Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Kolosserbrief

Der Brief des Paulus an die Kolosser

Kol 1,24-29

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Kol 1,24-29



Übersetzung


Kol 1,24-29:24 Nun freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze die Drangsale (des) Christi, die noch ausstehen, an meinem Leib für seinen Leib, das heißt die Kirche. 25 Ihr Diener bin ich geworden gemäß dem mir verliehenen Amt (des) Gottes, um im Hinblick auf euch das Wort (des) Gottes zu seiner Fülle zu bringen, 26 das Geheimnis, das seit Weltzeiten und Generationen verborgen war; jetzt aber wurde es seinen Heiligen offenbart. 27 Ihnen wollte (der) Gott kundtun, was der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Völkern (ist), nämlich Christus unter euch, die Hoffnung auf Herrlichkeit. 28 Ihn verkündigen wir, indem wir jeden Menschen mahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, damit wir jeden Menschen als einen in Christus vollkommenen hinstellen. 29 Dafür mühe ich mich auch ab und kämpfe gemäß seiner Wirksamkeit, die in mir wirkt in Kraft.



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V. 24


Beobachtungen: In 1,24 erfolgt ein Wechsel vom Wir zum Ich: Es heißt nicht "wir freuen uns", sondern "ich freue mich", nicht "wir ergänzen", sondern "ich ergänze", nicht "an unserem Leib", sondern "an meinem Leib". Dieser Wechsel lässt daran zweifeln, dass Paulus und Timotheus tatsächlich so gleichberechtigte Verfasser des Briefes sind, wie 1,1 suggeriert. Vielmehr ist anzunehmen, dass Paulus der Hauptverfasser und Timotheus der Mitverfasser oder Schreiber ist. Der Wechsel zur Ich-Form mag damit zu begründen sein, dass Paulus wie kein anderer Leid und Drangsale erlitten hat. So ist auch durchaus möglich, dass ein Verfasser unter dem falschen Namen des Paulus schreibt, weil der Name Paulus für Leid und Drangsal und auch für Ermahnung und rechte Lehre steht (vgl. V. 28-29).


"Für euch" kann sich auf "ich freue mich" oder auf "in den Leiden" beziehen. Bei ersterem Bezug ist die Bedeutung, dass sich der Verfasser des Kol für die Adressaten freut. Bei letzterem Bezug ist ausgesagt, dass sich der Verfasser des Kol in den Leiden freut, die er für die Adressaten auf sich genommen hat.


"Ta hysterêmata" bedeutet wörtlich "das Fehlende" oder "das Mangelnde", wobei es sich um einen Plural handelt. Es sind also mehrere Drangsale Christi im Blick, die fehlen oder mangeln. Aber wie ist zu verstehen, dass noch Drangsale Christi fehlen oder mangeln? Hat Jesus Christus etwa nicht genug gelitten? Hätten seine Leiden noch stärker und vielfältiger sein müssen? Wie kann Jesus Christus unser Erlöser sein, wenn er so mangelhaft gelitten hat? Die Antwort dürfte sein: Es geht nicht um fehlende Stärke oder Vielfalt der Drangsale Christi, sondern die Bedrängnisse sind noch nicht abgeschlossen, ein Teil steht noch aus. Diese noch ausstehenden Drangsale "fehlen". Um das zu verstehen, muss man sich die verschiedenen Bezüge des Begriffs "Leib" deutlich machen: Zum einen ist der fleischliche Leib Jesu Christi, des Menschgewordenen gemeint, der gelitten hat und zu Tode gepeinigt wurde. Zum anderen ist der fleischliche Leib des Verfassers des Kol, der "Paulus" als seinen Namen angibt und sich als Diener Christi bezeichnet (vgl. V. 23), gemeint. Und schließlich ist auch die Kirche eine Leib, und zwar ein Leib, dessen Haupt Jesus Christus ist (vgl. V. 18). Die von Jesus Christus in und am menschlichen Leibe erlittenen Drangsale sind in Gänze erfolgt, abgeschlossen und für die Erlösung und Sündenvergebung voll und ganz ausreichend. Damit sind aber die Drangsale, die dem Leib Christi widerfahren, noch nicht abgeschlossen. Auch die Drangsale, die christliche Missionare - allen voran Paulus - bei der Verbreitung des Evangeliums erleiden, gehören zu den Drangsalen, die dem Leib Christi widerfahren, weil auch die Kirche Leib Christi ist. Erst durch diese für die Verbreitung des Evangeliums erlittenen Drangsale kommen die Drangsale, die dem Leib Christi widerfahren sind und weiterhin widerfahren, zu ihrer Fülle.

"In den Leiden" dürfte also die Lebensumstände meinen. Eigentlich sind Bedrängnisse und Leiden kein Grund zur Freude. Wenn sie aber zur Fülle der Erlösung und Sündenvergebung - konkret auch der Adressaten - beitragen, dann schon. Der Beitrag zu Erlösung und Sündenvergebung der Missionare, allen voran des Apostels Paulus, ist aber von dem heilsamen Wirken Jesu Christi zu unterscheiden. Während Jesus Christus die Erlösung und Sündenvergebung an sich bewirkt hat, tragen die Missionare durch die Verkündigung des Heilsgeschehens dazu bei, dass sich der Glaube weiter verbreitet und immer mehr Landstriche damit in Berührung kommen. So treten auch immer mehr Menschen, darunter auch die Kolosser, in den Heilsbereich Christi ein und haben an der Erfüllung der Bestimmung des Kosmos auf Jesus Christus hin Anteil. Neben der Glaubensverbreitung ist auch die Verfestigung des Glaubens Grund zur Freude.


