Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Kolosserbrief

Der Brief des Paulus an die Kolosser

Kol 2,1-5

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Kol 2,1-5



Übersetzung


Kol 2,1-5 : 1 Ich will euch nämlich wissen lassen, welch schweren Kampf ich für euch und für die in Laodizea und für alle führe, die mich nicht persönlich kennen gelernt haben. 2 Dadurch sollen ihre Herzen getröstet werden, verbunden in Liebe und auf allen Reichtum der Fülle des Verständnisses hin [ausgerichtet], auf Einsicht in das Geheimnis (des) Gottes: Christus, 3 in dem alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen sind. 4 Das sage ich, damit euch niemand durch Überredungskünste täuscht. 5 Denn wenn ich auch leiblich abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch, freue mich und sehe eure Ordnung und die Festigkeit eures Glaubens an Christus.



( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 1


Beobachtungen: Wörtlich ist die Formulierung "hosoi ouch heorakan to prosôpon mou en sarki"" mit "die mein fleischliches Angesicht nicht gesehen haben" zu übersetzen. Der Schwerpunkt der Aussage liegt aber nicht auf dem Sehen, denn man kann einen Menschen aus der Ferne sehen und dennoch nichts über ihn wissen und nichts von ihm erfahren und in nichts von ihm berührt werden. Ebenfalls liegt der Schwerpunkt der Aussage nicht auf der Leiblichkeit, denn es geht nicht um körperliche Merkmale, die Feststellung, ob Paulus groß oder klein, dick oder dünn ist oder irgendwelche körperlichen Besonderheiten hat. Es um das persönliche Kennenlernen, das das Sehen und die leibliche Anwesenheit des Paulus voraussetzt. Mit dem Kennenlernen ist die Verkündigung, Belehrung und Ermahnung von Angesicht zu Angesicht verbunden. Beim persönlichen Kennenlernen wäre es dem Verfasser des Kol, der sich - sei er es tatsächlich oder sei es ein Pseudonym, das auf die geistige Nähe des Verfassers zu Paulus hinweist - "Paulus" nennt (vgl. Kol 1,1.23), am ehesten möglich gewesen, seine Mühen und Bedrängnis bei der Mission überzeugend zu vermitteln. Aufgrund des fehlenden persönlichen Kennenlernens muss der Verfasser des Kol auf den Brief zurückgreifen, um den Adressaten seine Mühen und Bedrängnis ins Gedächtnis zu rufen und darauf aufbauend die Notwendigkeit der Festigkeit im Glauben einzuschärfen.


V. 1 lässt drei Personengruppen erkennen, denen der "Kampf" galt: die Kolosser, die die Adressaten des Kolosserbriefes sind, die in Laodizea und "alle, die mich nicht persönlich kennen gelernt haben". Die Adressaten des Briefes sind ausschließlich Christen, denn der Brief setzt die Mission bereits voraus. Folglich ist davon auszugehen, dass auch die in Laodizea und "alle, die mich nicht persönlich kennen gelernt haben" ausschließlich Christen sind. Ist die Nennung von drei Personengruppen so zu verstehen, dass die Kolosser und die in Laodizea den Verfasser des Kol persönlich kennengelernt haben, die dritte Gruppe dagegen nicht? Wahrscheinlich nicht, denn es gibt keinen Hinweis darauf, dass Paulus in Laodizea und Kolossä gewesen ist.


Laodizea bildete mit den beiden Städten Hierapolis und Kolossä ein Dreieck in der agrarisch geprägten Region und war mit seinem Schafhandel und der Wollherstellung die wirtschaftlich wichtigste der drei Städte. Die Christen von Laodizea und Kolossä werden grammatisch in Verbindung gebracht: Es heißt "hyper hymôn kai tôn en Laodikeia" ("für euch und für die in Laodizea"), wobei "hymôn" und "tôn en Laodikeia" Genitive sind. Beide hängen mit "hyper" ("für") zusammen, worauf ein Genitiv folgt. "Hosoi" ("für alle, ... die...") dagegen ist ein Nominativ, obwohl auch er mit "hyper" zusammenhängt. Die im Nominativ genannte Gruppe steht also nicht einfach als eine eigene Gruppe neben den beiden erstgenannten, sondern benennt ein Charakteristikum aller drei Gruppen: Sie haben allesamt Paulus nicht persönlich kennengelernt.


