Phil 2,25-3,1
Übersetzung
Phil 2,25-3,1:25 Ich habe es aber für nötig gehalten, Epaphroditus, meinen Bruder, (und) Mitarbeiter und Mitstreiter, euren Abgesandten und Diener in meiner Bedürftigkeit, zu euch [zurück] zu schicken. 26 Denn er hatte Heimweh nach euch allen und war in Unruhe, weil euch zu Ohren gekommen war, er sei krank geworden. 27 Und er war ja auch [tatsächlich] todkrank. Aber (der) Gott hat sich seiner erbarmt – nicht nur seiner, sondern auch meiner -, damit ich nicht Kummer über Kummer habe. 28 Umso eiliger habe ich ihn nun [zurück] geschickt, damit ihr wieder froh werdet, wenn ihr ihn seht, und auch ich eine Sorge weniger habe. 29 Nehmt ihn also im Herrn mit aller Freude auf und haltet Leute wie ihn in Ehren, 30 denn um des Christus-Werkes willen hat er das Leben aufs Spiel gesetzt bis an den Rand des Todes, um zu ergänzen, was an eurem Dienst für mich noch fehlte. 1 Im Übrigen, meine Geschwister, freut euch im Herrn! Euch [stets] dasselbe zu schreiben, ist mir (zwar) nicht lästig, euch aber [verleiht es] Festigkeit.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Ebenso wie in 2,19-24 geht es auch in 2,25-30 um eine Entsendung, nämlich um diejenige des Epaphroditus. Ebenso wie Timotheus erscheint auch Epaphroditus als zuverlässiger und guter Mitarbeiter des Apostels Paulus. Auch für 2,25-30 ist also anzunehmen, dass der Abschnitt unter dem Gesichtspunkt des Glaubensgehorsams gelesen werden muss. Sowohl Timotheus als auch Epaphroditus erscheinen als glaubensgehorsam, was erklärt, warum sie im Anschluss an den „Christushymnus“ (2,5-11), in dem Jesus Christus hinsichtlich des Glaubensgehorsams als Vorbild dargestellt wird, und die Ermahnung der Adressaten zum Glaubensgehorsam (2,12-18) in den Mittelpunkt des Interesses rücken.
Der Name Epaphroditus ist von dem Namen der griechischen Liebesgöttin Aphrodite (lateinisch: Venus) abgeleitet. Er hat seine Wurzeln also im griechischen Vielgötterglauben, dem vermutlich die Eltern des Epaphroditus anhängen/anhingen. Dennoch führt dieser ihn auch nach seiner Bekehrung zum Christentum weiter.
Fraglich ist, wie der Aorist „hêgesamên“ („ich habe … gehalten“) zu deuten ist. Gewöhnlich zeigt der Aorist eine kurzzeitige, bereits vergangene und abgeschlossene Handlung an. Demnach hätte Paulus die Rücksendung des Epaphroditus in der Vergangenheit für nötig gehalten. Der Aorist kann aber auch anzeigen, dass Paulus sich in die Lage der Empfänger versetzt, die den Brief ja erst später überbracht bekommen. Wenn sie den Brief in der Zukunft in Händen halten werden, wird Epaphroditus zurückgeschickt worden sein. Da er gemäß dieser Deutung zur Zeit der Abfassung des Briefes noch nicht zurückgeschickt wurde, kann man auch „ich halte…“ statt „ich habe gehalten…“ übersetzen.
Sollte Epaphroditus zur Zeit der Abfassung des Briefes an die Philipper tatsächlich noch nicht abgereist sein, so ist anzunehmen, dass er den Brief bei seiner Heimreise mitnimmt.
Epaphroditus steht zu zwei Seiten in enger Beziehung: Zum einen zu Paulus, zum anderen zur Gemeinde in Philippi. Die enge Beziehung zu Paulus geht daraus hervor, dass Epaphroditus als „Bruder“ („adelphos“), als „Mitarbeiter“ („synergos“), als „Mitstreiter“ („systratiôtês“) und als „Diener in meiner Bedürftigkeit/Not“ („leitourgos tês chreias mou“) bezeichnet wird. Mit den Philippern ist Epaphroditus als deren Gesandter eng verbunden.
Epaphroditus ist sicherlich nicht Paulus‘ leiblicher Bruder, sondern dessen geistlicher Bruder. Beide sind „Brüder“ im gleichen Glauben.
Als „Mitarbeiter“ ist Epaphroditus nicht einfach nur ein Glaubensgenosse, der sich um den bedrohten Paulus kümmert, sondern er wird eng mit der Evangeliumsverkündigung in Verbindung gebracht. Er arbeitet also demnach bei der Verkündigung des Evangeliums mit. Ob auch Epaphroditus predigt oder ob seine Mitarbeit darin beschränkt ist, dass er dem wichtigsten Missionar, dem Apostel Paulus, in der Bedrängnis beisteht, bleibt offen.
Der Begriff „Mitstreiter“ hat militärischen Charakter: Epaphroditus erscheint als Glaubenssoldat, der in einer Welt der Anfechtungen und Anfeindungen gemeinsam mit Paulus den Glauben verteidigt und verbreitet. Ob Epaphroditus ähnliche Leiden wie Paulus zu ertragen hatte, ist fraglich. Fraglich ist auch, ob die Wortwahl auf dem Hintergrund der gegenwärtigen besonderen Gefährdungssituation zu verstehen ist.