Der Begriff "thlipsis" ist mit "Bedrängnis", "Drangsal" oder "Not" zu übersetzen und damit nicht bedeutungsgleich mit "Leid". Er mag zwar körperliches Leid umfassen, beinhaltet aber auch Bedrohung durch Glaubensgegner oder Anfechtung durch Irrlehren, also alles, was bedrängt, gefährdet und/oder Leid verursacht. Dass in V. 24 auf dem körperlichen Leid liegt, hängt mit der Verbindung der drei Begriffe "thlipsis", "pathêma" ("Leiden") und "sôma" ("Leib") zusammen.


Das Verb "antanaplêroô" bedeutet "ergänzend auffüllen". Die Drangsale sind also so gedacht, als würden sie ein Gefäß füllen. Die Drangsale Christi haben das Gefäß zwar schon gefüllt, aber noch nicht in Gänze. Es bleibt also noch ein zu füllender Leerraum. Es obliegt dem Verfasser des Kol, mittels der Leiden an seinem Leib die Bedrängnisse so aufzufüllen, dass das Gefäß ganz voll wird. Das geschieht für die Kirche, Christi Leib.


„Christus“ bedeutet „Gesalbter“ (griechisch: „christos“). Im AT werden Könige, Priester, Propheten und auch kultische Gegenstände gesalbt. Durch die Salbung mit dem Salböl werden sie der rein profanen Welt enthoben und in den Dienst Gottes gestellt, womit sie in die Sphäre des Heils treten. Wenn Jesus als „Christus“ bezeichnet wird, dann wird er als Heilsbringer (Messias, hebr.: māschiaḥ) verstanden. Jesus Christus ist gemäß Paulus insbesondere deshalb Heilsbringer, weil er für die Menschen gestorben und von den Toten auferstanden ist. Er bewirkt Sündenvergebung und ewiges Leben.


Es ist fraglich, ob der Verfasser des Kol tatsächlich an seinem eigenen Leibe litt. Sollte der Verfasser Paulus selbst gewesen sein, dürfte das der Fall gewesen sein, denn Paulus erwähnt in seinen Briefen an vielen Stellen seine Bedrängnisse (vgl. 1 Thess 3,7, 2 Kor 1,5-8 u. v. m.). Auch wenn ein Schüler des Paulus den Kol verfasst hat, könnten die körperlichen Leiden Realität sein. Es könnte aber auch sein, dass der Schüler selbst auf "seine", d. h. die Leiden des Paulus, verwies, um darauf aufmerksam zu machen, dass diese Leiden ein zentrales Element des Dienstes für Christus und die Kirche darstellen und im Lichte von Erlösung und Sündenvergebung zu verstehen sind.


Weiterführende Literatur: Laut F. Schnider, W. Stenger 1987, 59 lasse sich Kol 1,24-2,5 als ein Text verstehen, der die briefliche Selbstempfehlung der echten Paulinen imitiert und dabei die strukturellen Merkmale der Form in für die nachapostolische Situation bezeichnender Weise aufnimmt und modifiziert. Dabei gehe ein Abschnitt voran, der sich an die briefliche Danksagung des paulinischen Briefformulars anlehnt. Die Abgrenzung der brieflichen Danksagung im Kol falle allerdings wegen ihrer ungewöhnlichen Ausdehnung nicht ganz leicht.


Laut Z. Geréb 2009, 33-54 nehme der Kol im Rahmen der paulinischen Korrespondenz eine Sonderstellung ein. Seine Besonderheit bestehe darin, dass er den Übergang bilde zwischen den früheren und späteren Briefen. Wenn man den Text nach stilistischen Merkmalen, begrifflichen Ausdrucksformen und theologischen Gedanken befragt, komme man zu der Feststellung, dass der Brief eine Entwicklung in der paulinischen Theologie und im Paulusbild erkennen lässt. Im Beitrag von Z. Geréb geht es um dieses Paulusbild, um den Auftrag des Paulus und seine missionarische Zielsetzung. Ergebnis: Der Verfasser des Briefes stelle den Apostel in einen offenbarungsgeschichtlichen Zusammenhang. Er werde als Offenbarungsträger vorgestellt, der seinen Auftrag gemäß der Heilsordnung Gottes erhielt. Er übe seinen Dienst als gehorsames Werkzeug seines Herrn aus, mit Hilfe der Kraft Christi und in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern. Seine Person sei eng an die Heilsbotschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus gebunden. Es bestehe eine Kontinuität zwischen der Leidensbereitschaft des "früheren Paulus" und des Paulus des Kol; das Leiden gehöre wesentlich zu seinem Apostolat. Es gebe einen Unterschied zwischen einem früheren und späteren Paulusbild: Während sein Dienst in früheren Briefen vor allem christologisch begründet werde, habe er in Kol auch einen ekklesiologischen Grundzug. Paulus trage Verantwortung nicht nur für eine lokale Gemeinde oder regionale Gemeinschaften, sondern für die universale Kirche Christi. Die apostolische Autorität sei besonders hervorgehoben. Sein Evangelium sei das richtige.


