Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Apostelgeschichte (13-14)

Die erste Missionsreise des Paulus

Apg 13,38-41

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Apg 13,38-41

 

 

Übersetzung

 

Apg 13,38-41:38 So sei euch also kundgetan, Brüder, dass durch diesen euch Sündenvergebung verkündigt wird; von allem, wovon ihr durch [das] Gesetz des Mose nicht gerechtfertigt werden konntet, 39 wird durch diesen jeder Glaubende gerechtfertigt. 40 Seht nun zu, dass nicht eintreffe, was in den Propheten gesagt ist: 41 "Seht, ihr Verächter, wundert euch und werdet zunichte! Denn ein Werk wirke ich in euren Tagen, ein Werk, das ihr nicht glauben werdet, wenn [es] euch jemand erzählt.“

 

 

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V. 38

 

Beobachtungen: 13,38-41 ist der letzte Teil der Predigt des Paulus in der Synagoge von Antiochia in Pisidien (13,16-41). Nachdem Paulus dargelegt hatte, dass die "Stimmen der Propheten“ erfüllt worden sind, indem Jesus ("David“) von Gott von den Toten auferweckt worden ist und nicht die Verwesung gesehen hat (13,26-31), und dies mittels biblischer Schriftzitate belegt hatte (13,32-37), kam er nun (13,38-41) auf die Sündenvergebung zu sprechen. Diese Sündenvergebung sah Paulus in einem engen Zusammenhang mit der Auferweckung und Unvergänglichkeit Jesu.

 

Paulus verkündigte die Sündenvergebung in der antiochenischen Synagoge nicht Heiden, sondern den Juden und Gottesfürchtigen (= Proselyten?), die er direkt anredete.

 

Das Substantiv "anêr“ bedeutet gewöhnlich "Mann“ und nur ausnahmsweise "Mensch“. Die Anrede "andres adelphoi“ ("Ihr Männer [und] Brüder“; kurz: "Brüder“) macht also wahrscheinlich deutlich, dass unter den Zuhörern nur Männer, jedoch keine Frauen waren. Wurden nach Geschlechtern getrennte Gottesdienste abgehalten oder fehlten die Frauen aus einem anderen Grund oder schließt "anêr“ hier ausnahmsweise auch Frauen ein? Wie aus V. 26 hervorgeht, sind hier nicht Glaubensgenossen des Paulus, also Christen, gemeint, sondern "Söhne des Geschlechtes Abrahams und die Gottesfürchtigen“. Paulus bezeichnete also die Juden und die den Juden nahe stehenden Heiden als "Brüder“, was zu erkennen gibt, dass sich Paulus weiterhin als Jude verstand. Da er Jesus als den verheißenen Messias (= Christus) verkündigte, dürfte er sich als christusgläubiger Jude verstanden haben.

 

Die Präposition "dia“ ("durch“) gibt nicht an, durch wen die Sündenvergebung verkündigt wird, sondern durch wen es überhaupt zur Sündenvergebung kommt, wer also der Grund ist.

Der Genitiv "toutou“ kann ein Neutrum ("dieses“) oder ein Maskulinum ("diesen“) sein. In ersterem Fall wäre die Auferstehung Jesu von den Toten gemeint, in letzterem Fall Jesus selbst. Der Abschnitt V. 32-37 endet nicht mit der Rede von dem Geschehen, sondern von Jesus selbst, nämlich dem, den Gott auferweckt hat und der keine Verwesung gesehen hat. Folglich ist davon auszugehen, dass das Demonstrativpronomen "touto“ auf diesen hinweist und somit ein Maskulinum ist. "Dia toutou“ ("durch diesen“) besagt also, dass Jesus der Grund für die Sündenvergebung ist.

 

"..von allem, wovon ihr durch [das] Gesetz des Mose nicht gerechtfertigt werden konntet“ kann auf zweierlei Weise gedeutet werden: Zum einen kann ausgesagt sein, dass die Zuhörer nicht in jeder Hinsicht durch das Gesetz des Mose − gemeint sind die fünf Bücher Mose, die Tora − gerechtfertigt werden konnten, sondern nur in bestimmten Punkten. In allen anderen Punkten konnte nur der Glaube an Jesus rechtfertigen. Zum anderen ist aber auch die Deutung möglich, dass die Zuhörer in allem nicht durch das Gesetz des Mose gerechtfertigt werden konnten. Demnach wäre Rechtfertigung ausschließlich durch den Glauben an Jesus möglich. Angesichts dieser Doppeldeutigkeit stellt sich die Frage, ob der Verfasser der Apg davon ausging, dass Paulus dem Gesetz des Mose zugestand, dass dieses in bestimmten Punkten rechtfertigen konnte.

