu Offb 21,3-8 und Eph 5 legten nahe, dass der Abschnitt von einem ursprünglich in Palästina beheimateten Kreis Judenchristen in Ephesus stammte. Diese hätten ein rigoristisches und exklusives Christentum vertreten und seien auch in die Sammlung, Redaktion und Veröffentlichung der paulinischen Briefsammlung verwickelt gewesen. Der Epheserbrief selbst sei ein Beweis für die Wechselwirkung zwischen dem Christentum palästinischer Herkunft und dem paulinischen Erbe.
Auch P. B. Duff 1993, 160-180 geht davon aus, dass 6,14-7,1 sich ursprünglich nicht an diesem Ort befunden habe. Er versucht zu klären, wie das Fragment an den heutigen Ort gekommen ist und wer es dort eingefügt hat. Er gibt einen knappen Überblick über bisher vertretene Thesen. Dabei greift er insbesondere die These auf, dass das Fragment nicht aus der Feder des Apostels stamme, sondern seinen Ursprung in frühchristlichen Kreisen mit essenischem Hintergrund habe. Paulus habe das Fragment jedoch in den gegenwärtigen Zusammenhang eingefügt. P. B. Duff meint, dass sich nicht abschließend klären lasse, ob Paulus selbst das Fragment eingefügt hat oder ob es ein späterer Redaktor war. Für letzteren spreche insbesondere, dass 6,14-7,1 sich nur schlecht in den jetzigen Zusammenhang einfüge. Der Abschnitt sei aber vermutlich überlegt eingefügt worden. Er passe zu der metaphorischen Selbstdarstellung des Apostels in 2,14-7,4.
H. D. Betz 1994, 20-45 kommt infolge einer literarischen und religiös-historischen Analyse sowie einer Diskussion des Textes 6,14-7,1 im Lichte des Galaterbriefes zu dem Ergebnis, dass der Abschnitt nicht nur nichtpaulinisch, sondern sogar antipaulinisch sei.
T. Schmeller 2006, 219-238 meint dagegen, dass der Textabschnitt von Paulus stamme. These: Der Textabschnitt habe ursprünglich die jetzt fehlende Verbindung zwischen den Kap. 1-9 und 10-13 hergestellt und sei sekundär von dort an seine jetzige Stelle versetzt worden. Die Lösung berücksichtige die Besonderheit der im Zweiten Korintherbrief bekämpften Gegner des Paulus. Diese hätten sich auf die Jerusalemer Urgemeinde berufen und hätten so einen Keil zwischen Paulus und die korinthische Gemeinde treiben wollen. In der Auseinandersetzung mit den Gegnern habe Paulus einen Text eingesetzt, der in Sprache und Theologie eine deutliche Nähe zur Jerusalemer Urgemeinde aufwies und so die enge Gemeinschaft zwischen Paulus und dieser Gemeinde zum Ausdruck brachte. Der bewusst unpaulinische Charakter dieses Textes sei später als antipaulinisch missverstanden worden. Die frühen Überlieferer der Paulusbriefe hätten sich zu einer Ausscheidung berechtigt, aber auch zu seiner Aufbewahrung und schließlich seiner Wiedereinfügung verpflichtet gefühlt.
G. D. Fee 1977, 144-147 macht deutlich dass das Vorkommen von hapax legomena nicht unbedingt gegen die Authentizität von 6,14-7,1 spreche. Vielmehr sei festzustellen, dass sich in dem Abschnitt viele typisch paulinische Ausdrucksweisen finden (Auflistung auf S. 147).
M. E. Thrall 1978, 132-148 wendet sich gegen die These, dass der Abschnitt 2 Kor 6,14-7,1 eine dermaßen hohe Konzentration an essenischem Gedankengut enthalte, dass er schwerlich Paulus zugeschrieben werden könne. Sie legt dar, dass jeder Vers eine Parallele habe, und zwar nicht nur in der Gesamtheit der paulinischen Briefe, sondern auch in 2 Kor 2,14-6,13.
