Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Apostelgeschichte (9-12)

Die Anfänge der Heidenmission

Apg 10,34-43

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Apg 10,34-43

 

 

Übersetzung

 

Apg 10,34-43:34 Da tat Petrus den Mund auf und sprach: "Wahrhaftig, ich begreife, dass (der) Gott die Person nicht ansieht. 35 Vielmehr ist ihm in jedem Volk der willkommen, der ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt. 36 Das Wort, das er den Söhnen Israels sandte, indem er Frieden verkündigen ließ durch Jesus Christus − dieser ist aller Herr - 37 kennt ihr; das Geschehen, das sich durch ganz Judäa hin zugetragen hat, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes verkündigte: 38 Jesus von Nazareth, wie (der) Gott ihn mit heiligem Geist und mit Kraft gesalbt hat, der umherzog, Gutes tat und alle heilte, die vom Teufel unterjocht waren, weil Gott mit ihm war. 39 Und wir sind Zeugen von allem, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat. Den haben sie auch umgebracht, indem sie ihn an ein Holz hängten. 40 Diesen hat (der) Gott am dritten Tag auferweckt und ihn sichtbar werden lassen, 41 nicht dem ganzen Volk, sondern den von (dem) Gott vorherbestimmten Zeugen, uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von [den] Toten gegessen und getrunken haben. 42 Und er hat uns geboten, dem Volk zu verkünden und zu bezeugen: Das ist der von (dem) Gott bestimmte Richter über Lebende und Tote. 43 Von ihm bezeugen alle Propheten, dass jeder, der an ihn glaubt, durch seinen Namen Sündenvergebung empfängt.“

 

 

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V. 34

 

Beobachtungen: Laut 10,33 warteten der Hauptmann Kornelius und alle in seinem Haus versammelten Verwandten und engsten Freunde darauf, von Petrus all das zu hören, was ihm vom Herrn aufgetragen worden war. Sie scheinen sich Einblick in Gottes Heilsplan erhofft zu haben, was erstaunt, weil auch Petrus in diesen nicht eingeweiht gewesen zu sein scheint. Dass Petrus eine Rede vom "Herrn“ aufgetragen worden ist, wurde bisher nur aus den Äußerungen des Kornelius und der von ihm gesandten Männer deutlich. Woher diese die Kenntnis von der Beauftragung hatten, ist unklar.

Petrus wusste, dass Kornelius ein frommer und gottesfürchtiger Heide war (vgl. V. 22), und es ist zu vermuten, dass er auch wusste, dass die anderen Anwesenden − mindestens die Angehörigen des "Hauses“ − ebenso fromm und gottesfürchtig waren (vgl. V. 2). Dieses Wissen ist bei der Deutung der Rede zu berücksichtigen.

 

Das Auftun des Mundes ist Voraussetzung für eine Rede und zeigt ihren Beginn an. Hier hat die Erwähnung des Auftuns des Mundes feierlichen Charakter: Das, was Petrus zu sagen hat, ist von hoher Wichtigkeit.

 

Das Begreifen des Petrus weist auf neue Einsichten hin, die Petrus infolge der Erscheinung der Tiere auf dem Leinentuch gemacht hat (vgl. V. 9-16.28).

 

Die Aussage, dass Gott die Person nicht ansieht, dürfte auf eine Überwindung der Volksgrenzen im Hinblick auf die Mission zielen: Gott schaut nicht, ob jemand seinem Volk, den Israeliten, angehört, sondern steht auch anderen Menschen wohlwollend gegenüber. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass Nicht-Israeliten für den Glauben an Gott, den Gott Israels, und an Jesus Christus gewonnen werden können.

 

Woher wusste Petrus, dass Gott die Person nicht ansieht? Wusste er es deshalb, weil Gott ihm gezeigt hatte, dass er keinen Menschen gemein oder unrein nennen soll (vgl. V. 28)? Oder hat er es daraus geschlossen, dass sich ein Engel Gottes an Kornelius gewandt hatte (vgl. V. 3-5)? Oder hat der Judenchrist Petrus die Erkenntnis infolge der Tier-Erscheinung aus den Schriften der hebräischen Bibel (= AT) − insbesondere wäre an Dtn 10,17 zu denken − und/oder aus den zwischen der hebräischen und der griechischen Bibel entstandenen Schriften − infrage kommen insbesondere 2 Chr 19,7, Sir 35,12-16 und PsSal 2,18 − gewonnen?

 

Weiterführende Literatur: P. de Villiers 1990, 55-63 befasst sich mit Apg 10,34-43 unter exegetischen, hermeneutischen und homiletischen Gesichtspunkten.

