Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Zweiter Korintherbrief

Der zweite Brief des Paulus an die Korinther

2 Kor 1,15-22

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

2 Kor 1,15-22

 

 

Übersetzung

 

2 Kor 1,15-22:15 Und in dieser Zuversicht wollte ich zunächst zu euch kommen, damit ihr einen zweiten Gunsterweis hättet, 16 und über euch nach Makedonien weiterreisen und wiederum von Makedonien zu euch kommen und mich von euch [zur Weiterreise] nach Judäa ausstatten lassen. 17 Als ich dieses nun wollte, bin ich da also etwa leichtfertig verfahren? Oder plane ich, was ich plane, auf fleischliche Weise, sodass bei mir das "Ja, Ja“ zugleich das "Nein, Nein“ ist? 18 (Der) Gott aber ist Zeuge, dass unser Wort an euch nicht [zugleich] Ja und Nein ist. 19 Der Sohn (des) Gottes nämlich, Jesus Christus, der unter euch durch uns verkündigt wurde - durch mich, Silvanus und Timotheus -, war nicht "Ja“ und "Nein“ [zugleich], sondern in ihm hat sich "Ja“ erwiesen. 20 Denn so viele Verheißungen Gottes es auch gibt - in ihm ist das "Ja“; deshalb auch das durch ihn (dem) Gott zur Ehre von uns [dargebrachte] Amen. 21 Der uns aber mit euch auf Christus hin befestigt und uns gesalbt hat, Gott, 22 der uns auch versiegelt und das Angeld des Geistes in unsere Herzen gegeben hat.

 

 

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V. 15/16

 

Beobachtungen: Paulus schreibt aus einer "pepoithêsis“ heraus, was mit "Vertrauen“ oder "Zuversicht“ übersetzt werden kann. Dabei betont die Übersetzung "Zuversicht“ stärker den zukünftigen Aspekt des "Vertrauens“. Welcher Übersetzung ist der Vorzug zu geben?

Das Vertrauen des Paulus ist sowohl in der Gegenwart als auch mit Blick auf die Zukunft gegeben: Im vorhergehenden Abschnitt 2 Kor 1,12-14 hat Paulus sein Bewusstsein geäußert, aus Gottes Gnade ein tadelloser Apostel zu sein. Dementsprechend bezeichnet er sich selbst als den "Ruhm“ der Adressaten, deren Gemeinde er gegründet hat. Und weil die Adressaten durch ihn gläubig geworden sind, kann er diese als seinen eigenen "Ruhm“ ansehen. Dabei geht Paulus davon aus, dass die Adressaten ihn zumindest teilweise verstehen. Alle diese Aspekte des Vertrauens sind gegenwärtiger Art. Unverkennbar klingen aber auch zukünftige Aspekte an: So blickt Paulus auf den noch ausstehenden "Tag unseres Herrn Jesus“, an dem die Adressaten der Ruhm des Paulus sein werden. Auch die Aussage, dass Paulus der Ruhm der Adressaten ist, kann auf den "Tag unseres Herrn Jesus“ bezogen werden: Paulus wird der Ruhm der Adressaten sein. Ebenfalls offensichtlich ist die Zukünftigkeit des Verstehens: Zwar vertraut Paulus darauf, dass die Adressaten bereits in der Gegenwart teilweise verstehen, jedoch ist das vollständige Verständnis eine auf die Zukunft gerichtete Hoffnung. Dabei bleibt unklar, welchen zukünftigen Zeitpunkt Paulus bezüglich des vollständigen Verstehens im Blick hat. Der zukünftige Zeitpunkt kann irgendein Zeitpunkt nach der Abfassung des Briefes sein. Zu denken ist am ehesten an die Verlesung des Briefes und an den geplanten Besuch des Paulus bei den Korinthern, aber auch an den "Tag unseres Herrn Jesus“. Aufgrund der starken Gewichtung der zukünftigen Aspekte des Ruhmes des Paulus und der Adressaten sowie des Verstehens ist der Übersetzung "Zuversicht“ der Vorzug zu geben.

 

Paulus wollte "zunächst“ die Adressaten besuchen. Dabei kann sich das Wort "zunächst“ auf "wollte“, aber auch auf den Besuch bei den Korinthern beziehen. In ersterem Fall würde betont, dass es sich um den ursprünglichen Plan handelte, den Paulus nicht weiter verfolgt hat. In letzterem Fall würde besagt, dass Paulus als Erstes die Korinther besuchen und erst dann die weiteren Reiseziele ansteuern wollte. Die Schilderung der weiteren Reisepläne in V. 16 lässt eher letzteren Bezug annehmen. Die V. 15-16 würden also besagen, dass Paulus seine Reise mit einem Besuch bei den Korinthern beginnen, und erst dann nach Makedonien und wieder zurück nach Korinth reisen wollte. Dort wollte er sich schließlich für die lange Reise nach Judäa ausstatten lassen.