J. Murphy-O’Connor 1988, 55-69 schenkt den essenischen Parallelen keine besondere Aufmerksamkeit, sondern sieht den Text 2 Kor 6,14-7,1 fest in hellenistisch-jüdischem Gedankengut (v. a. Philo von Alexandrien) verankert. Paulus wende sich gegen die im Ersten Korintherbrief (v. a. 2,6-16) erwähnten Pneumatiker, die weiterhin gegen den Apostel opponierten. Aufgrund deren libertinistischer Haltung in religiös-ethischen Fragen bezeichne er sie als "Ungläubige“.
F. Zeilinger 1993, 71-80 fragt, warum der Abschnitt gerade hier zwischen 6,13 und 7,2 geboten wird. Inhaltlich komme noch das Problem hinzu, wieso in Folge der in 6,11-13 erbetenen Einheit der Adressatengemeinde mit ihrem Apostel eine Verbindung mit der heidnischen Umwelt ausgeschlossen sein soll, da solches den Aussagen von 1 Kor 8-10 zumindest teilweise widerspreche. Damit erhebe sich schließlich noch die Frage, ob mit "Gesetzlosigkeit“ in 6,14 unbedingt die heidnische Welt gemeint sein muss, und warum sich Paulus, wenn der Text von ihm stammt, apokalyptisch-essenischer Topoi bedient. Ergebnis: Die Ansicht, 2 Kor 6,14-7,1 sei von der Endredaktion des Zweiten Korintherbriefs (oder von Paulus selbst) an falscher Stelle eingefügt worden, lasse sich aus der Anwendung vorgegebener rhetorischer Strukturen und dem auf die Situation wie auf die Aussagen der Apologie bezogenen Inhalt widerlegen. Die Frage, ob der Text von Paulus selbst stammen könne, beantworte sich v. a. durch den Vergleich mit Röm 16,17-20 und im Blick auf 1 Kor 16,22. Die Warnung von "Irrlehrern“ bilde rhetorisch die "indignatio“, sachlich ein erweitertes Anathem über jene, die nicht (mehr) im Glauben, und d. h. in der Einheit mit dem Apostel stehen. Die offenbar bewusste Einbeziehung apokalyptisch gefärbter Sprache verdeutliche die Tiefendimension der theologischen Auseinandersetzung, indem sie diese in den Rahmen des eschatologischen Endkampfes Christi mit Beliar und deren Gefolge stelle.
Als einen Midrasch zu Dtn 22,10 versteht J. D. M. Derrett 1978, 231-250 2 Kor 6,14-7,1.
G. Saß 1993, 36-64 führt zunächst in den bisherigen Diskussionsstand zur Frage der Authentizität von 2 Kor 6,14-7,4 ein, wobei er zahlreiche Literaturhinweise gibt. Sein Ziel ist es, die seiner Meinung nach in jüngster Zeit vermehrt aufgekommenen Zweifel daran, dass Paulus selbst das Stück für seinen jetzigen Ort verfasst hat, zu zerstreuen. Dazu seien nacheinander die sprachlichen Besonderheiten, traditionsgeschichtlichen Beobachtungen sowie die auffällige Stellung des Abschnittes im Kontext zu erläutern, um dann in einer knappen Auslegung das Verhältnis seiner Kernaussagen zu sonstigen theologischen Positionen des Paulus zu prüfen sowie, soweit möglich, die Funktion des Abschnittes im Brief und den Situationsbezug zu erhellen.
M. Goulder 1994, 47-57 legt dar, dass 2 Kor 5-7 einen Gedankengang enthalte, der sich auch zweimal an anderen Stellen des Zweiten Korintherbriefs (1 Kor 4-6; 2 Kor 10-13) finde, und dass die "apistoi“ nicht Ungläubige, sondern glaubensschwache Christen seien.
W. J. Webb 1992, 27-44 untersucht, wer in 2 Kor 6,14 die "apistoi“ ("Ungläubige“) sind. Dabei diskutiert er zunächst die fünf bisher vorgebrachten Thesen: a) nicht vertrauenswürdige Personen; b) Heidenchristen, die nicht das "Gesetz“ befolgen; c) moralisch verwerfliche Personen innerhalb der Kirchengemeinschaft; d) falsche Apostel; e) Nichtchristen, Heiden. W. J. Webb hält die Thesen a-c für unwahrscheinlich, These d für möglich und These e für am wahrscheinlichsten.