 

R. Pesch 1981, 105-122 geht von den Thesen F. Mußners in dessen Kommentar von 1974 aus, dass trotz der zahlreichen Unterschiede kein Grund zu der Annahme bestehe, Gal 2,1-10 und Apg 15 würden von zwei verschiedenen Ereignissen berichten, und dass vermutlich das "Aposteldekret“ erst einige Zeit nach dem "Apostelkonzil“ zustande gekommen und von Lukas in den Bericht über dasselbe hineingenommen worden sei. R. Pesch stellt nun die Frage, wie Lukas überhaupt dazu kommt, das "Aposteldekret“ in seinen Bericht über das "Apostelkonzil“ hineinzunehmen. Ergebnis: Lukas habe (aus Antiochenischer Tradition) neben dem Bericht über die dortige Gemeindegründung (Apg 11,19-26) einen Bericht über das Jerusalemer Abkommen (Apg 11,27-30; 12,25; 15,1-4.12b) und das Zustandekommen des Aposteldekrets (Apg 10,1-11,18; 15,5-12a.13-33) gekannt. Da ihm daran gelegen sei, die Heidenmission ganz in die Kontinuität der urchristlichen Gemeinde einzubetten und an Jerusalem zurückzubinden, lasse er sie im Werk des Petrus grundgelegt sein. Weil er die Eröffnung der beschneidungsfreien Heidenmission Petrus zuschreibe, dessen Initiative durch die Jerusalemer gebilligt werde, könne er die Berichte über das Jerusalemer Abkommen und die Lösung des Antiochenischen Konflikts zusammenziehen, wobei er freilich die mit dem Jerusalemer Abkommen zusammenfallende Kollekte der Antiochener ablöse und im (vielleicht ursprünglichen) Anschluss an die Erzählung von der Gründung der Gemeinde kurz erwähne; den knappen Bericht schachtele er um die Überlieferung von der Verfolgung durch Agrippa I.

 

J. H. Elliott 1991, 102-108 legt das, dass der Korneliuserzählung 10,1-11,18 eine Diskussion innerhalb der Jesusbewegung zugrunde liege, ob die Jesusbewegung an das Judentum gebunden bleiben soll und inwieweit jüdische Reinheitsgebote für das Verhalten aller Christen gelten sollen. Die Korneliuserzählung mache deutlich, dass auch Heiden in die Jesusbewegung aufgenommen werden sollten, für die die Reinheitsgebote nicht gelten. Lukas stelle dem Tempel samt seinen Satzungen und (Reinheits-)Geboten das Haus und die Gastfreundschaft gegenüber. In diesem häuslichen Rahmen würden die soziale Abgrenzung und die jüdischen Satzungen und Gebote überwunden und den Heiden das Evangelium, das Reich Gottes und die christliche Gemeinschaft eröffnet. Ähnlich D. J. Scholz 2002, 47-61, der eine Analyse erzählerischer Gesichtspunkte bietet.

 

C. A. Miller 2002, 302-317 geht der Frage nach, ob Petrus gemäß der Korneliuserzählung vor seinem Aufsuchen der Heiden erst von der Befolgung des Gesetzes (= Tora) Abstand nahm, oder ob Petrus einfach den Heiden das Evangelium brachte. In ersterem Fall ginge es in der Vision um die Aufhebung des Gesetzes, in letzerem Fall um die gleichberechtigte Aufnahme der Heiden in das Haus Gottes. Ergebnis: Trotz der Mehrdeutigkeit der Vision sei doch offensichtlich, dass sie nicht auf die Speise bzw. Speisegebote, sondern auf Menschen bezogen werden soll.

 

A. Barbi 1996, 277-295 untersucht, auf welchem Weg der Heide Kornelius in die Kirche aufgenommen und vollständig integriert wird. Dabei geht er auf die Person des Kornelius, auf die Überwindung der jüdischen Vorurteile bezüglich rein und unrein, die die Heidenmission ermöglicht, auf die Gleichstellung von Juden- und Heidenchristen sowie auf die Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen ein. Der Weg der Aufnahme und Integration des Kornelius in die Kirche werde durch die Initiative Gottes und durch die Erfahrung des gesetzestreuen Juden Petrus, der gehorsam ist und die Vorbehalte überwindet, eröffnet.

 

Mit der unparteiischen Haltung Gottes befasst sich L. De Lorenzi 1992, 141-174.

 

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V. 35

 

Beobachtungen: Gott macht keinen Unterschied bezüglich der Volkszugehörigkeit eines Menschen, sondern schaut nur darauf, dass ein Mensch ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt. In der antiken Welt wurden verschiedene Götter verehrt. Es geht in V. 35 also nicht um die Furcht − im Sinne von Ehrfurcht, nicht Angst - eines beliebigen Gottes, sondern um die Furcht des Gottes Israels, JHWH. In diesem Sinne war auch Kornelius mit seinem ganzen "Haus“ gottesfürchtig.

Mit "Gerechtigkeit“ ist hier vermutlich nicht Gerechtigkeit im juristischen Sinne oder im Sinne der gerechten Behandlung von Menschen gemeint, sondern rechtes Verhalten. Dabei dürfte das rechte Verhalten hier weder in einem universalen Sinne noch im Sinne des Wohlverhaltens gegenüber den Regeln des eigenen Volkes zu verstehen sein. So verhielt sich ja auch der heidnische Kornelius nicht in einem universalen Sinne recht und er richtete sein Verhalten ja auch nicht in erster Linie an den Regeln des Römischen Reiches aus, sondern er war − ebenso wie sein "Haus“ - fromm und gab dem Volk viele Almosen und betete beständig zu Gott. Seine Frömmigkeit bestand also aus einem innigen Verhältnis zu Gott, und zwar zum Gott Israels, JHWH. Das Geben von Almosen stand bei den Juden in hohem Ansehen und es kam "dem Volk“, also vermutlich dem Volk Israel, zugute. Kornelius war also zum Gott Israels hingewandt und übte insofern Gerechtigkeit, als sein Handeln in den Augen des Gottes Israels Wohlgefallen fand. Ein solches Verhalten scheint V. 35 auch von anderen Heiden zu verlangen, wenn sie bei Gott willkommen sein wollen.

