Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Kolosserbrief

Der Brief des Paulus an die Kolosser

Kol 3,18-21

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Kol 3,18-21



Übersetzung


Kol 3,18-21 : 18 Ihr Frauen, ordnet euch den Männern unter, wie es sich im Herrn gehört! 19 Ihr Männer, liebt die Frauen und werdet nicht bitter gegen sie! 20 Ihr Kinder, gehorcht den Eltern in allem, denn das ist wohlgefällig im Herrn. 21 Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, damit sie nicht missmutig sind.



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V. 18


Beobachtungen: Kol 3,18-4,1 ist nur lose mit dem Kontext verbunden. Es handelt sich um eine "Haustafel". Es handelt sich um Anweisungen bezüglich des Verhaltens der Angehörigen einer Hausgemeinschaft, die in der Antike sowohl eine Wohn- als auch eine Wirtschaftsgemeinschaft darstellt. Diese Anweisungen gehören inhaltlich zum Abschnitt "Das neue Leben der Christen" (3,5-4,1).

Es werden - im Gegensatz zum sonstigen Kol - einzelne soziale Gruppen angeredet. In 3,18-21 sind es die Ehefrauen, Ehemänner und Kinder. In 3,22-4,1 kommen dann die Sklaven und Sklavenbesitzer in den Blick.


Das Substantiv "gynê" bezeichnet allgemein die Frau, konkret auch die Ehefrau. Gleich verhält es sich mit dem Substantiv "anêr": Es bezeichnet allgemein den Mann, konkret auch den Ehemann. V. 18 kann also aussagen, dass sich die Frauen grundsätzlich Männern unterordnen sollen. Ebenso ist die Deutung möglich, dass sich die Ehefrauen ihren Ehemännern unterordnen sollen. Diese Doppeldeutigkeit beseitigen zwei Textvarianten, die "euren Männern" bzw. "den eigenen Männern" statt "den Männern" lesen. Sie machen also deutlich, dass es nur um Ehefrauen und Ehemänner geht. Dass dies so richtig ist, lässt sich aus V. 19-21 erschließen, wo es um die Liebe zwischen Mann und Frau, um Kinder und um das Verhalten der Väter ihren Kindern gegenüber geht. Es ist also das Leben in einer durch Ehe zwischen Mann und Frau begründeten Familie im Blick.


"Im Herrn" gibt einen Machtbereich an und ist als "im Macht- und Heilsbereich des Herrn" zu verstehen. Der "Herr" dürfte Jesus Christus oder Gott, der Vater Christi, sein. Es geht also nicht um Verhaltensregeln für alle Menschen, sondern um Verhaltensregeln für Menschen, die sich im Macht- und Heilsbereich Jesu Christi bzw. Gottes befinden, also um Verhaltensregeln für Christen. Dabei stellt sich die Frage, ob der Verfasser des Kol die Verhaltensregeln der "Haustafel" so auch im Hinblick auf nichtchristliche Ehefrauen, Ehemänner, Kinder, Sklaven und Sklavenbesitzer schreiben würde.


Weiterführende Literatur: Gemäß J. Woyke 2000 frage die ntl. Haustafelethik nach den Konsequenzen des Herrseins Jesu Christi für das Beziehungsgefüge der antiken Hausgemeinschaft. Gibt es eine dem christlichen Glauben angemessene Rollenverteilung oder sollen gesellschaftliche Unterordnungsstrukturen, durchdrungen vom Evangelium, von innen her aufgelöst werden? Diese an der zeitüberdauernden Bedeutung der Haustafeln orientierte Leitfrage präge die Haustafelforschung des 20. Jh.s bis in die exegetischen Detailfragen hinein. Die Studie von J. Woyke versucht, die zum Teil unübersichtliche Forschungsgeschichte anhand der einzelnen exegetischen Kontroversen systematisch darzustellen und kritisch zu diskutieren, um schließlich zu einem begründeten Urteil über die bleibende theologische Bedeutung der ntl. Haustafelethik zu kommen.


Mit den Haustafeln befasst sich D. L. Balch 1988, 25-50, und zwar unter folgenden Gesichtspunkten: der Ursprung der Form, seine soziale Funktion und die Charakteristika der einzelnen Ermahnungen; Arius Didymus zur "Hausverwaltung" und zur "Politik"; Anmerkungen zum Text des Arius Didymus; Haustafeln im NT und in der frühchristlichen Literatur.