W. J. Webb 1992, 162-179 geht der Frage nach, was darunter zu verstehen ist, dass die Adressaten nicht mit den "Ungläubigen“ an demselben Joch ziehen sollen. Er diskutiert die zwölf bisher vorgebrachten Thesen und kommt zu folgendem Ergebnis: Es werde Gläubigen verboten, eine Betätigung auszuüben, die eine bundähnliche Verbindung mit Heiden und ihren Götzen darstellt und damit ernsthaft den Bund des Gläubigen mit seinem Gott verletzt.
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Beobachtungen: Paulus sieht die Gläubigen von Jesus Christus geleitet, die Ungläubigen dagegen von Beliar. Beliar erscheint in der Bibel nur hier. Der Eigenname ist vermutlich vom hebräischen Begriff "belijja’al“ hergeleitet, der das Verderben oder die Unnützlichkeit bezeichnet. Böse Menschen heißen im AT "Leute des Verderbens“ (vgl. Dtn 13,14; Ri 19,22; 20,13 u. a.). In den Pseudepigraphen (v. a. MartJes und TestXII) ist Beliar Verführer zur Sünde und Beherrscher der Sünder, in den Qumranschriften der "Engel der Finsternis“ (vgl. 1QS 3,21ff. u. a.) und Anführer der Söhne der Finsternis im Krieg gegen die Söhne des Lichtes (vgl. 1QM 4,2; 13,2.4.11-12; 14,9-10). 2 Kor 6,15 scheint also vom Gedankengut der Pseudepigraphen und der Qumranschriften (v. a. Zwei-Geister-Lehre und Kriegsregel) geprägt zu sein.
Gläubige und Ungläubige stehen sich unvereinbar gegenüber. Diese Gegensätzlichkeit lässt annehmen, dass Paulus mit den "Ungläubigen“ tatsächlich Menschen meint, die nicht an Jesus Christus glauben, und nicht seine christlichen Widersacher. Die Übergänge zwischen recht- und fehlgeleiteten Christen sind zu fließend, als dass eine solch strenge Gegenüberstellung angebracht wäre.
Weiterführende Literatur: R. Reck 1991, 290-316 macht deutlich, dass man die radikale Unterscheidung des Paulus zwischen Gläubigen und Ungläubigen nicht als völligen Rückzug aus der Welt verstehen dürfe. Es gehe um eine Abgrenzung im ethischen und religiösen Bereich, d. h. eine entschiedene Abkehr von allem, was mit Götzendienst zu tun hat, und von allen Lastern der Umwelt, um ein wirklich heiliges Leben in der Gemeinschaft des heiligen Gottesvolks zu führen. So sei den paulinischen Gemeinden die gleiche Aufgabe gestellt, die im Johannesevangelium nur mit anderen Begriffen ausgedrückt werde, nämlich "in der Welt“ zu leben, ohne "von der Welt“ zu sein. Die Abgrenzung von den Heiden sei da geboten, wo die Gemeinschaft mit ihnen ein unmerkliches Aufweichen der Unterscheidung von Gemeinde und Welt, ein Vernachlässigen der Christus- und Geschwisterbeziehungen, im Extrem einen Rückfall in die alten Kulte und Sünden bedeuten würde. Der Kontakt in den Beziehungen des alltäglichen Lebens hingegen bleibe unbedenklich; er sei ja unvermeidlich, sei notwendig zur Bewältigung des Lebens und eröffne in Verbindung mit dem so anderen individuellen Profil der Gläubigen nicht zuletzt auch Chancen für die Verbreitung des Evangeliums und damit für das Wachstum der Gemeinden.