Warum wird die Stadt Hierapolis - das heutige Pamukkale mit den berühmten Kalksinterterrassen, 17 Kilometer nördlich von Denizli - nicht erwähnt? Das Fehlen ist aufgefallen, wie die Hinzufügung in einigen späteren Textzeugen beweist. War Hierapolis im Vergleich zu Laodizea eine eher unbedeutende Stadt? Oder war die Mission in Laodizea erfolgreicher als in Hierapolis gewesen? Dann wäre die Zahl der Christen in Hierapolis so gering gewesen, dass der Verfasser des Kol sie zu den übrigen, außerhalb von Laodizea und Kolossä lebenden Christen, die Paulus nicht persönlich kennen gelernt haben, zählen konnte. Oder hat Paulus die Christen in Hierapolis im Gegensatz zu denen in Kolossä und in Laodizea kennengelernt, so dass er die Stadt nicht in einem Atemzug mit den ihm unbekannten nennt? Oder gab es zwischen Laodizea und Kolossä besondere Beziehungen? Oder hatte der Verfasser des Kol besondere Beziehungen zu oder nach Laodizea? All dies sind Mutmaßungen ohne stichhaltige Belege. Nur begrenzt hilfreich ist auch ein Blick auf 4,13-16. So wird Hierapolis in 4,13 durchaus genannt, und zwar ebenso wie Kolossä und Laodizea als eine Stadt, um die sich Epaphras besonders bemüht. Adressaten des Briefes sind aber gemäß 1,2 nur die Kolosser, an die sich die Grüße richten. Und es wird neben Kolossä nur die Stadt Laodizea genannt, in der der Brief verlesen wird bzw. verlesen werden soll. Und schließlich ist in 4,16 noch von einem Brief aus Laodizea die Rede, der in Kolossä verlesen werden soll. Hierapolis wird bezüglich dieses Briefes nicht erwähnt. Kolossä und Laodizea stehen demnach in engerer Verbindung als Kolossä und Hierapolis, ohne dass der Grund klar wird. Am ehesten ist anzunehmen, dass die Nennung von Hierapolis in 4,13 damit zusammenhängt, dass Epaphras eine ganz persönliche enge Beziehung nicht nur zu den Kolossern - er stammt aus Kolossä - und zu den Laodizeern hat, sondern auch zu den Hierapolitanern.


Weiterführende Literatur: Laut F. Schnider, W. Stenger 1987, 79-80 lasse sich Kol 1,24-2,5 als ein Text verstehen, der die briefliche Selbstempfehlung der echten Paulinen imitiert und dabei die strukturellen Merkmale der Form in für die nachapostolische Situation bezeichnender Weise aufnimmt und modifiziert. Dabei gehe ein Abschnitt voran, der sich an die briefliche Danksagung des paulinischen Briefformulars anlehnt. Die Abgrenzung der brieflichen Danksagung im Kol falle allerdings wegen ihrer ungewöhnlichen Ausdehnung nicht ganz leicht.


Laut Z. Geréb 2009, 33-54 nehme der Kol im Rahmen der paulinischen Korrespondenz eine Sonderstellung ein. Seine Besonderheit bestehe darin, dass er den Übergang bilde zwischen den früheren und späteren Briefen. Wenn man den Text nach stilistischen Merkmalen, begrifflichen Ausdrucksformen und theologischen Gedanken befragt, komme man zu der Feststellung, dass der Brief eine Entwicklung in der paulinischen Theologie und im Paulusbild erkennen lässt. Im Beitrag von Z. Geréb geht es um dieses Paulusbild, um den Auftrag des Paulus und seine missionarische Zielsetzung. Ergebnis: Der Verfasser des Briefes stelle den Apostel in einen offenbarungsgeschichtlichen Zusammenhang. Er werde als Offenbarungsträger vorgestellt, der seinen Auftrag gemäß der Heilsordnung Gottes erhielt. Er übe seinen Dienst als gehorsames Werkzeug seines Herrn aus, mit Hilfe der Kraft Christi und in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern. Seine Person sei eng an die Heilsbotschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus gebunden. Es bestehe eine Kontinuität zwischen der Leidensbereitschaft des "früheren Paulus" und des Paulus des Kol; das Leiden gehöre wesentlich zu seinem Apostolat. Es gebe einen Unterschied zwischen einem früheren und späteren Paulusbild: Während sein Dienst in früheren Briefen vor allem christologisch begründet werde, habe er in Kol auch einen ekklesiologischen Grundzug. Paulus trage Verantwortung nicht nur für eine lokale Gemeinde oder regionale Gemeinschaften, sondern für die universale Kirche Christi. Die apostolische Autorität sei besonders hervorgehoben. Sein Evangelium sei das richtige.


