1 Thess 1,1-10
Übersetzung:
1 Thess 1,1-10:1 Paulus und Silvanus und Timotheus an die Gemeinde in Thessalonich in Gott, [dem] Vater, und [dem] Herrn Jesus Christus: Gnade sei mit euch und Friede! 2 Wir danken (dem) Gott allezeit für euch alle und gedenken [euer] in unseren Gebeten 3 und denken ohne Unterlass vor (dem) Gott, (und) unserm Vater, an euer Glaubenswerk, an [eure] Liebesmühe und an [eure] Hoffnungsgeduld auf unsern Herrn Jesus Christus; 4 denn wir wissen, von Gott geliebte Geschwister, um eure Erwählung, 5 dass unser Evangelium nicht allein im Wort zu euch kam, sondern ebenso in Kraft und in heiligem Geist und in großer Gewissheit, wie ihr [denn auch] wisst, wie wir uns unter euch verhalten haben um euretwillen. 6 Und ihr seid unsere und des Herrn Nachahmer geworden, indem ihr das Wort in großer Bedrängnis aufgenommen habt, mit [der] Freude, die [der] heilige Geist wirkt, 7 so dass ihr für alle Gläubigen in Makedonien und Achaia zum Vorbild geworden seid. 8 Denn von euch aus ist das Wort des Herrn nicht allein in Makedonien und Achaia erklungen, sondern an jeden Ort ist euer Glaube an (den) Gott gedrungen, so dass wir darüber kein Wort zu verlieren brauchen. 9 Sie selbst nämlich berichten von uns, welchen Eingang wir bei euch gefunden haben und wie ihr euch bekehrt habt zu (dem) Gott, weg von den Götzen, um [dem] lebendigen und wahren Gott zu dienen 10 und auf seinen Sohn von den Himmeln zu warten, den er von den Toten auferweckt hat, Jesus, der uns von dem kommenden Zorn errettet.
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Beobachtungen: Der Briefeingang (Präskript) ist zweiteilig, was der orientalischen Form des Briefanfangs entspricht. Zunächst werden Absender und Adressat angegeben, dann folgt ein Segenswunsch. Die Nennung des Absenders im Nominativ vor dem Adressaten im Dativ entspricht der hellenistischen Form. Somit handelt es sich bei dem Anfang dieses Briefes und anderer paulinischer Briefe um eine Mischform.
Paulus ist nicht der einzige Verfasser des Briefes, sondern seine Mitarbeiter Silvanus und Timotheus sind Mitverfasser. Da gemäß 1 Thess 3,1-6 Timotheus von Athen aus nach Thessalonich gesandt worden war, nun aber wieder zurückgekehrt ist, kann der Brief frühestens bei dem Aufenthalt des Paulus und seiner Begleiter in Athen verfasst worden sein. Wahrscheinlichster Abfassungsort ist Korinth, die auf Athen folgende Station. Dass Paulus der Hauptverantwortliche der Abfassung ist, kann höchstens aus der Nennung seines Namens an erster Stelle geschlossen werden.
Adressatin ist die Gemeinde in Thessalonich. Es heißt, die Gemeinde sei "in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“. Was bedeutet diese Bezeichnung konkret? Wird die Gemeinde als wahrhaft christliche charakterisiert? Die Präposition "in“ lässt annehmen, dass sich die Gemeinde in einem göttlichen Wirkungsfeld befindet. Entweder ist dieses die Ursache des vorbildlichen Glaubens und Handelns der Gemeindemitglieder, das im Verlaufe des Briefes geschildert wird, oder es ist dessen Folge. Es fällt auf. dass nur zwei "Personen“ der Trinitätslehre genannt werden: der heilige Geist fehlt. Kennt Paulus die Trinitätslehre noch nicht oder spielt sie bei ihm (in diesem Zusammenhang) keine Rolle? Jesus Christus ist der "Herr“, wird hier nicht als "Sohn“ bezeichnet.
Der Titel "Herr“ gibt ein Herrschaftsverhältnis an: Der "Herr“ herrscht über seine Diener/Sklaven, die ihm bedingungslos zu dienen haben. Im Römischen Reich galt der Sklave als Sache. Der "Herr“ konnte also am Sklaven Willkür walten lassen. Allerdings erscheint Jesus Christus (oder: Gott) nicht als ein willkürlicher "Herr“, sondern vielmehr als einer, der seinen Sklaven für ihren Dienst Heil zukommen lässt. Der Sklave/Diener Jesu Christi (oder: Gottes) gehört also zu den sozial privilegierten Sklaven/Dienern. Der Aspekt der Gegenseitigkeit, wie er für das römische Klientelverhältnis typisch ist, spielt eine entscheidende Rolle: Der "Herr“ übt über seine Untergebenen (= Klienten) Macht aus, ist zugleich aber deren Schutzherr. Die Untergebenen wiederum sind dem "Herrn“ dafür zum Dienst verpflichtet. Die Christen befinden sich demnach also in der machtvollen Heilssphäre Jesu Christi, dem sie untergeben sind und dienen.
Der Segenswusch enthält den Wunsch, Gnade und Friede sollten bei der Gemeinde sein. Es wird nicht ausdrücklich gesagt, dass die Gnade und der Friede Gottes gemeint sind, so dass auch die Gnade und der Friede der Gemeindemitglieder untereinander in Frage kommen.
Weiterführende Literatur: R. Trevijano Etcheverría 1985, 263-291 legt anhand von 1 Thess 1,1-2,16 dar, wie Paulus mittels seiner Briefe in Zeit und Raum seine Lehre bei den christlichen Konvertiten verbreitet.
Einen grundsätzlichen Einstieg in das Thema "Präskript“ bieten F. Schnider, W. Stenger 1987, 3-41. Sie gehen auf die äußere und innere Adresse, die Angaben von Absender und Adressaten und auf den Eingangsgrußwunsch ein.
Ausführlich widmet sich J. M. Lieu 1985, 161-178 der hellenistischen und orientalischen Grußform. Sie gibt zahlreiche Literaturhinweise und berücksichtigt auch außerbiblische antike Literatur. Sie vertritt die Ansicht, dass Paulus nicht einfach die hellenistische Grußform, sondern auch orientalische Elemente benutze. Eine paulinische Besonderheit sei die Erwähnung der "Gnade“, die in der Septuaginta eine geringe Rolle spiele und erst in der zwischentestamentlichen Literatur als eine göttliche Gabe auftauche. Die Erwähnung sei erst recht in Verbindung mit dem in orientalischen Präskripten gebräuchlichen Begriff "Friede“ ungewöhnlich. J. M. Lieu gibt eine Übersicht über das Vorkommen der Verbindung Gnade - Friede in der neutestamentlichen und frühchristlichen Literatur und listet die verschiedenen Stellen in einer Tabelle auf S. 171 auf. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Paulus die Eigenheiten zur Betonung des apostolischen Auftrags benutze. Die hohe liturgische Bedeutung und der Gebrauch in der frühchristlichen Literatur zeugten davon, dass manchen frühchristlichen Autoren die Außergewöhnlichkeit und Bedeutung des paulinischen apostolischen Grußes bewusst gewesen sei.