 

Diesen ganz am Anfang der Reise geplanten Besuch bezeichnet Paulus als "zweiten Gunsterweis“. Ein Besuch ist also ein Gunsterweis, eine Gnade. Er ist also keine Pflicht, die sich die Korinther verdient haben und auf die sie sich berufen könnten.

Wenn der zunächst geplante Besuch ein "zweiter Gunsterweis“ ist, so muss es auch einen "ersten Gunsterweis“ gegeben haben. Geht man davon aus, dass Paulus den Aufenthalt zwecks Gemeindegründung als "ersten Gunsterweis“ ansieht, so folgt daraus, dass er seit dieser Gemeindegründung nicht mehr in Korinth gewesen ist. So wäre nachvollziehbar, dass er das Bedürfnis hat, die korinthischen Christen wiederzusehen. Entsprechende Besuchspläne hat er in 1 Kor 16,5-9 dargelegt. Es ist jedoch nicht sicher, dass Paulus seinen Aufenthalt zwecks Gemeindegründung mitzählt. In diesem Fall hätte er der von ihm gegründeten Gemeinde später einen Besuch abgestattet und der nun angestrebte Besuch wäre der dritte Aufenthalt in Korinth.

Schließlich ist aber auch möglich, dass sich der "zweite Gunsterweis“ auf die geplante Rückkehr nach Korinth im Anschluss an den Aufenthalt in Makedonien bezieht. Dann würde Paulus der korinthischen Gemeinde einen Besuch abstatten, damit er später zu ihr zurückkehren und sie erneut besuchen kann. Dies wäre allerdings eine recht merkwürdige Logik, die auf eine wenig sinnvolle künstliche Erhöhung der Anzahl der Besuche hinauslaufen würde.

 

Es fällt auf, dass die Reisepläne gemäß 2 Kor 1,16 nicht mit denen übereinstimmen, die Paulus in 1 Kor 16,5-9 geschildert hat. Dort hat er sich nämlich dahin gehend geäußert, dass er über Makedonien nach Korinth reisen wolle. Gemäß 2 Kor 1,16 hat er jedoch vorgehabt, über Korinth nach Makedonien zu reisen, und von dort aus wieder zurück nach Korinth. Dann wollte er sich von den Korinthern für die Weiterreise nach Judäa aussenden, d. h. ausstatten lassen. In 1 Kor 16,5-9 war dagegen das letztendliche Reiseziel Judäa noch nicht bestimmt. Paulus wusste nur, dass er sich von den Korinthern für die Weiterreise zu einem noch unbestimmten Ziel ausstatten lassen wollte, wobei eine Ausstattung mit Lebensmitteln, Gegenständen oder auch Begleitern im Blick sein kann.

Die Unterschiede zwischen beiden Reiseplanschilderungen lassen sich am ehesten damit erklären, dass Paulus in der Zeit zwischen der Abfassung der beiden Briefe an die Korinther seine Reisepläne geändert hat. Die Gründe für die Änderungen sind jedoch unbekannt.

 

Weiterführende Literatur: L. L. Welborn 2001, 31-60 untersucht unter Berücksichtigung antiker Theorien, wie Paulus in 2 Kor 1,1-2,13; 7,5-16 die Emotionen der Adressaten anspricht.

 

G. D. Fee 1978, 533-538 untersucht, welche Bedeutung der griechische Begriff "charis“ ("Gnade/Gunsterweis“) in 2 Kor 1,15 hat. Ergebnis: Er bezeichne mit diesem Begriff seine Besuche; nicht deswegen, weil die korinthischen Gemeindeglieder etwas von ihm empfangen, sondern als Ausdruck dafür, wie Gottes Gnade durch sie selbst wirkt.

 

W. Rakocy 2001, 133-143 legt dar, dass in der Forschung zwei grundlegende Thesen vorgebracht worden seien, inwiefern Paulus seinen angekündigten Besuch nicht durchgeführt hat: a) der Apostel hat den Besuch nicht durchgeführt; b) der Apostel hat nur die Hälfte des Besuches durchgeführt, d. h. er ist von Korinth nach Makedonien gereist, jedoch nicht − wie vorher angekündigt − wieder nach Korinth zurückgekehrt. W. Rakocy wägt die Wahrscheinlichkeit beider Thesen ab und kommt zu dem Schluss, dass ersterer These der Vorzug zu geben sei.