Als „Apostel“ der philippischen Gemeinde ist Epaphroditus nichts weiter als deren mit bestimmten Aufgaben und Befugnissen versehener Gesandter. Auch Paulus ist „Apostel“, jedoch nicht im Sinne eines Gemeindegesandten, sondern eines von Jesus Christus persönlich mit der Verkündigung des Evangeliums Beauftragten. Es ist anzunehmen, dass Epaphroditus ebenso wie Paulus, aber im Gegensatz zu den ebenfalls als „Apostel“ bezeichneten zwölf Jüngern, kein Augenzeuge und enger Weggefährte des irdischen Jesus war.
Die Bezeichnung „leitourgos“ bedeutet zwar ebenso wie der Begriff „doulos“ „Diener“, doch lässt er nicht an einen Knecht/Sklaven denken. Er betont also nicht die Unterwürfigkeit, sondern die Hilfe und Unterstützung. Der Begriff kann auch kultischen Charakter haben, in dem Sinne, dass jemand, der Paulus dient, zugleich dem Evangelium und damit Gott bzw. Jesus Christus dient.
Das Substantiv „chreia“ bedeutet „Bedürfnis“ oder „Not“. Um welches Bedürfnis bzw. welche Not des Apostels es sich handelte, bleibt offen. Angesichts der gegenwärtigen Gefangenschaft des Apostels ist gut möglich, dass dessen Gefangennahme im Blick ist. Hinsichtlich der Tatsache, dass Epaphroditus gemäß 4,18 eine Geldgabe von der philippischen Gemeinde überbracht hat, ist aber auch daran zu denken, dass Paulus finanziell bedürftig war. Die Überbringung der Geldgabe wäre dann ein Dienst, ebenso wie Paulus in Röm 15,27 die Kollekte der verschiedenen Gemeinden für die „Armen“ in Jerusalem als „Dienst“ ansieht. Glaubt man jedoch den Worten von 4,10-11.18, kann die finanzielle Bedürftigkeit aber nicht sonderlich groß gewesen sein, erscheint die Geldgabe doch wie ein willkommener zusätzlicher Beitrag zu den verfügbaren Mitteln. Allerdings ist möglich, dass Paulus in seiner Bescheidenheit untertreibt. Festzuhalten bleibt, dass die Überbringung des Geldes der einzige klar fassbare Auftrag des Epaphroditus ist. Möglicherweise ist Timotheus, so wichtig seine Unterstützung in anderer Hinsicht auch ist, nicht zu finanzieller Hilfe fähig. Es kann aber auch sein, dass Timotheus schon finanziell ausgeholfen hat, die Christen in Philippi davon jedoch nichts wussten oder einen zusätzlichen Beitrag leisten wollten.
Es fällt auf, dass anscheinend ursprünglich vorgesehen war, dass Epaphroditus noch länger am Aufenthaltsort des Paulus bleiben sollte. Andernfalls bräuchte Paulus die Rücksendung nicht zu begründen und sogar zu entschuldigen, denn die Übergabe des Geldes dürfte ja zwischenzeitlich erfolgt sein. Vermutlich war also Epaphroditus über die Überbringung des Geldes hinausgehend noch die Sorge für Paulus anvertraut, wobei diese Sorge wohl nicht der vorrangige Entsendungsgrund gewesen sein dürfte.
Aus dem Verb „pempsai“ („schicken“) geht nicht hervor, dass es sich um ein Zurückschicken („anapempsai“) handelt. Dies ist jedoch schon allein aus der Tatsache zu schließen, dass Epaphroditus von der Gemeinde in Philippi gesandt worden ist. Warum Paulus sich so unpräzise ausdrückt, lässt sich nur erahnen: Vielleicht will er jeglichen Ansatzpunkt für eine Kritik an Epaphroditus vermeiden. Man könnte ihm unterstellen, er sei von Paulus abgewiesen worden.
Dass Paulus überhaupt Epaphroditus wieder nach Philippi zurücksenden kann, zeigt, dass er in seiner Gefangenschaft nicht völlig isoliert ist. Das weist auf eher lockere Haftbedingungen hin, trotz der Tatsache, dass Paulus die Todesstrafe droht.
Weiterführende Literatur: Bei der Beschäftigung mit dem Philipperbrief falle laut B. Mayer 1987, 176-188 das breit gefächerte Urteil über den Abschnitt 2,25-30 auf: War Epaphroditus ein Versager, den der Apostel mit schonenden Worten nach Hause sendet, oder ein überaus nützlicher Mitarbeiter, dessen Lob Paulus mit diesen Zeilen vor den Philippern singen will? Ergebnis der eigenen Analyse: Der Gemeindeapostel Epaphroditus habe in keiner Weise dazu Anlass gegeben, dass seine Heimatgemeinde ihm ihr Vertrauen entzieht. Die Eindringlichkeit und zugleich die Verhaltenheit der Ausführungen dieses Abschnitts insgesamt sprächen dafür, dass sich zwar zwischen Epaphroditus und den Philippern eine kritische Situation anbahnte, ein ernster Konflikt aber noch nicht zum Ausbruch gekommen war. Das Begleitschreiben, das Paulus dem Epaphroditus nach Philippi mit auf den Weg gegeben habe, habe in dieser Lage behutsam klärend wirken und eine Wende zum Guten herbeiführen wollen.