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Beobachtungen: In V. 16 legt Paulus das, wieso die Adressaten keine gemeinsame Sache mit den Ungläubigen machen sollen. Ausgangspunkt ist der Gedanke, dass die Adressaten "Tempel Gottes“ sind. Wie im Jerusalemer Tempel JHWH, der Gott der Israeliten, wohnt, so wohnt in den Korinthern der heilige Geist (vgl. 1 Kor 3,16; 6,19). Weder der Gott JHWH noch der heilige Geist hat etwas mit den Götzen und ihren figürlichen Darstellungen, den Götzenbildern, gemein, weshalb es gilt, sich von diesen fern zu halten.
Paulus betont, dass nicht die Ungläubigen, sondern nur die Gläubigen, zu denen er, Timotheus und die Adressaten gehören, Tempel Gottes sind. Im Gegensatz zu den nichtigen, toten Götzen der Ungläubigen ist der Gott der Christen lebendig. Nur so kann von ihm der heilige Geist ausgehen und wirken.
Seine Aussage begründet Paulus mit einem Schriftzitat, das er jedoch nur undeutlich als solches mittels der Formulierung "Wie Gott gesprochen hat“ kennzeichnet. Das Schriftzitat besteht genau genommen aus einer Kombination von zwei Schriftzitaten, und zwar Lev 26,11-12LXX (ohne V. 11b) und Ez 37,27. Aus ersterem Text geht hervor, dass JHWH nach der Landnahme inmitten des Volkes Israel wohnen wird, sofern es seine Satzungen und Gebote hält. Im Mittelpunkt steht nicht das Wohnen in einem Tempelgebäude im eigentlichen Sinn, sondern das Dasein inmitten des Volkes. Eines der wesentlichen Gebote ist die Forderung, sich von Götzenbildern fernzuhalten (vgl. Lev 26,1 u. a.). Ez 37,27 bekräftigt die Zusammengehörigkeit von JHWH und seinem Volk Israel.
Paulus bezieht die Zitate nun auf die Christen als wahres Volk Gottes und auf Gott Vater, dessen Sohn Jesus Christus und den heiligen Geist.
Weiterführende Literatur: B. H. Throckmorton 1982, 498-499 legt dar, dass sich nur in den Qumran-Schriften und im NT die Vorstellung eines von Menschen gebildeten Tempel finde. Wie 1 Kor 3,16-17 sei mit diesem neuen, nicht aus Stein gebauten Tempel, die Heiligkeit verbunden.
Laut M. Crüsemann 2004, 364-367 werde das paulinische Bild von der Gemeinde als Tempel Gottes aus 1 Kor 3,16.17; 6,19 in 2 Kor 6,16 gemäß des Kontextes seit 6,11 ausgeweitet auf deren enge Gemeinschaft mit den Aposteln.
J. M. Scott 1994, 73-99 untersucht die Zitate in V. 16c18 und deren atl. bzw. jüdischen Hintergrund. Zum Gebrauch von 2 Sam 7,14 in 2 Kor 6,18 und der Verbindung dieses Verses mit Gal 4,5 siehe J. M. Scott 1992, 187-220.
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Beobachtungen: Paulus greift in seiner Kombination von Zitaten den atl. Gedanken der Absonderung des Gottesvolks von der andersgläubigen Umgebung auf (vgl. Jes 52,11; Ez 20,34.41). Die konsequente Fortführung des Absonderungsgedankens führt zur Forderung nach einem eigenen Land, was erklärt, dass im AT das gelobte Land Israel als "Land, in dem Milch und Honig fließen“ eine große Rolle spielt. Dieses Land ist Ziel bei dem Auszug der Israeliten aus dem fremden Land Ägypten, und es ist auch Ziel des Volkes bei der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft.
Das Verb "ausziehen“ lässt an eine räumliche Bewegung denken. Paulus dürfte es jedoch nicht um die Gründung eines eigenen Staates gehen, denn seine Mission ist ja gerade länderübergreifend und hat nicht die räumliche Begrenzung des Gottesvolkes der Christen als Ziel. Vielmehr geht es ihm um die universale Ausdehnung des Christentums. Paulus will jedoch, dass das Christentum nicht durch Angleichung an die Umwelt verdorben wird und sein ganz besonderes Wesen verliert. Es geht also schwerpunktmäßig um Absonderung: Das Gottesvolk der Christen ist heilig und soll sich daher von Unreinem fernhalten.