Zur Wettkampfmetaphorik siehe B. Heininger 2009, 65-73. Im Kontrast zur Wettkampfmetaphorik in der kynisch-stoischen Diatribe und ihrer Aufnahme durch Philo gewinne die Wettkampfmetaphorik des Kol, soweit es 1,29 und 2,1 betreffe, ein eigenständiges Profil. Nicht die Leidenschaften und schon gar nicht die Lust seien die Gegner, sondern die Exponenten der kolossischen Philosophie.


( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 2


Beobachtungen: Die V. 1-3 bilden einen Kettensatz, wobei die Konjunktion "hina" zu Beginn von V. 2 streng genommen den Kettensatz fortführt: "... die mich nicht persönlich kennen gelernt haben, damit...". Die Unterbrechung des Kettensatzes und der Neuansatz mit "Dadurch..." dient dem besseren Verständnis des Inhaltes des Kettensatzes.


Das Verb "parakaleô" bedeutet zugleich "trösten" und "ermahnen". Die Herzen sollen also zugleich getröstet und ermahnt werden. Der Trost verweist auf das zu erwartende Heil, die Ermahnung auf die Notwendigkeit, der Heilshoffnung entsprechend zu leben.


Das Herz ist nach biblischem Verständnis der zentrale Ort der Persönlichkeit des Menschen. Wenn also das Herz getröstet oder ermahnt wird, dann wird der Mensch als solcher in seinem Innersten getröstet oder ermahnt.


Wenn die Herzen verbunden werden, dann müssen sie vorher getrennt gewesen sein. Es ist davon auszugehen, dass die Herzen durch den christlichen Glauben verbunden werden und die Liebe geistlicher, nicht aber erotischer oder sexueller Art ist. Die Liebe untereinander kennzeichnet also die christliche Gemeinde. Dabei haben die Herzen eine gemeinsame Ausrichtung, und zwar auf Christus hin.


„Christus“ bedeutet „Gesalbter“ (griechisch: „christos“). Im AT werden Könige, Priester, Propheten und auch kultische Gegenstände gesalbt. Durch die Salbung mit dem Salböl werden sie der rein profanen Welt enthoben und in den Dienst Gottes gestellt, womit sie in die Sphäre des Heils treten. Wenn Jesus als „Christus“ bezeichnet wird, dann wird er als Heilsbringer (Messias, hebr.: māschiaḥ) verstanden. Jesus Christus ist gemäß Paulus insbesondere deshalb Heilsbringer, weil er für die Menschen gestorben und von den Toten auferstanden ist. Er bewirkt Sündenvergebung und ewiges Leben.


Wie schon in Kol 1,27 wird Christus ausdrücklich als "Geheimnis" bezeichnet. Dabei wird in 2,2 auch ausdrücklich gesagt, wessen "Geheimnis" er ist: Gottes. Gemäß 1,26 war das Geheimnis seit Weltzeiten und Generationen verborgen, ist jetzt aber Gottes Heiligen, also den zum christlichen Glauben Gekommenen, offenbart.


Die Formulierung "auf allen Reichtum der Fülle des Verständnisses hin [ausgerichtet]" stellt eine für den Kolosserbrief charakteristische Häufung von Genitivverbindungen dar. Eine solche findet sich auch in Kol 1,5.13.27; 2,11.

