Apg 21,26
Übersetzung
Apg 21,26:26 Da nahm (der) Paulus die Männer zu sich, ließ sich am nächsten Tag mit ihnen reinigen und ging in den Tempel, um anzukündigen, dass die Weihetage abliefen, sobald für (einen) jeden von ihnen das Opfer dargebracht worden wäre.
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Beobachtungen: V. 26 berichtet von der Reaktion des Paulus auf folgende in V. 23-24 genannte Aufforderung seitens des Jakobus (des Herrenbruders) und der bei ihm anwesenden Ältesten: "Wir haben vier Männer, die ein Gelübde auf sich [genommen] haben. Nimm diese zu dir, lass dich mit ihnen reinigen und übernimm die Kosten für sie, damit sie sich das Haupt scheren lassen können. Und alle werden erkennen, dass nichts an dem ist, was über dich berichtet worden ist, sondern dass du ordentlich wandelst und selbst das Gesetz befolgst.“ Es fällt auf, dass sich Paulus in keinster Weise gegen die Aufforderung sträubte. Er schien sie also nicht für falsch zu halten. Daraus ist zu schließen, dass Paulus die Ansicht vertrat, dass er selbst ordentlich wandelte und das Gesetz − gemeint ist das Gesetz des Mose, die Tora (= fünf Bücher Mose) - befolgte. Dass er dies den Judenchristen zeigen sollte, schien er nicht anstößig zu finden.
Es stellt sich die Frage, warum sich Paulus mit den Männern auf die Aufforderung des Jakobus und der bei ihm anwesenden Ältesten hin reinigen ließ. Es ist daran zu denken, dass auch Paulus als "Geweihter“ galt, der ein Gelübde abgelegt hatte. Tatsächlich hatte Paulus ein Gelübde − vermutlich ein Nasiräergelübde − abgelegt, doch hatte er sich bereits vor langer Zeit in Kenchreä seine Haare scheren lassen (vgl. Apg 18,18). Da aber das Scheren der Haare noch nicht das Nasiräergelübde beendete, sondern darüber hinaus ein Opfer erforderlich war, das jedoch im Zusammenhang mit dem Scheren der Haare des Paulus nicht erwähnt wurde, ist daran zu denken, dass das Gelübde des Paulus als noch nicht vollständig abgeschlossen galt. Streng genommen musste das Gelübde in Jerusalem abgeschlossen werden. Möglicherweise konnte das Scheren der Haare wie im Falle des Paulus vorgezogen werden (vgl. mNaz 3,6), das abschließende Opfer musste aber wohl am Jerusalemer Tempel dargebracht werden. Ob sich Paulus tatsächlich in der Zwischenzeit zwischen dem Scheren der Haare in Kenchreä und der Ankunft in Jerusalem verunreinigt hatte, ist unklar.
Dass Paulus die Kosten für die vier Männer übernahm, damit sie sich das Haupt scheren lassen konnten, wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, ist jedoch angesichts der Tatsache, dass Paulus der Aufforderung des Jakobus und der bei ihm anwesenden Ältesten gehorsam folgte, wahrscheinlich.
Paulus ging in den Tempel, um anzukündigen, dass die Weihetage, also die Tage, während derer das Nasiräergelübde einzuhalten waren, abliefen. Diese liefen so lange ab, bis (heôs hou) für jeden von den vier Männern das Opfer dargebracht worden wäre. Das Opfer schloss also die Weihetage endgültig ab. Dieser Sachverhalt geht deutlich aus der Übersetzung hervor, wenn man "heôs hou“ mit "sobald“ übersetzt, womit der Versschluss "… um anzukündigen, dass die Weihetage abliefen, sobald für (einen) jeden von ihnen das Opfer dargebracht worden wäre“ lautet.
Der Codex Bezae Cantabrigiensis bietet "hopôs“ ("damit“) statt "heôs hou“ ("bis/sobald“). Demnach würde die Übersetzung des Versschlusses "…um anzukündigen, dass die Weihetage abliefen, damit für (einen) jeden von ihnen das Opfer dargebracht werde“ lauten. Diese Übersetzung setzt aber eigentlich statt des Aorist Indikativ "prosênechthê“ ("dargebracht worden war/wäre“) den Aorist Konjunktiv "prosenechthê“ ("dargebracht werde“) voraus, den der Codex Bezae Cantabrigiensis nicht bietet. Der Aorist Konjunktiv findet sich allerdings in einigen Minuskeln. Vielleicht hat es mal eine ganz frühe Variante gegeben, die sowohl den Konjunktiv "hopôs“ ("damit“) als auch den Aorist Konjunktiv "prosenechthê“ ("dargebracht werde“) bot, aber nicht mehr erhalten ist.
Die Bestimmungen zum Nasiräergelübde Num 6,1-21 sprechen von zwei verschiedenen Arten Opfern: Zum einen folgte ein Opfer dem Scheren der Haare nach einer Verunreinigung eines Nasiräers durch einen Toten. In diesem Fall sollten am achten Tag zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben zum Eingang des Zeltes der Begegnung − dem entsprach der spätere Tempel in Jerusalem − gebracht werden (vgl. Num 6,10). Zum anderen beendete ein aus zahlreichen Gaben bestehendes Opfer das Nasiräergelübde (vgl. Num 6,13-16).
Es bleibt unklar, warum Paulus in den Tempel ging, um anzukündigen, dass die Weihetage abliefen. Wäre es nur um das Opfer der vier Männer gegangen, hätten diese die Opfergaben selbst zum Tempel bringen können. Begleitete Paulus die vier Männer nur? Dann wäre unklar, warum die vier Männer nicht genannt werden. Oder beendete Paulus mit einem Opfer sein eigenes Gelübde? Dann wäre zu fragen, warum nur die Opfer für jeden einzelnen der vier Männer in den Blick kommen, nicht jedoch das Opfer des Paulus Erwähnung findet.
Offen bleibt, ob Paulus auch die Opfer für die vier Männer bezahlte. In Apg 21,24 war nur die Rede davon gewesen, dass er für sie die Kosten für das Scheren des Hauptes übernommen hatte.
Weiterführende Literatur:
Literaturübersicht
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