 

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V. 17

 

Beobachtungen: Paulus nennt nun zwei mögliche Gründe, weshalb er von seinem geplanten Besuch in Korinth abgekommen sein könnte: Erstens könnte er bei seinen Planungen leichtfertig (wörtlich: mit Leichtfertigkeit) verfahren sein, sich also alles nicht reiflich überlegt haben. Dieser mögliche Grund könnte von kritischen Gemeindegliedern geäußert worden sein.

Zweitens könnte Paulus aber auch in fleischlicher Weise geplant haben, so wie seine Planungen grundsätzlich in fleischlicher Weise geschehen würden (vgl. die Verbformen im Präsens!). Dieses Planen in fleischlicher Weise zeichnet aus, dass es eben nicht nur "Ja, Ja“ - der Grund für die Doppelung ist unklar -, sondern zugleich auch "Nein, Nein“ ist. "Ja, Ja“ besagt zunächst, dass der Plan ohne Zweifel durchgeführt wird, denn nichts spricht gegen die Planung. Ist es jedoch zugleich ein "Nein, Nein“, dann ist die Durchführung nicht sicher, weil etwas gegen sie sprechen kann. Die Unsicherheit lässt sich mit dem Willen begründen, denn das griechische Verb "boulomai“ bedeutet sowohl "wollen“ als auch "planen/beabsichtigen“. Der Wille wäre demnach wandelbar, so dass Paulus nach einiger Zeit aus irgendeinem Grund seinen Plan nicht weiter verfolgen will. Als Grund käme ein innerer oder auch ein äußerer Grund in Frage. Ein innerer Grund wäre, dass Paulus psychisch bedingt keine Lust mehr hat, seinen ursprünglichen Plan weiter zu verfolgen. Ein äußerer Grund wäre etwas, was ihm angeraten sein lässt, den Plan nicht weiter zu verfolgen. So könnte ein Streit mit Gemeindegliedern gegen einen Besuch der korinthischen Gemeinde sprechen, oder es könnten andere zu erledigende Aufgaben vom alten Vorhaben abbringen.

Die Formulierung "auf fleischliche Weise“ macht deutlich, dass die Ambivalenz bezüglich des Wollens bzw. Planens typisch für den Menschen, dessen Körper aus Fleisch besteht, ist.

 

Weiterführende Literatur: D. Wenham 1986, 271-279 sieht in V. 17b-18 eine Anspielung auf ein Herrenwort und verweist dabei auf Entsprechungen in Mt 5,37 und Jak 5,12b.

 

F. Hahn 1986, 158-165 geht der Frage nach, wie 2 Kor 1,17c ursprünglich gelautet haben mag. Hintergrund der Überlegungen ist, dass die jetzige mehrheitlich vertretene Lesart "…sodass bei mir das "Ja, Ja’ zugleich das "Nein, Nein’ ist“ sich durch eine frühe Einwirkung von Mt 5,37 bzw. Jak 5,12 erkläre, während die ursprüngliche Formulierung des Apostels damit wohl gar nichts oder nur sehr indirekt zutun gehabt habe. Auch die verkürzte Lesart einiger weniger Textzeugen, die "…sodass bei mir das "Ja’ zugleich das "Nein’ ist“ bieten, entspreche wohl nicht der ursprünglichen paulinischen Formulierung. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass überlieferungsgeschichtlich Jak 5,12 der Urfassung des Herrenworts vom Schwören sehr viel näher steht als Mt 5,33-37, das unverkennbar eine erweiterte und umgestaltete Fassung des ursprünglichen Logions sei. F. Hahn geht davon aus, dass aufgrund des Zusammenhangs mit 2 Kor 1,18-20 der ursprüngliche Text von 1,17c "…sodass bei mir das "Ja, Ja’ zugleich "Nein’ ist“ gelautet habe, und dass erst sekundär eine Angleichung an das Herrenwort vom Schwören erfolgt sei.