Laut R. Metzner 2002, 111-131 könne der Philipperbrief auf dem Hintergrund antiker Freundschaftsethik gelesen werden. Ein Beispiel dafür liefere der Abschnitt Phil 2,25-30. Das vertraute Verhältnis, das Paulus mit der Gemeinde in Philippi geteilt habe, sei durch die Freundschaft zwischen Paulus und seinem geliebten „Bruder“ Epaphroditus gestützt worden. Auf der Basis antiker Freundschaftsideale von Gleichheit, Reziprozität, Gemeinschaft und Seelenverwandtschaft habe sich ein intensives freundschaftliches Verhältnis entwickelt, das ungebrochene Beziehungen zwischen den Philippern, Paulus und Epaphroditus widerspiegele. Paulus und sein vertrauter „Bruder“ hätten ihre Freundschaft in der Not bewährt. Durch die Teilhabe am Geschick von anderen und die Bereitschaft zur selbstlosen Lebenshingabe für andere entsprächen beide der höchsten Verpflichtung von Freunden.
Auf die enge Verbindung von „Evangelium“ („euangelion“) und „Gemeinschaft“ („koinônia“) im Philipperbrief weist G. W. Murray 1998, 316-326 hin. Auf S. 323-324 geht er auf 2,25-30 ein: Epaphroditus habe nicht nur Paulus gedient, sondern zusammen mit Paulus auch dem Evangelium.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: V. 26 nennt die Begründung für die Rücksendung. Paulus macht deutlich, dass nicht er die Rückkehr des Epaphroditus gewünscht hat, sondern dieser selbst.
Epaphroditus hatte demnach zum einen Heimweh („epipothôn ên“), zum anderen war er krank. Das Heimweh ist wohl als Sehnsucht nach der heimischen, vertrauten christlichen Gemeinschaft zu verstehen. Der Aufenthalt am anscheinend fremden Ort der Gefangenschaft des Apostels scheint widrig gewesen zu sein, worauf aber erst die folgenden Verse genauer eingehen. V. 26 befasst sich nur mit den engen Banden zwischen Epaphroditus und seiner Heimatgemeinde. Die Krankheit des Gesandten wird folglich nur aus der Sicht der Gemeinde in Philippi angesprochen. Diese hat von der Krankheit gehört, hat also eine Meldung oder ein Gerücht vernommen, konnte sich jedoch noch nicht von der Richtigkeit des Gemeldeten überzeugen.
Durch wen die Meldung nach Philippi erfolgt ist, bleibt offen. Sie kann von einem Begleiter des Epaphroditus, der mit einer großen Geldsumme wohl kaum allein gereist ist, erfolgt sein. Sie kann aber auch durch einen Christen aus dem Umfeld des Apostels nach Philippi getragen worden sein, und zwar entweder als Gesandter oder als gewöhnlicher Besucher eines philippischen Gemeindegliedes.
Die Meldung bzw. das Gerücht der Krankheit hat bei Epaphroditus wiederum Unruhe verursacht. Wie lässt sich die Unruhe, die Sorge erklären? Fühlt sich Epaphroditus bei dem Gedanken unwohl, dass sich seine Bekannten und Verwandten um sein Ergehen Sorgen machen? Oder hat er Sorge, dass die Meldung bzw. das Gerücht schlechtes Gerede über ihn verursacht und vielleicht der Vorwurf laut wird, dass er seiner Aufgabe nicht gewachsen sei?
Fraglich ist, woher Paulus überhaupt weiß, dass den Adressaten die Krankheit ihres Gesandten zu Ohren gekommen ist. Haben die philippischen Gemeindeglieder etwa einen weiteren Gesandten geschickt, der Paulus dies mitgeteilt hat? Von einem solchen weiteren Gesandten ist in dem Brief an die Philipper keine Rede. Haben sie ihm vielleicht einen Brief geschickt, der allerdings auch von einem Boten transportiert worden sein müsste? Auch auf einen solchen Brief geht Paulus nicht ein. Wahrscheinlicher ist, dass es Beziehungen zwischen Christen in Philippi und Christen am Ort der Gefangenschaft des Apostels gibt. Kommt jemand aus Philippi zu Besuch, dann kann er die Information weitergeben. Durch Weitersagen verbreitet sich die Neuigkeit dann rasch, wobei durch falsches akustisches oder/und inhaltliches Verstehen oder gar durch absichtliche Falschaussagen die Information verfälscht werden kann.
Der Austausch von Neuigkeiten spricht nicht gegen Cäsarea/Jerusalem oder Rom als Abfassungsort des Philipperbriefes (und damit auch nicht für die weniger weit von Philippi entfernt gelegene Stadt Ephesus; zur Frage des Abfassungsortes siehe Beobachtungen zu 1,13), denn er kann auch über große Entfernungen erfolgen. Zudem mag sich Epaphroditus schon geraume Zeit bei Paulus aufhalten. In dieser Zeit können durchaus Gesandte oder Besucher hin und her gereist sein.
