Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Apostelgeschichte (15,36 - 18,22)

Apg 18,1-3

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Apg 18,1-3

 

 

Übersetzung

 

Apg 18,1-3:1 Danach verließ er Athen und kam nach Korinth. 2 Und er traf einen Juden namens Aquila, der aus Pontus stammte und kürzlich aus Italien gekommen war, und Priscilla, seine Frau; Claudius hatte nämlich angeordnet, dass alle Juden Rom zu verlassen hätten. Zu ihnen ging er, 3 und da er dasselbe Gewerbe ausübte [wie sie], blieb er bei ihnen und arbeitete. Sie waren nämlich Zeltmacher von Beruf.

 

 

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V. 1

 

Beobachtungen: Es wird nichts weiter darüber berichtet, wie die Zeit des Paulus in Athen nach seiner Areopag-Rede verlaufen ist. Das wäre aber eigentlich zu erwarten gewesen, weil Paulus mit seiner Verkündigung Widerstand hervorgerufen hatte und immerhin vor oder auf dem Areopag seine Lehre darlegen musste. Einige Hörer wollten daraufhin möglicherweise Genaueres über die Auferstehung von den Toten erfahren. Ob Paulus tatsächlich nochmal zur Auferstehungslehre gesprochen hat, oder ob er wegen seiner Lehre irgendwelche Zwangsmaßnahmen oder Strafen seitens des Areopags erleiden musste, bleibt im Dunklen. Auch bleibt im Dunklen, wie sich die Gemeinde nach den ersten Bekehrungen weiterentwickelte.

 

Es gibt keine Informationen darüber, auf welche Weise Paulus von Athen nach Korinth reiste. Da kein Reittier erwähnt wird, ist eine Reise zu Fuß am wahrscheinlichsten. Sie dürfte mehrere Tage gedauert haben.

 

Im Gegensatz zum geschichtsträchtigen Athen war Korinth eine neue Stadt ohne Tradition. Das alte, berühmte Korinth war 146 v. Chr. zerstört worden. Das neue Korinth hatte Cäsar als Veteranenkolonie unter dem Namen "Colonia Laus Iulia Corinthiensis“ gegründet. Korinth war eine Handelsstadt, die geographisch günstig auf der schmalen Landbrücke zwischen Attika und der Peloponnes lag. Über zwei Häfen wurde der Warenumschlag abgewickelt, nämlich über Lechaion an der Westküste und Kenchreä an der Ostküste. Seit 27 v. Chr. war Korinth Hauptstadt der römischen Provinz Achaia. Hier hatte der Statthalter seinen Sitz. Im Gegensatz zur Kleinstadt Athen, das auf eine ruhmreiche Vergangenheit zurückblickte, war Korinth für antike Verhältnisse wohl eine Großstadt. Als Handelsstadt war Korinth für die Verbreitung des Christentums ein geeigneter Ort.

 

Es ist davon auszugehen, dass Paulus allein nach Korinth kam, denn Silas und Timotheus waren ja in Beröa zurückgeblieben (vgl. 17,14). Sie sind gemäß dem Bericht der Apg erst in Korinth wieder zu Paulus gestoßen (vgl. 18,5). Von anderen Begleitern ist nicht die Rede.

 

Weiterführende Literatur: Laut M. Ebner 2009, 535-548 zeigten die Korinth-Episoden in Apg 18,1-18, wie sich Lukas im Modell christliche Gemeindeentwicklung vorstellt: In klarer Kontinuität zum Judentum, aber nicht in Abhängigkeit von evtl. lokal bedingten negativen Reaktionen; auf jeden Fall offen für Heiden. Dass Christen inzwischen getrennt von den Synagogen in eigenen Häusern lehren und "Brot brechen“, sehe Lukas als Konsequenz von eigentlich unbegründeten Anfeindungskampagnen von Seiten der Juden. Positives Kriterium für die christlichen Hausgemeinden sei die Versöhnung von religiösen und sozialen Gegensätzen. Das, so erzähle es Lukas, schaffe Akzeptanz auch auf der städtischen Ebene − wie in Korinth an der Gallioszene zu sehen sei.

 

Entgegen anderen Auslegern vertritt D. Slingerland 1991, 439-449 die Ansicht, dass sich von der Beziehung zwischen der Gallio-Inschrift und Apg 18,1-18 ausgehend keine halbwegs genaue absolute Datierung der verschiedenen Ereignisse des paulinischen Wirkens herleiten lasse.