 

L. L. Welborn 1995, 34-52 gibt zunächst einen Überblick über die wichtigsten exegetischen Streitfragen bezüglich V. 17c: a) der Grund für die Wiederholung der Partikeln "Ja“ und "Nein“, wobei oft eine Betonung vermutet werde; b) der Grund für den Gebrauch des Artikels vor dem "Ja“ und dem "Nein“; c) das Verhältnis von V. 17c zu den vorausgehenden Sätzen, wobei häufig angenommen werde, dass V. 17c konsekutiv, nicht final sei. L. L. Welborn kritisiert, dass die herkömmliche Interpretation (wie sie auch F. Young kritisiert, s. u.) zu viele nicht hinterfragte Voraussetzungen zugrunde lege. Mittels eingehender Auseinandersetzung mit relevanten antiken Texten und einschlägiger Sekundärliteratur stellt er heraus, dass der Doppelung der Charakter eines Eides zukomme. Paulus zeige gegenüber einem Eid aus verschiedenen Gründen Widerwillen und berufe sich stattdessen auf Gott als Zeugen, nachdem er seinem Eid durch die Verbindung mit den göttlichen Verheißungen einen verheißenden statt beteuernden Charakter gegeben hat (vgl. V. 20-23).

F. Young 1986, 404-415 setzt sich kritisch mit der herkömmlichen Interpretation von V. 17 (insbesondere V. 17c) auseinander, die in etwa laute: "I planned to visit you on the way to Macedonia and on the way back. Was I vacillating when I wanted to do this? No of course not. I don’t act in a wordly way wanting to have things both ways, saying "yes’ and "no’ at the same time. I’m straightforward. We’ve not been saying 'yes’ and 'no’ at the same time − God guarantees that. After all he has given a magnificent yes to all his promises in Christ.“ F. Young dagegen befürwortet folgende Interpretation: “I planned to visit you on the way to Macedonia and on the way back. Do you imagine my wish to do this arose from fickleness? Or that I make my plans in a wordly way so that yes being yes and no being no depends on me? Neither is true. It is simply that I am single-minded in following God’s purposes. Not that God is changeable − as far as the Gospel is concerned he is utterly reliable and has given a magnificent yes to all his promises in Christ.“

 

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V. 18

 

Beobachtungen: Paulus weist auch den zweiten Grund, weshalb er von seinem geplanten Besuch in Korinth abgekommen sein könnte, zurück. Unter Berufung auf Gott als Zeugen (wörtlich lautet die Übersetzung des Beginns von V. 18 "Treu aber ist der Gott“) macht er deutlich, dass sein Wort an die korinthischen Gemeindeglieder (und die anderen Christen der Provinz Achaia) nicht zugleich "Ja“ und "Nein“ ist, denn er plant nicht auf fleischliche Weise, wie andere Menschen es tun. Was Paulus an die Adressaten schreibt (und vermutlich auch was er ihnen persönlich sagt und verkündigt), ist eindeutig; er hat keine andersartigen Hintergedanken und man braucht nicht zwischen den Zeilen zu lesen (vgl. 1,13). Paulus ist - entgegen den anzunehmenden Anschuldigungen kritischer korinthischer Gemeindeglieder - zuverlässig. Doch wie plant Paulus, wenn er nicht auf fleischliche Weise plant?

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 19

 

Beobachtungen: Paulus sagt nur indirekt etwas über seine eigene Art zu planen, indem er auf Jesus Christus, den Sohn Gottes, verweist. Der Verweis erfolgt deshalb, weil Paulus, Silvanus und Timotheus ihn unter den Korinthern verkündigt haben.

Jesus Christus war demnach nicht "Ja“ und "Nein“ zugleich, sondern in ihm hat sich nur "Ja“ erwiesen. Er hat also nicht auf fleischliche Weise geplant, sondern auf nichtfleischliche, was allerdings noch zu konkretisieren ist. Ausgesagt ist nur, dass das "Ja“ sich in ihm erwiesen hat, also nicht wie eine Begebenheit von außen Einfluss ausgeübt hat.

 

Wenn Paulus nur sich selbst, Silvanus und Timotheus als Personen nennt, die unter den Korinthern missioniert haben, dann besagt dies noch nicht, dass es in Korinth keine anderen Missionare gegeben hat. Aus 1 Kor 3,6 geht nämlich eindeutig hervor, dass auch Apollos in Korinth verkündigt hat. Allerdings heißt es von ihm, dass er "begossen“ habe, was Paulus "gepflanzt“ habe. Da Apollos bei der Mission eine bedeutende Rolle gespielt hat, kann der Aspekt der Bedeutsamkeit nicht allein ausschlaggebend für die Nennung nur dreier Missionare sein. Neben dem Aspekt der Bedeutsamkeit ist sicherlich auch entscheidend, dass die genannten Missionare bei der Gründung der korinthischen Gemeinde aktiv waren, also "gepflanzt“ haben. Dass Silvanus und Timotheus nicht in 1 Kor 3,6 erwähnt werden, lässt sich damit erklären, dass dieser Vers im Zusammenhang mit den korinthischen Parteiungen (vgl. 1 Kor 1,10-17) zu lesen ist, bei denen Silvanus und Timotheus keine besondere Bedeutung zukam. Zusätzlich zu diesen Aspekten ist möglicherweise aber auch an eine Abgrenzung zu Missionaren zu denken, die einen anderen Jesus Christus verkündigen - einen, der zugleich "Ja“ und "Nein“ ist.