Es fällt auf, dass der Verfasser der Apg Paulus in der Predigt Sündenvergebung und Rechtfertigung gleichsetzen lässt. Nicht irgendwelche Unterschiede zwischen Sündenvergebung und Rechtfertigung sind von Interesse, sondern die Rechtfertigung aus Glauben steht im Mittelpunkt. Insofern ist wahrscheinlicher, dass der so dargestellte Paulus dem Gesetz des Mose in keinerlei Hinsicht rechtfertigende Kraft beimaß.

 

Weiterführende Literatur: Die drei Reden des Paulus im pisidischen Antiochien (vgl. 13,16b-41), in Athen (vgl. 17,22b-31) und in Milet (vgl. 20,18b-35) hat M. Quesnel 2001, 469-481 zum Thema. Dabei gibt er zunächst einen synoptischen Überblick über die Charakteristika der Reden, bevor er nacheinander auf jede einzelne Rede eingeht.

 

Mit der Missionspredigt Apg 13,16-41 befasst sich A. Bottino 1990,81-97. Sie geht zunächst auf textkritische Aspekte ein, beleuchtet dann den Kontext und die Struktur der Missionspredigt und bietet abschließend eine exegetische Analyse.

 

P. Ellingworth 1994, 242-243 gibt zu denken, dass Paulus in V. 38 im Gegensatz zu V. 16 und V. 26 nur eine Personengruppe anrede, nämlich "Brüder“. Somit sei nicht klar, ob wie in V. 16 und V. 26 "Israeliten und Gottesfürchtige“ bzw. "Söhne des Geschlechtes Abrahams und die Gottesfürchtigen unter euch“ gemeint sind. P. Ellingworth vermutet, dass sich Paulus in V. 38 konkret an die "Israeliten“ bzw. "Söhne des Geschlechtes Abrahams“ wende. Er begründet dies damit, dass V. 38 keine Rede einleite und eine andere Funktion habe. Außerdem sei der Inhalt der V. 38-41 in erster Linie für Juden und weniger für Gottesfürchtige relevant.

 

Untersuchungen zur Rede des Paulus im pisidischen Antiochien bietet J. Pichler 1997. Betrachte man Apg 13,16-52 unter formalem Gesichtspunkt, lasse sich der Einfluss der antiken Rhetorik für die Konzeption der Rede nachweisen. Diese Erkenntnis habe sowohl für die Interpretation der Rechtfertigungslehre in V. 38-39 als auch für die idealtypische Zusammengehörigkeit der beiden Reden Bedeutung. Inhaltlich seien die Missionsreden vor allem durch die deuteronomistische Umkehrpredigt geprägt. Die Missionsreden der Apg seien nicht nur Bekenntnis und Zeugnis, sondern zugleich eine handlungstheoretische Reflexion der lukanischen Gemeinde. Sie wisse, dass Gottes Absicht der lebendige Mensch ist, und sie prüfe sich, inwieweit sie selbst heilsam für die Welt wirkt. Die Heilssorge wurzele als elementare Glaubenshandlung im Bekenntnis der Kirche. Es sei nur konsequent, wenn auf die Missionsrede eine Heilung erfolgt (vgl. 14,8-10). Die strukturelle Ähnlichkeit von 13,16-52 und 2,14-41 falle auf. Indem auf diese Art und Weise die gemeinsame Grundüberzeugung zwischen Petrus und Paulus mit aller Deutlichkeit hervorgehoben werde, demonstriere Lukas seine literarische Absicht. Er bemühe sich, den kirchlichen Konsens herauszustellen. Für den Verkündigungsprozess spiele Paulus eine besondere Rolle. Einerseits werde die paulinische Rechtfertigungslehre in der lukanischen Kirche voll anerkannt, andererseits komme Paulus selbst in der Gemeinde großes Gewicht zu. Die Gemeinde orientiere sich am Vorbild des Paulus und versuche auf diesem Weg, in einer Zeit der Umbrüche Orientierung zu gewinnen. Eine Auslegung der V. 38-41 unter der Überschrift "Rechtfertigung und missionarisches Engagement“ bieten die S. 249-255.