Weiterführende Literatur:
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Paulus bestätigt die Meldung oder das Gerücht und betont darüber hinaus, dass Epaphroditus sogar dem Tode nahe („paraplêsion thanatô“) war. Auch dies macht deutlich, dass es nicht das Bestreben des Apostels war, den Gesandten der Philipper wieder nach Hause zu schicken.
Epaphroditus war krank, ist es bei der Abfassung des Briefes nicht mehr. Wir erfahren nicht, wo Epaphroditus krank geworden ist, ob schon auf der Reise zum Ort der Gefangenschaft des Apostels oder erst nach der dortigen Ankunft. Auch wird zum Zeitpunkt der Gesundung nichts weiter gesagt. Die Gesundung ist die Voraussetzung dafür, dass Paulus dem Erkrankten überhaupt die strapaziöse Rückreise zumuten kann. Sie scheint den Adressaten noch nicht bekannt zu sein, denn sonst bräuchte Epaphroditus wegen der Meldung der Krankheit in Philippi nicht so in Unruhe zu sein.
Fraglich ist, woran Epaphroditus erkrankt ist. Möglich, aber nicht sicher ist, dass sein Immunsystem durch die Strapazen der Reise und die Angst aufgrund der feindseligen Stimmung seitens der Nichtchristen am Haftort des Paulus geschwächt war. Das Heimweh zeigt ja deutlich das Unwohlsein an. Allerdings ist nicht gesagt, dass das Heimweh zur Krankheit beigetragen hat. Es kann auch sein, dass Heimweh und Krankheit nichts miteinander zu tun haben oder dass die Krankheit mit zum Heimweh beigetragen hat.
Paulus führt die Gesundung auf Gottes Barmherzigkeit zurück. Dies kann so verstanden werden, dass Paulus betonen will, dass es nicht die Menschen und deren Medizin waren, auf die die Heilung zurückzuführen ist. Es ist aber auch möglich, dass Paulus nur ausdrücken will, dass Epaphroditus – anders als viele andere Todkranke – nicht an der schweren Erkrankung gestorben ist.
Warum preist Paulus den barmherzigen Gott, dem die Gesundung zu verdanken ist? Hat er nicht in 1,21.23 das Sterben als „Gewinn“ bezeichnet, als das „Allerbeste“? Hätte Gott Epaphroditus nicht besser sterben lassen sollen? Der Lobpreis des barmherzigen Gottes lässt sich wohl so verstehen, dass Paulus froh ist, dass ihm und der Gemeinde in Philippi ein solch tüchtiger Christ erhalten bleibt. Er dürfte eher den Verlust für die noch Lebenden im Auge haben als den „Gewinn“ für Epaphroditus selbst.
Es ist allerdings auch eine psychische Komponente zu bedenken: Es fällt auf, dass Paulus sein eigenes unsicheres Schicksal als sorgenüberladenes Dasein empfindet, obwohl er sich angesichts der zwei in 1,21-26 positiv bewerteten möglichen Schicksale doch freuen müsste. Er scheint also die Lage als bedrohlich zu empfinden. Somit erscheint auch die mögliche Hinrichtung als Bedrohung, auch wenn der Tod wegen des folgenden Seins bei Christus aus theologischer Sicht ein „Gewinn“ und das „Allerbeste“ sein mag. Die Aussicht auf Freilassung dürfte unter psychologischen Gesichtspunkten wohl weniger Anlass zum Kummer sein.
Laut Paulus hat Gott sich auch seiner erbarmt. Im Gegensatz zur Anwesenheit des gesunden Epaphroditus scheint er die Anwesenheit des kranken Epaphroditus als Belastung empfunden zu haben: Sie war ein Kummer, der zu demjenigen, den er sowieso schon hatte und weiterhin hat, hinzukam. Welches der schon bestehende Kummer ist, führt Paulus nicht weiter aus. Am ehesten ist aber daran zu denken, dass es sich um die unsichere Lage angesichts des unklaren Ausgangs der Gerichtsverhandlung und der möglichen Todesstrafe handelt. Es kann aber (darüber hinaus) auch sein, dass Paulus Kummer empfindet, weil sich die philippischen Gemeindeglieder wegen der Krankheit ihres Gesandten sorgen.
Weiterführende Literatur:
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Aus V. 28 geht hervor, dass Paulus nicht gleichgültig ist, wie sich die philippischen Gemeindeglieder fühlen. Um die Stimmung bei ihnen aufzuhellen, sendet Paulus ihren Gesandten möglichst schnell zurück.
Paulus geht davon aus, dass sich die Adressaten über die Rückkehr ihres Gesandten freuen. Das lässt annehmen, dass die persönlichen Bande und die aufrichtige Teilnahme am Schicksal des Anderen gegenüber der Kritik an der verfrühten Rückkehr überwiegen. Von V. 28 aus gesehen, scheint die Annahme, dass sich Epaphroditus möglicherweise in Philippi der Kritik an seiner verfrühten Rückkehr erwehren muss und deshalb in Unruhe ist (vgl. V. 26), nicht den wahren Sachverhalt wiederzugeben.