Zu Inhalt und Struktur von 3,18-4,1 siehe S. Wronka, 273-290.


Zu den ntl Haustafeln Kol 3,18-4,1 und Eph 5,22-6,9 siehe G. Strecker 1989, 349-375, der sich der Definition und dem Textbefund, der Forschungsgeschichte, der Geschichte der Tradition, den Frauen und Männern, den Kindern und Vätern und abschließend auch den Sklaven und Herren widmet.

Zur Gattung Haustafel im Kol und Eph, zu ihrer Position innerhalb der Paränese-Abschnitte und zu ihrem Hintergrund in der spätantiken Gesellschaft siehe D. Hellholm 2009, 103-128. Die Haustafeln des Kol und Eph könnten sowohl deskriptive als auch präskriptive Funktion haben. Einerseits seien sie idealisierte Konstrukte, die es gegen vorhandene Missverhältnisse in der Familienstruktur zu verwirklichen gelte, andererseits spiegelten sie aber zuweilen zweifellos auch eine existierende Vorbildlichkeit im Haushalt. Deswegen seien die Haustafeln in erster Linie präskriptive Sprechakte. Sie zeugten aber zumindest indirekt von familiären Verhältnissen unterschiedlicher sozialer und ethischer Art und hätten somit gewissermaßen auch deskriptiven Charakter.

L. Hartman 1988, 219-232 wirft den Blick auf einige formkritische Aspekte der ntl. Haustafeln. Dabei konzentriert er sich auf die für am ältesten gehaltene, nämlich Kol 3,18-4,1. Ergebnis: Das Belegmaterial, das auf eine literarische Form "Haustafel" schließen lasse, sei dürftig. Von dieser dürftigen Basis aus ließen sich im Hinblick auf Geschichte und Gedankengut der frühen Kirche kaum Schlüsse ziehen. Die Christen hinter den "Haustafeln" seien zwar von ihrer Umwelt beeinflusst gewesen, jedoch sei der Einfluss nicht so stark gewesen, dass man bei den "Haustafeln" von einer eigenen literarischen Form oder Gattung sprechen könne. Zur Bestimmung der Form der angeblichen "Haustafeln" bedürfe es präziserer Methodik und genauerer Analyse. Letztendlich sei aber nicht entscheidend, wie etwas ausgesagt wird, sondern was ausgesagt wird. Unsere geringe Kenntnis bezüglich des Wie vermöge im Falle der "Haustafeln" nicht nennenswert das Was zu erhellen.


J. Łach 1995, 219-231 merkt an, dass die Vorschriften von Kol 3,18-4,1 zwar den in der antiken jüdischen und griechischen Welt geläufigen Prinzipien entsprächen, aber diese nicht einfach nur wiederholten. Eine Besonderheit sei die aus den Tatsachen, dass Gott alles und alle geschaffen hat und jede Kreatur Christus gehört, entspringende Gleichheit aller Menschen. Diese sei im konkreten Leben sehr schwer umzusetzen. Daher gelte es, die Gleichheit den Bräuchen des Judentums und der griechischen Welt gegenüberzustellen und sie behutsam einzuführen. Nur so ließe sich die Macht der Gewohnheit verringern. Diese Vorgehensweise sei in den ersten Jahrzehnten des Christentums die effizienteste gewesen und stelle ein gutes Beispiel für die Zukunft dar.

Nachdem J. M. G. Barclay 2001, 34-52 auf die christozentrische Theologie des Kol eingegangen ist, merkt er an, dass zu erwarten sei, dass diese Theologie auch durch und durch die Moral des Briefes präge. Tatsächlich sei jedoch der Inhalt der Haustafel in weiten Teilen weder vom Charakter noch vom Ursprung her unverkennbar christlich. Mehr noch: Er nehme die antiken hierarchischen Vorstellungen nicht nur hin, sondern zementiere diese noch. Angesichts dieses Befundes stellten sich die Fragen, in welcher Hinsicht und in welchem Maße die Ethik der Haustafel von der christozentrischen Theologie des Kol beeinflusst ist und auf welche Weise der Kol die christliche moralische Identität prägt. Ergebnis: Entscheidend sei die Bindung an den Herrn, und zwar nicht an einen weltlichen, sondern an Jesus Christus. Es gehe darum, in der jeweiligen sozialen Rolle dem Herrn zu dienen und ein Leben "in Christus" zu führen. Dies zementiere zwar einerseits die sozialen Rollen und hierarchischen Verhältnisse, mache andererseits aber von einer sklavischen Erfüllung der Rollen frei, weil letztendlich zuvörderst Jesus Christus zu dienen sei.