R. F. Collins 1984, 176-177 merkt an, dass das Fehlen der Titel des Paulus und seiner Begleiter darauf zurückzuführen sei, dass es sich um einen frühen Brief handelt. Die Erwähnung von Titeln habe sich erst später entwickelt und finde sich vor allem in den deutero-paulinischen Briefen, vor allem im Titusbrief.
An 1 Thess 1-3 lasse sich gemäß J. Bickmann 1998 zeigen, dass Leid- und Todeserfahrungen der frühesten Christusgläubigen nicht dadurch ihre identitätsgefährdende Kraft verloren haben, dass diese Menschen sich zu Jesus als dem Christus bekannten. Zugleich lasse sich aber an 1 Thess herausstellen, wie einer solchermaßen in die Krise geratenen Gemeinde durch ihren Gründer und Lehrer im Brief ein Weg gebahnt wird, angesichts des Glaubens an die Auferstehung Jesu und der Christusgläubigen Sterben und Tod nicht zu bagatellisieren, sondern in der Auseinandersetzung mit diesen Erfahrungen und im Widerstand gegen sie Trost zu erfahren. Wie in 1 Thess diese Auseinandersetzung durch Lektüre geschieht, solle in den Analysen vor allem zu 1 Thess 1-3 gezeigt werden. Auf S. 147-155 zu 1,1 und 5,25-28: Zum einen werde − vielleicht aufgrund von Spannungen innerhalb der Gemeinde - die Geschlossenheit der Gruppe betont, zum anderen suggeriere der Text seinem Leser, dass das tröstende Handeln des Adressanten mit dem Brief erfolgreich abgeschlossen ist und dass die Gruppe dadurch in die Lage versetzt ist, die bisherige Tröstung − J. Bickmann versteht den 1 Thess als Trostbrief - erfolgreich fortzusetzen.
R. F. Collins 1984, 285-298 setzt sich mit der Frage auseinander, ob - wie von der Mehrheit der Ausleger behauptet - der Begriff ekklêsia allein die Ortsgemeinde in Thessalonich meint oder ob nicht vielmehr die universale Kirche im Blick ist. R. F. Collins macht deutlich, dass die Gemeinde in Thessalonich zur weltweiten Gemeinschaft der Erwählten Gottes gehöre. Die Formulierung "in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ charakterisiere die Gemeinschaft als wahrhaft christliche und grenze sie so von anderen Gemeinschaften ab. T. Söding 1997, 42-43 weist darauf hin, dass die formelhafte Wendung "in Christus“ nicht nur auf den christlichen Glauben der Gemeinde hinweise, sondern auf die Herrschaft des Auferweckten, dem die Glaubenden zu eigen sind. Zum Gebrauch des Christustitels bei Paulus siehe D. Zeller 1993, 155-167. Eine tabellarische Übersicht über die Häufigkeit des Vorkommens von "Christos“ und "Kyrios“ in den Paulusbriefen findet sich in H.-H. Schade 1984, 187.
Zur Frage, inwiefern der paulinische Segensgruß auf hellenistischer Konvention beruhte und inwiefern er auf paulinische Eigenheiten zurückzuführen ist, siehe J. M. Lieu 1985, 161-178. Ergebnis: Der paulinische Segenswunsch weicht von der konventionellen Form ab, indem dem "Frieden“ die "Gnade“ hinzugefügt wird. Der typisch christliche Gnadenwunsch gehe einerseits von der apostolischen Autorität des Absenders aus, andererseits würden den Adressaten göttliche Gaben zugesprochen.
H. Binder 1990, 87-93 geht auf die Frage ein, ob die Unterscheidung paulinischer und nichtpaulinischer Abschnitte in beiden Thessalonicherbriefen unbedingt durch die Annahme sekundärer redaktioneller Überarbeitung oder Kompilation geklärt werden müsse oder ob stilistische und inhaltliche Unterschiede nicht darauf zurückzuführen sind, dass Paulus im Zuge des (abwechselnden) Diktierens auch seine Mitarbeiter zu Worte kommen ließ. H. Binder schreibt apokalyptische und apologetische Abschnitte Silvanus zu. Sein Ergebnis lautet: Während der Erste Thessalonicherbrief etwa zwei Fünftel paulinisches Gut enthalte und drei Fünftel des Textbestandes auf Silvanus zurückzuführen seien, verschiebe sich dieses Verhältnis im Zweiten Thessalonicherbrief zu Ungunsten des paulinischen Anteils, der nur ein Viertel dieses Schreibens ausmache.
D. Patte 1985, 339-356 geht davon aus, dass die paulinischen Briefe für Laien schwer verständlich sind. Dies gelte erst recht, wenn sie semiotisch und mittels der Methode der strukturalistischen Exegese ausgelegt werden. Auch D. Patte wählt diese Methode für seine Auslegung von 1 Thess 1,1-10, möchte sie jedoch praxisorientiert so anwenden, dass die Ergebnisse für Prediger leicht vermittelbar und für Laien verständlich sind und einen Bezug zur gegenwärtigen Lebenswelt der Menschen herstellen. Eine weitere knappe Auslegung des gesamten Textes findet sich in E. Krentz 1987, 25-30, der den Text wegen seiner tiefen Einblicke in die frühe paulinische Predigt und die Akzeptanz seitens der Thessalonicher wählt.
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Beobachtungen: Mit V. 2 beginnt die Eingangsdanksagung (Prooemium), die bis 3,13 reicht. Der Plural "wir“ bestärkt die Annahme, dass Paulus nicht der Hauptverfasser des Briefes ist, sondern es sich bei ihm um ein Gemeinschaftswerk handelt.
Der Dank bezieht sich vermutlich auf das im Nachfolgenden geschilderte vorbildliche Verhalten. Der Dank zeigt, dass Paulus das Verhalten der Gemeinde nicht gleichgültig ist. Paulus macht bei den Gemeindegliedern keine Ausnahme, sondern er dankt Gott für alle. Auch die Tatsache, dass Paulus der Gemeinde in seinen Gebeten gedenkt, macht deutlich, dass er an sie denkt und ihr Heil mit ihrem Denken und Handeln verknüpft. Paulus möchte, dass die Gemeinde im Heil bleibt.