 

Das Adjektiv "dektos“ ("willkommen/wohlgefällig“) entstammt der Kultsprache und wird in der Septuaginta im Zusammenhang mit Opfern benutzt: Ein Opfer ist Gott willkommen/wohlgefällig (vgl. Lev 1,3-4LXX; 17,4LXX; 19,5LXX; Mal 2,13LXX u. a.). Ebenso kann in der Septuaginta aber auch ein Leben oder konkret ein Gebet als willkommen/wohlgefällig bezeichnet werden (vgl. Spr 12,22LXX; 15,8LXX; Sir 2,5LXX u. a.).

 

Weiterführende Literatur: Laut J. J. Kilgallen 1998, 301-302 lasse sich 10,1-11,18 besser verstehen, wenn man klar und deutlich zwischen "gemein/unrein“, "Gott willkommen“ und "gerettet“ unterscheidet. Kornelius sei rein, weil alle Menschen rein sind. Folglich verunreinige der Kontakt mit Kornelius einen Juden nicht. Ebenfalls sei Kornelius Gott willkommen, weil er Gott fürchtet und Gerechtigkeit übt. Dennoch könnten ihm erst die Vergebung der Sünden zuteil und der Geist gegeben werden, wenn er an Jesus Christus glaube. Erst dann könne er auch als gerettet angesehen werden.

 

Angesichts der Tatsache, dass die Christen in der Weltbevölkerung eine Minderheit darstellen, werde laut M. Dumais 1997, 161-190 vermehrt über die Frage nachgedacht, inwiefern es auch außerhalb des Christentums Heil gibt. Diese Frage habe ihre Wurzeln auch im christlichen Glauben. Einerseits gehe dieser nämlich davon aus, dass alle Menschen gerettet werden sollen und dementsprechend auch die reelle Chance haben müssen, in den heilsamen Kontakt mit Gott zu kommen, andererseits sei Jesus Christus in der christlichen Heilsordnung der einzige und universale Mittler. Diese beiden Glaubenswahrheiten würden im NT und speziell auch in der Apg bekräftigt. M. Dumais geht auf Apg 10,34-35; 14,15-17 und 17,22-31 ein. Es zeige sich, dass diejenigen Nichtchristen auf dem Heilsweg sind, die Gottes alles überragende Größe anerkennen und Gerechtigkeit üben (vgl. 10,35). Außerdem machten diejenigen Nichtchristen eine heilsame Gotteserfahrung, die auf den lebendigen Gott vertrauen. Eine solche Bekehrung zum lebendigen Gott setze aber die Aufgabe jeglichen Götzendienstes voraus (vgl. 14,7-20). Auch "besonders religiöse“ Menschen wie die Athener, die den wahren Gott trotz ihrer mangelhaften Kenntnis bereits erfahren, könnten von der bisherigen mangelhaften zur wirklichen Kenntnis gelangen, wenn sie vom Götzendienst ablassen und das Wort Gottes annehmen (vgl. 17,22-31).

 

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V. 36

 

Beobachtungen: Der griechische Begriff "logos“ dürfte in V. 36 nicht im Sinne eines einzelnen Wortes, sondern im Sinne einer Botschaft zu verstehen sein. Diese Botschaft wurde durch die Verkündigung Jesu Christi verbreitet, wobei über die verkündigte Botschaft nichts weiter ausgesagt wird, als dass sie aus Frieden bestand.

 

Das "Wort“ war nicht von Anfang an bei den "Söhnen Israels“, sondern es wurde ihnen gesandt. Von wem, bleibt offen. Am ehesten ist daran zu denken, dass der in V. 34 genannte Gott das "Wort“ sandte, denn Gott erscheint in der Apg gewöhnlich als Handelnder.

 

Der Genitiv "pantôn“ kann ein Neutrum oder ein Maskulinum sein, also "von allen“ oder "aller“ bedeuten. Jesus Christus kann somit von allem Herr sein oder aller Her sein. In ersterem Fall wäre er Herr des gesamten Universums, in letzerem Herr aller Menschen. Entscheidet man sich für letztere Bedeutung, so erscheint Jesus Christus nicht nur als "Herr“ der "Söhne Israels“ oder der Christen, sondern auch der Nichtjuden bzw. Nicht-Christen. Wenn Jesus Christus auch der "Herr“ der Nichtjuden bzw. Nicht-Christen ist, so liegt es nahe, diesen den Glauben an ihren "Herrn“ nahe zu bringen. Insofern ist das Bekenntnis wohl im Licht der Mission zu lesen.

 

