Röm 8,28-30
Übersetzung
Röm 8,28-30:28 Wir wissen aber, dass denen, die (den) Gott lieben, alles zum Guten verhilft - denen, die nach [seinem] Ratschluss berufen sind. 29 Denn die, die er im voraus ausersehen hat, hat er auch von vornherein dazu bestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, auf dass er Erstgeborener unter vielen Brüdern sei. 30 Welche er aber im Voraus bestimmt hat, die hat er auch berufen; und welche er berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt; welche er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht.
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Beobachtungen: Paulus schreibt „wir wissen aber“, wobei sich die Frage stellt, wer „wir“ ist. Zunächst einmal ist bei ihm selbst als Verfasser des Geschriebenen das Wissen vorauszusetzen. Das Personalpronomen kann sich durchaus allein auf den Apostel beziehen. Es ist aber auch gut möglich, dass weitere Personen in das „wir“ einbezogen sind. Am ehesten ist dabei an die Adressaten zu denken. Doch ist fraglich, woher diese das Wissen haben sollten. Ist dieses aus der schriftlichen Korrespondenz der Römer mit Paulus hervorgegangen? Oder hat er von Missionaren, die in Rom gewirkt haben, die Kunde von der Kenntnis der Römer erhalten? Oder handelt es sich um christliches Basiswissen, das bei allen Christen vorauszusetzen ist? Oder hat er das Angesprochene Christen gelehrt, die später nach Rom (zurück)gezogen sind? Sollte letztere Annahme richtig sein, müsste Paulus diese Christen beauftragt haben, das Gelernte an die anderen Christen in Rom weiterzugeben.
Paulus macht eine theologische Aussage, wobei er deren Gültigkeit auf eine bestimmte Personengruppe begrenzt. Die theologische Aussage lautet: Alles verhilft (synergei) zum Guten. „Alles“ („panta“) kann, muss jedoch nicht Subjekt des Satzes sein. Das hängt damit zusammen, dass „panta“ sowohl ein Nominativ als auch ein Akkusativ sein kann. In ersterem Fall wäre „alles“ tatsächlich das Subjekt, das zum Guten verhilft. In letzterem Fall wäre das Subjekt zumindest im griechischen Text der 27. Aufl. von Nestle-Aland nicht genannt. Am ehesten wäre an Gott, der in V. 28 erwähnt wird, oder an den Geist, dessen Wirken in V. 26-27 beschrieben wird und der an anderer Stelle Subjekt von zwei weiteren syn-Verben ist (V. 16: symmartyrei, V. 26: synantilambanetai), zu denken. Dann wäre es Gott bzw. der Geist, der alles zum Guten wirkt. In einer Textvariante wird Gott auch ausdrücklich als Subjekt genannt.
Unklar ist, was mit „alles“ gemeint ist. Handelt es sich um die nicht angemessenen Gebete, die im vorhergehenden Abschnitt 8,26-27 zur Sprache kommen? Oder handelt es sich um das sehnsüchtige Warten und Seufzen, das in 8,(18)22-25 Thema ist? Oder bezieht sich „alles“ zurück auf V. 18, wo von den Leiden der gegenwärtigen Zeit die Rede ist? Oder schließt „alles“ gar das gesamte Leben der Christen mit allen Erfahrungen und Handlungen ein? Letztere Annahme ist sicherlich in dem Sinne einzuschränken, dass nur Handlungen, die der christlichen Ethik nicht wiedersprechen, zum Guten verhelfen.
Das „Gute“ ist sicherlich nicht im allgemein ethischen Sinn, sondern im eschatologischen Sinn zu verstehen. Es handelt sich um das, was verheißen ist und dem Heilsplan Gottes entspricht, der am Ende der Tage zu seiner Vollendung kommt. Zum Guten dürfte somit auch die von den Gläubigen sehnsüchtig erwartete Befreiung von der Sklaverei der Vergänglichkeit zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes gehören (vgl. 8,21.23).