Weiterführende Literatur: P. Wick 1994, 11-19 legt dar, welche Aufgabe das antike Prooemium hatte und begründet, warum das Prooemium des Ersten Thessalonicherbriefes im Gegensatz zu den anderen der paulinischen Briefe weder eine Bitte noch eine Verheißung enthält und auch nicht die kleinste Andeutung des Zwecks des Briefes zu finden ist. Er weist darauf hin, dass streng genommen - ausgehend von diesem Prooemium - der ganze Brief als unnötiger Brief mit unnötigen Themen bezeichnet wird, weil Paulus entgegen der Notwendigkeit den ganzen Brief hindurch vom Glauben der Thessalonicher spricht. Auch E. Cornelius 1993, 57-84 geht auf die Funktion der Danksagungen ein, von denen es im Gegensatz zu den anderen paulinischen Briefen im Ersten Thessalonicherbrief mehrere gibt. Da es deren Ziel sei, die Leser des Briefes im Hinblick auf dessen Inhalt wohlgesonnen zu stimmen, sei der Begriff "Danksagung“ irreführend. Zu den Danksagungen in 1 Thess 1-3 siehe auch J. Lambrecht 1990, 183-205. D. A. deSilva 1996, 49-79 geht über die Annahme hinaus, dass es sich bei den Danksagungen in 1 Thess 1-3 um eine "captatio benevolentiae“ handele, die das Wohlwollen der Leser bewirken soll. Vielmehr seien sie unter dem Gesichtspunkt der Ehre zu sehen, deren Wahrung in der antiken Gesellschaft eine große Rolle gespielt habe. Die Thessalonicher Christen sollten nicht die Ehre innerhalb der heidnischen Gesellschaft suchen, sondern allein mit Blick auf die Ehre gegenüber Gott und den anderen christlichen Gemeinden handeln.
Oftmals wird angenommen, dass antike Papyri den weit verbreiteten Gebrauch einer Eingangsdanksagung zur Zeit des Paulus bezeugen, sei es in Briefen mit religiösem oder nichtreligiösem Inhalt. Paulus habe sie der Konvention entsprechend in seine spezifisch christlichen Briefe übernommen. Diese Annahme hinterfragt P. Arzt 1994, 29-46 kritisch.
P. T. O’Brien 1980 geht den Fragen nach, welchen Platz der Dank in der Lehre des Paulus einnahm und ob er immer eine Reaktion auf Gottes gnadenhaftes Handeln ist. Ergebnis: Bei Paulus tauche der Dank häufiger auf als bei anderen antiken hellenistischen Autoren. Er sei immer Antwort auf göttliches Heilshandeln und finde in der Danksagung, dem Lobpreis ähnlich, nach außen hin seinen Ausdruck. So würden andere Christen dazu animiert, mit in den Dank einzustimmen. Danksagung sei geradezu ein Synonym für christliches Leben.
In Paulus’ Leben spielte das Gebet eine zentrale Rolle. R. F. Collins 1984, 356-364 geht auf die verschiedenen Arten ein, die sich im Ersten Thessalonicherbrief finden, wobei auf S. 357-359 das Dankgebet behandelt wird.
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Beobachtungen: Die Absender denken ununterbrochen an das Glaubenswerk der Gemeinde, was die Bedeutung des Gedenkens unterstreicht. Der Begriff "Glaubenswerk“ zeigt: der rechte Glaube und das gute Werk gehören untrennbar zusammen. Auch die Begriffe "Liebesmühe“ und "Hoffnungsgeduld“ machen etwas von der paulinischen Theologie deutlich: Das Lieben ist durchaus mit Mühen verbunden und kommt nicht ohne jede Anstrengung; und die Hoffnung, dass der "Herr“ Jesus Christus wiederkehren möge, wird aufgrund des Ausbleibens des Erwarteten auf die Probe gestellt.
Es fällt auf, dass das Gedenken "nur“ vor Gott, dem Vater geschieht und nicht vor dem Sohn, der wie der heilige Geist nicht genannt wird. Die Vaterschaft Gottes wird konkret auf die Christen, speziell die Briefabsender und -adressaten, bezogen, die somit Gottes Söhne bzw. Kinder sind.
Weiterführende Literatur: W. Weiß 1993, 196-217 befasst sich mit der Trias Glaube − Liebe − Hoffnung. Zunächst führt er in die Fragestellung ein und wendet sich dann der Analyse von 1 Thess 1,3 und 5,8 zu. Im zweiten Teil macht er auf Anzeichen innerhalb des Ersten Thessalonicherbriefs aufmerksam, die auf eine breitere Verwendung der drei Begriffe über den Rahmen der Trias hinaus weisen können. Im dritten Teil geht er auf die Frage nach der Herkunft der Trias ein. Viertens entwickelt er das paulinische Verständnis der Trias im Ersten Thessalonicherbrief. Zum Schluss kommt er vom Ergebnis dieser Betrachtung aus auf 1 Kor 13,13 zurück.
Laut M. Stare 2003, 223-235 gelte die Trias Glaube, Hoffnung und Liebe als Summe des authentisch Christlichen. In Glaube, Hoffnung und Liebe kämen nach Paulus die entscheidenden Grundvollzüge des Christseins zum Ausdruck. Das bedeute, dass die Beziehungen der Christen zu Gott; Christus und den Mitmenschen gerade in Glaube, Hoffnung und Liebe zu erkennen sind. Dieser Ausrichtung der Menschen zu Gott, Christus und Mitmenschen gehe die Zuwendung Gottes und Christi zu den Menschen voraus. Dabei sei anhand von 1 Thess 1,3; 5,8; 1 Kor 13,13 der Frage nachzugehen, ob die paulinische Trias auch diese grundlegende Dimension, die in der Ausrichtung Gottes und Christi zu den Menschen bestehe, enthält. Ergebnis: In 1 Thess 1,3; 5,8 liege der Akzent auf der Hoffnung, die auf die Situation der Thessalonicher und ihre Erwartung der baldigen Parusie (Wiederkunft Jesu) ausgerichtet sei. Die Herkunft der handelnden Subjekte Glaube, Liebe und Hoffnung gehe auf Gott selbst zurück. In 1 Kor 13,13 liege der Akzent auf der Liebe. Die Darstellung der Liebe in 1 Kor 13 trage die Züge der Selbstmitteilung Gottes und seiner Liebe (vgl. Ex 34,6-7), die in Jesus Christus, in dessen Tod und Auferstehung, am deutlichsten sichtbar geworden seien und die für immer das Fundament für das Leben der Christen blieben.