 

Mit der Predigt 13,16-41 befasst sich G. Angel 1990, 2-3. Er macht deutlich, dass eine Predigt zum einen immer überpersönlich sei, weil ihr eine allen Menschen offenbarte Wahrheit, das Evangelium zugrunde liege. Zum anderen sei Predigt eine persönliche Angelegenheit, weil die Wahrheit vom einzelnen entdeckt und erlebt werde. Dies gelte auch hinsichtlich der Predigten von Petrus und Paulus, und zwar trotz einer gewissen schablonenhaften Gestaltung nach frühchristlichen Predigtmustern. Die Predigt 13,16-47 ist gemäß G. Angel eine Erläuterung von Texten der hebräischen Bibel, also ein Midrasch. Die Erläuterung erfolge in erzählerischer Form, also in Form einer Haggada. Sie sei sorgsam auf die ganz spezifische Zuhörerschaft in der antiochenischen Synagoge ausgerichtet.

 

Mit den Glaubensaussagen in Apg 13,17-41 befasst sich D. Ellul 1992, 3-14. In 13,17-41 werde Israels Erwählung thematisiert. Dabei sei die atl. Glaubensaussage, dass Gott der Schöpfer ist, grundlegend. Es werde verdeutlicht, dass Johannes der Täufer nicht der Messias ist. In 13,26-37 komme Jesu Kreuzigung und Auferstehung zur Sprache. Hier erscheine die ntl. Glaubensaussage wonach Gott Überwinder des Todes und somit gänzlich Schöpfer ist. Auch David werde als Messias ausgeschlossen. In 13,38-41 schärfe Paulus ein: das Gesetz (der Dekalog / die Tora) hat für alle Zeiten seine Heilsfunktion verloren und es besteht die Gefahr, dass Israel des Heils verlustig geht. Seine Erwählung hat keine Gültigkeit mehr, denn Gottes Verheißung hat sich in dem Messias Jesus erfüllt. In diesem letzten Abschnitt werde die paulinische Glaubensaussage deutlich, wonach Gott die Sünde überwinde, und zwar durch den Messias Jesus.

 

Mit der Auferstehung Jesu von den Toten und deren Auswirkungen auf unsere eigene Auferstehung gemäß Apg 13,13-52 befasst sich R. F. O’Toole 1979, 361-372.

 

D. A. de Silva 1994, 32-49 geht folgenden Fragen nach: Welches ist die Bedeutung von Gottes heilvollen Taten Israel gegenüber, wie sie in Apg 13,17-22 berichtet werden? Wie wird das Thema "Verheißung“ und "Erfüllung“ entfaltet? Welcher Argumentationsverlauf wird durch die drei Schriftzitate (Ps 2,7; Jes 55,3; Ps 16,10) in Apg 13,33-35 entwickelt? Welche Stellung nimmt Apg 13,38-39 in der Argumentation ein? Von welchem "Werk“ ist in V. 41 die Rede? Zu V. 38-39: Diese beiden Verse würden laut D. A. de Silva verschiedentlich für unpaulinisch gehalten, enthielten aber durchaus paulinische Theologie. Es werde ausgesagt, dass man nicht durch das Gesetz des Mose gerechtfertigt werden kann, sondern nur durch Jesus, den Gott von den Toten auferweckt hat.

 

E. Larsson 1985, 425-436 legt dar, dass in der Forschung gewöhnlich streng zwischen den paulinischen Briefen und der Apg unterschieden werde. Allerdings sei in Apg 13,38-39 eine Verbindung zwischen dem Paulus der Briefe und dem lukanischen Paulus der Apg erkennbar. In der Apg stelle sich zwar Paulus des Öfteren als toratreu dar (vgl. 24,14-15; 25,8 u.a.), doch gehöre 13,38-39 zu den torakritischen Aussagen. 15,10 habe den gleichen Inhalt, stamme aber aus dem Mund des Petrus. Dieser Vers sei wahrscheinlich von Lukas formuliert worden, um im Hinblick auf die Torafrage zu verdeutlichen, dass Übereinstimmung zwischen Petrus und Paulus geherrscht habe. Er könne also herangezogen werden, um das paulinische Gesetzesverständnis gemäß Lukas zu erhellen. E. Larsson hält für nicht wahrscheinlich, dass 13,38-39 besage, dass es bestimmte Sünden gibt, für die es durch das Gesetz keine Rechtfertigung gibt, sondern nur durch den Glauben. Wahrscheinlicher sei, dass Paulus jegliche Rechtfertigung durch das Gesetz abstreitet.