Bei der Personengruppe, auf die Paulus die Gültigkeit der theologischen Aussage beschränkt, handelt es sich um diejenigen, die Gott lieben. Gottesliebe zeigt sich im Glauben und in einem dem Glauben entsprechenden, gottgefälligen Leben. Dabei ist nicht dem Zufall überlassen, wer Gott liebt. Das macht Paulus mit der nachgeschobenen Aussage deutlich, dass die, die Gott lieben, nach dem Ratschluss - gemeint ist vermutlich: Gottes Ratschluss - berufen sind. Die Berufungen sind also von vornherein von Gott festgelegt.
Weiterführende Literatur: W. Schmithals 1980 legt dar, dass das zentrale Zeugnis paulinischer Theologie, der Römerbrief, in Kapitel 7-8 einen in sich geschlossenen, ursprünglich eigenständigen Lehrtext, eine „kleine Dogmatik“ aus relativ früher Zeit paulinischer Unterweisung enthalte. Dieser Text könne als ein Gesamtentwurf theologischer Anthropologie angesehen werden. Paulus entwickle keine Gotteslehre, sondern beschreibe den Menschen als Sünder und Glaubender vor Gott. Er entwerfe keine Christologie und keine Versöhnungslehre, sondern spreche von dem durch Christus mit Gott versöhnten Menschen. Selbst die Eschatologie werde „existenzial“ – vom Seufzen des Menschen her – entfaltet. Insofern sei die „theologische Anthropologie“ des Paulus keineswegs überholt, sondern könne nur je wieder eingeholt werden, wie dies Augustinus, Luther, Kierkegaard und Bultmann je auf ihre Weise versucht hätten.
Eine ausführliche Studie zu 8,18-30 bietet A. Gieniusz 1999, der den Text als Einheit versteht, die wiederum in mehrere kleine literarische Einheiten untergliedert sei. Der Text füge sich problemlos in den gesamten Gedankengang Röm 5-8 ein.
J. C. Beker 1994, 26-32 untersucht die Stellung von 8,17-30 im Briefganzen, die Anordnung und Abgrenzung des Abschnitts sowie exegetische und theologische Streitfragen. Gefragt wird nach der Bedeutung der Aussagen des Abschnitts für die Leser in der heutigen Zeit.
Mit der Gottesliebe bei Paulus befasst sich T. Söding 1989, 219-242, der auf S. 234-235 konkret auf 8,28 eingeht. Die Parallelen zu V. 28a sprächen dafür, dass der Satz in den Umkreis der frühjüdischen Weisheit gehört. Das Logion gebe dem Vertrauen derer, die Gott lieben, Ausdruck, er werde ihnen auf ihre Liebe hin in jeglicher Weise alles zum Guten führen. Die Gottesliebe erscheine so (wiederum) einerseits als Antwort auf Gottes Heilshandeln und andererseits als Voraussetzung, seiner Gnade würdig zu werden.
Eine ausführliche Studie zur Frage, wie die soteriologische Spannung des „schon“ und „noch nicht“ der Rettung in Röm 8 zur Sprache kommt, bietet Z. I. Herman 1987, 26-84.
Die Spannung von Segen und Schuldigkeit im geistgewirkten Leben thematisiert anhand von Röm 8 R. J. Dillon 1998, 682-702.
J. R. Harrison 1999, 79-91 vertritt die Ansicht, dass die Herrschaft der Gnade (Röm 5,12-21) und die neue Schöpfung (Röm 8,18-39) auf zwei verschiedenen kulturellen Hintergründen zu verstehen seien. So seien zum einen die zwei Zeitalter, der Sündenfall Adams und die neue Schöpfung, grundlegend für die jüdische apokalyptische Eschatologie gewesen. Zum anderen habe aber die Betonung des Übermaßes der Gnade auch kaiserliche Assoziationen hervorgerufen. So seien die Hörer an die eschatologischen Motive augusteischer Wohltaten erinnert worden. Dabei seien sie aber von Paulus darauf hingewiesen worden, dass Christi Wohltätigkeit diejenige der Kaiser übersteigt.