 

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V. 2

 

Beobachtungen: In V. 2 kann das Verb "heuriskô“ mit "finden“ oder "treffen“ übersetzt werden. Es ist unklar, inwieweit Paulus gezielt nach einer geeigneten Person gesucht hat, bei der er bleiben oder mit der er gemeinsam arbeiten konnte. Geht man davon aus, dass Paulus gezielt gesucht hat, dann passt die Übersetzung "finden“ besser, geht man eher von einer zufälligen Begegnung aus, dann ist "treffen“ passender.

 

Aquila ist ein lateinischer Name, der "Adler“ bedeutet.

 

Pontus war eine Landschaft in der heutigen Türkei, die im Norden an das Schwarze Meer grenzte und sich vom bithynischen Fluss Halys im Westen bis zum Hochland Armeniens im Osten erstreckte. 64 v. Chr. waren große Teile des bisherigen Königreiches Pontus mit der Landschaft Bithynien als Provinz "Bithynia et Pontus“ dem Römischen Reich einverleibt worden.

 

Priscilla ist die Verkleinerungsform von Prisca. Im Gegensatz zum Verfasser der Apg benutzt Paulus in seinen Briefen den Namen Prisca. Prisca/Priscilla war ebenfalls ein lateinischer Name. Es war nicht ungewöhnlich, dass Juden außerhalb Palästinas solche Namen trugen.

 

Der Kaiser Claudius regierte von 41 - 54 n. Chr. Wann und warum Claudius die Anordnung erlassen hatte, dass alle Juden Rom zu verlassen hätten, lässt V. 2 offen. Überhaupt scheint der Verfasser der Apg die Anordnung nur deshalb zu erwähnen, weil sie die Anwesenheit des Aquila und der Priscilla in Korinth begründete. Die Hintergründe der Anordnung spielen hier keine Rolle. Den Informationen des Geschichtsschreibers Sueton (Claudius 25,4) lässt sich entnehmen, dass die Anordnung im Jahre 49 n. Chr. erfolgt war. Somit kann Paulus frühestens 49 n. Chr. in Korinth angekommen sein. Gemäß Sueton hatte Claudius die Juden vertrieben, weil sie, von Chrestus (= Christus?) aufgehetzt, fortwährend Unruhen gestiftet hatten. Demnach wären also wohl Christen die eigentlichen Verursacher der Vertreibung gewesen. Da Aquila und Priscilla erst kürzlich aus Rom vertrieben worden waren, muss Paulus im Jahre 49 n. Chr. oder kurze Zeit danach (50 n. Chr.?) nach Korinth gekommen sein.

Aquila wird als "Jude“ bezeichnet. Ebenso scheint seine Frau, über die nichts Genaueres gesagt wird, Jüdin gewesen zu sein. Nun lässt aber die Tatsache, dass Aquila und Priscilla Paulus aufnahmen und mit ihm zusammen ihrem Gewerbe nachgingen, darauf schließen, dass das Ehepaar getauft war. Immerhin reisten sie nach der Beendigung des Aufenthaltes in Korinth mit Paulus nach Ephesus (vgl. 18,15). Und auch sonst erscheinen Aquila und Priscilla im NT als Christen und Mitarbeiter des Paulus, ohne dass irgendwo ausdrücklich von deren Taufe die Rede wäre. Gehörten also Aquila und Priscilla in Rom zu den Personen, die den Trubel und schließlich die Vertreibung der Juden und auch Judenchristen verursacht hatten?

 

Der Codex Bezae Cantabrigiensis fügt in V. 2 bezüglich Aquila und Priscilla "die sich ebenfalls in Achaia niedergelassen hatten“ ein.

 

Offen bleibt, ob die Initiative zur gemeinsamen Arbeit von Paulus ausging. Die Formulierung "er ging zu ihnen / zu ihnen ging er“ lässt dies vermuten, muss jedoch nicht zwingend in diesem Sinne verstanden werden.

Der Codex Bezae Cantabrigiensis stellt Aquila heraus und mindert die Bedeutung Priscillas. Demnach ging Paulus nur zu "ihm“, also zu Aquila.