Zur Familie aus frühchristlicher Sicht siehe ausführlich C. Osiek, D. L. Balch 1997. Welche Vorstellungen hatten die frühen Christen von Familie und wie brachten sie ihre familiären Werte mit dem neuen Glauben in Einklang? Wie entschieden sich die frühen Christen, wenn es Konflikte zwischen Familie und Glauben gab?


S. W. Henderson 2006, 420-432 legt dar, dass es sich bei Kol 3,18-4,1 weder um statische gesellschaftliche Bestimmungen handele, die dem 20. Jh. einfach übergestülpt werden können, noch um auf dem historischen Hintergrund zu verstehende, überholte Aussagen, die einfach ignoriert werden können. Vielmehr gehe es um eine zeitlose Anwendung von Christi Herrschaft auf die gesellschaftlichen Bräuche. 3,18-4,1 beinhalte also eine Botschaft für die Kirche, die für alle Zeiten gilt.


H. O. Maier 2005, 323-349 spürt Vokabular, Motiven und theologischen Themen im Kol nach, die der Sprache des römischen Kaiserkults entspringen. Die imperiale Prägung der Haustafel Kol 3,18-4,1 lasse sich insbesondere anhand von Münzen erkennen, die Nero und seine Gemahlin in göttlich bestimmter Eintracht darstellen. Friede und Eintracht würden insbesondere in der zuverlässigen Ausübung häuslicher Pflichten im Rahmen des traditionellen häuslichen sozialen Gefüges deutlich, wobei der Kol diese Vorstellung christlich deute.


Eine semiotische Lektüre der Textabschnitte Kol 1,24-2,5 und 3,18-4,1 bieten L. Milot, R. Rivard, J.-Y. Thériault 1992, 65-79. Im Hinblick auf 3,18-4,1 gehen sie insbesondere der Frage nach, ob die geforderten Unterordnungen wörtlich oder nicht vielmehr angesichts gewisser gegenwärtiger Ideologien (Emanzipation der Frauen, Kinderrechte, Freiheitschartas) metaphorisch zu deuten sind.


A. R. Bevere 2002, 225-254 legt dar, dass das Hauptinteresse der Haustafel Kol 3,18-4,1 der "oikonomia" gelte; ein Anliegen, das in der Gesellschaft allgemein von Relevanz gewesen sei. Die Haustafel habe zum einen eine apologetische Funktion gehabt; sie sei eine Antwort auf den Argwohn von manchen Nichtchristen bezüglich der Familienverhältnisse innerhalb der Kirche und ihrer Auswirkungen auf die gesellschaftliche Ordnung gewesen. Darüber hinaus habe sie intern als Anweisung bezüglich der wohlgeordneten Hausgemeinschaft und der wohlgeordneten Gottesdienstgemeinschaft gedient. Die Haustafel habe also eine doppelte Funktion gehabt, in dem sie zum einen die Einheit innerhalb der Familie, zum anderen die Einheit innerhalb der Hauskirche fördern sollte. Der Zusammenhang der Haustafel sei eschatologisch. Ebenso wie die Aufzählung der Laster und Tugenden in 3,5-17 sei sie ein Beispiel dafür, wie die Kolosser "in Christus" leben sollen.


Gemäß R. Yates 1991, 241-251 fänden sich in Kol 3,1-4,6 drei verschiedene Typen traditionellen katechetischen und ethischen Materials: Laster- und Tugendkataloge, die Haustafel und sprücheartige ethische Aussagen, die als "topoi" bekannt seien. Es gebe guten Grund für die Annahme, dass alle drei Typen vorpaulinisch sind. Sie hätten sich schon im hellenistischen und jüdischen religiösen Leben gefunden, würden in 3,1-4,6 jedoch spezifisch christlich gebraucht.