Einen Überblick über die wesentlichen Fragestellungen bezüglich des Verbs „synergei“ („er/sie/es bewirkt/verhilft“) bietet M. S. Gignilliat 2006, 511-515: Wer bewirkt/verhilft – „alles“, „Gott“ oder „der Geist“? Ist „synergei“ ein transitives oder intransitives Verb, d. h. wirken Personen oder Dinge im Hinblick auf etwas zusammen (intransitiv) oder bewegen sie Dinge zum Zusammenwirken (transitiv)? Folgende Antworten würden meist gegeben: a) „Gott“ ist das Subjekt des intransitiven Verbs „synergei“. Gott wirke mit allen Dingen zusammen. b) „Gott“ sei das Subjekt des transitiven Verbs „synergei“ und „alles“ diene als direktes Objekt: Gott bewirke alles. c) „Gott“ wird – entgegen der besseren Lesart - aus dem Text eliminiert und „alles“ als Subjekt des intransitiven Verbs angesehen: Alle Dinge wirken für das Gute zusammen. d) Der „Geist“ sei das Subjekt mit einem intransitiven Verb: Der Geist wirke mit allen Dingen zugunsten derer, die Gott lieben. M. S. Gignilliat hält „Gott“ für das Subjekt des intransitiven Verbs „synergei“, wobei Gott mit dem Geist zum Guten für sein Volk wirke.
P. R. Rodgers 1995, 547-550 gibt zunächst einen Überblick über englische Übersetzungen von V. 28 und die zugrunde liegenden Fassungen des altgriechischen Textes. Er meint, dass der V. 28 ein Widerhall von Gen 50,20 sein könne, der sich in Röm 9-11 fortsetze. Subjekt des widerhallenden Satzes sei wohl Gott.
C. D. Osburn 1982, 99-109 befasst sich ausgiebig mit verschiedenen Auslegungen von V. 28. Am wahrscheinlichsten sei, dass der im vorherigen Vers genannte Gott – die Nennung von Gott in V. 28 sei wohl eine sekundäre Ergänzung – das Subjekt ist, dem der Akkusativ „alles“ zugeordnet ist. V. 28 lasse sich mit „God works in all things for good“ wiedergeben.
D. E. Hiebert 1991, 170-183 setzt bei seinem Artikel die Deutung voraus, dass Gott alle Dinge bewege, zusammen zum Guten derer zu wirken, die Gott lieben. Er geht der Frage nach, wie solch eine positive Aussage zu den negativen Erfahrungen von Leid und Katastrophen passt. Ergebnis: Es sei die Absicht des liebenden Gottes, in den Christen als seine Kinder Christgleichheit zu entwickeln und sie so auf den zukünftigen Tag vorzubereiten, an dem Christus wiederkehre und seine Gläubigen heimnehme. Dann würden die Gläubigen jubeln und Gott dafür danken, was er an ihnen tut.
Laut H. Hommel 1989, 126-129 dürften wir annehmen, dass sich hinter dem mit „wir wissen, dass“ („oidamen de“) eingeleiteten V. 28 ein „geflügeltes Wort“ verbirgt, hinter dem letztlich als Urquelle ein Platonzitat steht.
O. Wischmeyer 1987, 141-144 hat die Traditionsgeschichte der Wendung „Gott lieben“ zum Thema. Es handele sich um ein traditionelles theologisches Epitheton, das in einem bestimmten theologischen Zusammenhang für den jüdischen Frommen und Gerechten benutzt werde. Paulus habe diese jüdische Tradition übernommen, jedoch nicht weitergeführt, sondern nur gezielt polemisch eingesetzt und durch die „Liebe des Geistes“ ersetzt, die im Verständnis des Paulus eindeutig und keinen Missverständnissen ausgesetzt sei.
Laut J. Adam 2009, 339-354 bringe Paulus in Röm 8,28-30 den göttlichen Ratschluss als göttlichen Heilsratschluss zu Gehör.