 

Weiterführende Literatur: W. O. Walker 2008, 479-495 vertritt die Meinung, dass alles, was die Apg über Aquila und Priscilla aussagt, von den paulinischen Briefen entnommen oder hergeleitet sei oder plausibel den literarischen, theologischen und/oder apologetischen Aussageabsichten des Verfassers der Apg zugeschrieben werden könne. Zusätzlich zu den paulinischen Briefen habe der Verfasser der Apg kein Quellenmaterial herangezogen. Es sei davon auszugehen, (a) dass der Verfasser der Apg wenigstens einen Teil der paulinischen Briefe kannte und benutzte, b) dass der Text der Apg eine ausgesprochen antifeministische Einstellung widerspiegele, c) dass der Gedankenhorizont des Verfassers der Apg eine antimarkionitische Komponente enthielt und (d) dass die Abfassung der Apg in das 2. Jh. n. Chr. − möglicherweise in die Mitte − zu datieren sei.

 

Als eine durchaus bedeutende Mitarbeiterin des Apostels Paulus sieht Y.-M. Lee 2006, 249-256 Prisca (= Priscilla) an. Die Nennung ihres Namens vor demjenigen ihres Ehemannes in Apg 18,18.26; Röm 16,3; 2 Tim 4,19 weise auf die Anerkennung ihrer Mitarbeit hin, da es nicht üblich gewesen sei, die Frau zuerst zu nennen. Dabei ließen sich die beiden Ausnahmen aus dem jeweiligen Kontext verständlich machen: So würden in Apg 18,2 die beiden zum ersten Mal erwähnt und vorgestellt. Hinsichtlich 1 Kor 16,19 könnte der Grund dagegen in der besonderen Situation der korinthischen Gemeinde liegen (vgl. z. B. 1 Kor 14,33-36).

 

M. W. Holmes 2003, 195-197 stellt die Textfassungen Apg 18,2-3 des alexandrinischen Textes, des westlichen Textes und des Codex Bezae Cantabrigiensis nebeneinander und kommt zu dem Ergebnis, dass von den fünf textkritisch relevanten Stellen nur die Hinzufügung des Aquila in V.2c seitens des westlichen Textes wirklich nennenswert sei. Dabei sei fraglich, wie die Hinzufügung des Aquila zu deuten ist.

S. Heine 1987, 51-53 geht auf die Textfassung des Codex Bezae Cantabrigiensis ein. Sie bringt die Hervorhebung des Aquila mit der Tendenz in Verbindung, Frauen in der Bibel zum Verschwinden zu bringen.

 

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V. 3

 

Beobachtungen: Die Berufsbezeichnung "skênopoios“ ist zwar mit "Zeltmacher“ zu übersetzen, doch ist unklar, ob Paulus und Aquila tatsächlich Zelte hergestellt haben. Zelte wurden nämlich gewöhnlich aus Leder hergestellt, ebenso wie Sättel. So können Paulus und Aquila auch Sattler oder allgemein Lederarbeiter gewesen sein. Möglich ist aber auch, dass Paulus, Aquila und Priscilla mit cilicium, einem groben, aus Ziegenhaaren gewebten Stoff arbeiteten. Cilicium wurde ebenfalls bei der Zeltherstellung verwendet. Den Namen hat der Stoff von der Landschaft Kilikien, aus der Paulus stammte.

 

Warum Paulus arbeitete, bleibt offen. Gab es in Korinth niemanden, der ihn für die Zeit der Mission hätte aufnehmen und versorgen können? Oder sah Paulus die Begegnung mit Aquila als einen willkommenen Anlass an, seinen Beruf wieder ausüben zu können, weil er die erforderlichen Arbeitsbedingungen vorfand? Es bleibt offen, ob Paulus am Arbeitsplatz auch verkündigte. Die fehlende Information legt nahe, dass es Paulus in erster Linie um den Gelderwerb ging. Wollte sich Paulus wieder ein finanzielles Polster erarbeiteten, das er für die Weiter- bzw. Rückreise nach Antiochien benötigte? Brauchte er vielleicht neue Reiseausrüstung?

Es ist wahrscheinlich, dass Paulus das Handwerk während seiner Studien des jüdischen "Gesetzes“ noch vor seiner Berufung zu Jesus Christus erlernt hat. Rabbinen sollten einen Beruf erlernen, damit sie von Müßiggang abgehalten wurden und außerdem kein Geld für ihre Lehre des "Gesetzes“ verlangen mussten, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können (vgl. mAv 2,2).

 

Offen bleibt, wie der Arbeitsplatz bzw. die Werkstatt des Aquila und der Priscilla beschaffen war. Dass sie schon so kurz nach ihrer Vertreibung wieder ihrem Gewerbe nachgehen konnten, lässt an einfache Arbeitsumstände, an eine einfach eingerichtete Werkstatt denken. Andernfalls hätten Aquila und Priscilla wohlhabend sein oder großzügige Unterstützer haben müssen.