Auf die Trias Glaube − Liebe − Hoffnung im Ersten Thessalonicherbrief (1,3; 5,8) geht T. Söding 1992, 65-103 unter Berücksichtigung weiterer Literatur ausführlich ein. Die Formulierung "Werk des Glaubens“ wird dabei als Engagement von Christen in der Gemeinde und für die anderen Glaubenden verstanden, die Formulierung "Mühe der Liebe“ als Plage mit den täglichen Widrigkeiten des Lebens christlicher Existenz in einer feindlich gesinnten Umwelt. Zur Traditionsgeschichte der Trias siehe im gleichen Buch S. 38-64, speziell zur Liebe auch O. Wischmeyer 1983, 222-236, speziell zur Hoffnung W. Radl 1981, 13-24.
R. F. Collins 1984, 346-355 geht darauf ein, wie Paulus in seinem ältesten Brief über die Liebe schreibt. Hintergrund ist die Beobachtung, dass der Begriff "Liebe“ in den Paulusbriefen häufiger auftaucht als in den Synoptikern. Da das Hauptaugenmerk der Ausleger meist den längeren Briefen wie dem Ersten Korintherbrief (v. a. 1 Kor 13) zugewandt werde, solle nun die Beachtung dem Ersten Thessalonicherbrief gelten. Dabei geht R. F. Collins zunächst auf die Trias ein und legt dann dar, dass die Ausübung der von Gott gegebenen Liebe im Hinblick auf die bevorstehende Wiederkunft Christi ein wesentliches Merkmal christlichen Lebens sei. Christliche Liebe verbinde die Gemeinden und solle sich auch auf Nichtchristen erstrecken.
R. F. Collins 1984, 209-229 geht auf die Bedeutung der Begriffe "Glaube“, "glauben“ und "Gläubiger“ im Ersten Thessalonicherbrief ein und macht deutlich, dass sie sich in Nuancen unterscheide. Dies gelte auch dem Gewicht, das in diesem Brief dem Glauben beigemessen wird. Die S. 212-213 behandeln konkret das "Glaubenswerk“ in 1,3.
D. R. Denton 1981 geht auf die Bedeutung der "Hoffnungsgeduld“ ein. "Hoffnung“ und "Geduld/Ausdauer/Standhaftigkeit“ ständen in einem engen Bezug zueinander und entsprächen der alttestamentlichen Vorstellung des Wartens im Sinne des geduldigen, hoffnungsvollen Erwartens.
P. G. R. de Villiers 2003, 36-53 merkt mit Blick auf die Trias Glaube − Liebe − Hoffnung in 1 Thess 1,3 an, dass 1 Thess nicht nur als stärkendes Schreiben in Not und Verfolgung zu verstehen sei, sondern auch zur Verkündigung über die Gemeindegrenzen hinaus anregen solle.
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Beobachtungen: Paulus, Silvanus und Timotheus reden die Gemeindeglieder als "Geschwister“ an. "Geschwister“ meint hier nicht leibliche Geschwister, sondern Glaubensgeschwister, nämlich Christinnen und Christen. Bei dem Substantiv "adelphoi“ handelt es sich zwar um eine maskuline Form, die zunächst mit "Brüder“ zu übersetzen ist, jedoch sind hier vermutlich auch die "Schwestern“ eingeschlossen. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.
Die Gemeindeglieder sind von Gott geliebt. Dabei werden sie gegenüber den anderen Menschen herausgehoben, denn sie sind erwählt.
Weiterführende Literatur: Zu den verschiedenen geistlichen Bedeutungen der Bezeichnung "Bruder“ bzw. "Brüder“ in den paulinischen Briefen siehe R. F. Collins 1984, 180-181. In 1 Thess 1,4 seien alle Thessalonicher Gemeindeglieder gemeint.
Der Aufsatz A. Bammer 2007, 103-118 geht von der Frage aus, wie die ursprünglichen Leser des 1 Thess den Gedanken von ihrer "Erwählung“ durch Gott verstanden haben. Dabei berücksichtigt er, dass die christliche Gemeinde in Thessalonich vorwiegend aus Heidenchristen bestanden habe und somit nur bei wenigen ihrer Mitglieder eine jüdische Glaubensprägung vorausgesetzt werden dürfe. Nach einer methodisch-hermeneutischen Einführung wird anhand kurzer Ausführungen zur Geographie und Geschichte von Thessalonich die multikulturelle (griechische, makedonische, römische und thrakische) Prägung der Stadt und der dort ansässigen christlichen Gemeinde vor Augen geführt. Dann werden traditionelle biblische Erwählungsvorstellungen thematisiert. Auf dem Hintergrund des papyrologischen Materials wird anschließend ein alltagssprachliches Verständnis von 1 Thess 1,4-5 entwickelt. Ergebnis: Die papyrologische Analyse zeige, dass "Erwählung“ ("eklogê“) - mit einer Ausnahme − ausschließlich in Rechtstexten vorkomme und dort die Freiheit einer Wahl bezeichne. Diese Freiheit komme dem überlegenen Vertragspartner, nicht einer Bittstellerin oder einem Antragsteller zu. In Analogie dazu erwähle Gott bei Paulus die Gemeindemitglieder bewusst und auf eine überlegene Weise. Die Gemeinde sei damit kein Produkt des Zufalls oder der Beliebigkeit, sondern des freien göttlichen Willens. Die Erwählung hänge in 1,4-5 direkt mit der Verkündigung des Evangeliums zusammen, die in Macht, im heiligen Geist und in ganzer Fülle geschehen sei.
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Beobachtungen: Nun wird die Art der Erwählung genannt: Das Evangelium ist bei den Thessalonichern nicht nur als bloßes, wirkungsloses Wort gepredigt worden, sondern es hatte Kraft, etwas zu bewirken, und ist im heiligen Geist und in Gewissheit geschehen. Der Hinweis auf den heiligen Geist macht deutlich, dass es nicht irgendwelche, sondern göttlich inspirierte Worte waren. Die Gewissheit (plêrophoria) ist die "große Fülle“, die Überzeugung, mit der die Predigt geschah. Gewiss war Paulus, Silvanus und Timotheus entweder die Richtigkeit der Worte oder deren Wirkung - möglicherweise auch beides. Nicht nur die drei Missionare wissen um die Art und Weise ihrer Predigt und ihres Handelns in Thessalonich, sondern auch die Adressaten selbst. Diese sind also Zeugen für die Richtigkeit der Aussagen im Brief. Die Mission in Thessalonich scheint Paulus und seinen Begleitern im Geiste noch sehr präsent zu sein.