 

Gemäß J. J. Kilgallen 1988, 480-506 laufe die ganze Rede in der Synagoge im pisidischen Antiochien auf V. 38-39, auf Gnade und Rechtfertigung zu. Die Gnade, die den Antiochenern in der Gegenwart angeboten werde, sei die gegenwärtige Erfüllung der Verheißungen der Vergangenheit und der kürzlich erfolgten Auferstehung Jesu, des Sohnes Davids.

 

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V. 39

 

Beobachtungen: Auch wenn Paulus in der Synagoge die Sündenvergebung/Rechtfertigung konkret den Juden und Gottesfürchtigen (= Proselyten?) verkündigte, so war diese doch jedem Glaubenden zugesagt. "Jeder Glaubender“ bezieht sich nicht nur auf die die Juden und Gottesfürchtigen (= Proselyten?), sondern auch auf Nichtjuden. Der universale Charakter der Sündenvergebung kommt in den Blick, und damit auch die weltweite Verkündigung der Sündenvergebung.

Der universale Charakter der Sündenvergebung bildet einen Kontrast zu der nur von den Juden und Gottesfürchtigen (= Proselyten?) erstrebten Rechtfertigung durch das Gesetz des Mose.

 

Wie schon in V. 38 dürfte der Genitiv "toutou“ ein Maskulinum sein ("diesen“) und auf Jesus hinweisen.

Fraglich ist, ob sich "en toutou“ ("an/durch diesen“) auf "pas ho pisteuôn“ ("jeder Glaubende“) bezieht oder auf "dikaioutai“ ("gerechtfertigt wird“). Geht man von ersterem Bezug aus, so ist V. 39 mit "wird jeder an diesen Glaubende gerechtfertigt“ zu übersetzen. Geht man von letzterem Bezug aus, so lautet die Übersetzung "wird durch diesen jeder Glaubende gerechtfertigt“.

 

Weiterführende Literatur: Laut H. Klein 1998, 155-164 sei Apg 13,38-39 die einzige Stelle des lukanischen Doppelwerkes, die an die zentrale Aussage des Paulus von der "Rechtfertigung aus Glauben außerhalb des Gesetzes“ (vgl. Röm 3,21-22) erinnert. Dies sei wohlbekannt und immer wieder Grund zur Frage, inwieweit Lukas Paulus nahe stand, ihn gekannt hat und mit seiner Gedankenwelt vertraut war. H. Klein beleuchtet die Wendung Apg 13,38-39 etwas näher, und zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der Frage, inwiefern sie paulinisch ist, sondern was Lukas unter dieser Formulierung verstanden hat, oder was seine Leser, die die Paulusbriefe nicht kannten, verstehen konnten. Ergebnis: Nur in 13,38-39 würden diese beiden Traditionen verbunden: Gerechtigkeit, die nicht ausreichend ist, wenn sie allein auf der Einhaltung des Gesetzes beruht, und Rettung aus Glauben bzw. Rechtfertigung aus Glauben. Die Gerechtigkeit aus Glauben ergänze die Gerechtigkeit aus dem Gesetz und hebe sie letztlich auf, aber eben nur letztlich. Denn solange Christen leben, seien sie im Sinne des Lukas, und nicht nur des Lukas, an Gottes Gebote gewiesen − Gebote, die vom Doppelgebot der Liebe her ausgelegt und verstanden werden wollten.

 

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V. 40

 

Beobachtungen: Einige Textzeugen fügen die Worte "eph' hymas“ ("über euch“) ein, womit V. 40 "Seht nun zu, dass nicht über euch komme,…“ zu übersetzen ist. Dieser zuspitzende Bezug des nachfolgenden warnenden Zitates (V. 41) auf die Zuhörer widerspricht allerdings dem Versuch des Paulus, in seiner Predigt unnötige Schärfen gegenüber seinen Zuhörern zu vermeiden und so deren Offenheit für seine Botschaft zu wahren (vgl. insbesondere V. 27).

 

"In den Propheten“ meint "in den prophetischen Schriften der hebräischen Bibel“. Dabei werden "die Propheten“ als eine Einheit gesehen, denn tatsächlich ist das folgende Zitat nicht aus einer Mehrzahl prophetischer Schriften entnommen, sondern nur aus einer einzigen prophetischen Schrift, nämlich dem Buch des Propheten Habakuk (1,5LXX).