Was genau als unrein anzusehen ist, lässt Paulus offen. Im Vergleich zum atl. Verständnis von Reinheit dürfte das rechte Verhalten im alltäglichen Leben eine verstärkte Rolle spielen. Der kultischen Reinheit dagegen, der sich viele atl. Gebote und Satzungen widmen, dürfte dagegen eine vermindere Bedeutung zukommen. In Jes 52,11LXX steht "das Unreine“ im Gegensatz zu den "(heiligen) Geräten des Herrn“ und meint vermutlich die von den Babyloniern benutzten heidnischen Kultgeräte. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass auch in 2 Kor 6,17 nur ein Fernhalten vom heidnischen Gottesdienst im Blick sei, denn dafür sind in diesem Vers die Formulierungen viel zu allgemein und umfassend.
Die Christen sind nicht automatisch mit ihrer Taufe Gottesvolk, sondern es gehört auch ein entsprechendes Leben dazu. Wenn das Gottesvolk auf Abwege gerät, kommt es zu einer Entfremdung des Volkes von seinem Gott. Kehrt es wieder auf den rechten Weg zurück, so wendet es sich wieder zu seinem Gott hin, der wiederum sein Volk wieder annimmt. Dieser Gedanke findet sich auch in dem Vers Ez 20,41, den Paulus vermutlich aufnimmt. Die Vorstellung, dass das Gottesvolk seinem Gott entsprechen müsse, wird am deutlichsten in Lev 19,2 ausgedrückt, wo es heißt: "Ihr sollt heilig sein, denn heilig bin ich, JHWH, euer Gott.“
Weiterführende Literatur: C. Heil 1996, 717-729 möchte eine kleine Beobachtung mitteilen, die seiner Meinung nach bei der Behandlung des Textes bisher noch zu wenig Beachtung gefunden habe. Dazu geht er in vier Schritten vor: Nach einigen Bemerkungen zur Methode der Literarkritik wird kurz der status quaestionis bezüglich 6,14-7,1 vorgestellt. Dann wird drittens als "Prüfstein“ die Sprache der Absonderung in V. 17 und bei Paulus untersucht, woraus viertens Konsequenzen für die Literarkritik von 6,14-7,1 gezogen werden.
V. Rabens 2006, 43-66 befasst sich mit der Identitätsbildung gemäß 2 Kor 6,14-7,1. Mit dem erfolgten neuen Exodus seien die korinthischen Gemeindeglieder der Tempel des lebendigen Gottes; Gott wohne unter ihnen. JHWH sei ihr Gott und sie seien sein Volk und seien ihm willkommen. Gott sei ihnen der Vater und sie seien seine Söhne und Töchter geworden. Dieses geänderte Selbstverständnis sei die Grundlage des "darum zieht … aus“. Für Paulus bedeute Identität allerdings mehr als nur über das Verhältnis zu sich selbst (oder zur eigenen Gruppe) und zur Welt nachzudenken. Paulus bringe bibelbasiert eine dritte Dimension ins Spiel: Es sei im neuen Bund das Verhältnis zu Gott das der vorrangige Faktor der Identitätsbildung der korinthischen Gemeindeglieder sei.
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Beobachtungen: Die Annahme gleicht einer Adoption: Gott wird den Christen zum Vater, die adoptierten Christen werden ihrem Gott zu Söhnen und Töchtern. Paulus zitiert 2 Sam 7,14LXX (das Sprechen des "Herrn“ ist aus 2 Sam 7,8 entnommen), wo die Annahme von König David und seinen Nachkommen verheißen ist, doch bezieht er die Aussage auf die Christenheit. Ein Zwischenschritt zu dieser Übertragung findet sich in Jer 31,9, wo der Gott JHWH sagt, dass er Israels Vater und Ephraim sein erstgeborener Sohn sei. Da die Christenheit Männer und Frauen umfasst, spricht Paulus von "Söhnen“ und "Töchtern“. Gemäß 2 Sam 7,14 umfasst die liebevolle väterliche Annahme jedoch auch die Züchtigung des Sohnes, sofern sich dieser sich Fehltritte zukommen lässt. Diesen Gedanken greift Paulus zwar nicht auf, doch ist er als Bestandteil des Verses, den Paulus zitiert, zu bedenken.