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Beobachtungen: Dass die Gottesliebe nicht von der Nachfolge Christi zu trennen ist, geht aus V. 29 hervor. Gottes Sohn, Jesus Christus, nimmt eine zentrale Stellung im Heilsplan Gottes ein. Dem von Gottesliebe geprägten Leben geht ein Ratschluss Gottes, also die Ausersehung von Menschen für ein solches Leben, voraus. Mit der Ausersehung der Menschen ist zugleich eine Bestimmung verbunden, nämlich diejenige, dem Bilde des Sohnes gleichgestaltet zu werden. Mit dem „Bild des Sohnes“ ist wohl nicht die äußerliche Gleichheit gemeint, sondern das Mitleben des mit Jesus Christus verbundenen Heilsgeschehens. Es ist an das Gottvertrauen zu denken, das Jesu Leben prägte und schließlich zum Kreuzestod und zur Auferweckung von den Toten führte. Es ist auch an das Mitleiden, Mitsterben und Mitauferstehen mit Jesus zu denken, wie es in der paulinischen Tauftheologie (vgl. 6,1-11) zum Ausdruck kommt. Das Mitsterben erfolgt in der Taufe, auf die ein „neues Leben“ folgt. Dieses ist zum einen durch Gottvertrauen, zum anderen aber auch durch Leiden geprägt, die wie Entbehrungen bei der Mission oder Verfolgungen durch Nichtchristen spezifisch christlich sein können (vgl. 2 Kor 11,23-28). Das „neue Leben“ ist am Willen Gottes ausgerichtet. Ihm liegt der Glaube zugrunde, dass das Mitleben des Schicksals Jesu zugleich Anteilhabe am Heil bedeutet. Die zentrale Heilshoffnung ist die Auferstehung, die verheißen ist, aber noch aussteht. Wer mit Jesus leidet und stirbt, wird auch mit Jesus auferstehen und wie dieser einen himmlischen Leib annehmen (vgl. 1 Kor 15,35-49, wobei in V. 49 vom Tragen des Bildes des himmlischen Menschen die Rede ist, und Phil 3,20-21).
Auf dem Hintergrund der Gleichgestalt ist sicherlich auch zu verstehen, dass Jesus Christus als „Erstgeborener“ („prôtotokos“) und die Gläubigen als „Brüder“ (oder: „Geschwister“) bezeichnet werden. Ein solch enges Verwandtschaftsverhältnis wie die Bruderschaft bringt häufig Ähnlichkeiten bezüglich Aussehen und Charaktereigenschaften und im Extremfall auch hinsichtlich Lebensweise und -schicksal mit sich. Als Bruder gleicht Jesus Christus den anderen Brüdern, als „Erstgeborener“ ist er jedoch herausgehoben. Der „Erstgeborene“, also der Sohn eines Elternpaares, der als erster geboren wurde, hat nämlich insbesondere im Hinblick auf das Erbrecht eine Vorrangstellung inne. Dementsprechend bezeichnet Paulus in Röm 8,17 Jesus Christus als „Erben“ und die Christusgläubigen als „Miterben“ des Verheißenen. Desweiteren ist „Erstgeborener“ eine Bezeichnung für den König aus dem davidischen Hause, auf dem die Heilshoffnung ruht und der als Vorbild und Höchster aller Könige gilt (vgl. Ps 88,28LXX = Ps 89,28; Hebr 1,6; Offb 1,5). Ihm gebührt die wahre Verehrung.
Weiterführende Literatur: S. C. Keesmaat 1994, 29-56 legt dar, dass in den Bildern von 8,14-30 eine Vielzahl atl. Texte anklinge, darunter insbesondere Texte der Exodustradition (u. a. Dtn 32). Paulus setze sich mit der Frage nach Gottes Treue gegenüber Israel auseinander. Diese Auseinandersetzung resultiere in einer Umwandlung der Tradition, wie sie sich ähnlich bei Jesaja und Jeremia finde, die sich mit der gleichen Frage beschäftigt hätten. Ausführlich auf die Exodustradition in 8,14-39 und die Schöpfung geht S. C. Keesmaat 1999, 97-135 ein. Welche Funktion die Exodustradition in 8,14-39 hat, wird auf S. 136-154 thematisiert.