 

Timotheus war wie Silvanus ein enger Mitarbeiter des Paulus und wurde von diesem auch als Gesandter auf Reisen geschickt (vgl. 1 Kor 4,17; 16,10-11). Sowohl Timotheus als auch Silvanus werden als Mitverfasser paulinischer Briefe genannt, im Ersten Thessalonicherbrief (1,1) sogar gemeinsam.

So wie die Nennung von Mitverfassern den paulinischen Briefen den rein privaten Charakter nimmt, so nimmt auch die Erwähnung weiterer Mitarbeiter der Verkündigung den rein privaten Charakter. Dadurch wird die Zuverlässigkeit der Verkündigung unterstrichen.

 

Weiterführende Literatur: J. D. M. Derrett 1991, 205-210 geht der Frage nach, was in 2 Kor 1,19-20 mit dem "Ja“ gemeint ist. Ergebnis: Es stelle eine Verpflichtung dar. Das Christusereignis sei die Antwort auf die drückenden Zusagen Gottes. Das antwortende "Amen“ des Neuen Israel setze das Christusgeschehen voraus, das selbst ein "Amen“ sei und Gottes Zusagen fruchtbar mache.

 

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V. 20

 

Beobachtungen: Das "Ja“ in Jesus Christus bezieht sich auf die Verheißungen Gottes. Es wird nicht gesagt, um welche Verheißungen es sich genau handelt und ob sie geschrieben stehen - und wenn ja, wo. Am ehesten ist an die Verheißungen des Alten Testaments zu denken, das für Jesus und die anderen Juden und auch für die Juden- und Heidenchristen angesichts des noch nicht existenten Neuen Testaments die Bibel schlechthin war. Das "Ja“ in Jesus Christus ist also vermutlich so zu verstehen, dass sich durch ihn die (Heils-)Verheißungen des Alten Testaments ohne jeden Zweifel erfüllt haben (und noch erfüllen werden).

 

Deshalb wird Gott, von dem die Verheißungen stammen, zur Ehre "von uns“ das Amen dargebracht. Das hebräische Wort "Amen“ bedeutet "gewiss“, wobei diese Bekräftigung ihren Sitz im Gottesdienst hat. Darum ist wohl nicht anzunehmen, dass die Formulierung "von uns“ ausschließlich Paulus oder auch Silvanus und Timotheus meint. Auch wenn Paulus und vielleicht auch seine beiden Mitstreiter vorrangig gemeint sind, so sind wahrscheinlich doch auch die Adressaten - und im weitesten Sinne auch alle Christen - eingeschlossen. Wenn die Christen also im Gottesdienst das Amen sprechen, preisen sie ihren Gott, dessen Verheißungen sich zuverlässig erfüllt haben. Ob tatsächlich alle Christen zu Lebzeiten des Paulus das Amen der Juden übernommen haben, sei dahingestellt.

Wenn Paulus sagt, dass das Amen "durch ihn (d. h. Jesus Christus)“ dargebracht wird, so erscheint Jesus Christus als ein Mittler. Wie diese Mittlerschaft zu verstehen ist, bleibt offen. Am ehesten ist an eine Mittlerschaft in dem Sinne zu denken, dass Jesus Christus den Zugang zu Gott vermittelt.

 

Paulus verweist auf die zuverlässige Erfüllung von Gottes Verheißungen durch Jesus Christus, weil sie der zentrale Inhalt seiner Verkündigung ist. Und so zuverlässig sich die Verheißungen Gottes durch Jesus Christus erfüllt haben, so zuverlässig ist auch seine Verkündigung bzw. sein Wirken. Paulus verkündigt nicht aus eigenem Überlegen und eigener Entscheidung heraus, wie es Menschen gewöhnlich tun und was dem Planen "auf fleischliche Weise“ entspricht, sondern er tut dies als Diener im Auftrage Christi.