Wenn Epaphroditus nach Philippi zurückgekehrt sein wird und die dortigen Glaubensgenossen darüber wieder froh werden, wird auch Paulus „alypoteros“ sein. Der Komparativ „alypoteros“ ist wörtlich mit „unbesorgter“ zu übersetzen. Für die Philipper bedeutet dies, dass sie den Kummer wegen der Erkrankung des Epaphroditus los sind. Dass sie noch weiteren Kummer haben, insbesondere weil sie durch Nichtchristen bedroht werden (vgl. 1,27-30), thematisiert Paulus hier nicht. Deshalb kann es sein, dass Paulus im Hinblick auf die Adressaten in 2,28 „unbesorgter“ mit „ohne Sorge/Kummer“ („alypos“) gleichsetzt. Fraglich ist, ob eine solche Gleichsetzung auch hinsichtlich der Lage des Apostels passend ist. Zwar sagt er nicht ausdrücklich, dass er wegen seiner unsicheren Lage angesichts des unklaren Ausgangs der Gerichtsverhandlung und der möglichen Todesstrafe Kummer empfindet, doch bedeutet das nicht, dass er nach der Rückkehr des Epaphroditus und der daraus resultierenden Freude der Adressaten keinen Kummer mehr hätte. Wäre das nämlich der Fall, wäre zu erwarten, dass Paulus statt des Komparativs „alypoteros“ den Positiv „alypos“ benutzt, weil dann sowohl die Adressaten als auch er selbst nicht nur einen Kummer weniger, sondern keinen Kummer mehr hätten. Der Gebrauch des Komparativs ist nur dann sinnvoll, wenn entweder bei den philippischen Gemeindegliedern oder bei Paulus mindestens ein Kummer verbleibt.
Der bei Paulus verbleibende Kummer muss nicht unbedingt in der unsicheren Haftsituation begründet liegen. Es kann auch sein, dass die Abreise des Epaphroditus der Grund ist. Die Trauer angesichts der Abreise würde dann von der Freude der philippischen Gemeindeglieder angesichts der Ankunft ihres Gesandten gemildert werden. Wahrscheinlich ist diese Deutung allerdings nicht, weil in V. 27 eindeutig die Anwesenheit des kranken und sich nach der Heimat sehnenden Epaphroditus als Grund für den Kummer erscheint. Auch nach der Genesung scheint ja das Heimweh des Epaphroditus erhalten zu bleiben, womit auch teilweise der Grund für Kummer seitens des Apostels Paulus erhalten bleibt. Folglich ist die Abreise des Gesandten aus Philippi für Paulus eher eine Erleichterung als ein Grund für Kummer. Und das ist es ja gerade, was Paulus unterstreicht: Dass er angesichts der Rückreise des Epaphroditus erleichtert ist, hat nichts mit dessen Person zu tun, die Paulus schätzt, sondern nur mit den begleitenden Umständen des Aufenthaltes, der schweren Krankheit und dem Heimweh.
Auch wenn die Rückkehr im Sinne des Epaphroditus ist, übernimmt Paulus die Verantwortung für diese: Er hat Epaphroditus zurückgeschickt.
Das Adverb „palin“ („wieder“) kann sich sowohl auf das vorausgehende Partizip „idontes“ („sehend“) als auch auf den folgenden Konjunktiv „charête“ („[damit] ihr euch freut“) beziehen. In ersterem Fall wäre die Übersetzung „damit ihr euch freut, wenn ihr ihn wieder seht“, in letzterem Fall „damit ihr wieder froh werdet, wenn ihr ihn seht“.
Weiterführende Literatur:
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: V. 29 ist als eine Betonung der Tatsache zu lesen, dass nicht die Persönlichkeit des Epaphroditus zur Rücksendung geführt hat, sondern die (überwundene) schwere Krankheit und das Heimweh. Für beides ist Epaphroditus, der als tadelloser Mensch erscheint, nicht verantwortlich zu machen. Ob Paulus ihn über die Inschutznahme hinausgehend für weitere Aufgaben, vielleicht die Übernahme eines Gemeindeamtes, empfehlen will, ist fraglich.
Die Aufnahme „im Herrn“ ist wohl als Aufnahme „in Christus“ zu verstehen. Es handelt sich also um die Aufnahme eines Christen von seinen eigenen Gemeindegliedern, deren Gesandter für die Sache Christi er war.
Weiterführende Literatur: R. A. Culpepper 1980, 349-358 unterstreicht die Bedeutung der V. 19-30, in denen die paulinischen Mitarbeiter Timotheus und Epaphroditus im Mittelpunkt stehen, für das Verständnis der Einheit, des Ursprungs und der Botschaft des Philipperbriefes. Paulus stelle - sich selbst gleich - Timotheus und Epaphroditus als Vorbilder der Art und Weise dar, wie die Adressaten Christus im Dienst nachahmen sollen. Solche Nachahmung sei das stärkste geistliche Gegenmittel gegen die Gefahren der Gesetzlichkeit, des Perfektionismus und der Zwietracht, wie sie durch das wetteifernde Machtstreben von Kirchenoberen verursacht würden. Die Kirche brauche mehr solcher Diener wie Paulus, Timotheus und Epaphroditus.