Mit der Freude des Paulus in den Leiden für die Kolosser befasst sich A. M. Buscemi 2012, 339-361. Nicht die Freude selbst sei ein exegetisches Problem, sondern die Art und Weise wie Paulus sie in V. 24 schildert. A. M. Buscemi legt dar, wie Theologen der frühen Kirche die Schilderung gedeutet haben, wie dies moderne Autoren getan haben und wie wohl die Deutung seitens der Kolosser gewesen sein mag. Anschließend liest er den Vers im engen Zusammenhang neu und geht auf exegetisch-theologische und rhetorische Aspekte ein. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass die Deutung seitens des Theologen Theodor von Mopsuestia den Sachverhalt gut treffe. So seien die Leiden im Rahmen des missionarischen Dienstes des Apostels für die Kirche zu verstehen, wobei die Leiden eines der über alle Zweifel erhabenen Zeichen der apostolischen Existenz seien. Ergänzend dazu sei die Deutung des Kirchenlehrers Johannes Chrysostomos und des Patriarchen Photios von Konstantinopel zu bedenken, wonach Paulus die Apostel als wahrhafte Botschafter Christi ansehe, die Christus vertreten und sein stetes Handeln in der Kirche sichtbar machen.


Eine semiotische Lektüre der Textabschnitte Kol 1,24-2,5 und 3,18-4,1 bieten L. Milot, R. Rivard, J.-Y. Thériault 1992, 65-79. Im Hinblick auf 1,24-2,5 werfen sie insbesondere einen Blick auf das Beziehungsgeflecht, in dem sich Leiden, Freude und Verständnis befinden.


Zu den Leiden des Paulus siehe H. W. Tajra 1994, 52-53. Sie seien Begleiterscheinung des apostolischen Dienstes, dabei aber auch typisch christlich, weil die Christen bis zur Wiederkunft Christi in der sündenverhafteten Welt Bedrängnisse erführen. Die Leiden des Paulus erfolgten für die Kirche, den Leib Christi auf Erden. Paulus sei ein Vorbild im Hinblick auf Beharrlichkeit und Treue bis zum Ende.


Laut H. Stettler 2000, 185-208 könne Kol 1,24 nicht isoliert für sich gedeutet werden, sondern nur im Rahmen der paulinischen Missionstheologie. Zunächst gibt sie einen kurzen Überblick über den Forschungsstand, dann bietet sie eine grammatische und semantische Analyse des Verses und geht auf die weltweite Mission des Paulus als eschatologisches Ereignis ein, bevor sie zu abschließenden Betrachtungen kommt. Die Schlüsseltexte für das Verständnis des Verses seien 2 Thess 2 sowie Röm 11 und 15. Während Paulus davon ausgegangen sei, dass sein missionarischer Dienst zur Wiederkunft Christi führt, scheine Kol 1,24 auszudrücken, dass Paulus sich in seinem missionarischen Dienst als derjenige ansieht, der den noch ausstehenden Teil der Leiden, die der Kirche als Ganzes zugedacht sind, erfüllt. So verkürze Paulus die Zeitspanne bis zur Wiederkunft Christi.

Im Rahmen ihrer eigenen Auslegung von Kol 1,24 bietet S. Muttathottil 2014, 116-145 einen Überblick über die Geschichte der bisher von anderer Seite vorgebrachten Deutungen des Verses. Sie selbst stellt heraus, dass in dem Vers von Leiden im Rahmen des apostolischen Dienstes die Rede sei. Paulus leide als Diener des Evangeliums, und zwar gemäß dem Plan Gottes. Dies gelte ganz unabhängig davon, ob das Leiden als apokalyptisch, ekklesiologisch, mystisch oder mimetisch verstanden wird.

Eine Geschichte der Auslegung der Formulierung "und ergänze die Drangsale (des) Christi, die noch ausstehen" bietet J. Reumann 1990, 454-461. Er findet erstaunlich, wie selten 1,24 in Verbindung mit 1,29-2,1 und dem Wettkampf-Motiv behandelt worden sei.


J. L. Sumney 2006, 664-680 zählt zunächst die Antworten auf die Frage auf, wie denn die Ergänzung der Drangsale Christi zu verstehen sei: A) Die Ergänzung der Drangsale Christi erfolge durch den Schatz an Verdiensten, den die Heiligen angehäuft haben. B) Es sei zwischen Leiden als Opfer für Sünden und Leiden für Erbauung zu unterscheiden. C) Der Abschnitt veranschauliche die mystische Einheit von Christus und Christen. D) Die Leiden des Paulus seien Teil der messianischen Leiden, die vor der Wiederkunft Christi zu erfüllen seien. J. L. Sumney kommt im Rahmen seines Aufsatzes zu dem Ergebnis, dass Paulus' Leiden stellvertretend sei, aber keine Sünden sühne. Die Leiden des Paulus seien den Kolossern näher und somit zugänglicher als diejenigen Jesu; insofern ergänze Paulus die Leiden Christi und stelle den Kolossern so ein Beispiel dar. Diesem Beispiel sollten die Kolosser durch Treue zum Evangelium folgen.

B. T. Clark 2015 gibt zunächst einen umfassenden Überblick über die Vorkommen und Bedeutung des Verbs "antanaplêroô" und des Substantivs "antanaplêrôsis" in der antiken Literatur. Es sei sehr wahrscheinlich, dass das Verb in Kol 1,24 "zur Erfüllung/Vollendung bringen" bedeute, wobei etwas von einer anderen Person nicht zur Erfüllung/Vollendung gebracht worden sei. Bei dieser Person handele es sich um Jesus Christus. Paulus bringe die von Christus erlittenen Drangsale als Diener des Evangeliums zur Erfüllung/Vollendung. Sein missionarischer Dienst sei universal und generationenübergreifend, er sei ein Weltdiener. Ganz im Sinne des Kreuzestodes Christi sei es seine Aufgabe, jeden Menschen als einen in Christus vollkommenen hinzustellen. 1,24 unterstreiche die Einzigartigkeit des außergewöhnlichen Dieners.