 

Weiterführende Literatur: Mit der paulinischen Theologie im Kontext der heiligen Schriften Israels befasst sich H. Frankemölle 2002, 332-357, der auf S. 333-335 auf 2 Kor 1,20 eingeht. Er vertritt die These, dass Paulus keine "biblische“ Hermeneutik und auch keine reflektierte Tora-Hermeneutik − Tora verstanden als die für Paulus heiligen Schriften Israels, die weit über den Pentateuch hinausgingen − entwerfe. Dennoch habe Paulus eine Hermeneutik im Vollzug, wobei er in 2 Kor 1,18-20 in nuce alle Fragen anspreche, die seine Theologie ausmachen: die Treue Gottes, die Treue des apostolischen Dienstes des Paulus, die Christologie und ihre Funktion für die Theologie, das "Wir“ der Gemeinde (von Juden und Nichtjuden).

 

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V. 21

 

Beobachtungen: Die V. 21-22 gehen auf Gottes Wirken ein: Gott befestigt Paulus, Silvanus und Timotheus und auch die Adressaten auf Christus hin. Bei der Befestigung handelt es sich - wie die präsentische Partizipform zeigt - nicht um einen einmaligen, abgeschlossenen Vorgang in der Vergangenheit, sondern die Befestigung erfolgt auch in der Gegenwart. In der Rechtssprache bezeichnet das Verb "bebaioô“ ("befestigen“) die rechtlich gültige Bestätigung, z. B. eines Kaufes. Auf die Christen übertragen bedeutet dies, dass die Christen nach der Taufe in ihrem Heilsstand bestätigt werden. Wie man sich dies genau zu denken hat, bleibt offen. Möglicherweise ist daran zu denken, dass Gott vor dem Abfall vom Glauben bewahrt.

In der Befestigung auf Christus hin sind die drei Missionare und die Adressaten, die Paulus mittels der beiden Personalpronomen "uns“ und "euch“ unterscheidet, verbunden.

 

Fraglich ist, ob sich das im Folgenden der V. 21 und V. 22 genannte "uns“ − wie zu Beginn des V. 21 − nur auf Paulus, Silvanus und Timotheus bezieht, oder ob nicht vielmehr auch die korinthischen Gemeindeglieder eingeschlossen sind. Letzteres ist wahrscheinlicher, denn Paulus betont nicht die Vorrangstellung der drei Missionare oder einen Gegensatz zwischen den drei Missionaren und den korinthischen Gemeindegliedern, sondern er weist auf Charakteristika christlicher Existenz hin, die vielleicht in besonderem Maße auf die drei Missionare zutreffen mögen, letztendlich aber für alle Christen gültig sind. Das im Folgenden der V. 21 und V. 22 genannte "uns“ ist also vermutlich im Sinne von "uns mit euch“ zu verstehen. Dieses Verständnis des "uns“ entspricht demjenigen in V. 20.

 

Sowohl die drei Missionare als auch die korinthischen Gemeindeglieder sind gesalbt worden. Wie das Partizip in der Zeitform des Aorists zeigt, handelt es sich dabei um einen einmaligen, abgeschlossenen Vorgang in der Vergangenheit. Man kann bezüglich dieses Vorgangs an eine Salbung denken, die mit der Taufe verbunden ist. Allerdings ist eine mit der Taufe verbundene Salbung mit Salböl, wie sie frühchristliche Autoren zu kennen scheinen, im NT nirgends bezeugt. Dies lässt daran denken, dass in V. 21 die Taufe selbst als Salbung bezeichnet wird. Dieser Taufe haben sich sowohl die drei Missionare als auch die korinthischen Gemeindeglieder unterzogen. Dass Paulus die Taufe als "Salbung“ bezeichnet, mag darin ihren Grund haben, dass die Täuflinge Christus, dem "Gesalbten“ (= "christos“), zugeeignet werden. Im AT werden Könige, Priester, Propheten und auch kultische Gegenstände gesalbt. Durch die Salbung mit dem Salböl werden sie der rein profanen Welt enthoben und in den Dienst Gottes gestellt, womit sie in die Sphäre des Heils treten. Wenn die Täuflinge vermutlich auch nicht mit Salböl übergossen werden, so doch bei ihrem Taufbad mit Wasser.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 22

 