L. Cope 1985, 45-49 meint, dass die Haustafel erst später dem Kol hinzugefügt worden sei, ohne Kenntnis der ursprünglichen Situation, wie sie sich aus Kol und Phlm erschließen lasse.

Eine Exegese von Kol 3,18-4,1 bietet M. J. Cieślar 1980, 11-123.


Laut J. L. Caballero 2011, 59-85.323-344 gelten das 12. und 13. Jh. als eine Blütezeit Westeuropas im Hinblick auf theologische Studien und biblische Exegese. Dennoch sei ein großer Teil dieser exegetischen Arbeit noch nicht veröffentlicht. Aus diesem Grunde sei es schwierig, ihre Charakteristika zu erfassen. J. L. Caballero geht mit Blick auf mittelalterliche Kommentare und Glossen zwei zentralen Fragen nach: a) Was haben sie von der patristischen Exegese übernommen? Bieten sie wirklich ein gewisses Maß an Neuem? b) Was ist ihr Beitrag und Erbe im Hinblick auf spätere Generationen? Eine Exegese von Kol 3,18-4,1 dient der Beantwortung der Fragen. Ergebnis: Bei allen Besonderheiten der jeweiligen mittelalterlichen Schriften sei als Grundzug auszumachen, dass sie zwar von der patristischen Exegese ausgehen, darüber hinaus aber auch Neues bieten.


Zur v. a. vom sog. Westlichen Text gebotenen Variante, die "euren Männern" statt "den Männern" liest, siehe M. Grosso 2011, 3-4. Die Verdeutlichung, dass es um Ehemänner und Ehefrauen geht, lege den Schwerpunkt der Aussage auf die Familienethik.


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V. 19


Beobachtungen: Die Männer können ihre Frauen - erneut unterstreichen Varianten, dass es sich tatsächlich nicht um irgendwelche Frauen, sondern um die (Ehe-)Frauen der Männer handelt - nicht behandeln, wie sie wollen, sondern sie sollen sie lieben. Dabei ist sicherlich nicht in erster Linie sexuelle oder erotische Liebe im Blick, sondern eine liebende Grundhaltung, die das gesamte Verhalten den Frauen gegenüber umfassen soll. Diese kann sexuelle und erotische Liebe einschließen.


Bei der Form "mê pikrainesthe" handelt es sich um einen verneinten Imperativ im Präsens. Es handelt sich also um ein Verbot. Dabei kann "mê pikrainesthe" sowohl mit "werdet nicht bitter...!" als auch mit "werdet nicht zornig...!" übersetzt werden. Das Verb "pikrainomai" bzw. "pikrainô" findet sich auch in Offb 8,11 und 10,9.10. Hier bedeutet das Verb "bitter werden", bezieht sich jedoch nicht auf einen Gemütszustand, sondern auf den Geschmack bzw. die Wirkung von Wasser und Nahrung. In Eph 4,31 findet sich das Substantiv "pikria", und zwar in einer Liste von Fehlverhalten ("Lastern") zusammen mit "thymos" ("Grimm"), "orgê" ("Zorn"), "kraugê" ("Geschrei"), "blasphêmia" ("Lästerung") und "adikia" ("Schlechtigkeit"). Die Stellung unmittelbar vor "thymos" ("Grimm") und "orgê" ("Zorn") weist darauf hin, dass mindestens eine Bedeutungsähnlichkeit, wenn nicht sogar eine Bedeutungsgleichheit besteht. Es ist durchaus möglich, dass es sich bei "thymos" ("Grimm") und "orgê" ("Zorn") um das Stilmittel "Hendiadyoin" handelt, bei dem ein und dieselbe Sache mit (= dia) zwei (= dyo) Begriffen bezeichnet wird. Dass allerdings drei Begriffe bedeutungsgleich sein sollten, erscheint doch unwahrscheinlich. So ist wohl am ehesten passend, "pikria" mit "Bitterkeit" zu übersetzen. Geht man davon aus, dass die "Laster" von den stillen, wortlosen zu den lauten, wortreichen - zu diesen zählen "kraugê" ("Geschrei") und "blasphêmia" ("Lästerung") - übergehen, dann kann man die Bitterkeit als eine stille verbitterte Grundhaltung deuten, aus der Grimm, Zorn(esausbrüche), Geschrei und Lästerung hervorgehen. Das letzte Glied, "adikia" ("Schlechtigkeit"), steht etwas getrennt von den anderen Gliedern und kann hier deswegen möglicherweise außer acht gelassen werden. Dass sich die "pikria" ("Bitterkeit") zwar in der in der Liste Eph 4,31 findet, nicht aber in der Liste Kol 3,8, wo sich nur (u. a.) "orgê" ("Zorn") und "thymos" ("Grimm") finden, kann verschieden erklärt werden: Entweder hat sich der Verfasser des Epheserbriefes auf eine andere mündliche Tradition oder schriftliche Vorlage gestützt als der Verfasser des Kolosserbriefes oder der Verfasser des Eph hat die "pikria" ("Bitterkeit") in der Liste des Kol vermisst und daher seiner eigenen Liste hinzugefügt. Auch die Umstellung von "orgê" ("Zorn") und "thymos" ("Grimm") zu "thymos" ("Grimm") und "orgê" ("Zorn") lässt sich auf beiderlei Weise erklären: Entweder stützt sich der Verfasser des Eph auf eine andere Tradition oder Vorlage als der Verfasser des Kol oder er schließt "thymos" ("Grimm") deshalb statt "orgê" ("Zorn") unmittelbar an "pikria" ("Bitterkeit") an, weil er bei "pikria" ("Bitterkeit") und "thymos" ("Grimm") die größte Ähnlichkeit hinsichtlich der Bedeutung sah.