Weiterführende Literatur: A. Hutter 1985, 259-260 äußert sich zur französischen Übersetzung des Verses und kritisiert, dass die Übersetzung der TOB sinnverfälschend sei.
Zur Verkündigung des Evangeliums "in Kraft und in heiligem Geist und in großer Gewissheit“ siehe P. J. Gräbe 2000, 215-216. H.-W. Kuhn 1992, 342-343 vergleicht diese Formulierung mit dem Beginn des aus Qumran stammenden Liedes 1 QH VII 6-25.
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Beobachtungen: Die Thessalonicher sind nicht nur die Nachahmer der drei Missionare, sondern auch des "Herrn“ Jesus Christus geworden. Folglich sind auch die drei Missionare Nachahmer des "Herrn“. Die Nachahmung besteht in der Aufnahme des Wortes in großer Bedrängnis. Mit der Bedrängnis ist wohl die Ablehnung und Verfolgung seitens der heidnischen (vgl. 1 Kor 2,14) Mitbewohner gemeint, von denen sich die zum Christentum bekehrten Thessalonicher abgewandt hatten. Jesus Christus ist wohl nicht hinsichtlich der "Aufnahme des Wortes in großer Bedrängnis“ Vorbild, weil das Wort ursprünglich von ihm ausging bzw. er selbst Inhalt des Wortes ist, wie die Formulierung "Wort des Herrn“ (vgl. V. 8) zeigt. Der Vorbildcharakter bezieht sich eher auf dessen Leiden. Wie Jesus gelitten hat, so litten auch Paulus, Silvanus und Timotheus und die Thessalonicher Gemeindeglieder in der Bedrängnis. Trotz der Bedrängnis haben letztere das "Wort“ mit Freude aufgenommen. Eigentlich wäre bei all der Ablehnung und Verfolgung eine Annahme des christlichen Glaubens mit Ängsten und Hemmungen zu erwarten gewesen; der heilige Geist hat jedoch die Freude bewirkt.
Die Formulierung "chara pneumatos hagiou“ ist wörtlich mit "mit [der] Freude des heiligen Geistes“ zu übersetzen. Grammatisch kann zwar gemeint sein, dass sich der heilige Geist selbst freut. Diese Deutung ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte ausgesagt sein, dass die Freude vom heiligen Geist stammt, von diesem gewirkt wird. Dementsprechend ist die Übersetzung "mit [der] Freude, die [der] heilige Geist wirkt“ der wörtlichen Übersetzung vorzuziehen.
Weiterführende Literatur: Angesichts der Tatsache, dass der Begriff "Nachahmung“ ("mimêsis“) in den Paulusbriefen nur selten vorkommt, und altgriechische Verben mit der Bedeutung "nachahmen“ beinahe ausschließlich in paulinischen und deutero-paulinischen Briefen vorkommen, wurde die These vertreten, dass die Nachahmung in den Paulusbriefen und im NT allgemein keine große Rolle spielt. Mit dieser These setzt sich M. A. Getty 1990, 277-283 kritisch auseinander.
Die Aufforderung des Paulus und seiner Begleiter, ihm und Jesus Christus nachzuahmen, birgt zwei Probleme: 1.) Widerspricht dies nicht seiner eigenen Aufforderung zur Selbsterniedrigung? 2.) Ist es nicht unangemessen zu sagen, dass jemand, der Paulus nachahmt, zugleich Jesus Christus nachahmt? J.-A. A. Brant 1993, 285-300 geht auf diese Probleme ein, indem sie zunächst das paulinische Verständnis der Nachahmung darlegt, dann dieses Verständnis auf 1 Thess 1,6-7 u. a. bezieht und schließlich zusammenfasst, inwiefern es legitim ist, dass Paulus sich selbst als Vorbild für die Christusnachfolge darstellt. Gemäß J.-A. A. Brant gleiche Paulus’ mimêsis-Vorstellung derjenigen von Aristoteles. Es gehe nicht darum, das Objekt mit seinen Eigenschaften getreu widerzuspiegeln, sondern darum, einem Gedanken, den das Objekt verkörpert, Ausdruck zu verleihen. Im Fall des Paulus sei es die Vorstellung, dass das Leben nach der Taufe christlich zu gestalten sei. Zum Verhältnis des Predigers Paulus zum Evangelium und zum Verhältnis der Gläubigen zu Paulus und zum Evangelium unter dem Gesichtspunkt der Nachahmung siehe auch J. L. Boyce 1992, 139-146 und D. Stanley 1984, 127-141, der meint, dass die Aufforderung zur Nachahmung so zu interpretieren sei, dass alle Christen an seiner Erfahrung teilhaben und ihr Leben mit ganzem Vertrauen auf die Macht Gottes gründen sollten, die in gnadenhafter Weise durch das Evangelium angeboten wird.
Zur Nachahmung Christi siehe O. Merk 1989, 172-206, der die Nachahmung nach paulinischem Verständnis durch Gehorsam und nicht durch ein hervorragendes sittliches Beispiel bestimmt sieht.
Mit antiken Abhandlungen verschiedener Philosophen über die Nachahmung setzt sich eingehend E. A. Castelli 1991, 59-87 auseinander.
Zur sozialen Desintegration, den Entfremdungsproblemen von Konvertiten gegenüber ihrer andersgläubigen Umgebung, gibt R. Riesner 1994, 329f. einen knappen, gut verständlichen Überblick. Ausführlich auf die Konflikte der Konvertiten mit der heidnischen Umwelt und die damit verbundene Hoffnung auf ein baldiges Wiederkommen Jesu Christi geht J. M. G. Barclay 1993, 512-530 ein. Zu den Bedrängnissen als Lebensumstand der frühen Christen und zur Aufnahme des Wortes in Freude siehe auch P. Iovino 1985, 44-49. Die Bedrängnisse seien ein Zeichen des Anbruchs des Reiches Gottes. In der Hoffnung auf die Gerechtigkeit Gottes werde das Evangelium mit Freude aufgenommen.
Zum Wirken des Geistes Gottes als Kraft, die Freude bewirkt, siehe F.-W. Horn 1992, 119-123, der die These ablehnt, Paulus wolle vom worthaften Charakter seines Evangeliums allein ablenken, um zusätzlich auf pneumatische Machttaten zu verweisen.