Beobachtungen: Gott hat die Christen auch versiegelt. Diese Versiegelung ist vermutlich in einem engen Zusammenhang mit der "Salbung“ zu sehen und damit wahrscheinlich auf die Taufe zu beziehen. Ein Siegel beweist sichtbar die Echtheit (z. B. einer Urkunde). Im Umterschied zu 1 Kor 9,2 werden die korinthischen Gemeindeglieder jedoch nicht selbst als "Siegel“ bezeichnet, sondern sie sind versiegelt worden. Sie sind also wie ein Brief mit einem Siegel versehen worden, das einerseits der Beglaubigung der Echtheit dient, andererseits jedoch auch verschließt und verhindert, dass der Brief von einer unerwünschten Person geöffnet und gelesen wird. Der Brief bleibt so lange verschlossen, bis er bei dem Empfänger angelangt ist und dieser ihn öffnet. Im übertragenen Sinne versiegelt Gott die Menschen durch die Taufe insofern, als sie Jesus Christus, der Heil bewirkt, zugeeignet werden. Das Siegel beglaubigt also die Bestimmung auf Christus hin und sichert sie bis zur endgültigen Vollendung des Heils am Ende der Tage ab.

 

Das endgültige Heil wird den Getauften aber nicht mit der Taufe, sondern erst am Ende der Tage bei der Auferweckung der Toten und der Entrückung der noch Lebenden zu Jesus Christus hin (vgl. 1 Thess 4,13-18) zuteil. Diese Vorläufigkeit des durch die Taufe bewirkten Heils macht auch der Begriff "arrabôn“ ("Angeld“) deutlich. Auch er stammt aus der Rechts- und Geschäftssprache und meint eine Anzahlung, mit der ein Teil der Gesamtsumme vorweggenommen und ein Rechtsanspruch bestätigt wird. Als Angeld ist den Christen - vermutlich bei der Taufe - der (heilige) Geist gegeben, und zwar in ihre Herzen.

Das gesamte Wirken Gottes ist also von Zuverlässigkeit geprägt: Was verheißen ist, kommt auch mit Sicherheit zur Erfüllung.

 

Weiterführende Literatur: E. Woodcock 1998, 139-163 geht der Frage nach, was es bedeutet, mit dem heiligen Geist versiegelt zu sein. E. Woodcock weist darauf hin, dass selbst das kleinste Siegel sehr große Gegenstände prägen könne. Selbst bei häufigem Gebrauch bleibe es unverändert. Dem Versiegeln kämen folgende Funktionen zu: a) Schreiben und Gegenstände werden vor dem unerwünschten Einblick und Zugriff nicht autorisierter Menschen geschützt. b) Autorität wird übertragen: königliche Autorität geht auf die Person über, die das königliche Siegel besitzt. Wichtige Dokumente werden mittels des Siegels beglaubigt. c) Kennzeichnung von Eigentum; damit zusammenhängend auch Schutz. Im Anschluss an die Darlegung der verschiedenen Funktionen des Versiegelns befasst sich E. Woodcock mit der Bedeutung des Begriffs "arrabôn“ und geht auf die Schlüsseltexte (2 Kor 1,21-22; 2 Kor 5,5; Eph 1,13-14) ein, in denen vom Versiegeln in Bezug auf den heiligen Geist die Rede ist. Das Siegel des heiligen Geistes beurkunde Gottes Eigentum und Schutz seines Volkes. Die Einwohnung des heiligen Geistes erfolge mit der Annahme des rettenden Glaubens. Als Ergebnis dieses Geschehens, das von Gott veranlasst sei, auf Christi Erlösungswerk gründe und vom heiligen Geist durchgeführt werde, werde das Heil der Gläubigen sichergestellt.

 

Angesichts der Verschiedenheit der Übersetzungen des griechischen Substantivs "arrabôn“ vermutet A. J. Kerr 1988, 92-97, dass einige Ausleger das Wort missverstanden haben. Daher untersucht er, welche Bedeutung das Wort andernorts im NT hat. Gewöhnlich sei "Pfand“ im Sinne eines Gegenstandes, der als Absicherung der Einhaltung eines Versprechens übergeben wird, nicht die korrekte Übersetzung. Ein "arrabôn“ sei infolge eines Vertrages gegeben worden, bei dem beide Seiten Verpflichtungen eingegangen sind. Ein solcher Vertrag unterscheide sich von Rechtsgeschäften, bei denen einer Seite keine Verpflichtungen zukommen, wie dies bei Schenkungen der Fall ist. Im Englischen lasse sich "arrabôn“ mittels keines Wortes und keiner Formulierung präzise übersetzen. Am angemessensten sei wohl die Übersetzung "a first instalment“ (etwa: "eine erste Anzahlung“).