Ebenso charakteristisch ist die Häufung von Begriffen mit ähnlicher oder gleicher Bedeutung: "Reichtum" ("ploutos") und "Fülle" ("plêrophoria") zum einen und "Verständnis/Erkenntnis/Einsicht" ("synesis") und "Erkenntnis/Einsicht" ("epignôsis") zum anderen. Diese bedeutungsähnlichen oder bedeutungsgleichen Begriffe verstärken die Aussage. Besonders deutlich wird dies bei dem Paar "Reichtum" und "Fülle": "Fülle des Verständnisses" ist mehr als "Verständnis". "Reichtum der Fülle des Verständnisses" ist mehr als "Fülle des Verständnisses" und gleichbedeutend mit "ein enormes Maß an Verständnis". Und um deutlich zu machen, dass auch wirklich kein Fünkchen Unverständnis mehr bleibt, verstärkt der Verfasser des Kol auch noch den "Reichtum" hin zu "allen Reichtum". "Allen Reichtum der Fülle des Verständnisses" ist mehr als "Reichtum der Fülle des Verständnisses". Das "Verständnis" ist also dreifach verstärkt und wird dann auch noch mittels der folgenden Verwendung eines ähnlichen Begriffs ("Erkenntnis/Einsicht") zusätzlich betont.


Der Begriff "plêrophoria" kann statt mit "Fülle" auch mit "Gewissheit" übersetzt werden. Wer eine Fülle an Verständnis besitzt, besitzt gewiss, also ohne jeden Zweifel, Verständnis.


Weiterführende Literatur: Eine semiotische Lektüre der Textabschnitte Kol 1,24-2,5 und 3,18-4,1 bieten L. Milot, R. Rivard, J.-Y. Thériault 1992, 65-79. Im Hinblick auf 1,24-2,5 werfen sie insbesondere einen Blick auf das Beziehungsgeflecht, in dem sich Leiden, Freude und Verständnis befinden.


L. E. Brown 2008, 29-41 macht im Hinblick auf Kol 2,2 und 4,12 deutlich, dass alle Gläubigen in der Rechtfertigung eine erste Zusicherung des Heils erführen; ein erweitertes Maß an Zusicherung des Heils käme allen Gläubigen infolge der Rettung zu.


( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 3


Beobachtungen: In V. 3 wird nochmals ein Begriff benutzt, der bedeutungsähnlich bzw. bedeutungsgleich mit "synesis" ("Verständnis/Erkenntnis") und "epignôsis" ("Erkenntnis/Einsicht") ist: "gnôsis" ("Erkenntnis/Einsicht").


Der Verfasser der Kol geht bei der Abfassung des Kol assoziativ vor: Er häuft nicht nur Begriffe mit ähnlicher oder gleicher Bedeutung, sondern verwendet auch Begriffe, die ähnliche Assoziationen hervorrufen, die miteinander in Beziehung stehen. So verwendet der Verfasser des Kol den Begriff "Schatz", der an "Herrlichkeit" (vgl. 1,11.27) denken lässt. Beide Begriffe rufen Reichtum, Ruhm, Herrschaft und Glanz ins Bewusstsein. Die stete Wiederaufnahme von bereits geäußerten Gedanken unter assoziativer Verwendung von ähnlichen oder zugehörigen Begriffen bringt mit sich, dass der Fortschritt im Gedankengang langsam vor sich geht.

Wenn in Christus alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen sind, dann bedeutet dies, dass diese nur durch die Hinwendung zu Christus ans Licht gebracht werden können. Wenn sie ans Licht gebracht werden, dann ist es wie mit einem Schätzen, der zunächst im Keller eines Museums eingeschlossen waren, dann aber für eine Ausstellung hervorgeholt und den Besuchern in aller Pracht gezeigt werden. Um die Schätze betrachten zu können, ist es aber notwendig, sich die Ausstellung überhaupt anzuschauen. Man muss also ins Museum gehen. Ebenso steht es mit Christus: Bevor Christus Mensch wurde, für die Sünden der Menschen starb und das Heilsgeschehen verkündigt wurde, waren alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis für alle Menschen verborgen (= im Keller des Museums). Danach wurden die Schätze hervorgeholt (= im Museum ausgestellt), sind aber weiterhin nur unter einer Bedingung zugänglich: Wenn man alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis ergründen will, dann muss man sich "in Christus" (= ins Museum) begeben, also den Glauben an Christus annehmen und so in dessen Macht- und Wirkungsbereich eintreten.


