Apg 14,24-28
Übersetzung
Apg 14,24-28:24 Und sie zogen durch Pisidien und kamen nach Pamphylien; 25 und nachdem sie in Perge das Wort geredet hatten, gingen sie hinab nach Attalia. 26 Von dort segelten sie nach Antiochia, von wo aus sie der Gnade (des) Gottes übergeben worden waren zu dem Werk, das sie [nun] vollbracht hatten. 27 Als sie angekommen waren und die Gemeinde versammelt hatten, berichteten sie, was alles (der) Gott mit ihnen getan und dass er den Heiden eine Glaubenstür geöffnet hatte. 28 Sie hielten sich aber eine nicht geringe Zeit bei den Jüngern auf.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Gemäß 14,20b-23 hatten Paulus und Barnabas von Derbe aus die Rückreise über die bereits missionierten Städte Lystra, Ikonion und Antiochia angetreten. Die in 13,14 auftauchende Bezeichnung "Antiochia in Pisidien“ ist insofern irreführend, als Antiochia nicht in Pisidien, sondern in Phrygien nahe an der Grenze zu Pisidien lag. Auf dem Weg nach Pamphylien, wo Paulus und Barnabas auf der Hinreise nur in Perge einen Zwischenstopp eingelegt hatten (vgl. 13,13-14), mussten sie aber durch Pisidien hindurch reisen.
Die Landschaft Pamphylien war in der Antike nur von geringer Bedeutung. 25 v. Chr. − 43 n. Chr. bildete Pamphylien entweder eine eigene Provinz oder − was wahrscheinlicher ist − war wie die Landschaft Pisidien Teil der Provinz Galatien (Galatia). 43/44 n. Chr. − 68 n. Chr. war Pamphylien mit der weiter westlich gelegenen Landschaft Lykien zu der einen Provinz "Lycia et Pamphylia“ zusammengefasst.
Weiterführende Literatur: M. Wilson 2009, 471-483 geht der Frage nach, welche Route Paulus auf dem Weg von Perge nach Antiochia in Pisidien genommen haben könnte. Er untersucht drei Routen (östliche, mittlere und westliche Route), die als Möglichkeiten in die Diskussion eingebracht worden seien, auf geographische und historische Gesichtspunkte hin. Ergebnis: Paulus habe die westliche Route genommen, die der Via Sebaste gefolgt sei. Diese sei zwar nicht die kürzeste, aber die am besten gangbare und die sicherste Route gewesen. Auf dem Rückweg habe Paulus jedoch vermutlich die mittlere Route genommen und die einzige Route, die Pisidien durchquerte (vgl. Apg 14,24). Sie sei die kürzeste Route gewesen und Paulus habe sich vermutlich deshalb für sie entschieden, weil er es eilig hatte, nach zwei Jahren Reise wieder nach Hause zu kommen.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: "Das Wort“ meint sicherlich kein einzelnes Wort, das immer wiederholt wurde, sondern mehrere Worte, eine Rede. Dabei dürfte es sich um das "Wort (des) Gottes“ gehandelt haben, wie eine Textvariante klarstellt. "Wort (des) Gottes“ ist ein anderer Ausdruck für "Evangelium“. Die Formulierung "das Wort reden“ dürfte also im Sinne von "das Evangelium verkündigen“ zu verstehen sein.
Hatten Paulus und Barnabas bei ihrem ersten Aufenthalt in Perge anscheinend auf die Verkündigung des Evangeliums verzichtet (vgl. 13,14), so holten sie die Verkündigung bei ihrem zweiten Aufenthalt nach. Dabei bleibt der Grund für die Verschiedenartigkeit der beiden Aufenthalte offen. Offen bleibt auch, inwieweit der Verkündigung Erfolg beschieden war. Dass Einwohner von Perge zum Christentum bekehrt wurden, wird nicht gesagt.
Die Hafenstadt Attalia (heute: Antalya) war in dem Bericht des Verfassers der Apg bisher nicht erwähnt worden, obwohl anzunehmen ist, dass die beiden Missionare (und wahrscheinlich auch Johannes Markus) bei ihrer Seereise von Paphos nach Perge in Attalia an Land gegangen waren. Attalia spielt ebenso wie bei der Hinreise im Hinblick auf die Verkündigung des Evangeliums keine Rolle, wird in V. 25 nur als Startpunkt der Seereise nach Antiochia erwähnt. Dass in Attalia nicht verkündigt worden sein soll, scheint bei Textschreibern auf Befremden gestoßen zu sein. So ist zu erklären, dass westliche Textzeugen eine Verkündigung nachgetragen haben.