Die Sendung des "Wortes“ geschah durch die Verkündigung Jesu Christi. Inhalt der Verkündigung war der Friede. Dabei bestimmt der Verfasser der Apg nicht genauer, wie der von Jesus Christus verkündigte Friede beschaffen ist. Handelt es sich um einen Frieden unter den "Söhnen Israels“? Oder um einen Frieden zwischen den "Söhnen Israels“ und ihrem Gott? "Söhne Israels“ sind die leiblichen Nachkommen des Erzvaters Jakob, der auch Israel genannt wird (vgl. Gen 32,29). Vermutlich spielt der Verkündigende, Jesus Christus, bei dem Frieden eine besondere Rolle. Somit kann der Friede allein unter den Christen herrschen oder diese zumindest einschließen. Es kann auch an den Frieden zwischen Gott und den Menschen − insbesondere den christusgläubigen − gedacht sein, der durch das Versöhnungswerk Jesu Christi am Kreuz bewirkt wurde. Der Friede kann aber auch noch weiter gefasst sein: Das Bekenntnis "dieser ist aller Herr“ lässt daran denken, dass auch die Nichtjuden bzw. Nicht-Christen in den Frieden eingeschlossen sind, denn der Verkündiger des Friedens ist ja auch deren "Herr“. Fraglich ist jedoch, ob die Nichtjuden bzw. Nicht-Christen erst zum Glauben an Christus kommen müssen, damit auch sie in den Frieden eingeschlossen werden können. Die weitest gehende Deutung ergibt sich, wenn man den Genitiv "pantôn“ des Bekenntnisses für ein Neutrum hält. Versteht man dann den Frieden im Licht des Bekenntnisses, so ist alles in den Frieden eingeschlossen, der Friede somit universal. Fazit: Der Friede wurde zwar nur den "Söhnen Israels“ verkündet, bleibt aber vermutlich nicht auf diese beschränkt. Vielmehr scheint auch die Einbeziehung der Heiden in den Blick zu kommen. Juden und Nichtjuden stünden sich demnach also nicht mehr unversöhnlich gegenüber, sondern wären miteinander in Frieden.

Für welche Deutung man sich auch immer entscheidet: Gemeint ist ein Friede, der über das reine Fehlen von Krieg hinausgeht und − dem hebräischen Wort "schālōm“ entsprechend - im Sinne von Wohlergehen zu verstehen ist.

 

Das mediale Partizip "euangelizomenos“ kann "verkündigend“ oder "verkündigen lassend“ bedeuten. Entweder hat also Gott selbst durch Jesus Christus verkündigt oder er hat durch Jesus Christus verkündigen lassen.

 

Weiterführende Literatur: Die inhaltliche und sprachliche Untersuchung von Apg 10,36-43 lasse laut A. Weiser 1985, 757-767 nicht erkennen, dass eine vorlukanische Tradition größeren Umfangs zugrunde liegt oder eine "midraschartige Verflechtung“ der vorlukanische "Rahmen“ und "Leitfaden“ gewesen ist. Eine vorevangeliare Grundstruktur, die dann sogar zur Ausprägung der Evangelien geführt hätte, sei aus 10,36-43 nicht zu gewinnen. Aufbau, inhaltliche Akzente und Ausdrucksweise seien lukanisch. Die Entstehung der Redekomposition erkläre sich hinreichend aus den erwiesenen Voraussetzungen, dass Lukas das Markusevangelium kannte und benutzte, dass er in seiner eigenen Evangelienschrift neue Akzente setzte, dass er Aussagen aus der Septuaginta aufgriff und urchristliches Formelgut einbezog.

 

Obwohl Apg 10,34-43 den einschließenden und universalen Charakter der Kirche betone, handele der Text laut E. Erwin 1995, 179-182 ebenso von der Herrschaft Christi wie von der Gleichheit aller Menschen, die an den Namen Christi glauben.

 

H. Riesenfeld 1979, 191-194 sieht in der gängigen Deutung, wonach "das Wort“ ("ton logon“) das Objekt von "ihr kennt“ sei, ungelöste Schwierigkeiten. Daher schlägt er einen abweichenden Bezug vor: "das Wort“ sei als eine Apposition zu verstehen, die die gesamte Aussage des hoti-Satzes (Dass-Satzes) V. 34-35 aufnimmt. Die englische Übersetzung des Beginns der Rede V.34-36 laute dann folgendermaßen: "Truly I realize that God does not show partiality, but in every nation anyone who fears him and does what is right is acceptable to him; [this is] the word which he sent to the children of Israel, proclaiming good news of peace through Jesus Christ − he is Lord of all.” H. Riesenfeld führt diese Deutung auf J. A. Bengels “Gnomon Novi Testamenti” zurück, wobei jedoch F. Neirynck 1984, 118-123 auch andere Möglichkeiten erwägt.

 

Mit dem atl. Hintergrund der Glättung der Unterschiede zwischen Juden und Heiden durch die Betonung der Universalität des "Herrn“ in Apg 10,36 und Röm 10,12 befasst sich J. Dupont 1987, 229-236. Besonderes Augenmerk schenkt er dabei dem Versteil Joël 3,5aLXX, der in Röm 10,13 und Apg 2,21 zitiert werde.

 

Die Beziehung zwischen Jesus und Gott nach den Petrusreden der Apg hat M. Cifrak 2003 zum Thema. Auf S. 223-265 befasst er sich mit 10,34-43 und arbeitet dabei folgende Beziehungen heraus: Gott wirke Frieden durch Jesus Christus, den er gesalbt habe und mit dem er gewesen sei. Diesen habe er auferweckt und erscheinen lassen. Dieser sei Herr aller und von Gott vorherbestimmter Richter. Durch seinen Namen empfingen die Glaubenden die Vergebung der Sünden. Friede und Vergebung der Sünden seien gleichzusetzen. Während des irdischen Lebens Jesu sei der Friede zugegen gewesen; nach der Auferweckung gewähre sein Name die Vergebung der Sünden. Durch ihn sei Gott am Werk, also sei sein Name Gottes Name.