"Alle Schätze" macht deutlich, dass es keine Schätze, also keine Weisheit und Erkenntnis unabhängig von Christus gibt.


Mit der "Weisheit" ist hier nicht menschliche Klugheit, auch nicht eine kluge Theorie oder geistreiche Philosophie gemeint. Die "Weisheit" ist ebenso wie die "Erkenntnis" geistlicher Art und nicht von Christus zu trennen.


Weiterführende Literatur: Zum Geheimnis und dessen Offenbarung siehe N. A. Bockmuehl 1990, 178-190.


( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 4


Beobachtungen: Es fällt auf, dass der Verfasser des Kol nicht darauf eingeht, wie sich der schwere Kampf denn konkret darstellt: Hat er gefroren und geschwitzt? Musste er hungern und dursten? Ist er in Gefangenschaft geraten? Wurde er geschlagen? All diese Details scheinen keine Rolle zu spielen. Es geht ihm also nicht darum, seinen geistlichen Kampf in Einzelheiten auszuführen, sondern es geht ihm nur darum, die Adressaten (und auch die anderen Christen im Lykostal) auf Festigkeit im Glauben einzuschwören - und zwar auf Festigkeit in dem Glauben, wie sie ihn von Epaphras empfangen haben (vgl. 1,7) und wie er demjenigen des Paulus entspricht. Paulus - sei er der Verfasser des Kol oder nicht - ist Maßstab des rechten Glaubens. Sein Mitarbeiter Epaphras hat im Lykostal, wo sich die Städte Kolossä, Laodizea und Hierapolis befinden, im Sinne des Paulus gewirkt. Nun gilt es, diesen rechten Glauben zu verteidigen und die Kolosser vor Irrlehrern zu warnen. Weil der Verfasser des Kol nie bei den Kolossern gewesen ist, muss er zunächst diesen gegenüber seine Autorität stärken. Er muss deutlich machen, warum die Kolosser überhaupt auf ihn hören sollen. Er muss deutlich machen, dass er sich trotz seiner Abwesenheit für die Kolosser und für die anderen Christen im Lykostal eingesetzt hat und weiterhin für sie einsetzt. Ein wesentliches Element dieses Einsatzes, den Paulus als (geistlichen) Kampf bezeichnet, sind die Leiden für den christlichen Glauben.


Der von Paulus und seinem Mitarbeiter Epaphras verkündigten "Wahrheit" stellt der Verfasser des Kol, der sich selbst als Paulus ausgibt, die "Täuschung durch Überredungskünste" seitens Irrlehrern gegenüber. Dabei ist eine Lehre im Blick, die von der "Wahrheit" abweicht und somit falsch ist. Wenn diese falsche Lehre als wahr dargestellt wird, so handelt es sich gemäß dem Verfasser des Kol um Täuschung. Die Warnung in 2,4 ist die erste einer Serie von fünf die Lehren von Irrlehrern betreffenden Warnungen (die anderen vier Warnungen finden sich in 2,8.16.18.20-21).


Weiterführende Literatur: Von der Beobachtung (insbesondere anhand von Kol 2,4) ausgehend, dass Christus nicht nur in weisheitlicher Begrifflichkeit dargestellt werde, sondern als die Verkörperung der "Weisheit" erscheine, befasst sich S. Cipriani 1987, 283-298 mit "Weisheit" und "Gesetz" im Kolosserbrief und Epheserbrief. Weil Christus die "Weisheit" sei, sei er auch das neue "Gesetz", die Liebe. Der Christ, der sich durch Christus gerettet fühle, habe in Christus ein "Modell" für sein eigenes Leben und finde in ihm auch die Kraft, dem Modell zu folgen.


( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 5


Beobachtungen: Dass der Verfasser des Kol nicht in Kolossä ist, schwächt dessen Autorität. Daher müht er sich deutlich zu machen, dass er ja nicht in Gänze abwesend ist, sondern nur leiblich. Im Geiste ist er bei den Kolossern und den anderen Christen im Lykostal und "kämpft" für sie.