Weiterführende Literatur: D. A. Campbell 2000, 595-602 legt dar, dass die Reiseschilderungen Apg 13,13-14a; 14,24b-26 den tatsächlichen geographischen Begebenheiten entsprächen und vermutlich historisch korrekt seien. Auf dem Hinweg seien Paulus und seine Begleiter nicht über Attalia gereist. Wer in der Antike mit dem Schiff von Zypern nach Perge habe reisen wollen, sei nicht in der Hafenstadt Attalia an Land gegangen. Erstens habe Attalia zu weit im Westen gelegen, zweitens habe bei der Beförderung von Waren die Regel gegolten, dass man so nahe wie möglich an den eigentlichen Zielort heranfuhr. Somit sei anzunehmen, dass Paulus und seine Begleiter den damals schiffbaren Fluss Celsus bis auf die Höhe von Perge fuhren und dort an Land gingen. Hier habe sich Johannes Markus von Paulus und den anderen Reisenden, die nach Perge weitergingen, getrennt und seine Heimreise angetreten. Auf dem Rückweg aber seien die verbleibenden Missionare über Attalia gereist, weil sie in Perge angesichts der vergleichsweise wenigen Schiffe wohl Schwierigkeiten gehabt hätten, ein Schiff zu finden, das sie nach Antiochia am Orontes hätte mitnehmen können. Für die Suche nach einem geeigneten Schiff sei Attalia geeigneter gewesen, denn hier habe man auch darauf hoffen können, dass ein von Westen kommendes Schiff Richtung Antiochia weiterfuhr.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Von Derbe aus hätten Paulus und Barnabas am einfachsten den Rückweg nach Antiochia über das nahe Kilikien antreten können. Dass die beiden Missionare den beschwerlichen Rückweg über die bereits missionierten Städte Lystra, Ikonion und Antiochia gewählt hatten, lässt sich damit erklären, dass sie die von ihnen bereits gegründeten Gemeinden weiter aufbauen wollten (vgl. 14,20b-23). Angesichts dieser plausiblen Begründung verwundert es, dass sie nicht auch der Insel Zypern einen zweiten Besuch zwecks Gemeindeaufbau abstatteten, denn mindestens in Paphos waren die Missionsbemühungen erfolgreich gewesen (vgl. 13,12). Hat sich den beiden Missionaren in der Hafenstadt eine gute Mitfahrgelegenheit nach Antiochia ergeben, die sie von dem Umweg über Zypern abhielt? Oder waren der Wind und/oder die Wetterbedingungen so ungünstig, dass ein Umweg über Zypern nicht geraten schien? Oder hielten es die beiden Missionare aus irgendeinem Grund nicht für notwendig, Zypern einen erneuten Besuch abzustatten? Als nahe liegender Grund ist daran zu denken, dass in Paphos immerhin der Statthalter der römischen Provinz Zypern zum Glauben gekommen war, was den Christen in der Provinz zugute gekommen sein dürfte. Durch diesen Umstand sahen sie sich wahrscheinlich weniger Anfeindungen seitens der Nicht-Christen ausgesetzt als in anderen Provinzen.
Der Dativ "tê chariti tou theou“ kann verschieden gedeutet werden: So kann die Gnade Gottes als Urheberin der Übergabe zu dem Werk verstanden werden (dativus auctoris), womit die Übersetzung "durch die Gnade (des) Gottes“ lauten würde. Gegen diese Deutung spricht zum einen, dass die Gnade Gottes keine handelnde Person im eigentlichen Sinne ist, sondern nur Gott gehandelt haben kann; zum anderen war gemäß 13,1-3 der heilige Geist der Urheber der Übergabe zum Werk, nicht aber die Gnade Gottes. Die Übergabe an sich ist dann schließlich durch die antiochenische Gemeinde erfolgt. Als zweite Deutung kommt infrage, dass die die Gnade Gottes das Mittel war, durch das Paulus zu dem Werk übergeben worden waren (dativus instrumentalis). Dann wäre die ganze Missionsreise der Gnade Gottes zu verdanken gewesen. Wie schon bei der ersten Deutung wäre die Übersetzung "durch die Gnade (des) Gottes“. Wahrscheinlicher ist aber, dass ein echter Dativ vorliegt, wonach ausgesagt würde, wem Paulus und Barnabas übergeben worden waren. Die Antwort wäre "der Gnade (des) Gottes“. Das ganze Werk, die Missionsreise, hätte dann im Zeichen der Gnade Gottes gestanden. Dieser Aspekt der Dauerhaftigkeit der Gnade Gottes würde auch durch das Adjektiv "hothen“ ("von wo aus“) verdeutlicht, das zusätzlich zu dem Ort der Übergabe auch auf eine Richtung der Übergabe hinweist. Es ist anzunehmen, dass es die Richtung der Missionsreise ist, und zwar die Richtung der ganzen Missionsreise in ihrer gesamten Länge, also von Anfang bis Ende.