A. Valentini 2004, 345-359 legt in seiner Auslegung von Röm 8,28-30 und Eph 1,3-14 dar, dass der göttliche Plan hinsichtlich aller Gläubigen seine volle Bedeutung und endgültige Erfüllung in der Person Maria, der Mutter Jesu, erlange. A. Valentini schenkt der einzigartigen Beziehung zwischen Maria und der Kirche besonderes Augenmerk.
Die göttliche Sohnschaft Christi im Römerbrief hat L. W. Hurtado 1999, 217-233 zum Thema, wobei auf S. 229-232 Röm 8 behandelt wird.
Zur Verwandlung der Erwählten als Auftakt der endzeitlichen Befreiung der Schöpfung gemäß Röm 8,29-30 siehe F. Back 2002, 185-198.
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Beobachtungen: V. 30 bietet eine Kette der Heilsgeschichte, die mit der Vorausbestimmung, dem Heilsplan, beginnt und mit der Verherrlichung endet. Alle Schritte der Kette erscheinen als bereits vollzogen, obwohl zumindest die endgültige Rechtfertigung und die Verherrlichung noch ausstehen. Das lässt sich theologisch damit erklären, dass den Christen Rechtfertigung und Verherrlichung nicht nur verheißen, sondern durch den Besitz des heiligen Geistes zugesichert sind - so fest, dass sie als schon vollzogen erscheinen.
Weiterführende Literatur: Unter Aspekten des Umweltbewusstseins betrachtet T. A. Vollmer 2009, 789-797 den Abschnitt Röm 8,18-30. Die Stimme der Schöpfung sei von Gott gegeben und Umweltbewusstsein beginne mit einer sorgfältigen theologischen Hermeneutik. So sei der Text von einer theozentrischen Perspektive aus zu lesen. Gott sei mittels seines Geistes in der Welt wirksam. Er sei als Schöpfer, Erlöser und Heiligender aktiv. Die Menschen sollten die Welt von der Sicht Gottes als Schöpfer aus betrachten und sich selbst als – nach dem Bilde Gottes – geschaffenes Wesen verstehen.
J. Lambrecht 1990, 3-18 betont mit Blick auf 8,19-30, dass der nichtmenschlichen Welt an sich keine Bedeutung zukomme, Die Bedeutung erlange sie durch ihre Bezogenheit auf den Menschen und ihre Zukunft sei Teilhabe an der Erlösung der Menschen, konkret der Christen. Dabei stelle die zukünftige Herrlichkeit nicht die Folge einer fortwährenden Entwicklung, sondern einen Bruch dar. Gerade das anthropozentrische Weltbild – mehr noch als das „öko-zentrische“ – sei es, das dem Menschen eine besondere Verantwortung im Umgang mit der Umwelt beimisst.
B. Lindars 1985, 766-782 macht zunächst die erstaunliche Tatsache bewusst, dass Paulus zwar einerseits nicht verlangt, dass die zum christlichen Glauben übertretenden Heiden das jüdische Gesetz beachten müssen, er aber andererseits darauf besteht, dass sie die zeitgenössische jüdische apokalyptische Eschatologie in ihrer christlichen Form als einen wesentlichen Bestandteil ihres neuen Glaubens akzeptieren. Diese Feststellung ist der Ausgangspunkt für die von B. Lindars untersuchte Frage, inwieweit Paulus im Hinblick auf die Lehre von den endzeitlichen Ereignissen vom rabbinischen Judentum geprägt war und welche dogmatischen Aspekte er selbst hinzugefügt hat. Ergebnis: Im Hinblick auf Röm 8,18-39 sei festzustellen, dass Paulus von der bevorstehenden Wiederkunft Christi samt allgemeiner Auferstehung der Toten und Gericht ausgeht. Schon im gegenwärtigen Leben beginne die Verwandlung der Christen durch den Geist, womit Eingliederung in den Leib Christi verbunden sei. Dieses Geschehen setze sich nach dem Tod bei denen, die Christi nahe sind, fort, aber komme bis zur Wiederkunft Christi nicht zu einem Abschluss. Bei dem Geschehen handele es sich um eine moralische Wandlung. Paulus mache also Angaben zum Zwischenzustand bis zur Wiederkunft Christi, doch lasse er nichts Genaues über den endgültigen Zustand, den er doch so sehnsüchtig erwarte, verlauten. Die sei für die jüdische Eschatologie typisch, die über die zukünftige Glückseligkeit nur in allgemeinen Worten spreche.