 

Weiterführende Literatur: P. Lampe 1987, 156-164 beschäftigt sich ausführlich mit Priscilla (= Prisca) und Aquila. Aquila habe wohl im hochsommerlichen Rom für Privatleute Sonnenplanen aus Leinen zusammengenäht. Dass er als kleiner selbstständiger Handwerker das Militär belieferte, sei weniger wahrscheinlich. P. Lampe bezweifelt, dass Prisca und Aquila einen hohen gesellschaftlichen Status besessen haben. Laut I. Richter Reimer 1992, 202-218 sei der Beruf "Zeltmacher“ jedoch im Orient als mit Lederarbeit verbunden verstanden worden. Die Arbeit habe das Zuschneiden und Zusammennähen von Lederstücken eingeschlossen. Dies sei eine zweifellos schwere Arbeit gewesen, die wenigstens teilweise von Frauen ausgeübt worden sei. Vermutlich habe, was der Text nahe lege, auch Priscilla die Arbeit der Zeltmacherei ausgeübt. Priscilla, Aquila und Paulus seien wohl nicht zu den wohlhabenden Unternehmern ihrer Zeit zu rechnen, sondern eher kleine Handwerker gewesen.

Auch R. F. Hock 1980, 20-25 geht davon aus, dass Paulus Zelte und andere Gegenstände aus Leder hergestellt habe. Dabei vermutet er, dass Paulus das Handwerk nicht von seinem Lehrer Rabbi Gamaliel, sondern von seinem Vater erlernt habe. Es sei nämlich nicht erwiesen, dass Paulus tatsächlich ein Schüler des Gamaliel war. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, sei noch nicht ausgemacht, dass die Ausbildung beruflicher Art war; zudem sei nicht sicher, dass das Ideal der Verbindung von Torastudium und handwerklicher Tätigkeit schon zu Lebzeiten des Paulus existierte. F. S. Spencer 2004, S. 150-153 hält die Argumente u.a. von R. F. Hock für Lederarbeit zwar durchaus für beachtenswert, merkt jedoch an, dass die Argumente nicht ausschlössen, dass Priscilla auch mit Stoffen arbeitete. So habe beispielsweise große Nachfrage nach leinenen Schiffssegeln und leinenen Tuchen, die als Sonnenschutz aufgespannt wurden, bestanden. Auch seien Zelte nicht nur aus Leder, sondern auch aus Leinen hergestellt worden.

 

 

Literaturübersicht

 

Ebner, Martin; Soziale und religiöse Grenzüberschreitung in der Gemeinde von Korinth nach Apg 18,1-18: Ein lukanisches Genrebild, in: C. J. Belezos et al. [eds.], Saint Paul and Corinth, vol. I, Athen 2009, 535-548

Heine, Susanne; Frauen der frühen Christenheit: zur historischen Kritik einer feministischen Theologie, Göttingen − Zürich, 2., durchges. Aufl. 1987

Hock, Ronald F.; The Social Context of Paul’s Ministry. Tentmaking and Apostleship, Philadelphia, Pennsylvania 1980

Holmes, Michael W.; Women and the “Western” Text of Acts, in: T. Nicklas et al. [eds.], The Book of Acts as Church History: text, textual traditions and ancient interpretations (BZNW 120), Berlin 2003, 183-203

Lampe, Peter; Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten: Untersuchungen zur Sozialgeschichte (WUNT II; 18), Tübingen 1987

Lee, Young-Mi; Ich, Priska, in: M. Keuchen, H. Kuhlmann, H. Schroeter-Wittke [Hrsg.], Die besten Nebenrollen: 50 Porträts biblischer Randfiguren, Leipzig 2006, 249-256

Richter Reimer, Ivoni; Frauen in der Apostelgeschichte des Lukas: eine feministisch- theologische Exegese, Gütersloh 1992

Slingerland, Dixon; Acts 18:1-18, the Gallio Inscription, and Absolute Pauline Chronology, JBL 110/3 (1991), 439-449

Spencer, F. Scott; Women of "the Cloth“ in Acts: Sewing the Word, in: A.-J. Levine [ed.], A Feminist Companion to the Acts of the Apostles (Feminist Companion to the New Testament and Early Christian Writings 9), London − New York 2004, 134-154

Walker Jr., William O.; The Portrayal of Aquila and Priscilla in Acts: The Question of Sources, NTS 54/4 (2008), 479-495

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