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 41

 

Beobachtungen: Das Zitat von Hab 1,5LXX erfolgt fast wörtlich, bei einigen wenigen Änderungen: Der Imperativ "epiblepsate“ ("schaut an“) ist fortgelassen, vermutlich weil dem Zitat das ähnliche Verb "blepô“ vorausging (V. 40), das jedoch hier eine andere Bedeutung hat, nämlich nicht "zusehen“ im Sinne von "anschauen“ bedeutet, sondern im Sinne von "aufmerksam sein“. Außerdem ist der Semitismus "thaumasate thaumasia“ ("wundert euch über wundersame Dinge“) zu "thaumasate“ vereinfacht. Das zweite, verdeutlichende "ergon“ ("Werk“) ist hinzugefügt. Die anderen Änderungen sind für die Übersetzung und Auslegung nicht von Belang. Möglich ist, dass dem Verfasser der Apg eine uns heute unbekannte Septuaginta-Fassung vorlag.

 

Hab 1,5 stellt eine Unheilsankündigung dar: In Israel wird Unrecht und Gewalt geübt, so dass Israels Gott JHWH seinem Volk ein gewaltiges feindliches Volk erstehen lässt, die Chaldäer (= Neubabylonier). Dies ist das Werk, das der Gott JHWH gemäß Hab 1,5 in "euren Tagen“ wirken wird. Im Gegensatz zu Hab 1,5 spricht Apg 13,41 von einem Heil − statt Unheil - wirkenden Werk Gottes. Dieses Werk kann nicht die Erzählung (= Verkündigung) der Missionare an sich sein, sondern nur das Erzählte (= Verkündigte). Kern der Predigt des Paulus war die Auferweckung Jesu von den Toten und Jesu Unvergänglichkeit, ebenso die daraus folgende Auferweckung der Gläubigen von den Toten und die Sündenvergebung/Rechtfertigung der Gläubigen − alles von Gott bewirkt. Dieses Werk Gottes in der Gesamtheit dürfte im Zitat gemeint sein und dieses Werk ist es ja auch, das die Zuhörer infolge der Predigt glauben sollen.

 

Das angekündigte heilvolle, von Gott gewirkte Werk soll durchaus eintreffen. Nicht eintreffen soll jedoch der Unglaube. Auf die Situation in der antiochenischen Synagoge hin aktualisiert liest sich das Habakuk-Zitat so: Gott wirkt Sündenvergebung/Rechtfertigung für jeden, der an den auferstandenen Jesus Christus glaubt. Es soll nicht eintreffen, dass die Juden und Gottesfürchtigen (= Proselyten?) Verächter sind, nicht glauben, was ihnen von Paulus erzählt wird, sich wundern und schließlich zunichte werden.

Das Verb "thaumazô“ meint hier nicht das ehrfürchtige sich Wundern, das zum Glauben führt, sondern das unverständige sich Wundern, das im Unglauben verharrt.

Unklar ist, was für eine Vernichtung gemeint ist. Die Verweigerung der Sündenvergebung seitens Gottes ist an sich noch keine Vernichtung. Zur Vernichtung führt sie nur, wenn sie zu einer Verweigerung der Auferstehung von den Toten und damit zur Verweigerung des ewigen Lebens führt, oder wenn zwar nicht die Auferstehung von den Toten verweigert wird, diese jedoch zu einem Strafgericht führt, auf das eine vernichtende Strafe folgt.

 

Weiterführende Literatur: R. S. MacKenzie, R. Sheldon 1985, 637-650 gehen Lukanismen in Textvarianten nach und befassen sich dabei mit "systrephein“ (10,41), "achri + hêmera“ (13,31), "metanoia“ (13,38), "sigaô/siôpaô/hêsychazô“ (13,41), "haima“ (17,26), "malista“ (17,27) und "kath' hêmeran“ (17,28). Lukanismen seien Wörter oder Formulierungen, a) die nur in Lk-Apg verwendet werden; b) die insbesondere vom Verfasser von Lk-Apg verwendet werden, wenn eigentlich ein anderes Wort oder eine andere Formulierung zu erwarten gewesen wäre; c) die für den Verfasser von Lk-Apg typisch sind. Beim Vorliegen eines Lukanismus sei eine Textvariante anders zu bewerten: Man könne sie nicht einfach als das Werk eines Redaktors oder von Redaktoren abtun.