G. P. Benson 1996, 143-144 sieht in V. 6 eine Anspielung auf das Gleichnis vom Sämann, Lk 8, denn auch hier gehe es darum, das Wort Gottes mit Freude aufzunehmen und es in Anfechtungen und Bedrängnissen zu bewahren und Standhaftigkeit zu zeigen.
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Beobachtungen: Durch diese freudige Aufnahme des Evangeliums sind die Thessalonicher für alle Gläubigen in Makedonien und Achaia zum Vorbild geworden. Diese pauschale Aussage lässt offen, welche konkreten Gemeinden Paulus, Silvanus und Timotheus im Blick haben, und ob in dem Ort, in dem der Brief verfasst wurde, schon eine Gemeinde bestand. Makedonien und Achaia sind die beiden Provinzen, in die Griechenland durch die römische Herrschaft geteilt worden war. Dass die Adressaten ein Vorbild für die anderen Gläubigen geworden sind, besagt noch nicht unbedingt, dass diese dem Vorbild gefolgt sind.
Weiterführende Literatur: Zur Vorbildlichkeit der Thessalonicher im Glauben siehe R. F. Collins 1984, 213-215.
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Beobachtungen: Die Gemeinde in Thessalonich wird als Ausgangspunkt der Verbreitung des Evangeliums, das als "Wort des Herrn“ bezeichnet wird, gerühmt. Dass die Gemeindeglieder selbst das Evangelium gepredigt haben, wird nicht gesagt, sondern das Wort selbst erscheint als aktive Kraft. Dabei hat es sich nicht allein in Makedonien und Achaia verbreitet, sondern auch an jeden Ort der Welt darüber hinaus. Nun merken die Verfasser des Briefes zwar an, dass sie deshalb über den Glauben der Thessalonicher kein weiteres Wort verlieren brauchen, doch tun sie dies im Verlauf des Briefes dennoch ausgiebig.
Weiterführende Literatur: Nirgendwo fordere Paulus in seinen Briefen die Gemeinde auf, das von ihm empfangene Evangelium weiterzusagen. Daher geht J. Ware 1992, 126-131 auf die Frage ein, ob Paulus davon ausging, dass die von ihm gegründeten Gemeinden seine Botschaft weitertragen sollten und, falls ja, in welcher Form sie dies tun sollten. J. Ware kommt zu dem Schluss, dass Paulus davon ausgegangen sei, dass die von ihm gegründeten Gemeinden (auch ohne explizite Aufforderung) die frohe Botschaft weitersagen würden. Dabei erscheine das Wort als aktive Kraft.
Gemäß P. G. R. de Villiers 2003, 43-57 habe Paulus dazu beigetragen, dass das Evangelium Jesu seinen Weg vom ländlichen Palästina in die Metropolen der griechisch-römischen Welt fand, doch über diese Beobachtung hinausgehend sei die missionarische Wirklichkeit komplexer gewesen. So sei die Verkündigung nicht nur von Paulus und einem Missionsteam durchgeführt worden, sondern es seien auch die zum Christentum Bekehrten zur Teilnahme am Missionsteam aufgerufen gewesen.
Zum Gottesglauben der Thessalonicher siehe R. F. Collins 1984, 215-216.
Zur Metropole Thessaloniki und ihrer Ausstrahlung siehe C. vom Brocke 2001, 104-113, der auf Thessaloniki als makedonische Metropole, auf die Verkehrswege und auf die Wanderungsbewegungen und Handelsbeziehungen eingeht.
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Beobachtungen: Der vorbildliche Glaube der Gemeindeglieder Thessalonichs ist nicht nur allerorts bekannt geworden, sondern "sie“ − gemeint sind die Leute - berichten schon davon. Konkret berichten sie einerseits von dem "Eingang“, von der Aufnahme der drei Missionare in Thessalonich, andererseits von der Bekehrung der Adressaten. Die Aufnahme war - so lässt sich erschließen - wohlwollend, so dass es schon bald zu Konversionen kam. Diese erfolgten weg von Götzen hin zu Gott. Gott wird als lebendig und wahr bezeichnet; somit sind die Götzen aus der Sicht der drei Missionare das Gegenteil: tot und nichtig. Um was für Götzen es sich handelt, interessiert die Verfasser des Briefes nicht weiter. Der Glaube ist ein Gottesdienst. Paulus’ Redeweise lässt darauf schließen, dass die Adressaten des Ersten Thessalonicherbriefes ehemals mehrheitlich Heiden und nicht Juden waren.
Bezüglich des "lebendigen und wahren Gottes“ fehlt ein Artikel. Sollten Paulus und Barnabas etwa keinen bestimmten lebendigen und wahren Gott im Blick gehabt haben? Sollten sie etwa davon ausgegangen sein, dass der von ihnen verehrte lebendige und wahre Gott, der Gott Israels, nicht der einzige lebendige und wahre Gott war? Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt, zumal ja zuvor ausgesagt worden ist, dass sich die Adressaten zu dem Gott, also zu einem ganz bestimmten, bekehrt haben. Wahrscheinlicher ist, dass "lebendiger und wahrer Gott“ ("theos zôôn kai alêthinos“) als Eigenname zu verstehen ist
Weiterführende Literatur: Zur Hinkehr zu Gott und Abkehr von den Götzen siehe P.-G. Klumbies 1992, 137-148, der nach der vorpaulinischen oder vorchristlichen Tradition fragt. Zum heidnischen religiösen Leben Thessalonichs siehe ausführlich C. vom Brocke 2001, 114-142, der auf den Kult des Kabirus, den Kult des Dionysos, den Kult der Ägyptischen Götter und auf den Kaiserkult eingeht.
In 1 Thess 1 äußere Paulus gemäß C. Blumenthal 2005, 96-105 seine Freude über die Hinwendung der Thessalonicher zum lebendigen Gott unter gleichzeitiger Abwendung von den Götzen. Die V. 9-10 würden in den meisten Kommentaren als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Adressatenkreises von 1 Thess herangezogen. C. Blumenthal versucht zu zeigen, dass dieser Adressatenkreis nicht nur Heiden, sondern auch Gottesfürchtige umfasse. Sowohl Heiden als auch Gottesfürchtige seien vor ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben keine Monotheisten gewesen. Daher habe sich die Aufforderung zur Abwendung von den Göttern und Hinwendung zum einen Gott sowohl an die Heiden als auch an die Gottesfürchtigen gerichtet.