Was die Paulusbriefe betrifft, so sei gemäß P. Arzt-Grabner 2010, 137-142 kein einziger unter ihnen zur Gänze als Empfehlungsbrief zu charakterisieren, doch einige enthielten Abschnitte, die genau dem Briefcorpus von Empfehlungsbriefen entsprechen, und auch die darin empfohlenen Personen könnten entsprechend den allgemeinen brieflichen Konventionen der damaligen Zeit als Überbringer des entsprechenden Paulusbriefes identifiziert werden. Wie die beiden Paulusstellen Röm 16,1-2 und Phil 2,29-30 enthielten auch die meisten auf Papyrus erhaltenen Empfehlungsbriefe die Bitte um grundsätzliche Unterstützung; selbst ausführlicher vorgebrachte Bitten enthielten kaum spezielle Anliegen, sondern ersuchten den Adressaten, den Briefüberbringer bei sich aufzunehmen oder einfach in allem zu unterstützen, was er benötigt.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Paulus begründet, warum Leute wie Epaphroditus in Ehren zu halten sind: Epaphroditus ist ein engagierter und fürsorglicher Christ, und zwar – und hier liegt die Betonung – in einem besonderen Maß: Er hat um des Christus-Werkes willen sein Leben aufs Spiel gesetzt und ist dem Tode nahe gewesen (mechri thanatou êngisen).
Sein Leben hat Epaphroditus wohl zweifach aufs Spiel gesetzt: Erstens hat er sich auf die gefahrvolle Reise in eine Stadt begeben, deren Einwohner großenteils den Christen gegenüber feindlich eingestellt sind. Die feindliche Atmosphäre hat dazu geführt, dass Paulus nun im Gefängnis um die Fortführung seiner Mission bangen und die Todesstrafe befürchten muss. Zweitens hat Epaphroditus die gesundheitlichen Strapazen auf sich genommen. Das Dasein in der Fremde ist eine psychische Belastung, die sich wiederum negativ auf das körperliche Wohlbefinden niederschlagen kann. Gleich ob psychisch bedingt oder nicht: bei einer Krankheit ist in feindlicher Umgebung nicht in gleichem Maße mit Hilfe zu rechnen wie in der vertrauten, wohlgesonnenen Heimat. Epaphroditus hat es besonders übel erwischt, so dass er sogar dem Tod nahe war.
Das „Christus-Werk“ („ergon Christou“) ist hier wohl nicht als ein Werk von Christus selbst (genitivus subiectivus) zu verstehen, sondern eher als Werk des Epaphroditus für Christus (genitivus obiectivus) oder als Werk, das von Christus her stammt und von ihm gewollt ist (genitivus originis).
Wie sind das Verb „anaplêroô“ („auffüllen/ergänzen“) und das Substantiv „hysterêma“ („Mangel/Fehlen“) zu deuten und übersetzen? Ganz allgemein ausgedrückt hat Epaphroditus als Gesandter etwas ausgeglichen, was seine Gemeinde in Philippi nicht leisten konnte oder wollte. Zunächst einmal ist anzumerken, dass Paulus durchaus anerkennt, dass die Gemeinde ihm gegenüber einen Dienst geleistet hat, wobei es sich nicht um einen Knechtschaftsdienst von Sklaven handelt, sondern um einen Dienst („leitourgia“), der durchaus Ansehen mit sich bringt und auch kultischen Charakter haben kann. Es ist ein Dienst Paulus gegenüber, einem aufgrund der Evangeliumsverkündigung gefangenen Glaubensgenossen, nicht dem „Herrn“ Jesus Christus gegenüber. Kultischen Charakter mag der Dienst haben, weil ein Dienst an dem Apostel Paulus zugleich ein Dienst am verkündigten Evangelium und damit indirekt auch an Jesus Christus bzw. Gott selbst ist. Aus 4,10-20 geht hervor, dass die Gemeinde eine Geldspende geleistet hat, für die Paulus dankt. Man kann also nicht sagen, dass die Gemeinde nichts geleistet habe und sie deshalb nun getadelt werden müsse. Es geht vielmehr darum, dass der Dienst der Gemeinde nicht vollkommen ist. Dass die Geldgabe zu gering war, geht aus den Worten des Apostels nicht hervor. Überhaupt lässt sich nichts erschließen, was man der Gemeinde Paulus gegenüber vorwerfen könnte. Als Mangel wird nur offensichtlich, dass sich die Gemeindeglieder schon aus Gründen der räumlichen Entfernung nicht persönlich um Paulus kümmern können. Deshalb haben sie ja Epaphroditus gesandt, nicht nur damit er die Geldgabe überbringt, sondern vermutlich auch, damit er vor Ort persönlich die fehlende Fürsorge leistet. Der „Mangel“ ist folglich vermutlich als fehlende Anwesenheit vor Ort und fehlende persönliche Fürsorge zu deuten. Beides hat Epaphroditus durch seine Anwesenheit und Fürsorge wettgemacht.