Weiterführende Literatur: A. Standhartinger 2000, 117-130 sieht in den popularphilosophischen Gesetzessammlungen, die unter dem Namen des Charondas und Zaleukos überliefert worden sind, sowie in der Inschrift SIG 985 aus Philadelphia die engsten Parallelen zum Kol. Die genannten Schriften beinhalteten eine Liste einzelner Ermahnungen an jeweils bestimmte gesellschaftliche Gruppen, die miteinander rund um das klassische "Haus" in Bezug zueinander stünden. Der Sitz im Leben dieser Gesetzessammlungen bleibe im Dunklen, aber die Inschrift biete Außenstehenden Informationen über die Beibehaltung der gesellschaftlichen Ordnung im Kult. Es könne angenommen werden, dass diese Absicht auch dem Kol zugrunde liegt. Die Haustafel füge sich nur schlecht in den Zusammenhang des Briefes ein. Kol 4,1 (in der Übersetzung "Ihr Herren, erweist euren SklavInnen das Gerechte und die Gleichheit (isotês)...") stelle die Leitlinie dar, wie die Haustafel zu lesen ist und sich in den Gesamtzusammenhang des Briefes einfügt. Ein solche Art zu lesen erkläre auch den (scheinbaren) Widerspruch zwischen 3,11 und 3,18-4,1, der sich ansonsten nicht auflösen lasse.

Laut A. Standhartinger 1998, 641-645 lasse sich Kol 4,1 wie folgt übersetzen: "Ihr Herren, erweist euren SklavInnen das Gerechte und die Gleichheit (isotês)...". Das sei vielleicht ein Hinweis Paulines (= der Verfasserin oder des Verfassers des Kol), die "Haustafel" gegen den Strich zu lesen. Die "Haustafel" teile mit, wenn sie Außenstehenden bekannt wird, was im Innern ("im Herrn") geschieht: keineswegs die Umstürzung, sondern die Verfestigung patriarchalischer sozialer Ordnungen. Eine Mitteilung, die angesichts von Kol 3,11 nicht zuletzt auf römische Statthalter beruhigend gewirkt habe. Es bestehe aber Anlass zu der Vermutung, dass mindestens ein Teil der Adressatinnen und Adressaten Paulines Verdeckungsstrategien aufdeckten und die auffällig aus dem Kontext herausgehobene "Haustafel" enttarnten im Sinne der neuen Wirklichkeit Christi, der Aufhebung der Klassenunterschiede und einer Gemeinde der einander ermutigenden Mitsklavinnen und Mitsklaven.