S. Kim 2005, 519-542 stellt heraus, dass Paulus in 1 Thess 1-3 an fünf Stellen (1,5; 1,9-10; 2,1.13; 3,6) den Erfolg des Evangeliums und den Glauben der Thessalonicher mit seinem "Eingang“ ("eisodos“) verbinde. Diese Beobachtung stelle den Schlüssel zur Deutung von 1 Thess 1-3 und insbesondere 2,1-12 dar. 2,1-12 sei nicht in erster Linie paränetisch, sondern apologetisch zu verstehen. S. Kim sieht in 1 Thess 2,1-12 und 2 Kor 1-7 eine enge Parallele, insbesondere hinsichtlich des Nachweises der Integrität des apostolischen Dienstes des Paulus auf dem Hintergrund des Wirkens verschiedenster Wanderprediger, denen zum Teil Geldgier, Ruhmsucht und rhetorische Kniffs wie Schmeichelei vorgeworfen worden seien. Der Nachweis seiner apostolischen Integrität diene Paulus zur Stärkung der Thessalonicher Christen gegenüber nichtchristlichen Gegnern, die seine Integrität infrage gestellt hätten. Außerdem solle die Verkündigung des Evangeliums seitens der Adressaten angeregt werden. Dem Gedanken der Vorbildfunktion des Paulus komme dagegen − anders als verschiedentlich angenommen − in 1 Thess 2,1-12 keine besondere Bedeutung zu.
J. G. van der Watt 1990, 356-369 vergleicht den Gebrauch des Verbes zaô im Ersten Thessalonicherbrief mit dem im Johannesevangelium. Ergebnis im Hinblick auf 1,9: Sowohl im Ersten Thessalonicherbrief als auch im Johannesevangelium werde Gott als "lebendig“ bezeichnet. Er sei es, der Jesus Christus und den Gläubigen das Leben schenkt. Die theologische Ähnlichkeit lasse auf eine gemeinsame vor-paulinische Tradition schließen.
C. Breytenbach 2005, 37-54 versucht anhand einer Auswahl wichtiger Texte des Paulus aufzuzeigen, dass Paulus seine theologischen Formulierungen an urchristlicher, liturgischer Tradition anlehne, die ihrerseits die Tora-Rezeption des griechisch sprachigen Frühjudentums sowohl in der Sprache als auch in der Sache aufnehme. Es zeige sich somit, dass die theologischen Grundsätze der Verkündigung des Paulus v. a. im urchristlichen Bekenntnis und Lobpreis beheimatet waren. Auf S. 45-49 geht C. Breytenbach auf die theologische Aussage "Der lebendige und wahre Gott, als der, der die Toten lebendig macht.“ in 1 Thess 1,9-10 ein. Bereits die in Dtn 32,37-41 bezeugte Vorstellung, dass Gott, der sich Mose offenbarte, im Gegensatz zu den Götzen der Völker, töten und lebendig machen kann und ewig lebt, bilde den Ausgangspunkt für weitere Übersetzungen der Septuaginta und für die Bezeichnung "theos zôn“ ("lebendiger Gott“). Dass dem Lebendigen das Prädikat "wahr“ hinzugefügt wird, sei angesichts des israelitisch- jüdischen Monotheismus verständlich. Das sonst seltene Verb "zôopoiein“ ("lebendig machen“) werde wie im NT, auch in der Literatur des griechisch schreibenden Judentums verwendet, um die lebendig machende Funktion des Gottesgeistes auszudrücken.
Laut G. Nebe 2006, 191-221 habe C. Burchard in seinen Beiträgen nicht ausdrücklich thematisiert, was so etwas wie ein "Gesetz der Natur“ im allgemeineren Horizont von Soteriologie, Schöpfung und Natur zur Interpretation der theologischen Auffassung des Paulus beiträgt. Paulus argumentiere in diesem Zusammenhang ja nicht nur "im jüdischen Horizont der Gesetzesobservanz oder entsprechend an einer "jüdischen Front“. In diesen Fragenbereich wolle der Beitrag von G. Nebe einsteigen. Dabei werde davon ausgegangen, dass das sog. Verhältnis von Indikativ und Imperativ in der Soteriologie und Rechtfertigungslehre des Paulus fundamental ist. Der älteste Paulusbrief, d. h. der Erste Thessalonicherbrief solle besonders bedacht werden und zwar speziell im Hinblick auf 1 Thess 1,9-10 und dort das Eidola ("eidôla“; "Götzen“).
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Beobachtungen: Der Glaube an Gott beinhaltet als anscheinend wesentlichen Aspekt das Warten auf seinen Sohn, Jesus Christus. Dieser ist in den bzw. die Himmel − hier benutzt Paulus den Plural - aufgefahren, also wird auch seine Wiederkunft von dort erwartet. Gott, der Vater hat seinen Sohn von den Toten auferweckt. Dieser ist also nicht von selbst auferstanden. Der Jüngste Tag, an dem Jesus Christus erscheinen wird, wird nicht nur als Tag der Freude, sondern auch des Zorns geschildert. Da die Adressaten des Briefes wie auch dessen Absender an Jesus Christus glauben und dies mit ihrem Verhalten bezeugen, werden sie von Jesus Christus errettet.
Wer zornig ist, wird nicht ausdrücklich gesagt, auch wird nicht der Grund des Zorns genannt. Es ist anzunehmen, dass der Zorn von Gott ausgeht und dass der Grund der menschliche Unglaube gegenüber seinem Sohn ist. Wie die Christen (siehe V. 3), so ist auch Jesus Christus ein "Gottessohn“. Seine Auferstehung von den Toten, Himmelfahrt und Wiederkunft am Ende der Tage zum kommenden Gericht unterscheidet ihn jedoch gemäß 1 Thess 1,1-10 qualitativ von den gewöhnlichen Menschen.
Weiterführende Literatur: Umstritten ist, ob sich bei den V. 9-10 im Kern um paulinische Missionspredigt handelt, oder ob er den Inhalt der Missionspredigt anderer urchristlicher Missionare zusammenfasst. Schließlich gibt es auch Ausleger, die die Meinung vertreten, dass die Verse nicht den Kern der Missionspredigt, sondern wesentliche Inhalte seines Briefes an die Thessalonicher enthalten. Eine ausführliche Diskussion der verschiedenen Positionen gibt M. D. Hooker 1996, 435-448, die letztere Annahme vertritt. Konkret zur Frage, welches denn der Inhalt paulinischer Missionspredigt gewesen sein könnte, siehe H.-H. Schade 1984, 119-120 und M. Pesce 1985, 23-47. Letzterer betont, dass es nur um die Missionspredigt im engen Sinn gehe, zu der beispielsweise Briefe nicht gehören. D. Wenham 1988, 53-54 beschäftigt sich mit Bezügen zwischen der Apostelgeschichte und paulinischen Briefen. Er legt zunächst dar, dass umstritten ist, inwiefern die Apostelgeschichte bezüglich historischer Fakten zuverlässig ist. Dies gelte auch für die enthaltenen Reden. Zu beachten sei die oft vernachlässigte Tatsache, dass zwischen dem Dienst des Paulus, wie er in 1 Thess 1,9-10 und in der Areopag-Rede (Apg 17,16-31) beschrieben wird, Ähnlichkeiten bestehen. Da der Erste Thessalonicherbrief vermutlich in Korinth abgefasst worden sei, sei er in zeitlicher Nähe zu der Areopag-Rede in Athen entstanden. Es sei davon auszugehen, dass Lukas von dem Wirken des Apostels genaue Kenntnis gehabt hat und die Ähnlichkeiten nicht nur auf Zufall beruhen.