Weiterführende Literatur: Zum selbstlosen, aufopferungsvollen Dienst des Epaphroditus und Timotheus siehe G. W. Peterman 1997, 118-119.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Die Formulierung „to loipon“ („im Übrigen“) hat gewöhnlich abschließenden Charakter. Es wird etwas Letztes gesagt, was bisher noch nicht gesagt worden ist, eine letzte Mitteilung. An dieser Stelle erstaunt die Formulierung, weil der Brief noch lange nicht am Ende angelangt ist. Paulus kommt im Folgenden vielmehr auf ein gänzlich neues Thema zu sprechen: die Irrlehrer, vor denen zu warnen ist. In 3,1 weist also „to loipon“ in der uns heute vorliegenden Fassung des Briefes an die Philipper nicht auf das nahende Ende des Briefes hin, sondern auf das Ende eines Gedankengangs. Es hat somit nicht nur abschließende, sondern auch zu einem anderen Gedankengang überleitende Funktion. Unter literarkritischen Gesichtspunkten kann man aber auch einen Hinweis darauf sehen, dass die folgende lange Warnung vor den Irrlehrern 3,2-4,1 (oder: 3,2-4,3) ursprünglich nicht zum gleichen Brief wie 1,1-3,1 gehörte. Dann wäre der Philipperbrief in Wirklichkeit nicht ein einziger Brief, sondern eine Sammlung von verschiedenen Briefen oder Brieffragmenten. Die Zuweisung von 3,2-4,1 (oder: 3,2-4,3) könnte auch den gänzlich verschiedenen Charakter von 1,1-3,1 und 3,2-4,1 erklären. Eine andere Erklärung ist, dass Paulus in 3,1 vielleicht tatsächlich dabei war, den Brief zu beenden, dieser jedoch aus unbekannten Gründen liegen blieb. In der Zwischenzeit kam es zu unvorhergesehenen Ereignissen, auf die Paulus vor der Fertigstellung noch eingeht, womit das vorgesehene Briefende nach hinten rutscht und die Einleitung zum Briefende in die Briefmitte.
„Geschwister“ meint hier nicht leibliche Geschwister, sondern Glaubensgeschwister, nämlich Christinnen und Christen. Bei dem Substantiv „adelphoi“ handelt es sich zwar um eine maskuline Form, die zunächst mit „Brüder“ zu übersetzen ist, jedoch sind hier vermutlich auch die „Schwestern“ eingeschlossen. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.
Die Aufforderung „chairete en kyriô“ („freut euch im Herrn!“) erinnert an „chaire“ („Mach’s gut / Leb wohl“) griechischer Briefe, ist jedoch sicherlich nicht im Sinne eines reinen Abschlussgrußes zu verstehen. Auch ist Freude „im Herrn“ mehr als nur gemeinsam Freude empfinden, Spaß haben. Es wird ausgesagt, was die Lebenshaltung der Christen von Grund auf bestimmt bzw. bestimmen soll: Freude aufgrund des zugesagten Heils im Macht- und Heilsraum des „Herrn“, also Jesu Christi oder Gottes. Das Heil ist nicht vom Geschehen um Jesus Christus zu trennen. In diesem Heilsbewusstsein der Christen liegt die Freude begründet, zu der Paulus nicht nur hier, sondern auch an anderen Stellen aufruft (vgl. 1,4.18; 2,17-18.29; 4,4). Diese Freude prägt das Zusammensein der Christen, die somit auch im menschlichen Miteinander Freude empfinden.
Das griechische Adjektiv „oknêron“ bedeutet „lästig“ oder „zögernd“. Es kann also gemeint sein, dass Paulus etwas nicht lästig ist oder dass er nicht zögert, etwas zu tun.
Paulus ist es nicht lästig oder er zögert nicht, den Adressaten „dasselbe“ zu schreiben, wobei wohl die Wiederholung im Sinne von „stets dasselbe“ gemeint ist. Unklar ist, worauf sich „dasselbe“ bezieht: auf das Vorausgehende oder auf das Folgende? Wenn das Vorausgehende gemeint ist, so stellt sich die Frage: Welche Abschnitte des Vorausgehenden? Die extremen Möglichkeiten sind, dass sich Paulus auf alles Vorausgehende oder nur auf den unmittelbar vorausgehenden Aufruf zur Freude bezieht. Angesichts der vielfältigen Inhalte des vorausgehenden Briefteils bliebe bei einem Bezug auf alles Vorhergehende unklar, was genau Paulus denn stets wiederholt. Weil es um Wiederholungen in Aussagen geht, die an die Philipper gerichtet sind, müssten sich die Wiederholungen entweder im vorliegenden Philipperbrief finden oder in anderen Briefen an die Philipper, die nicht mehr erhalten sind – es sei denn, sie finden sich als Fragmente im vorliegenden Brief. Angesichts dieser Schwierigkeiten liegt eine Einschränkung des Bezugs auf ganz bestimmte Passagen des Vorausgehenden nahe. Jede Einschränkung hat jedoch einen hypothetischen, willkürlichen Charakter. Wirklich nahe liegt eigentlich nur der Bezug auf den unmittelbar vorausgehenden Aufruf zur „Freude im Herrn“, zumal der Aufruf zur Freude ja tatsächlich im Brief schon wiederholt aufgetaucht ist. Allerdings handelt es sich bei dem griechischen „ta auta“ („dasselbe“) um einen Plural im Sinne von „dieselben Dinge“. Der Aufruf zur Freude mag also in dem Wiederholten inbegriffen sein, bildet aber nicht allein das Wiederholte, was erneut die Bezugsfrage aufwirft. Der alleinige Bezug auf den Aufruf zur Freude ist nur dann möglich, wenn die Wiederholungen jeweils für sich als Abwandlungen eines Aufrufes verstanden und daher in einem Plural zusammengefasst werden. Schließlich bleibt noch als verwunderlich festzuhalten, dass sich Paulus für so etwas Positives wie den Aufruf zur Freude „im Herrn“ rechtfertigt. Rechtfertigung wäre eher bei der wiederholten Äußerung von etwas Negativem angebracht, was zu der Annahme verleitet, dass die folgende Warnung vor den Irrlehrern mit „dasselbe“ gemeint ist. Allerdings ist ein ähnlicher Inhalt im Vorausgehenden noch nicht aufgetaucht. Auch bei einem Bezug auf den Abschnitt über die Irrlehrer müsste also angenommen werden, dass sich die ähnlichen Inhalte in nicht erhaltenen Briefen finden. Mündliche Aussagen können nicht im Blick sein, weil Paulus vom „Schreiben“ spricht.