T. J. Lang 2016, 116-136 vertritt die These, dass die für gewöhnlich mit "auffüllen, was an den Leiden Christi noch fehlt" übersetzte Wendung in V. 24 ein terminus technicus aus dem Finanzwesen sei. Dieser zeige an, dass den Völkern der für sie durch Christus entstandene Reichtum (V. 27) durch die Anstrengungen des Paulus in seinem apostolischen Dienst zugeteilt wird. Daher bleibe nicht der soteriologische Reichtum, der durch Christus entstanden ist, unzulänglich, sondern die persönliche "Überweisung" dieses "christologischen Kapitals" an die Völker, für die es bestimmt gewesen sei.

M. Cahill 1992, 142-147 sieht in 1,24-25 einen seiner Meinung nach gemeinhin übersehenen Parallelismus. Die Formulierung "antanaplêrô ta hysterêmata" ("ich ergänze die Drangsale"; V. 24) sei in Verbindung mit der Formulierung "plêrôsai ton logon" ("das Wort zu seiner Fülle zu bringen"; V. 25) zu lesen. Bei den Leiden handele es sich um apostolische Leiden als Teil der messianischen Leiden. Die apostolischen Leiden seien eng mit dem weltweit zu verkündigenden Wort Gottes verknüpft.

A. C. Perriman 1991, 62-79 deutet V. 24 so, dass Paulus zwar die Drangsale Christi als Modell oder Muster seiner eigenen Leiden betrachte, jedoch die Leiden an seinem Leibe noch als unvollständig gegenüber denen empfinde, die Christus erlitten hat.


Mit dem "Leib" im Kol befasst sich J. D. G. Dunn 1994, 163-181. Folgende fünf Bedeutungen kämen dem "Leib" zu: a) der Leib, die Kirche (1,18.24; 2,19; 3,15; S. 164-167); b) der fleischliche Leib (1,22; 2,11.23; S. 167-173); c) der kosmische Leib (1,18 ursprüngliche Fassung; 2,9; S. 173-177); d) der eschatologische Leib (2,17; S. 177-178); e) der Leib Christi (S. 178-181). Die ersten vier Bedeutungen seien im Zusammenhang zu sehen, überlappten sich und ergäben zusammen eine Theologie des Leibes Christi.


Gemäß N. Frank 2009, 90-108.365-366 differenziere der Kol im Gegensatz zur Tradition der authentischen Paulinen erkennbar zwischen konkreter Ortsgemeinde und globalem Kirchenbegriff. Dies gehe insbesondere aus der zweifachen Adressatenbestimmung des paulinischen Amtes in 1,24 hervor. Paulus dagegen gelte die Ortsgemeinde als "Leib Christi".


Auf das Konzept der Kirche als „Leib Christi“ als Schlüsselelement der paulinischen Theologie geht auch J. L. Breed 1985, 9-32 ein, wobei die biblischen Schlüsseltexte (S. 24-26: Kol 1,17-27) und die Schlüsselbegriffe im Mittelpunkt stehen.


Eine Predigt zu Kol 1,24-29 bietet A. Hauser 2010, 2-7. Nach einer Einleitung geht er auf Jesus Christus als Leben und Hoffnung für die ganze Welt, auf Jesus Christus als Mitte und Ziel missionarischer Verkündigung und auf Jesus Christus als Kraft, für die sich jede Mühe lohnt, ein.


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V. 25


Beobachtungen: Die Vorstellung, dass ein Missionar ein Diener der Kirche ist, ist im NT einmalig. Der Verfasser des Kol sieht den Dienst am Evangelium und den Dienst an der Kirche in einem engen Zusammenhang.


Die "oikonomia" bezeichnet im profanen Zusammenhang eigentlich die Verwaltung, insbesondere die Bewirtschaftung eines Hauses, die Haushaltung. Da hier die "oikonomia" vergeben worden ist, dürfte es sich um ein Amt oder um einen Auftrag handeln, konkret um das Amt oder den Auftrag eines Verwalters. Ein solches Amt oder ein solcher Auftrag wird nicht in eigener Vollmacht, sondern als ein Dienst für einen Herrn durchgeführt. Der Dienst, den Paulus durchführt, ist ein Dienst am Evangelium und an der Kirche. Dieser ist der Aufgabenbereich des Amtes bzw. Auftrags oder gehört zumindest dazu. Doch was ist das "Haus", in dem das Amt des Paulus erfolgt? Es handelt sich um einen Tätigkeitsbereich, innerhalb dessen das Amt oder der Auftrag erfolgt. Dieser Tätigkeitsbereich dürfte der Heilsplan Gottes sein, der der Herr ist und das Amt oder den Auftrag verliehen hat.


Es bleibt offen, von wem das "Amt (des) Gottes" verliehen worden ist und wann es verliehen worden ist. Da es sich um ein "Amt (des) Gottes" handelt, dürfte Gott derjenige sein, der es verliehen hat. Der Zeitpunkt der Verleihung muss ein Wendepunkt im Leben des Paulus sein. Am ehesten ist an das Damaskuserlebnis zu denken, also an die Bekehrung bzw. Berufung zum christlichen Glauben.