Laut K. Erlemann 1995, 198 komme implizit durch die Rede vom Geist als "arrabôn“ der Heilsfülle die Naherwartung zum Ausdruck. Als terminus technicus des antiken Rechts bezeichne "arrabôn“ eine Vorleistung, die eine Zahlung der "Hauptsumme“ in einer absehbaren, nicht beliebig verlängerbaren Frist vorsieht. Die Berufung auf die Vor-Gabe des Geistes schließe damit die Garantie in sich, dass Gott in einer absehbaren Zeit seinen Heilsplan endgültig verwirklichen werde. Der Hauptakzent dieser Metapher liege freilich nicht auf dem temporalen Aspekt, sondern auf dem der Gewissheit des kommenden Heils.

F. W. Horn 1992, 391-392 macht deutlich, dass in V. 21-22 nicht ausgesagt werde, woraufhin dieses Angeld, das im Geist besteht, gegeben wird. Von der Motivgeschichte des "arrabôn“-Begriffs sowie von seiner ntl. Bezeugung könne es sich nur um eine zu erwartende größere Gabe handeln, auf die hin der Geist Angeld ist. Man werde hierbei an das Eschaton denken müssen.

Y.-G. Kwon 2008, 525-541 hält die gängige Deutung des Begriffs "arrabôn“ als "Angeld“ für abwegig und plädiert für die Bedeutung "Zusicherung/Versprechen“. Es gehe nicht darum, dass der Geist schon Teil des Heils ist, also dieses zukünftige Heil schon in der Gegenwart beginnt, sondern der Geist sei nur eine Zusicherung des als zukünftig gedachten Heils.

 

L. L. Belleville 1996, 281-304 meint, dass die Bedeutung des (heiligen) Geistes in der Theologie des Paulus oft nicht angemessen gewürdigt werde. Sie befasst sich daher mit der Theologie des Geistes und fragt, wie sie die polemische und argumentative Haltung des Apostels in dem Zweiten Korintherbrief kreuzt. In 1,21-22 erscheine der Geist als Anzahlung im Leben der Gemeinde, die Gottes unbestreitbare Beziehung und seine Beauftragungen und Ausrüstungen für den Dienst garantiere, vor Täuschung und Zorneswallungen schütze und all die "Güter“ dieser Beziehung bis zum Tag der Erlösung bewahre.

 

 

Literaturübersicht

 

Belleville, Linda L.; Paul’s Polemic and Theology of the Spirit in Second Corinthians, CBQ 58 (1996), 281-304

Derrett, J. Duncan M.; Nai (2 Cor 1:10-20), FN 4/8 (1991), 205-210

Erlemann, Kurt; Naherwartung und Parusieverzögerung im Neuen Testament: ein Beitrag zur Frage religiöser Zeiterfahrungen (TANZ 17), Tübingen − Basel 1995

Fee, Gordon D.; CHARIS in II Corinthians I.15: Apostolic Parousia and Paul-Corinth Chronology, NTS 24/4 (1978), 533-538

Frankemölle, Hubert; Die paulinische Theologie im Kontext der heiligen Schriften Israels: "So viele Verheißungen Gottes, in ihm das Ja“ (2 Kor 1.20), NTS 48/3 (2002), 332- 357

Hahn, Ferdinand; Ist das textkritische Problem von 2 Kor 1,17 lösbar?, in: W. Schrage [Hrsg.], Studien zum Text und zur Ethik des Neuen Testaments, FS H. Greeven, Berlin − New York 1986, 158-165

Horn, Friedrich Wilhelm; Das Angeld des Geistes. Studien zur paulinischen Pneumatologie (FRLANT 154), Göttingen 1992

Kerr, A. J.; ARRABÔN, JTS 39/1 (1988), 92-97

Kwon, Yon-Gyong; Arrabôn as Pledge in Second Corinthians, NTS 54/4 (2008), 525-541

Rakocy, Waldemar; 2 Kor 1,15-16: Pawlowy plan wizyt w Koryncie i jego realizacja, RocT 48/1 (2001), 133-143

Welborn, Laurence L.; The Dangerous Double Affirmation: Character and Truth in 2 Cor 1,17, ZNW 86/1-2 (1995), 34-52

Welborn, Laurence L.; Paul’s Appeal to the Emotions in 2 Corinthians 1.1-2.13; 7.5-16, JSNT 82 (2001), 31-60

Wenham, David; 2 Corinthians 1:17,18: Echo of a Dominical Logion, NT 28/3 (1986), 271- 279

Woodcock, Eldon; The Seal of the Holy Spirit, BS 155/618 (1998), 139-163

Young, Frances; Note on 2 Corinthians 1:17b, JTS 37/2 (1986), 404-415

 

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