Statt V. 1 als Rechtfertigung für wiederholte Aussagen zu deuten, scheint es angebrachter zu sein, den Vers als Formel zu verstehen – als Formel, die aussagt, dass Paulus nicht zögert, etwas zu tun. Wenn Paulus es nicht unangenehm ist, sich den Adressaten mitzuteilen, und er deshalb damit nicht zögert, so ist das ein Zeichen von freundschaftlichem Vertrauen. Der freundschaftliche Charakter des Briefes könnte durchaus dem Grundvertrauen entspringen. Grundvertrauen setzen auch die folgenden Ermahnungen voraus.
Die Formulierung „hymin de asphales“ ist wörtlich mit „euch aber sicher/fest“ zu übersetzen. Gemeint ist vermutlich „Euch aber dient es zur Sicherheit/Festigkeit“. Doch welche Sicherheit oder Festigkeit ist im Blick? Ist Sicherheit/Festigkeit im Glauben angesichts von Anfechtungen und Verfolgungen gemeint? Oder die Sicherheit/Festigkeit der Gemeinde angesichts der Gefahr von Streit und Spaltungen? Oder geht es um Sicherheit/Festigkeit angesichts von Glaubensbedrohungen wie den Irrlehrern? Die verschiedenen Möglichkeiten schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern sind wohl vielmehr in einem engen Zusammenhang zu sehen, ergänzen einander. Dabei ist davon auszugehen, dass Paulus auch die Vergewisserung der Rechtfertigung beim endzeitlichen Weltgericht und das ewige Heil im Blick hat. Die Sicherheit/Festigkeit dürfte also endzeitlichen Charakter haben. Der Hinweis auf sie ist wohl weniger eine Rechtfertigung als vielmehr Ausdruck der Verbundenheit und des Interesses am Wohlergehen der Adressaten.
Weiterführende Literatur: J. T. Reed 1996, 63-90 sieht V. 1 als eine Variante einer „epistolary hesitation formula“ an, als eine formelhafte Wendung, mit der der Verfasser deutlich mache, dass er nicht zögere etwas zu tun. Er befasst sich zunächst mit Form und Funktion von „epistolary hesitation formulas“ und erörtert dann detailliert die briefliche Funktion von V. 1 und dessen engeren Zusammenhang im Hinblick auf Aufbau und literarische Einheitlichkeit des Philipperbriefes. V. 1 schließe die positiven Ermahnungen 2,28-3,1 ab und leite zu Warnungen über. Literarische Einheitlichkeit sei gegeben.
Literaturübersicht
[ Hier geht es zur Übersicht der Zeitschriftenabkürzungen ]
Arzt-Grabner, Peter; Neues zu Paulusaus den Papyri des römischen Alltags, Early Christianity 1/1 (2010), 131-157
Culpepper, R. Alan; Co-Workers In Suffering. Philippians 2,19-30, RExp 77/3 (1980), 349- 358
Mayer, Bernhard; Paulus als Vermittler zwischen Epaphroditus und der Gemeinde von Philippi. Bemerkungen zu Phil 2.25-30, BZ 31/2 (1987), 176-188
Metzner, Rainer; In aller Freundschaft. Ein frühchristlicher Fall freundschaftlicher Gemeinschaft (Phil 2,25-30), NTS 48/1 (2002), 111-131
Murray, George W.; Paul’s Corporate Witness in Philippians, BS 155/619 (1998), 316-326
Peterman, Gerald W.; Paul’s gift from Philippi: Conventions of gift-exchange and Christian giving, Cambridge 1997
Reed, Jeffrey T.; Philippians 3:1 and the Epistolary Hesitation Formulas: The Literary Integrity of Philippians, Again, JBL 115/1 (1996), 63-90