Der Bezug von "eis hymas" ("für euch", "im Hinblick auf euch") ist unklar. Ist Paulus der Auftrag bzw. das Amt Gottes "für euch" verliehen? Oder ist Paulus der Auftrag bzw. das Amt Gottes verliehen, um "bei/unter/im Hinblick auf euch" das Wort Gottes zu seiner Fülle zu bringen? Die Parallele Eph 3,2 legt ersteren Bezug nahe. Dass Paulus vor Ort in Kolossä verkündigt hat, dafür gibt es keinen Beleg. Allerdings ist schon der Kolosserbrief ein Beleg dafür, dass das Wirken des Paulus auch für die Kolosser maßgeblich ist. Und angesichts der Tatsache, dass Paulus ein Diener der ganzen Kirche und nicht nur einer einzelnen Gemeinde ist, ist ihm das Amt wohl auch nicht speziell für die Kolosser verliehen. Aber um die Bedeutung des Briefinhaltes zu unterstreichen, kann er durchaus sagen, dass es das Ziel ist, im Hinblick auf die Kolosser das Wort Gottes zu seiner Fülle zu bringen.


Was ist unter dem "Wort (des) Gottes" zu verstehen? Vermutlich handelt es sich nicht um ein einzelnes Wort, sondern um eine Aussage oder um das Evangelium. Mit Blick auf Kol 1,5, wo vom "Wort der Wahrheit des Evangeliums" die Rede ist, dürfte wohl das Evangelium gemeint sein.


Was ist in V. 25 mit "das Wort (des) Gottes zu seiner Fülle zu bringen" gemeint? Die Adressaten sind bereits zum christlichen Glauben übergetreten und dennoch wendet sich der Verfasser des Kol, der sich als Paulus ausgibt, noch an sie. Mit dem Glaubensübertritt kann also die Fülle des Wortes Gottes noch nicht erreicht sein. Fraglich ist, ob mit dem Glaubensübertritt der Adressaten in Kolossä die Mission des Paulus abgeschlossen ist. Aus Kol 1,6 geht zwar hervor, dass das Evangelium bereits in der ganzen Welt verkündigt worden ist, wächst und Frucht trägt, jedoch besagt das noch nicht, dass die Verkündigung an ihr Ende gekommen ist und nun abzuschließen wäre. Das richtige Verständnis der Formulierung "das Wort (des) Gottes zu seiner Fülle zu bringen" scheint sich vielmehr zu offenbaren, wenn man den Blick darauf richtet, dass die Adressaten in Kolossä das Evangelium von Epaphras, einem "Mitsklaven" des Paulus, gelernt haben und nicht von Paulus selbst. Wenn Paulus im Hinblick auf die Adressaten das Wort Gottes zu seiner Fülle bringt, ohne dass er derzeit vor Ort missionarisch tätig werden kann, kann es ihm nicht mehr um die Verkündigung an sich gehen. Ihm kann es nur noch darum gehen, den Glauben der Adressaten zu stärken. Dies geschieht (auch) durch den vorliegenden Brief. Diese Stärkung des Glaubens dürfte als "das Wort (des) Gottes zu seiner Fülle bringen" bezeichnet und als ein wesentliches zum Amt oder Auftrag des Paulus gehörendes Ziel verstanden werden. Diese Stärkung des Glaubens erfolgt nicht in Anwesenheit des Paulus bei den Adressaten, sondern aus der Ferne. Daher geschieht sie nicht bei oder unter ihnen, sondern im Hinblick auf sie.


Weiterführende Literatur: Der Gebrauch von literarischen Kniffs wie der Abwesenheitsformel 2,5 und dem literarischen "Selbstporträt" des Paulus (1,24-29), die in der antiken Briefschreibung geläufig gewesen seien, erlaube gemäß H. D. Betz 1995, 507-518 dem Verfasser des Kol, seinem geliebten Lehrer Paulus eine "zweite Gegenwart" hier auf Erden zu schaffen. Statt Paulus' Märtyrertod zu beklagen, lasse der Verfasser des Kol den Apostel als "im Geiste" weiterhin gegenwärtig erscheinen. In anderen Worten: Paulus' "zweite Gegenwart" - in der antiken Brieftheorie werde die Begegnung von Angesicht zu Angesicht als "erste Gegenwart", das Schreiben eines Briefes als "zweite Gegenwart" bezeichnet - sei nicht auf das Papier begrenzt, auf das der Brief geschrieben ist. Da der Brief in den Gottesdiensten verlesen werde, interagiere der Apostel vielmehr beständig und in verschiedener Weise "im Geiste" mit der Glaubensgemeinschaft. Der Kol fordere also die Adressaten nicht dazu auf, eines toten Märtyrers zu gedenken, sondern weise über sich selbst hinaus, indem er die lebendige Interaktion zwischen dem Apostel und seinen zukünftigen Lesern und Hörern ermögliche.


Gemäß N. Frank 2009, 366-367 sei die amtstheologische Umwidmung paulinischer Sprachlichkeit ein typisches Merkmal des Kol. Insbesondere sei dabei der terminologische Wechsel von "charis" zu "oikonomia", von der gottgegebenen Gnade zum gottgegebenen Amt, auffällig.


Zum Bild von der Gemeinschaft der Gläubigen als einer "Hausgemeinschaft" ("oikos") mit Gott als pater familias an der Spitze siehe B. Heininger 2009, 57-64, der insbesondere auf die Hausverwaltung Gottes (oikonomia tou theou) und die Begriffe "Mitsklave" ("syndoulos") und "Diener" ("diakonos") im NT eingeht.