 

Nach den Gründen für die Auswahl und die ganz bestimmte Anordnung der Zitate in 13,32-52 fragt H. van de Sandt 1994, 26-58. Dabei geht er nicht nur von den Formulierungen und den Zusammenhängen der Zitate in der Apg, sondern auch von den Formulierungen und den Zusammenhängen in der Septuaginta aus. Ergebnis: Alle drei Texte Jes 55,1-13; Hab 1,1-11 und Jes 49,1-6, denen die Zitate entnommen seien, handelten von Gottes Absichten mit den Heiden. Obwohl der Einschluss der Heiden in die Gemeinschaft der Israeliten problematisch gewesen sei, sei er jetzt, wo Jesus von den Toten auferstanden war, Gottes Wille gewesen. In allen zitierten Septuagintatexten erscheine die Absicht der Rettung der Heiden nach einem Muster, das Ps 2 zugrunde liege. Demnach stünde die Art und Weise menschlichen Denkens und Handelns zu derjenigen Gottes im Widerspruch.

 

Mit der Funktion des Zitats Hab 1,5 LXX in der Apg befasst sich R. W. Wall 2000, 247-258. Dabei geht er insbesondere auf die Funktion in Apg 13,41 und auf den Wiederhall in 15,3 ein. Ergebnis: Paulus ziehe in der Apg Hab 1,5 LXX heran, um an ganz Israel die eindringliche Warnung zu richten, dass die Verweigerung des Glaubens an das von Paulus verkündete "Werk“ Gottes − gemeint sei dessen Evangelium − einer Zurückweisung des "Wortes Gottes“ und schließlich der Konfrontation mit dem Gericht Gottes gleichkomme. Dadurch gingen die Verweigerer der Wohltat des ewigen Lebens verlustig (vgl. Apg 13,46).

 

Laut D. A. de Silva 1994, 32-49 sei in V. 41 mit dem "Werk“ nicht die Auferstehung Jesu von den Toten gemeint. Begründung: Erstens verweise "in euren Tagen“ möglicherweise nicht auf ein Ereignis der jüngsten Vergangenheit, sondern der Gegenwart oder nahen Zukunft, zweitens sei das "Werk“ nicht unbedingt ein Glaubensgegenstand im soteriologischen Sinne. Nicht die Auferstehung Jesu an sich sei im Blick, sondern das, was aus der Auferstehung folge. Im Zusammenhang mit den in Apg 13,33-34 zitierten atl. Textpassagen Ps 2,7 und Jes 55,3 liege der Schluss nahe, dass mit dem "Werk“ die Heidenmission gemeint ist.

 

 

Literaturübersicht

 

Angel, Gervais; Partnership in the Gospel: Acts 13:16-47, Evangel 8/2 (1990), 2-3

Bottino, Adriana; Il discorso missionario di Paolo (At 13,16-41), RicStBib 2/2 (1990), 81-97

de Silva, David A.; Paul’s Sermon in Antioch of Pisidia, BS 151/601 (1994), 32-49

Ellingworth, Paul; Acts 13:38 − A Query, BiTr 45 (1994), 242-243

Ellul, Danielle; Antioche de Pisidie: Une prédication…trois credos? (Actes 13,13-43), FN 5/9 (1992), 3-14

Kilgallen, John J.; Acts 13,38-39: Culmination of Paul’s Speech in Pisidia, Bib. 69 (1988), 480-506

Klein, Hans; Rechtfertigung aus Glauben als Ergänzung der Rechtfertigung durch das Gesetz, in: K. Wengst u. a. [Hrsg.], Ja und Nein: christliche Theologie im Angesicht Israels, FS W. Schrage, Neukirchen-Vluyn 1998, 155-164

Larsson, Edvin; Paul: Law and Salvation, NTS 31/3 (1985), 425-436

MacKenzie, R. Sheldon; The Western Text of Acts: Some Lucanisms in Selected Sermons, JBL 104 (1985), 637-650

O’Toole, Robert F.; Christ’s Resurrection in Acts 13,13-52, Bib. 60/3 (1979), 361-372

Quesnel, Michel; Paul prédicateur dans les Actes des Apôtres, NTS 47/4 (2001), 469-481

van de Sandt, Huub; The Quotations in Acts 13,32-52 as a Reflection of Luke’s LXX Interpretation, Bib. 75 (1994), 26-58

Wall, Robert W.; The Function of LXX Habakkuk 1:5 in the Book of Acts, BBR 10/2 (2000), 247-258

 

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