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V. 20


Beobachtungen: Geht man davon aus, dass der Brief im Gottesdienst verlesen wurde, dann bedeutet die direkte Anrede der Kinder, dass diese die Verlesung mitbekamen und auch verstehen konnten. Folglich müssen sie im Gottesdienst anwesend gewesen sein. Der Begriff "tekna" ("Kinder") sagt nichts über das Alter der Kinder aus. Insofern lässt sich auch nicht sagen, ob nur Jugendliche im Gottesdienst anwesend waren oder auch Kinder im eigentlichen Sinne.

"Kind" dürfte auf die leibliche Abstimmung verweisen, womit der Gehorsam denen gegenüber gelten soll, die das Kind gezeugt bzw. geboren haben. Es geht hier wohl nicht um Gehorsam in einem bestimmten Alter, sondern um grundsätzliche Unterordnung der Kinder den Eltern gegenüber.


Das Verb "hypakouô" ("gehorchen") taucht sowohl im Hinblick auf die Kinder als auch im Hinblick auf die Sklaven (vgl. Kol 3,22) auf. In beiden Fällen wird auch gefordert, dass sie "in allem" gehorchen sollen. Es wird also umfassende gehorsame Unterordnung der Kinder unter die Eltern - konkret die Väter - und der Sklaven unter die "Herren nach dem Fleisch" festgeschrieben. Es stellt sich die Frage, worin der Unterschied zwischen Gehorsam und Unterordnung liegt. Ist bei der Unterordnung ein geringerer Grad an Gehorsam verlangt? Oder liegt der Unterschied darin, dass bei den Ehefrauen die Unterordnung unter ihre Ehemänner gefordert wird, wogegen sie bei den Kindern und Sklaven vorausgesetzt wird? Für letztere Annahme spricht, dass bei Kindern und Sklaven die untergeordnete rechtliche Stellung von vornherein offensichtlich ist, wogegen Ehefrauen weitergehende Rechte gehabt haben dürften.


Weiterführende Literatur: A. T. Lincoln 1999, 93-112 untersucht - mit einem besonderen Blick auf den Christushymnus 1,15-20 -, wie sich die Haustafel 3,18-4,1 in die Argumentation des Kol einfügt und was sich der Autor bei der Einfügung gedacht haben mag. Ergebnis: Die Haustafel des Kol sei im Zusammenhang mit der vom Brief propagierten weisen Lebensweise, mit der Ehrfurcht vor Christus als kosmischem Herrn, mit dem Kontrast zwischen einer Weisheit, die von "oben" stammt, und einer Weisheit, die von "unten" stammt, und mit dem allgegenwärtigen Thema der Dankbarkeit verbunden. Die kombinierte Wirkung dieser Verbindungen lasse vermuten, dass die Haustafel einen Teil der Antwort des Kol auf die Weisheit der kritisierten Philosophie darstellt und die apostolische Weisheit von den angenommenen gesellschaftlichen Folgen einer asketischen Weisheit distanziert.


M. Y. MacDonald 2007, 94-113 widmet sich der Frage, was Sklaven und Sklavenhalter wohl aus den Ermahnungen 3,18-4,1 herausgehört haben. Sie geht davon aus, dass Sklaven für Sklavenhalter sexuell verfügbar gewesen seien, auch wenn sich das NT in dieser Frage ausschweige. Die Schlüsse, die aus der Haustafel für den sexuellen Umgang mit Sklaven gezogen wurden, seien wohl sehr verschieden gewesen. Ein wesentlicher Faktor sei zum einen die Frage gewesen, ob der jeweilige Haushalt christlich war oder nicht; zum anderen hätten auch die komplexen familiären Verhältnisse eine wichtige Rolle gespielt. Der Kol billige den Sklaven wohl ein gewisses Maß an Ehre zu, was in christlichen Haushalten manchmal zu einem größeren Respekt gegenüber den familiären bzw. sexuellen Grenzen als in nichtchristlichen Haushalten geführt habe.