Paulus bezeichnet den "Herrn“ als "Allherrscher“. Das bedeutet, dass aus seiner Sicht der "Herr“ über die ganze Welt samt allen Mächten, seien sie gut oder böse, herrscht. Der Gedanke der Allherrschaft findet sich insbesondere auch in 1 Kor 15,20-28, allerdings herrscht dort genau genommen Gott erst dann über die ganze Welt und alle Mächte, wenn der letzte Feind, der Tod, von ihm (oder Jesus Christus) unterworfen ist und sich ihm schließlich auch Jesus Christus freiwillig untergeben hat. Die Allherrschaft betrifft somit die Zeit nach dem Weltende, nicht jedoch die Zeit davor.
Weiterführende Literatur: J. M. Scott 1992, 187-220 kommt aufgrund traditionsgeschichtlicher Beobachtungen und u. a. seines Aufweises der sachlichen Beziehung zwischen dem Adoptionsformular in 2 Kor 6,18 und der "Sohnschaft“ in Gal 4,5 sowie der Nachzeichnung der Tradition von 2 Sam 7,14 im Judentum (4QFlor 1,11; Jub 1,24; TestJud 24,3) zu dem Ergebnis, dass 2 Kor 6,14-7,1 paulinisch sei. Der Abschnitt unterbreche nicht den Zusammenhang, sondern trage vielmehr zur Argumentation bei und schließe die gesamte Apologie ab.
J. W. Olley 1998, 204-212 merkt an, dass ein typisches Merkmal der New Revised Standard Version die Vermeidung allzu maskuliner Sprache sei. Wo im NT von Söhnen die Rede sei, werde oft mit "Kinder“ übersetzt und damit das weibliche Geschlecht eingeschlossen. An dieses Merkmal erinnere 2 Kor 6,18, wo neben den Söhnen auch die Töchter erwähnt werden, was einzigartig in der paulinischen Briefsammlung sei. J. W. Olley sieht diese Formulierung wie auch die Gesamtheit der V. 16-18 als von atl. Gedankengut geprägt: Die atl. Anspielungen in V. 16-18 stammten aus ähnlichen Kontexten der Warnung vor einem Verbinden des Gottesdienstes für den Gott Israels mit demjenigen für andere Götter. In V. 18 klinge Dtn 32,19 an − ein weiteres Beispiel für Paulus’ Gebrauch von Dtn 32. Ein weiterer Einfluss sei der für das NT nicht typische atl. Brauch, in erzieherischen und familiären Zusammenhängen sowohl von "Söhnen“ als auch von "Töchtern“ zu sprechen.
J.-N. Aletti 2002, 153-174 befasst sich mit der paulinischen Ekklesiologie. Er skizziert zunächst die Wandlung der Ekklesiologie von den paulinischen Briefen über die deuteropaulinischen Briefe bis hin zu den tritopaulinischen Briefen, wie sie gemeinhin angenommen werde: Demnach basiere die paulinische Ekklesiologie auf der Vorstellung des "Gottesvolkes“, und zwar wegen der Notwendigkeit, die Christen − insbesondere die Heidenchristen − in einen Bezug zu den Verheißungen und dem Bund und damit in einen Bezug zum Volk Israel zu setzen. In den Deuteropaulinen (Kolosser- und Epheserbrief) seien dagegen die Metaphern vom Kopf und vom Leib bestimmend. Hier sei eine drastische Christologisierung der paulinischen Ekklesiologie festzustellen. In den Pastoralbriefen − so werde angenommen − basiere das christologische Modell auf der Vorstellung des "Hauses Gottes“, die vom "Haus“ im sozialen Sinn entlehnt sei. J.-N. Aletti macht anhand von 2 Kor 6,16b-18 und Röm 9,24-26 deutlich, dass die "Gottesvolk“-Vorstellung für die paulinische Ekklesiologie nicht so grundlegend sei, wie gewöhnlich angenommen. So hänge in ersterem Text die Adoptionsvorstellung nicht von der "Gottesvolk“-Vorstellung ab. In letzterem Text würden die Christen zwar mit dem Titel "Gottesvolk“ versehen, doch habe die "Gottesvolk“-Vorstellung keine entscheidende argumentative Funktion.