 

R. F. O’Toole 1996, 461-476 versucht so genau wie möglich die Bedeutung des Wortes "eirênê“ in Apg 10,36 herauszufinden. Ergebnis: "Friede“ liege der gesamten Rede des Petrus zugrunde. In 10,34-43 beinhalte der Begriff die meisten derjenigen Bedeutungen, die ihm an anderen Stellen in Lk-Apg zukommen: Gottes Universalität, Vergebung der Sünden, Botschaft über Jesus, dessen guten Werke und Wundertaten. "Friede“ in 10,36 sei Gottes Heilswirken, das zugleich messianisch sei, weil es durch Jesus Christus, des "Herrn aller“, bewirkt werde.

 

C. K. Rowe 2005, 279-300 vertritt die These, dass die Leser bzw. Hörer von Apg 10,36 im ganzen Römischen Reich den Begriff "kyrios“ ("Herr“) in Verbindung mit dem Kaiser und seinem Kult verstanden haben. Der Bezug des Titels "kyrios“ auf den Kaiser gehe aus zahlreichen literarischen und archäologischen Zeugnissen hervor. J. R. Howell 2008, 25-51 greift diese These auf, untersucht jedoch den Aussagegehalt von 10,36 im Textzusammenhang genauer. Laut J. R. Howell richte sich Lukas' Kritik gegen einen ganz bestimmten Aspekt des Kaiserkults, nämlich gegen die Tatsache, dass Hauptmänner im Auftrag des Kaisers Autorität ausüben und Almosen geben.

 

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V. 37

 

Beobachtungen: Die Worte "hymeis oidate“ können bei der Übersetzung zu V. 36 hinzugezogen ("…kennt ihr“) oder mit dem Folgenden, Gekannten, verbunden werden ("Ihr kennt…“).

Die Adressaten der Rede des Petrus waren vermutlich keine Christen. Allerdings ist aufgrund ihrer räumlichen Nähe zu den Wirkungsstätten Jesu und ihrer Hinwendung zum Judentum gut möglich, dass sie vom Leben Jesu Kenntnis hatten. Vielleicht haben die Adressaten auch schon christlicher Predigt gelauscht, wobei gemäß Apg 8,40 Philippus der Prediger gewesen sein könnte. Somit braucht die Betonung des Wissens der Adressaten nicht so verstanden werden, dass Petrus durch schmeichelnde Worte das Wohlwollen seiner Zuhörer erlangen wollte. Kornelius könnte sogar derjenige Hauptmann gewesen sein, der bei der Kreuzigung Jesu als Wächter zugegen war (vgl. Mt 27,54; Mk 15,39; Lk 23,47). Diese These beruht jedoch auf Spekulation.

 

Der Begriff "rhêma“ meint gewöhnlich etwas Gesprochenes: ein Wort, eine Äußerung oder eine Rede. Es kann aber auch eine Sache meinen. In V. 37 ist wohl das Geschehen gemeint, das sich ereignet hat.

 

Das Geschehen hat sich in ganz Judäa ereignet, wobei die Präposition "kata“ eigentlich "durch … hindurch“ oder "über … hinweg“ bedeutet und den Ausbreitungscharakter des Geschehens betont. Die Lokalisierung des Geschehens in Judäa erstaunt insofern, als der Beginn des Geschehens gemäß V. 37 nicht in Judäa, sondern in Galiläa erfolgte. Zählt der Verfasser der Apg den Beginn des Geschehens also nicht zum eigentlichen Geschehen hinzu? Oder meint "Judäa“ im weiteren Sinn das "Land der Juden“ (vgl. V. 39) und schließt Galiläa ein?

 

Es fehlt ein Bezugswort zum maskulinen Partizip "arxamenos“ ("begonnen habend“). Eigentlich wäre ein Bezug zum Geschehen anzunehmen, das ja in Galiläa begonnen hat, jedoch ist das Wort "rhêma“ ein Neutrum und kann somit nicht das Bezugswort sein. Will man nicht annehmen, dass der Verfasser der Apg hier grammatisch fehlerhaft geschrieben hat, muss man nach einem Grund für das maskuline Partzip suchen. Der Satz mag hier nicht mehr in der Originalform vorliegen oder der Verfasser der Apg kann aus einer anderen Passage zitiert haben, wobei insbesondere an Lk 23,5 zu denken wäre. Dass schon die antiken Schreiber über die grammatische Ungereimtheit gestolpert sind, zeigt eine Textvariante, die statt des maskulinen "arxamenos“ das Neutrum "arxamenon“ bietet, also das Geschlecht an dasjenige des anzunehmenden Bezugswortes "rhêma“ anpasst.

 

Die Formulierung "nach der Taufe, die Johannes verkündigte“ enthält zwei Aspekte: zum einen verkündigte Johannes die Taufe, zum anderen vollzog er sie an Jesus. Der zeitliche Beginn des Geschehens kann also sowohl die Verkündigung der Taufe durch Johannes als auch die Taufe selbst sein. Mit der Taufe Jesu hätte Johannes seine auf Jesus Christus hinweisende Tätigkeit abgeschlossen. Nun würde die eigentliche Zeit des Wirkens Jesu Christi folgen. Galiläa ist der räumliche Ausgangspunkt des Wirkens Jesu Christi.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 38

 

Beobachtungen: In 10,38-41 nennt Petrus nun die einzelnen Schritte des Geschehens, der göttlichen Aktivität durch Jesus Christus nach dessen Taufe. Diese sind gemäß Petrus den im Haus des Hauptmanns Kornelius versammelten Adressaten bekannt. Zu Beginn von V. 38 ist also gedanklich "ihr kennt…“ hinzuzufügen.