Die "Ordnung" ist nicht im Sinne das Aufgeräumtseins (z. B. in den Häusern der Adressaten) zu verstehen, sondern steht in einer engen Beziehung zum Glauben und zu dessen Festigkeit. Angesichts der Tatsache, dass unmittelbar zuvor von einem Kampf für den christlichen Glauben und dessen Verbreitung die Rede ist und der Begriff "taxis" ("Ordnung") grundsätzlich auch in militärischem Zusammenhang gebraucht wird, liegt folgende Deutung nahe: Die "Ordnung" bezeichnet hier die Schlachtordnung, die genau so ist, wie sie sein soll. Es handelt sich um die rechte Schlachtordnung im geistlichen Kampf, wobei die Reihen im Glauben fest vereint sind und sich von Gegnern nicht ohne weiteres auseinanderdividieren und zerstören lassen.


Weiterführende Literatur: Mit der besonderen Bedeutung der Partizipien in der argumentatio Kol 1,24-4,1 befasst sich unter syntaktischen und rhetorischen Gesichtspunkten L. Giuliano 2013, 293-317. Ihnen komme bei der Fortentwicklung des Gedankengangs eine entscheidende Rolle zu. Im ersten Abschnitt 1,24-2,5 konzentriere sich das wiederholte Auftreten der Partizipien insbesondere auf die Person des Apostels Paulus.


Der Gebrauch von literarischen Kniffs wie der Abwesenheitsformel 2,5 und dem literarischen "Selbstporträt" des Paulus (1,24-29), die in der antiken Briefschreibung geläufig gewesen seien, erlaube gemäß H. D. Betz 1995, 507-518 dem Verfasser des Kol, seinem geliebten Lehrer Paulus eine "zweite Gegenwart" hier auf Erden zu schaffen. Statt Paulus' Märtyrertod zu beklagen, lasse der Verfasser des Kol den Apostel als "im Geiste" weiterhin gegenwärtig erscheinen. In anderen Worten: Paulus' "zweite Gegenwart" - in der antiken Brieftheorie werde die Begegnung von Angesicht zu Angesicht als "erste Gegenwart", das Schreiben eines Briefes als "zweite Gegenwart" bezeichnet - sei nicht auf das Papier begrenzt, auf das der Brief geschrieben ist. Da der Brief in den Gottesdiensten verlesen werde, interagiere der Apostel vielmehr beständig und in verschiedener Weise "im Geiste" mit der Glaubensgemeinschaft. Der Kol fordere also die Adressaten nicht dazu auf, eines toten Märtyrers zu gedenken, sondern weise über sich selbst hinaus, indem er die lebendige Interaktion zwischen dem Apostel und seinen zukünftigen Lesern und Hörern ermögliche.



Literaturübersicht


Betz, Hans Dieter; Paul's "Second Presence" in Colossians, in: T. Fornberg, D. Hellholm [ed.], Texts and Contexts, FS L. Hartman, Oslo 1995, 507-518

Bockmuehl, Markus N. A.; Revelation and Mystery (WUNT II/36), Tübingen 1990

Brown, L. E.; Full Assurance, Journal of the Grace Evangelical Society 21/41 (2008), 29-41

Cipriani, Settimio; "Sapienza" e "Legge" in Colossesi ed Efesini, RivBib 35 (1987), 283-298

Geréb, Zsolt; Paulus als Diener der Kirche. Die Vorstellung des Apostels in Kol 1,21-2,5, in: P. Müller [Hrsg.], Kolosser-Studien (BThSt 103), Neukirchen-Vluyn 2009, 33-54

Giuliano, Leonardo; Il participio nell'argumentatio di Col 1,24-4,1: valore sintattico e funzione retorica, LA 63 (2013), 293-317

Heininger, Bernhard; Soziale und politische Metaphorik im Kolosserbrief, in: P. Müller [Hrsg.], Kolosser-Studien (BThSt 103), Neukirchen-Vluyn 2009, 55-82

Milot, Louise; Rivard, Richard; Thériault, Jean-Yves; Défi à la lecture: souffrances et soumissions en Colossiens, LTP 48/1 (1992), 65-79

Schnider, Franz; Stenger, Werner; Studien zum neutestamentlichen Briefformular (NTTS 11), 1987

( Impressum )   ( Datenschutzhinweise )

Werbung: Frauen in der frühen Kirche
Werbung: Wer waren die ersten Christinnen