Der stark apokalyptische Einschlag des Ersten Thessalonicherbriefes hat neben anderen Argumenten wie z. B. die zahlreichen Hinweise auf die Wirksamkeit und Verkündigung in Thessalonich − siehe H.-H. Schade 1984, 22 − dazu geführt, dass der Brief von den meisten Auslegern als früher, ja sogar als ältester Paulusbrief angesehen wird. So hält auch G. R. Beasley-Murray 1991, 297 1 Thess 1,9-10 für den ältesten Auferstehungs- und Parusietext und legt kurz die Bedeutung seiner Aussagen für die frühesten Christen dar. Allgemein zur Frage, ob gemäß biblischen Texten die Wiederkunft Jesu Christi unmittelbar bevorsteht und ob ihr Zeichen vorangehen, siehe W. A. Brindle 2001, 138-151, wobei auf S. 142-144 1 Thess 1,9-10 behandelt wird. Ergebnis: In den betrachteten Texten finden sich keine Hinweise auf Zeichen. Die Gläubigen sollten nicht auf Zeichen, sondern auf die Wiederkunft des "Herrn“ vom Himmel warten. Mit dem Aspekt "Warten auf den Gottessohn“ befasst sich aus traditionsgeschichtlicher Perspektive W. Radl 1981, 24-33.
Einen Überblick über die Bedeutung des Begriffes "Sohn“ in der Bibel gibt M. Theobald 1994, 187-188, wobei er zwischen der biologisch-physischen Abstammung und dem übertragenen Sinn, der Metapher, unterscheidet. Im Folgenden geht er auf die Bedeutung der "Sohn-Gottes“-Prädikation ein und stellt die innige Beziehung zwischen Israel und dem Messias sowie die Menschlichkeit Jesu heraus. Zur Traditionsgeschichte der "Gottes-Sohn“-Prädikation siehe H.-H. Schade 1984, 31-35. Ein Überblick über die neuere Diskussion, welches die Voraussetzungen sind, in denen Paulus das Sohnsein Jesu begründet und von denen her er es sich bewähren sieht, findet sich in C. Dietzfelbinger 1991, 111-115.
Laut C. Burchard 2005, 272-273 könne "den er von den Toten auferweckt hat“ sowohl auf "seinen Sohn“ als auch auf "Jesus“ bezogen werden. Für einen Bezug auf "Jesus“ spreche, dass vor das Bezugswort gestellte Relativsätze verbreitet und auch Paulus geläufig seien. Paulus habe nie vom Sohn gesagt, dass Gott ihn auferweckt habe, oder dass er von Gott auferweckt worden oder auferstanden sei, wohl aber von Jesus. Zudem stünde der Relativsatz besser direkt bei "seinem Sohn“, wenn er ihn qualifizieren sollte. C. Burchard schlägt folgende Übersetzung vor: "und seinen (= Gottes) Sohn aus den Himmeln zu erwarten, Jesus, den er von den Toten erweckte, unseren Retter vor dem kommenden Zorngericht“.
Zur Auferweckung Jesu von den Toten siehe R. F. Collins 1984, 341-343, der die eschatologische Perspektive hervorhebt. I. Havener 1981, 105-110 befasst sich mit dem Inhalt und der Form der vor-paulinischen Glaubensformel, die V. 10 zugrunde liege, und fragt danach, welches ihr Zusammenhang und ihre Bedeutung im Ersten Thessalonicherbrief ist. Er geht davon aus, dass die älteste Glaubensformel, die in christlicher Literatur auftaucht, eine Aussage zur Auferstehung sei.
J. W. Elias 1992, 121-132 legt dar, dass Paulus in seinem Leiden als Missionar und die Christen in Thessalonich in ihrer Erfahrung von Bedrängnis und Verfolgung bewiesen, dass Gott die Gläubigen schon in der Gegenwart vom Zorn errettet, auch wenn die endgültige Rechtfertigung erst am Ende mit der Wiederkunft Christi komme. Der Glaube, die Liebe und die Hoffnung der Thessalonicher Christen hätten die Bedrängnis und Verfolgung durch die nichtchristliche Umgebung, die den christlichen Glauben als subversiv angesehen habe, erst bewirkt. Die Rede von der Errettung vom Zorn und die ethischen Ermahnungen, insbesondere die Aufforderung, Gott in Bedrängnis und Verfolgungen treu zu bleiben, stünden zueinander in einer engen Beziehung.
J. H. Roberts 1986, 29-35 befasst sich mit den eschatologischen Texten in den Übergängen zu den paulinischen Briefkorpora. Er untersucht die verschiedenen Techniken, v. a. die eschatologische Klimax in 1 Kor 1,7-8, Phil 1,10, 1 Thess 1,1-10, 2 Thess 1,6-10, und legt den Forschungsstand dar. Auch geht er auf den größeren Zusammenhang ein. Ergebnis: Die eschatologischen Übergänge hätten wichtige rhetorische Bedeutung. 1 Thess 1,10 stelle den eschatologischen Höhepunkt des Abschnitts 1,1-10 dar. Der Gedanke, dass die Christen vom kommenden Zorn Gottes gerettet werden (1,10) und dass Gottes Zorn diejenigen trifft, die das Leiden der Christen verursachen (2,16), bilde den Hintergrund, auf dem die implizite Ermahnung, im Glauben standhaft zu bleiben, seine stärkst mögliche Motivation erhalte.
Zur textkritischen Frage ob bezüglich der Errettung von dem kommenden Zorn die Präposition ek oder apo zu lesen sei, siehe ausführlich D. B. Wallace 1990, 470-479.
Knapp zur Vorstellung vom Zorn Gottes und − nach heidnischer Vorstellung − der Götter äußert sich R. Börschel 2001, 103-104.
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