 

Gemäß V. 38 ist Jesus durch Gottes Wirken Gesalbter (Messias, Christus). Die Salbung ist nicht, wie bei Königen, Priestern, Propheten und auch kultischen Gegenständen üblich, mit Salböl erfolgt, sondern mit dem heiligen Geist und mit Kraft. Der Zeitpunkt der Salbung bleibt offen. Ebenso bleibt offen, ob die Salbung mit dem heiligen Geist und mit Kraft zum gleichen Zeitpunkt erfolgte oder ob es sich um zwei zeitlich getrennte Salbungen handelte. Gemäß Lk 3,22 kam der heilige Geist auf Jesus bei dessen Taufe in Gestalt einer Taube herab. Da der Verfasser von Lk vermutlich auch die Apg verfasst hat, kann angenommen werden, dass die Salbung mit dem heiligen Geist bei der Taufe gefolgt ist. Es ist unwahrscheinlich, dass es zwei getrennte Salbungsvorgänge gab. Wahrscheinlicher ist, dass die Salbung mit dem heiligen Geist mit der Salbung mit der Kraft verbunden war. Folglich ist wohl auch die Salbung mit der Kraft bei der Taufe erfolgt.

 

Die "Kraft“ ("dynamis“) befähigte Jesus wohl, Gutes zu tun und zu heilen. Was als gut zu verstehen ist, wird nicht gesagt. So kann nur vermutet werden, dass es sich bei dem Guten um etwas handelt, was dem Leben des Menschen förderlich ist. Fraglich ist, ob die nachfolgend genannte heilende Tätigkeit zu dem Guten gehört oder ob sie im Sinne einer Aufzählung von diesem zu trennen ist.

 

Das Verb "katadynasteuô“ ("unterjochen“) lässt den Teufel als einen feindlichen Machthaber erscheinen, dessen Machtbereich demjenigen Jesu Christi bzw. Gottes entgegensteht. Letztendlich zeigen aber die Heilungen, dass die Macht Jesu Christi bzw. Gottes größer ist.

 

Jesu Christi "Kraft“ ist von Gott gegeben und sein ganzes Handeln erscheint als von Gottes Beistand abhängig. Eigentlich handelte Gott durch Jesus Christus.

 

Weiterführende Literatur: B. R. Gaventa 1986, 107-129 befasst sich mit 10,1-11,18. Sie bespricht die einzelnen Szenen und legt dar, auf welche Weise die Wiederholungen den dramatischen Effekt steigern. Sie zeigt, dass nicht nur Kornelius, sondern auch Petrus der Bekehrung bedürfe. Petrus müsse erkennen, dass er nicht das Recht hat zu bestimmen, was Gott rein gemacht hat und was nicht. Die Aufhebung von Speisegeboten und die Aufnahme von Heiden in die Kirche seien untrennbar miteinander verbunden. Bezüglich der Worte über Jesus merkt B. R. Gaventa an, dass Petrus bereits vorher Gesagtes nur leicht ausdehne. So gehe er z. B. bei seinen Aussagen zum wunderbar heilenden Wirken Jesu im Vergleich zu 2,22 stärker ins Detail.

 

Laut W. Cyran 1995, 95-101 lasse die Salbung mit dem heiligen Geist und mit Kraft an die Taufe Jesu im Jordan denken. Diese sei eine Offenbarung seiner messianischen Mission gewesen. Jesus sei gesalbt worden, um machtvolle Taten, Wunder und Zeichen zu tun, und dadurch von Gott beglaubigt zu werden. Abschließend analysiert W. Cyran die Beziehung zwischen dem heiligen Geist und der Kraft.

 

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V. 39

 

Beobachtungen: Fraglich ist, wen Petrus mit "wir“ meint. Benutzt er die erste Person Plural literarisch, spricht er also nur von sich selbst als Zeugen? Oder meint er sich selbst und außerdem auch Kornelius und die anderen anwesenden Adressaten? Oder spricht er von sich und anderen Jüngern Jesu, wobei nur an den Kreis der Zwölf gedacht sein könnte? Dass Kornelius und die anderen anwesenden Adressaten zu den Zeugen des Wirkens Jesu gehören könnten, ist insofern unwahrscheinlich, als sie zwar als "Gottesfürchtige“ und damit dem Judentum Zugeneigte erscheinen (vgl. 10,2.22), nicht aber als Menschen, die schon in besonderem Maße mit dem Wirken Jesu in Berührung bekommen sind und dem christlichen Glauben nahe stehen oder gar schon Christen sind.

 

Das "Land der Juden“ umfasst das gesamte Siedlungsgebiet der Juden und somit auch Galiläa. Geht man aber davon aus, dass sich das mit Jesus verbundene Geschehen in erster Linie in dem Gebiet Judäa zugetragen hat (vgl. V. 37), dann kann "Land der Juden“ auch nur auf Judäa bezogen werden. Angesichts der Tatsache, dass nach dem Zeugnis der Evangelien Galiläa das Hauptwirkungsgebiet Jesu war, ist jedoch wahrscheinlicher, dass das "Land der Juden“ Galiläa einschließt.

 

Ohne Differenzierung erscheinen alle Juden als Übeltäter. Die Konjunktion "kai“ ("auch“) weist darauf hin, dass die Ermordung nicht die einzige Übeltat war, die sie Jesus zugefügt haben.