Literaturübersicht
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Adam, Jens; Paulus und die Versöhnung aller. Eine Studie zum paulinischen Heilsuniversalismus, Neukirchen-Vluyn 2009
Back, Frances; Verwandlung durch Offenbarung bei Paulus: eine religionsgeschichtlich- exegetische Untersuchung zu 2 Kor 2,14-4,6 (WUNT II/153), Tübingen 2002
Beker, J. Christiaan; Vision of Hope for a Suffering World: Romans 8:17-30, PrincSB; Supplementary issue 3 (1994), 26-32
Dillon, Richard J.; The Spirit as Taskmaster and Troublemaker in Romans 8, CBQ 60/4 (1998), 682-702
Gieniusz, Andrzej; Romans 8:18-30: “Suffering Does Not Thwart the Future Glory” (University of South Florida international studies in formative Christianity and Judaism 9), Atlanta, Georgia 1999
Gignilliat, Mark S.; Working Together with Whom? Text-Critical, Contextual, and Theological Analysis of synergei in Romans 8,28, Bib. 87/4 (2006), 511-515
Harrison, J. R.; Paul, Eschatology and the Augustan Age of Grace, TynB 50/1 (1999), 79-91
Herman, Zvonimir Izidor; Saggio esegetico sul “giá e non ancora” escatologico in Rm 8, Anton. 62/1 (1987), 26-84
Hiebert, D. Edmond; Romans 8:28-29 and the Assurance of the Believer, BS 148/590 (1991), 170-183
Hommel, Hildebrecht; Denen, die Gott lieben... Erwägungen zu Römer 8,28, ZNW 80/1-2 (1989), 126-129
Hurtado, Larry W.; Jesus’ Divine Sonship in Paul’s Epistle to the Romans, in: S. K. Soderlund, N. T. Wright [eds.], Romans and the People of God, FS G. D. Fee, Grand Rapids, Michigan 1999, 217-233
Keesmaat, Sylvia C.; Exodus and the Intertextual Transformation of Tradition in Romans 8.14-30, JSNT 54 (1994), 29-56
Keesmaat, Sylvia C.; Paul and His Story: (Re)Interpreting the Exodus Tradition (JSNT.S 181), Sheffield 1999
Lambrecht, Jan; The Groaning Creation: A Study of Rom 8:18-30, LS 15/1 (1990), 3-18
Lindars, Barnabas; The Sound of the Trumpet: Paul and Eschatology, BJRL 67/2 (1985), 766- 782
Osburn, Carroll D.; The Interpretation of Romans 8:28, WTJ 44/1 (1982), 99-109
Rodgers, Peter R.; The Text of Romans 8:28, JTS 46/2 (1995), 547-550
Schmithals, Walter; Die theologische Anthropologie des Paulus. Auslegung von Röm 7,17- 8,39 (Kohlhammer Taschenbücher 1021), Stuttgart 1980
Söding, Thomas; Gottesliebe bei Paulus, ThGl 79/3 (1989), 219-242
Valentini, Alberto; Lettura esegetica di Rm 8,28-30 e Ef 1,3-14, EphMar 54/3-4 (2004), 345- 359
Vollmer, Thomas; A Theocentric Reading of Romans 8,18-30, in: U. Schnelle [ed.], The Letter to the Romans (BETL 226), Leuven 2009, 789-797
Wischmeyer, Oda; THEON AGAPAN bei Paulus. Eine traditionsgeschichtliche Miszelle, ZNW 78/1-2 (1987), 141-144