Wie hat sich die "Gnade (des) Gottes“, der die beiden Missionare übergeben worden waren, während der Reise gezeigt? Zum einen ist festzustellen, dass die beiden Missionare wohlbehalten wieder in Antiochia angekommen sind. Gott hat die beiden also vor dem Tod oder anderem gravierendem Unglück, das die Rückkehr verhindert hätte, bewahrt. Die "Gnade (des) Gottes“ zeigte sich also zum einen im Schutz Gottes, wobei die Missionare nicht ganz vor Leid bewahrt wurden. Das Leid an sich galt den beiden Missionaren als Merkmal christlicher Existenz (vgl. V. 22). Zum anderen zeigte sich die "Gnade (des) Gottes“ aber auch im Missionserfolg. auch unter den Heiden. Dass dieser auf das Handeln Gottes zurückzuführen war, macht V. 27 deutlich.
Die Missionsreise hatte in Antiochia ihren Anfang genommen und fand dort auch ihr Ende. So zeigte sich schon am Reiseweg, dass die beiden Missionare das Werk vollbracht hatten. Die Vollbringung des Werkes wird dementsprechend sogleich unterstrichen.
Weiterführende Literatur:
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Angesichts der Tatsache, dass die Gemeinde auf Geheiß des heiligen Geistes die beiden Missionare zu dem Werk übergeben hatte, liegt es nahe, dass die beiden Missionare der Gemeinde auch Bericht erstatteten. Für die Berichterstattung, die schließlich den Schlusspunkt hinter die Missionsreise setzte, riefen sie eine Gemeindeversammlung zusammen.
Die Formulierung "mit ihnen“ ("met’autôn“) betont, dass die beiden Missionare nicht auf eigene Faust losgereist sind und mittels eigener Kraft und eigenem Vermögen missioniert haben, sondern dass Gott ihnen beigestanden hat, ja sogar der eigentliche Handelnde war. Nicht Paulus und Barnabas haben mit Gott gehandelt, sondern Gott hat mit Paulus und Barnabas gehandelt. Da liegt der - hier nicht ausgedrückte − Gedanke nahe, dass Gott mittels der beiden Missionare gehandelt hat.
Der Genitiv der Formulierung "thyra pisteôs“ kann als genitivus subiectivus, als genitivus obiectivus oder als genitivus appositionis verstanden werden. Als genitivus subiectivus verstanden, wäre der Glaube durch die Tür eingetreten. Als genitivus obiectivus verstanden, hätte die Tür zum Glauben hingeführt. Als genitivus appositionis verstanden, hätte die Tür aus Glauben bestanden. Eine Entscheidung für eine Deutung ist nicht nötig, denn jede der Deutungen gibt einen wichtigen Aspekt wieder: Paulus und Barnabas haben das Evangelium den Heiden − diese und nicht allgemein die Völker (einschließlich der Juden) dürften hier mit dem Substantiv "ethnê“ gemeint sein - verkündigt, es also zu den Heiden gebracht. Dies war der göttlichen Berufung der beiden Missionare (vgl. 13,2-3) sowie dem göttlichen Beistand und Schutz zu verdanken. Aufgrund der Verkündigung des Evangeliums haben Heiden den Glauben an Jesus Christus angenommen. Auch dies war kein Akt menschlichen Verstandes oder Willens, sondern mit Gottes Handeln zu begründen, nämlich mit wundersamen, beeindruckenden Ereignissen (vgl. 13,6-12; 14,8-10) und göttlicher Vorherbestimmung (vgl. 13,48). Und schließlich war der Glaube an Jesus Christus die Tür, die den Weg von der Sünde und dem Verderben hin zur Sündenvergebung und zum ewigen Leben eröffnete (vgl. 13,26-41).