Laut J. M. Granados Rojas 2013, 293-317 werde die Formulierung "das Wort (des) Gottes zu seiner Fülle zu bringen" mit Blick auf Röm 15,19 meist so verstanden, dass die Verkündigung des Wortes Gottes in ihrer Fülle geschehen sei. J. M. Granados Rojas vertritt dagegen die Meinung, dass sich die Formulierung nicht nur auf die Verkündigung des Wortes Gottes allen Menschen gegenüber beziehe, sondern auf das Reifenlassen der Menschen in Christus.


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V. 26


Beobachtungen: Unklar ist, ob die Präposition "hypo" zeitlich zu verstehen ist oder örtlich, also mit "von ... her" oder "seit" zu übersetzen ist oder mit "vor". Muss der Anfang von V. 26 also mit "das Geheimnis, das seit Weltzeiten und Generationen verborgen war" oder "das Geheimnis, das vor Weltzeiten und Generationen verborgen war". Ein genauer Blick auf den Satzbau lässt erkennen, dass vermutlich die zeitliche Bedeutung richtig ist. Der Verfasser nennt nämlich drei Paare, die jeweils einen Gegensatz bilden, wobei das Objekt das "Geheimnis" ist. Der erste Gegensatz ist "war verborgen" und "ist offenbart". Der zweite Gegensatz ist "seit Weltzeiten und Generationen" (= Vergangenheit) und "jetzt" (= Gegenwart). Und der dritte Gegensatz sind schließlich die Adressaten: "Weltzeiten und Generationen" und "seine Heiligen". Für eine zeitliche Deutung spricht auch die Parallele Röm 16,25-26.


Nicht nur das gesprochene oder geschriebene Wort Gottes stellte ein Geheimnis dar, sondern auch der Inhalt des Wortes Gottes. Wesentlicher Inhalt dürften wohl die Erlösung und Sündenvergebung sein.


Es handelt sich nicht nur um eine "Weltzeit" ("aiôn"), sondern um mehrere. Diese können aufeinanderfolgen und/oder unterschiedlich beschaffen sein. Vielleicht liegt hier die von den Valentinianern (= Schülern des Gnostikers Valentinus) vertretene Vorstellung einer "Fülle" von 30 Äonen, bei denen es sich um durch Ausströmung aus der einen höchsten Gottheit entstandene Wesenheiten handelt, zugrunde. Angesichts der Tatsache, dass der griechische Begriff "aiôn" im NT häufig vorkommt und ein solcher religionsgeschichtlicher Hintergrund gewöhnlich nicht zu erkennen ist, steht diese Annahme jedoch auf wackligen Füßen.


Zu Lebzeiten des Verfassers des Kol ist die Offenbarung des bisherigen Geheimnisses bereits erfolgt. Das Adverb „jetzt/nun“ zeigt an, dass der Verfasser des Kol die Offenbarung als vor nicht allzu langer Zeit erfolgt ansieht. Das lässt annehmen, dass er die Offenbarung zu den Geschehnissen seines eigenen Zeitalters zählt. Offen bleibt, wodurch die Offenbarung erfolgt ist: Durch die Schriften der hebräischen Bibel (= AT)? Durch die Worte Jesu Christi auf Erden? Durch Jesu Leiden, Kreuzestod und Auferstehung von den Toten? Durch die Bekehrung bzw. Berufung des Paulus zum christlichen Glauben? Durch die Verkündigung des Wortes Gottes durch Paulus und die anderen Missionare?


Hier dürften mit der Bezeichnung „Heilige“ Christen gemeint sein. Es liegt also nicht das spätere Verständnis von Heiligen als besonders vorbildlich lebenden oder wundertätigen Christen zugrunde. Die Tatsache, dass das "Geheimnis" nur den Christen offenbart wurde, zeigt, dass die Offenbarung noch nicht allein mit der Verkündigung erfolgt ist, denn dann hätte das "Geheimnis" allen Hörern der Verkündigung offenbart worden sein müssen. Zur Offenbarung ist es also nur gekommen, wenn die Hörenden den Inhalt der Verkündigung gläubig angenommen haben. Allen denjenigen, die den Inhalt der Verkündigung gläubig angenommen haben, ist also das "Geheimnis" offenbart worden.


Weiterführende Literatur: Zum Geheimnis und dessen Offenbarung siehe N. A. Bockmuehl 1990, 178-190.


M. M. Sokupa 2008, 145-158 befasst sich mit heiligen Personen und Heiligkeit im Kolosserbrief. Der häufige Gebrauch der adjektivischen Form des Wortes "hagios" ("heilig"; "Heiliger") in Kol 1 sei bedeutsam für die Deutung des Kol. Ihm komme im Zusammenhang des Themas "in Christus" hinsichtlich des nächsten Kapitels eine besondere Bedeutung zu. Dort werde vor Philosophen, die aufgrund ihres verzerrten Christusbildes eine abweichende Vorstellung von Heiligkeit hätten, gewarnt.