Laut S. Bieberstein 2008, 83-85 sei die Vorstellung von Gott als Vater Israels und Israel als Sohn Gottes (Jer 31,9) oder aber von Gott als Vater Davids und David als Sohn Gottes (2 Sam 7,14) mit der parallelen Nennung der Söhne und Töchter (Gottes) in Jes 43,6 kombiniert, um so zu der expliziten Erwähnung der Söhne und Töchter in 2 Kor 6,18 zu gelangen. Die Frage, was den Verfasser dazu brachte, explizit von den "Töchtern Gottes“ zu sprechen, obwohl dies weder vom atl. Hauptzitat so vorgegeben war, noch von den Themen des Briefkontextes erforderlich scheint, lasse sich kaum beantworten. Allerdings liege die Verbindung zum Taufbekenntnis Gal 3,26-28 nahe.
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Beobachtungen: Paulus begründet das geforderte Verhalten mit den vorausgehenden Verheißungen, wobei wohl die in V. 16-18 genannten im Blick sind: Gott wird unter den Christen wohnen und wandeln, und er wird ihr Gott sein, und die Christen werden sein Volk sein. Gott wird die Christen die Christen als seine Söhne und Töchter annehmen und somit ihr Vater sein.
Aufgrund dieser Verheißungen sollen sich die Christen - Paulus meint sich hier mit dem "wir“ sicherlich nicht allein - von jeglicher Befleckung reinigen und die Heiligung vollenden. Die Präzisierung "von jeglicher Befleckung des Fleisches und Geistes“ macht deutlich, dass die Reinigung sowohl körperliche als auch geistige Aspekte betreffen und somit den ganzen Menschen umfassen soll. Auf die Ganzheitlichkeit der Reinigung kommt es an. Was genau unter der Reinigung zu verstehen ist, bleibt jedoch offen - eine Präzisierung würde auch dem allumfassenden Charakter widersprechen. Ziel ist ein in allen Aspekten des Lebens tadelloses Verhalten. Dieses scheint bisher nicht gegeben zu sein, denn sonst gäbe es aufgrund der schon vorhandenen Reinheit keinen Grund zur Reinigung. Allerdings scheint auch kein völlig sündhaftes Leben vorzuliegen, denn sonst hätte Paulus kaum formuliert, dass die Furcht Gottes vollendet werden solle. Paulus sieht sich selbst und die Adressaten schon im Zustand einer teilweisen Reinheit, die es jedoch mittels weiterer Reinigung zu vollenden gilt. Mit der Reinigung geht die Heiligung einher. Ob sich Paulus hinsichtlich der Reinheit von seinen Adressaten unterscheidet, lässt sich V. 1 nicht entnehmen. Voraus hat er ihnen auf jeden Fall das Bewusstsein, dass Reinigung und Heiligung erforderlich sind, denn nur so ist er zur Ermahnung in der Lage. Dass Paulus sich von den Adressaten im Hinblick auf Reinheit und Heiligung nicht eindeutig abgrenzt, obwohl er sich ja noch in 2 Kor 6,1-10 als tadelloser Apostel dargestellt hat, mag damit zusammenhängen, dass im Hinblick auf die Taufe zwischen ihm und den anderen Christen kein Unterschied besteht. Die Verheißungen und die Forderungen betreffen alle Getauften gleichermaßen. Möglicherweise betrachtet Paulus die Taufe als den ersten Schritt der Reinigung und Heiligung.
Wenn Paulus schreibt, dass die Heiligung in der Furcht Gottes vollendet werden solle, so ist damit ausgesagt, vor wem sich die Christen verantworten müssen: Gott.
Weiterführende Literatur:
Literaturübersicht
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