M. Y. MacDonald 2014, 33-65 liest Kol 3,18-4,1 im Lichte der Sklavenkinder, die zu den am leichtesten verwundbaren Gemeindegliedern gehört hätten. An erster Stelle widmet sie sich der sexuellen Herrschaft der Sklavenhalter über die Sklaven und ihre Kinder und der Sexualethik im Kol, die zu einer neuen Moralität geführt habe. Alle seien in einem neuen Bilde neu geschaffen worden. Das - wenn auch nicht immer praktizierte - Ideal sei eine vereinte Familie gewesen, in der Eltern, Ehemänner, Ehefrauen und Kinder ihren Platz fanden, seien sie Sklaven oder Freie. Es sei zwar nicht sicher, aber doch zu vermuten, dass sich unter den Adressaten des Kol auch Sklavenkinder fanden. Die direkte Anrede der Kinder in der Haustafel sei wohl so zu verstehen, dass Kinder von Freien und Kinder von Sklaven Seite an Seite ermahnt wurden.


Mit dem christlichen Leben gemäß dem Kol befasst sich H. W. House 1994, 440-454. Zu 3,12-4,6: Das neue Leben der Christen, das ja auf ihren Status "in Christus" gegründet sei, bedeute, dass jede Beziehung und jede Aktivität nach dem Modell Christi erfolgen soll.


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V. 21


Beobachtungen: Eltern - konkret die Väter - und die "Herren nach dem Fleisch" dürfen ihre Überordnung und Befehlsgewalt jedoch nicht missbrauchen (vgl. Kol 4,1). Dass speziell die Väter und nicht die Mütter angesprochen werden, erstaunt insofern, als man davon ausgehen könnte, dass die Männer zwar das Familienoberhaupt waren und dementsprechend auch nach außen hin auftraten, aber Frauen über innerhäusliche Dinge wie den Haushalt und die Erziehung bestimmen konnten. Ist nun 3,21 ein Beleg dafür, dass den Vätern auch die erzieherische Befehlsgewalt oblag und ihr Umgang mit den Kindern sehr harsch sein konnte? Oder ist der Plural "pateres" ("Väter") hier im Sinne von "Eltern" zu verstehen, wie es auch in Hebr 11,23 der Fall ist? Bei dem Substantiv „pateres“ handelt es sich zwar um eine maskuline Form, die zunächst mit „Väter“ zu übersetzen ist, jedoch sind hier möglicherweise auch die „Mütter“ eingeschlossen. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.


Das Verb "erethizô" ("reizen") taucht auch in 2 Kor 9,2 auf, dort allerdings im positiven Sinne von "anspornen". In Kol 3,21 ist die Bedeutung dagegen negativ. Auch hier geht es jedoch um ein Verhalten, bei dem ein anderer Mensch zu etwas bewegt wird. Die Reaktion des Kindes ist auf jeden Fall negativ. Es wird nicht weiter präzisiert, worum es sich bei dem Reizen genau handelt. Sind Sticheleien oder gar Beleidigungen gemeint? Oder geht es um überzogene Forderungen oder überzogene Härte bei den Forderungen oder bei der Durchsetzung der Forderungen? Generell dürfte ein erniedrigendes Verhalten gemeint sein, das bei den Kindern eine negative Reaktion hervorruft. Dabei ist unklar, wie das Verb "athymeô" zu deuten ist. Die Bedeutungen des Verbs sind "mutlos sein", "missmutig sein" oder "abgeneigt sein". Bei ersterer Bedeutung würde sich die Frage stellen, in welcher Hinsicht die Kinder mutig sein und den Mut verlieren könnten. Es wäre an bestimmte Tätigkeiten zu denken, die Mut oder zumindest inneren Antrieb bedürfen. Bei der zweiten Bedeutung wäre an einen Frust zu denken, der jeden inneren Antrieb abtötet und zu einer negativen Einstellung gegenüber der reizenden Person führt. Und bei der dritten Bedeutung wäre die negative Einstellung gegenüber der reizenden Person und vielleicht auch ihrem Glauben betont. Möglicherweise sind alle genannten Bedeutungen im Blick. Folgende Deutung des V. 21 (und des gesamten Abschnittes 3,18-4,1) legt sich nahe: Der Verfasser des Kol macht deutlich, dass sich Christen nicht auf Obrigkeit und Befehlsgewalt verlegen und ihren Willen mit Druck und Zwang durchsetzen sollen, sondern dass Obrigkeit und Befehlsgewalt zu einem wohlwollenden und weisen Umgang mit den Untergebenen verpflichten. Vorbildliche Eigenschaften und Verhaltensweisen der christlichen Väter bzw. Eltern (wie auch der christlichen Ehemänner und Sklavenhalter) sollen dazu führen, dass die christlichen Kinder (wie auch die christlichen Ehefrauen und Sklaven) gerne gehorchen, eben weil sie gegenüber der übergeordneten Person Respekt haben. Es ist also wohl in etwa das gefordert, was in der Antike lateinisch als "auctoritas", nämlich "Autorität", bezeichnet wurde. Diese Autorität sollte der Amtsgewalt (potestas) eigen sein.