Zur Eschatologie im Kol siehe H. Lona 1984, 83-240, der sich auf S. 84-120 mit dem Zeitverständnis und mit der Offenbarung des Mysteriums nach Kol 1,24-29 befasst. Die Ähnlichkeiten im Zeitverständnis zwischen dem "einst-jetzt" und dem Revelationsschema seien leicht zu erkennen. Beiden sei die Kontraststruktur gemeinsam. Danach würden Vergangenheit und Gegenwart mit entsprechender Bewertung einander gegenübergestellt. Die Vergangenheit gelte als die Zeit der Entfremdung, der Verborgenheit des Mysteriums, die Gegenwart hingegen als die Zeit der Verwirklichung des Heils, der Offenbarung des Mysteriums. Die Verwendung dieser Schemata ziele jeweils auf eine Hervorhebung der Gegenwart. Eine weitere Gemeinsamkeit bestehe in der pragmatischen Bezogenheit. Der Rückblick auf die Vergangenheit wolle kein "historisches" Wissen vermitteln. Dazu wäre er viel zu einfach und zu pauschal. Die Gegenwart werde aus einer einzigen Perspektive gesehen: die Wirklichkeit der Versöhnung, die Offenbarung des Mysteriums. Von dort aus werde die Gegenwart qualifiziert.


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V. 27


Beobachtungen: Die Formulierung "der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses" stellt eine für den Kolosserbrief charakteristische Häufung von Genitivverbindungen dar. Eine solche findet sich auch in Kol 1,5.13; 2,2.12.


Die Offenbarung des "Geheimnisses" ist an den Glauben gebunden und geht somit über die Verkündigung und das Hören der Verkündigung hinaus: Es geht um das Heil bzw. die Hoffnung auf Heil und den Glauben daran. Im Licht dieses Heils bzw. der Heilshoffnung ist dementsprechend auch das Verb "kundtun" zu verstehen. Das "Geheimnis" ist unter den "Völkern", also auch unter den Heiden und nicht nur unter den Christen. Das "Geheimnis" wurde allerdings nur den Christen offenbart. Der "Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses" ist dementsprechend auch unter den "Völkern" und nicht nur unter den Heiden. Allerdings wurde nur den Christen kundgetan, was der "Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses" ist: Christus. V. 27 macht also keine Sachaussagen, sondern Heilsaussagen - und diese werden konkret auf die Christen bezogen.


Es wird nicht gesagt, wann Gott kundtun wollte bzw. das Kundtun erfolgt ist. Der Aorist lässt nur erkennen, dass es sich um einen Zeitpunkt in der Vergangenheit handelt.


V. 27 macht nun Aussagen darüber, was das "Geheimnis" ist. Zunächst wird es qualitativ bestimmt und mit dem Begriff "doxa" beschrieben. "Doxa" kann mit "Ehre", "Ruhm", "Glanz" oder "Herrlichkeit" übersetzt werden, wobei hier wohl die Übersetzung "Herrlichkeit" die treffendste ist. Gewöhnlich gibt der Begriff Aspekte des Wesens und Wirkens Gottes wieder, womit hier das Geheimnis eng mit dem Wesen und Wirken Gottes in Verbindung gebracht wird. Diese Herrlichkeit ist nicht mickrig, sondern in großem Maße vorhanden, worauf die Formulierung "Reichtum der Herrlichkeit" hinweist.

Dann wird ausdrücklich gesagt, was bzw. wer das Geheimnis ist: Christus. Der Titel "Christus" als solcher weist schon darauf hin, dass es um das Heil geht, denn der Christus ist der schon seit alttestamentlichen Zeiten erwartete Messias, der Heilsbringer. Christus ist in/unter den Christen, d. h. er ist unter ihnen verkündigt worden. Damals waren sie noch Heiden (oder Juden), doch haben sie den Inhalt der Verkündigung gläubig angenommen und ihn verinnerlicht. So sind sie zu Christen, zu "Heiligen" geworden. Darüber hinaus ist Christus die "Hoffnung auf Herrlichkeit" (wörtlich: "Hoffnung der Herrlichkeit"). Der Verfasser des Kol misst dem Begriff "Hoffnung" große Bedeutung bei: Gemäß 1,5 liegt für die Christen in den Himmeln ein Hoffnungsgut bereit, in 1,23 ist von der "Hoffnung des Evangeliums" die Rede, wonach die Hoffnung ein wesentlicher Inhalt des Evangeliums ist. Wenn 1,27 nun von der "Hoffnung auf Herrlichkeit" spricht, dann wird die Hoffnung mit der göttlichen Sphäre verbunden. Möglicherweise sind die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben bei Gott im Blick, wobei die Herrlichkeit Gottes auf das ewige Leben ausstrahlt. Das ewige Leben bei Gott wäre auf Christus und den Glauben an diesen gegründet.


"Christos en hymin" kann sowohl mit "Christus in euch" als auch mit "Christus unter euch" übersetzt werden. Erstere Übersetzung würde die Innerlichkeit, den mystischen Charakter des Christentums betonen. Allerdings ist angesichts der Tatsache, dass die Parallele "en tois ethnesin" mit "unter den Völkern" und nicht mit "in den Völkern" zu übersetzen ist, wahrscheinlich die letztere Übersetzung zu wählen. Für diese Übersetzung spricht auch die Tatsache, dass in V. 28 von Predigt die Rede ist, also von einem Geschehen, das unter (nicht: in) den Menschen erfolgt. Und schließlich ist auch in Kol 3,16 "en hymin" mit "unter euch" und nicht mit "in euch" zu übersetzen, wie aus den dort folgenden Formulierungen hervorgeht.