 

Der Begriff "xylos“ bezeichnet zunächst einmal das Material Holz, dann aber auch den Baum, dessen Stamm, Äste und Zweige ja aus Holz bestehen. Gemäß Dtn 21,23 ist ein zur Strafe für ein Vergehen Hingerichteter, der an einen Baum gehängt wird, ein Verfluchter. In Apg 10,39 ist zwar an das Kreuz gedacht, doch ist dieses aus Holz gemacht und gleicht somit einem Baum. Die Kreuzigung entspricht also hinsichtlich der Bewertung seitens der Juden dem Aufhängen an einem Baum, womit Jesus als Verfluchter erscheint.

 

Weiterführende Literatur: F. J. Matera 1990, 77-93 befasst sich mit Passagen der Apg, in denen die Juden beschuldigt werden, am Tod Jesu schuld zu sein. Die Rolle der Juden bei Jesu Tod sei in der Apg Bestandteil des Inhaltes der Missionspredigten. Sie werde in 10,39 eher beiläufig erwähnt und somit nicht als direkter Angriff auf die Juden zu werten.

 

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V. 40

 

Beobachtungen: Die Auferstehung erscheint als Auferweckung durch Gott. Ebenso wurde Jesus durch Gottes Wirken sichtbar. "Sichtbar werden“ ist dabei als ein Erscheinen in der Öffentlichkeit zu verstehen.

 

"Am dritten Tag auferweckt“ setzt vermutlich folgende, den Berichten der Evangelien entsprechende Zählung voraus: Kreuzigung Jesu am Tag vor dem Sabbat (Freitag, erster Tag), Grabesruhe am Sabbat (Samstag, zweiter Tag), Auferweckung Jesu und Auffindung des leeren Grabes am Tag nach dem Sabbat (Sonntag, dritter Tag; vgl. Lk 9,22; 13,32; 18,33; 24,7.21.46 parr.; außerhalb der Evangelien auch 1 Kor 15,4)

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 41

 

Beobachtungen: Der Auferstandene ist nicht dem ganzen Volk − gemeint ist wohl das Volk Israel, das Volk der Juden − erschienen, sondern nur einigen, vorherbestimmten Zeugen. Das Perfekt "kecheirotonêmenois“ weist darauf hin, dass die Vorherbestimmung mit einem bestimmten, in der Gegenwart liegenden Ziel erfolgt ist: der Zeugenschaft der Auferstehung Jesu von den Toten. Der genaue Zeitpunkt der in der Vergangenheit liegenden Vorherbestimmung wird nicht genannt.

Im Licht von V. 41 gelesen umfasst die Wir-Gruppe der Zeugen ganz sicher nicht Kornelius und die anderen im Haus des Kornelius der Rede des Petrus Lauschenden und auch nicht alle Augenzeugen Jesu, sondern nur Jünger Jesu, die mit Jesus nach dessen Auferstehung von den Toten Tischgemeinschaft hatten. Fraglich ist allerdings, ob die Wir-Gruppe des V. 39 mit derjenigen des V. 41 übereinstimmt. Eine fehlende ausdrückliche Unterscheidung spricht dafür. Vermutlich hat Petrus in erster Linie sich selbst und die anderen nachösterlichen Tischgenossen Jesu als "Zeugen“ im Blick. Darüber hinaus mag er aber in V. 39 auch, allerdings nachrangig, an die anderen Augenzeugen Jesu denken.

Es gibt in den Evangelien keine einheitlichen Angaben darüber, wer mit dem von den Toten auferweckten Jesus Tischgemeinschaft hatte. Laut Joh 21,1-14 − insbesondere 21,13 - waren es die Zwölf (ohne den Verräter Judas Iskariot), also auch Petrus. Lk 24,13-35 − insbesondere 24,30 − spricht jedoch nur von einem Mahl zweier nicht zu den Zwölfen gehörender Jünger, einer davon mit Namen Kleopas, mit dem Auferstandenen. Zwar ist auch in Lk 24,36-43 − insbesondere 24,41-43 - von einem Mahl die Rede, jedoch erfolgt dieses nicht mit den Zwölfen (ohne Judas Iskariot) zusammen, sondern ist eher ein Mahl Jesu vor den Jüngern. Auch wird gemeinsames Trinken nicht erwähnt. Apg 1,4 kann nur eingeschränkt als Beleg für ein gemeinsames Essen und Trinken mit den Jüngern herangezogen werden. Dort ist nämlich nur davon die Rede, dass der auferstandene Jesus mit den "erwählten Aposteln“ zusammenkam. Dabei ist fraglich, ob das Partizip "synalizomenos“ ("zusammenkommend“) auch die Tischgemeinschaft meint. Zwar kann das Partizip auch mit "zusammen Salz essend“ übersetzt werden, doch wäre dann eine ganz bestimmte Art des Mahls gemeint, das nicht unbedingt gemeinsames Trinken umfassen muss. Mit welchen Jüngern auch immer die Tischgemeinschaft erfolgte: Sie erscheint als vorzüglicher Beleg dafür, dass Jesus Christus nicht nur von den Toten auferstanden ist, sondern dass er leibhaftig auferstanden ist.