Anders als 14,27 glauben macht, war die Heidenmission beim Start zur ersten Missionsreise nichts Neues. Schon die Bekehrung des Hauptmanns Kornelius, der gottesfürchtig und damit ein dem Judentum zugewandter Heide war, sowie seiner Verwandten und engsten Freunde, die vermutlich ebenfalls (gottesfürchtige ?) Heiden waren, ist als Heidenmission anzusehen (vgl. Apg 10). Diese war seitens des Apostels Petrus geschehen, der zum Kreis der Zwölf gehörte. Gemäß 11,20 waren auch schon in Antiochia den Griechen gepredigt worden, wobei es sich auch bei diesen um (gottesfürchtige?) Heiden gehandelt haben dürfte. Warum macht 14,27 glauben, dass die erste Missionsreise die Heidenmission eröffnet habe? Dafür mag es mehrere Gründe geben: Erstens führte die Reise über die mehrheitlich oder zumindest in hohem Maße von Juden besiedelten Gebiete Palästina und Syrien hinaus. Somit wurde erstmals in mehrheitlich heidnisch besiedelten Gebieten missioniert, wo es nur jüdische Diasporagemeinden gab. Diesen Wechsel des Vorzeichens der Mission machte wahrscheinlich auch die Tatsache deutlich, dass Paulus vom Aufenthalt bei dem heidnischen Statthalter der Provinz Zypern, Sergius Paulus, an nicht mehr mit der jüdischen Namensform Saulus, sondern mit der den Heiden geläufigeren Namensform Paulus Erwähnung findet. Zweitens kann es sein, dass die bisher zu Jesus Christus bekehrten Heiden ausschließlich oder mehrheitlich Gottesfürchtige waren, und erst bei der ersten Missionsreise (vermehrt) andere Heiden bekehrt worden sind. Drittens eröffnet 14,27 das Kapitel 15, das die Zulässigkeit der Heidenmission und die Vorgehensweise bei der zukünftigen Heidenmission thematisiert. Ansatzweise war die Problematik der Heidenmission schon in den Blick gekommen, indem auf die Gefahr der Verunreinigung der Juden(christen) bei der (Mahl-)Gemeinschaft mit den Heiden(christen) hinwiesen wurde. Gegen diese Sorge war mit Blick auf die Heidenmission eingewendet worden, dass kein Mensch unrein genannt werden solle (vgl. 10,14-15.28; 11,1-18).
Bei den antiochenischen Gemeindegliedern mögen die Ausführungen zur Verkündigung des Evangeliums auch unter den Heiden auf offene Ohren gestoßen sein, weil hier bereits (gottesfürchtige?) Heiden zu Jesus Christus bekehrt worden waren. Da Antiochia eine multikulturelle Großstadt war, in der es auch eine große jüdische Gemeinde gab, war eine Klärung der Fragen, die mit der Heidenmission und der befürchteten Verunreinigung der Judenchristen aufkamen, besonders dringlich.
Weiterführende Literatur: Eine literarische Analyse von Apg 14,27-15,35 bietet A. T. M. Cheung 1993, 137-154. Der Bericht über die Jerusalemer Apostelversammlung habe in 14,27-28, nicht in 15,1, seinen Ausgangspunkt. Lukas versuche auch die kritischen Leser davon zu überzeugen, dass zwischen den juden- und heidenchristlichen Gemeinden Harmonie geherrscht habe. Dazu betone er die untergeordnete Rolle der antiochenischen Gemeinde und des Paulus bei der Jerusalemer Apostelversammlung. A. T. M. Cheung sieht 14,27-15,35 als eine wohlkomponierte Einheit an, nicht als einen aus verschiedenen Quellen aufs Geratewohl zusammengesetzten Flickenteppich. Dabei schlössen literarische Kunstfertigkeit und historische Zuverlässigkeit des Berichteten einander nicht aus.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Der Hinweis auf den nicht geringe Zeit währenden Aufenthalt der beiden Missionare bei den Jüngern − gemeint sind angesichts eines fehlenden Hinweises auf einen Ortswechsel sicherlich die antiochenischen Gemeindeglieder − schafft einen Ruhepol zwischen dem vergangenen Geschehen und dem kommenden. Er leitet zu 15,1-2 über, indem er den Zeitraum nennt, in dem es zu dem nun geschilderten Konflikt kam.
Weiterführende Literatur:
Literaturübersicht
[ Hier geht es zur Übersicht der Zeitschriftenabkürzungen ]
Campbell, Douglas A.; Paul in Pamphylia (Acts 13.13-14a; 14.24b-26): A Critical Note, NTS 46/4 (2000), 595-602
Cheung, Alex T. M; A Narrative Analysis of Acts 14:27-15:35. Literary Shaping in Luke’s Account of the Jerusalem Council, WTJ 55/1 (1993), 137-154
Wilson, Mark; The Route of Paul’s First Journey to Pisidian Antioch, NTS 55/4 (2009), 471- 483