Weiterführende Literatur:


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V. 28


Beobachtungen: Die Verkündigung richtet sich an jeden Menschen: Jeder Mensch wird ermahnt und belehrt. Damit wird aber noch keine Vollkommenheit erlangt, denn die Vollkommenheit ist "in Christus" und damit an die Annahme der verkündigten Glaubensaussagen gebunden. Es geht hier also nicht um eine Vollkommenheit in menschlichen Kategorien wie Klugheit, Schönheit oder Ethik, sondern um Vollkommenheit unter dem Gesichtspunkt des Heils. Das Heil liegt gemäß V. 22 in der Versöhnung Gottes mit den Menschen durch den leiblichen Tod Jesu begründet.


Mit der "Weisheit" ist hier nicht menschliche Klugheit, auch nicht eine kluge Theorie oder geistreiche Philosophie gemeint. Die Weisheit dürfte geistlicher Art und mit geistlicher Einsicht verbunden sein (vgl. 1,9). Die Lehre des Paulus (und vielleicht auch Timotheus) ist also nicht einfach nur von ihm (und Timotheus) ersonnenes kluges Gedankengut, sondern rechte Belehrung über Jesus Christus und das mit diesem verbundene Heilsgeschehen und vermutlich auch das ihm entsprechende rechte Verhalten.


Weiterführende Literatur: Mit der besonderen Bedeutung der Partizipien in der argumentatio Kol 1,24-4,1 befasst sich unter syntaktischen und rhetorischen Gesichtspunkten L. Giuliano 2013, 293-317. Ihnen komme bei der Fortentwicklung des Gedankengangs eine entscheidende Rolle zu. Im ersten Abschnitt 1,24-2,5 konzentriere sich das wiederholte Auftreten der Partizipien insbesondere auf die Person des Apostels Paulus.


Laut N. Frank 2009, 366-368 stelle der Kol Paulus in einer Lehrerrolle dar, für die es in den authentischen Paulinen keine direkte Parallele gebe. Paulus selbst spreche zwar von verkündender und ermahnender Tätigkeit, aber nicht vom Lehren (Ausnahme: 1 Kor 4,17).


Zur in Kol 1,22-23a.28 geäußerten Erwartung des Apostels Paulus, dass sich die Christen gebührend auf das Gericht nach Werken vorbereiten, siehe K. L. Yinger 1999, 280-281.


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V. 29


Beobachtungen: Das Mühen und Kämpfen ist auf dem Hintergrund der Leiden und Drangsale zu verstehen, die in V. 24 erwähnt wurden. Es geht also um Verkündigung samt Ermahnung und Lehre unter widrigen Umständen, unter Bedrängnis. Das Verb "agônizomai", das hier mit "kämpfen" übersetzt werden kann, hat gemeinhin auch die Bedeutung "wettkämpfen". So gebraucht es Paulus in 1 Kor 9,25 im Zusammenhang mit einem sportlichen Wettkampf, mit dem er den geistlichen Lebenswandel vergleicht. Der Wettkampf könnte auch in Kol 1,29 mitklingen: Es geht um Anstrengung und Disziplin und es gibt einen Preis zu gewinnen: die Vollkommenheit. Es wird für das Erlangen des Ziels Energie benötigt: beim sportlichen Wettkampf handelt es sich um körperliche Energie und Muskelkraft, beim missionarischen Kampf handelt es sich um geistliche Energie und die Kraft Gottes bzw. Christi.

Wie auch in V. 24 wird in V. 29 die Ich-Form benutzt. Es geht also wieder um den ganz persönlichen Anteil des Paulus bzw. Verfassers des Kol an der Mission, nicht wie in V. 28 um grundsätzliche Aussagen zum missionarischen Wirken.


Der Kampf ist kein heldenhafter Kampf des Paulus, sondern Paulus kämpft gemäß seiner - gemeint ist vermutlich: Gottes (oder: Jesu Christi) - Wirksamkeit. Diese wirkt in Paulus und ermöglicht ihm, seinen geistlichen Kampf so zu kämpfen, wie er ihn kämpft. Gottes Wirksamkeit ist nicht schwach, sondern ist kraftvoll. Daher ist Paulus trotz aller Bedrängnis erfolgreich. Ohne Gottes kraftvolles Wirken könnte Paulus nichts ausrichten.


"In mir" kann so gedeutet werden, dass Jesus Christus in Paulus bzw. dem Verfasser des Kol ist, ihm also innewohnt. Allerdings ist hier der Fokus nicht auf das Innewohnen gerichtet, sondern auf das Wirken, und zwar auf das Wirken Gottes (oder: Jesu Christi). Dieses Wirken geschieht im Leben des Paulus bzw. Verfassers des Kol. Insofern kann man "in mir" auch im Sinne von "in meinem Leben" deuten.


Weiterführende Literatur: Zur Wettkampfmetaphorik siehe B. Heininger 2009, 65-73. Im Kontrast zur Wettkampfmetaphorik in der kynisch-stoischen Diatribe und ihrer Aufnahme durch Philo gewinne die Wettkampfmetaphorik des Kol, soweit es 1,29 und 2,1 betreffe, ein eigenständiges Profil. Nicht die Leidenschaften und schon gar nicht die Lust seien die Gegner, sondern die Exponenten der kolossischen Philosophie.



Literaturübersicht


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Geréb, Zsolt; Paulus als Diener der Kirche. Die Vorstellung des Apostels in Kol 1,21-2,5, in: P. Müller [Hrsg.], Kolosser-Studien (BThSt 103), Neukirchen-Vluyn 2009, 33-54

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Heininger, Bernhard; Soziale und politische Metaphorik im Kolosserbrief, in: P. Müller [Hrsg.], Kolosser-Studien (BThSt 103), Neukirchen-Vluyn 2009, 55-82

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