Weiterführende Literatur:



Literaturübersicht


Balch, David L.; Household Codes, in: D. E. Aune [ed.], Greco-Roman Literature and the New Testament: Selected Forms and Genres (SBL.SBS 21), Atlanta, Georgia 1988, 25-50

Barclay, John M. G.; Ordinary but Different: Colossians and Hidden Moral Identity, ABR 49 (2001), 34-52

Bevere, Allan R.; Sharing in the Inheritance: Identity and the Moral Life in Colossians (JSNT.S 226), Sheffield 2002

Caballero, Juan Luis; Los deberes familiares en Col 3,18-4,1. La exégesis medieval occidental y la herencia de los Padres (I), ScrTh 43/1 (2011), 59-85

Caballero, Juan Luis; Los deberes familiares en Col 3,18-4,1. La exégesis medieval occidental y la herencia de los Padres (II), ScrTh 43/2 (2011), 323-344

Cieślar, M. J.; Egzegeza listu Ap. Pawła do Kolosan 3,18-4,1, RTCAT 22 (1980), 111-123

Cope, Lamar; On Rethinking the Philemon-Colossians Connection, BR 30 (1985), 45-49

Grosso, Matteo; The Diversification of Colossians' Text and Women's Status in the Early Church, TC 16 (2011), 1-5

Hartman, Lars; Code and Context: A Few Reflections on the Parenesis of Col 3:6-4:1, in: G. F. Hawthorne, O. Betz [eds.], Tradition and Interpretation in the New Testament, FS E. Earl Ellis, Grand Rapids, Michigan 1987, 237-247

Hartman, Lars; Some Unorthodox Thoughts on the "Household-Code Form", in: J. Neusner et al. [eds.], The Social World of Formative Christianity and Judaism, FS H. C. Kee, Philadelphia, Pennsylvania 1988, 219-232

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Henderson, Suzanne Watts; Taking Liberties with the Text: The Colossians Household Code As Hermeneutical Paradigm, Interp. 60/4 (2006), 420-432

House, H. Wayne; The christian Life according to Colossians, BS 151/604 (1994), 440-454

Łach, Jan; Kodeks domowy w liście do Kolosan (Kol 3,18-4,1), ACra 27 (1995), 219-231

Lincoln, Andrew T.; The Household Code and Wisdom Mode of Colossians, JSNT 74 (1999), 93- 112

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MacDonald, Margaret Y.; The Power of Children: The Construction of Christian Families in the Greco-Roman World, Waco, Texas 2014

Maier, Harry O.; A Sly Civility: Colossians and Empire, JSNT 27/3 (2005), 323-349

Milot, Louise; Rivard, Richard; Thériault, Jean-Yves; Défi à la lecture: souffrances et soumissions en Colossiens, LTP 48/1 (1992), 65-79

Osiek, Carolyn; Balch, David L.; Families in the New Testament World: Households and House Churches, Louisville, Kentucky 1997

Standhartinger, Angela; Der Brief an die Gemeinde in Kolossä und die Erfindung der "Haustafel", in: L. Schottroff, M.-T. Wacker [Hrsg.], Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh 1998, 635-645

Standhartinger, Angela; The Origin and Intention of the Household Code in the Letter to the Colossians, JSNT 79 (2000), 117-130

Strecker, Georg; Die neutestamentlichen Haustafeln (Kol 3:18-4:1 und Eph 5:22-6:9), in: H. Merklein [Hrsg.], Neues Testament und Ethik, FS R. Schnackenburg, Freiburg i. Br. - Basel - Wien 1989, 349-375

Woyke, Johannes; Die neutestamentlichen Haustafeln: Ein kritischer und konstruktiver Forschungsüberblick (SBS 184), Stuttgart 2000

Wronka, Stanisław; La struttura e il contenuto del codice domestico di Col 3,18-4,1, ACra 35 (2003), 273-290

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