 

Weiterführende Literatur: J. J. Bartolomé 1984, 269-288 setzt sich anhand von Lk 15,2; Apg 10,41; 11,3 mit der These auseinander, dass das Wesen des Christentums "synesthiein“ ("zusammen mit … essen“) sei. Ergebnis: Als Wesen des Christentums könne "synesthiein“ zwar nicht bezeichnet werden, doch sei auf zwei zentrale Aspekte des "synesthiein“ (gemäß lukanischem Gebrauch) in Verbindung mit dem christlichen Leben hinzuweisen: a) Vom Gott der Christen gehe der universale Ruf zum Heil aus. b) Das "synesthien“ offenbare den universalen Heilswillen Gottes und sei somit keine rein freiwillige Angelegenheit, sondern der christlichen Gemeinschaft aufgetragen.

 

R. S. MacKenzie, R. Sheldon 1985, 637-650 gehen Lukanismen in Textvarianten nach und befassen sich dabei mit "systrephein“ (10,41), "achri + hêmera“ (13,31), "metanoia“ (13,38), "sigaô/siôpaô/hêsychazô“ (13,41), "haima“ (17,26), "malista“ (17,27) und "kath' hêmeran“ (17,28). Lukanismen seien Wörter oder Formulierungen, a) die nur in Lk-Apg verwendet werden; b) die insbesondere vom Verfasser von Lk-Apg verwendet werden, wenn eigentlich ein anderes Wort oder eine andere Formulierung zu erwarten gewesen wäre; c) die für den Verfasser von Lk-Apg typisch sind. Beim Vorliegen eines Lukanismus sei eine Textvariante anders zu bewerten: Man könne sie nicht einfach als das Werk eines Redaktors oder von Redaktoren abtun.

 

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V. 42

 

Beobachtungen: Fraglich ist, wer der Gebietende ist: Gott oder Jesus Christus? Beide werden im Vorausgehenden erwähnt.

 

Jesus Christus wurde in der Vergangenheit von Gott zum Richter über Lebende und Tote bestimmt. Der genaue Zeitpunkt der Bestimmung bleibt jedoch offen.

 

"Das Volk“ dürfte wiederum das Volk Israel sein, dem als Gottesvolk die göttlichen Botschaften an erster Stelle zuteil werden sollen. Das schließt nicht aus, dass auch den Nichtjuden Jesus Christus als Richter der Lebenden und Toten verkündigt und bezeugt werden soll. Die Nichtjuden sind allerdings nur nachrangige Adressaten. Diese Nachrangigkeit wird insbesondere auch am Wirken des Petrus deutlich, dessen Missionstätigkeit sich weit gehend auf die Juden beschränkte. Seine Rede vor Kornelius und den anderen vermutlich nicht-jüdischen Anwesenden stellte eine Ausnahme dar.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 43

 

Beobachtungen: Das Demonstrativpronomen "toutô“ kann sowohl ein Maskulinum als auch ein Neutrum sein, also auf Jesus oder eine Sache verweisen. Bei dieser Sache dürfte es sich um eine mit dem Leben Jesu verbundene Botschaft oder Begebenheit handeln, die von den Propheten bezeugt wird. Verwiesen würde vermutlich auf die in V. 43 folgende Glaubensaussage.

 

Die Sündenvergebung setzt den Glauben an Jesus Christus voraus. Das bedeutet, dass die Sündenvergebung nicht allen Menschen zuteil wird, sondern nur den Christusgläubigen. Wenn der Glaube als einzige Voraussetzung der Sündenvergebung erscheint, dann bedeutet das aber auch, dass die Zugehörigkeit zum Volk Israel keine Voraussetzung ist. Somit wird Heidenmission ermöglicht, was für den weiteren Verlauf des in der Apg Berichteten von großer Bedeutung ist.

 

Dem Namen Jesu kommt Wirkmacht zu. Doch an welchen Namen ist gedacht? Jesus? Jesus von Nazareth? Jesus Christus? Christus? Am ehesten ist an "Jesus Christus“ oder "Christus“ zu denken, denn der Titel "Christus“ drückt aus, dass Jesus als Heilsbringer verstanden wird. Die zugesagte Sündenvergebung ist wesentlicher Bestandteil des Heils.

 

Das Zeugnis "aller Propheten“ ist am ehesten in der hebräischen Bibel (= AT) zu suchen, und zwar in den prophetischen Schriften. "Alle Propheten“ verweist wohl eher darauf, dass sich die Propheten nicht widersprechen, als darauf, dass sich tatsächlich bei allen Propheten ein biblischer Beleg für die den Christusgläubigen zugesprochene Sündenvergebung findet. Letzteres ist nämlich nicht der Fall. Allerdings gibt es tatsächlich verschiedene Stellen prophetischer Schriften, an die Petrus bei seinem Verweis auf das prophetische Zeugnis gedacht haben könnte: Jes 33,24; 55,7; Jer 31; Joel 3,5.

 

Weiterführende Literatur: Zur Legitimation der Heidenmission mittels Schriftbelegen in Lk 4,16-30; Apg 8,26-40; 13,44-47; 15,13-21; 28,23-28 und 10,1-11,18 siehe J. B. Tyson 1987, 619-631.

 

Laut A. Ruck-Schröder 1999, 174-176 sei "durch seinen Namen“ ein konzentrierter Ausdruck für das zuvor (V. 38ff.) und danach (V. 44) Gesagte. Es meine: durch den, der als Geistbegabter Gutes wirkt und heilt. Es meine auch: durch den, der den Glaubenden Anteil an dieser Gemeinschaft gibt.

 

 

Literaturübersicht

 

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