Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Kolosserbrief

Der Brief des Paulus an die Kolosser

Kol 4,18

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Kol 4,18



Übersetzung


Kol 4,18 : 18 Der Gruß ist von meiner, des Paulus, Hand. Denkt an meine Fesseln! Die Gnade sei mit euch.



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V. 18


Beobachtungen: Paulus bzw. der Verfasser des Kol betont, dass „der Gruß“ von seiner, des Paulus, Hand ist. Er ist also handgeschrieben, was insofern eine Besonderheit ist, als es in der Antike üblich war, Briefe einem Schreiber zu diktieren.

Doch welchen Umfang hat „der Gruß“? Streng genommen findet sich nur in 4,15 ein Gruß des Paulus bzw. des Verfassers des Kol. Ist also nur dieser Vers von der Hand des Paulus geschrieben? Oder ist der ganze Abschnitt 4,15-17 im Blick, der mit "Gruß" überschrieben werden kann, auch wenn er neben dem eigentlichen Gruß V. 15 auch Weisungen enthält? Man kann auch den Abschnitt V. 10-14 zu den Grüßen zählen, allerdings richtet da Paulus bzw. der Verfasser des Kol nur Grüße von anderen Personen aus, grüßt aber nicht selbst. Insofern ist eher unwahrscheinlich, dass auch die V. 10-14 von der Hand des Paulus geschrieben sind. Schließlich bleibt noch die Möglichkeit, dass "der Gruß" V. 18 ist. Dieser Vers unterscheidet sich zwar von dem eindeutigen Gruß V. 15, jedoch enthält er sowohl den Begriff "Gruß" als auch den Eigenhändigkeitsvermerk. Folgt man dieser Hypothese, so stellt sich die Frage, ob der ganze V. 18 als eigenhändiger Gruß verstanden ist oder nur ein Teil des Verses.


Warum sollen die Adressaten an die "Fesseln", die hier für die Gefangenschaft des Paulus bzw. des Verfassers des Kol stehen dürften, denken? Sollen sie ihn in ihre Fürbitte einschließen, damit er bald freigelassen wird? Oder sollen sie ihm in irgendeiner Form materiell Beistand leisten? Oder sollen sie sich erinnern, warum Paulus bzw. der Verfasser des Kol nicht leibhaftig bei ihnen sein kann? Oder sollen sie sich stets bewusst sein, dass die missionarische Arbeit oder auch das Bekenntnis zu Christus Leid wie beispielsweise Gefangenschaft mit sich bringen kann?


Der Segenswunsch findet sich auch in allen gemeinhin für echt gehaltenen paulinischen Briefen, häufig (auch) am Briefschluss. Meistens wird allerdings die Gnade genauer bestimmt, und zwar als "Gnade Jesu Christi". In Kol 4,18 bleibt dagegen offen, um wessen Gnade es sich handelt. Die Parallelen lassen annehmen, dass es sich auch hier um die Gnade Jesu Christi handelt. Das ist aber nicht sicher, weil der Friede von Gott und/oder Jesus Christus kommen kann. Insofern kann es sich auch um die Gnade Gottes handeln. Blicken wir auf Kol 1,2, wo sich der andere Segenswunsch des Kol findet, so findet sich dort die Formulierung "Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater". Diese lässt eher an die Gnade Gottes als an die Gnade Jesu Christi denken, zumal in dem christuszentrierten Kol an dieser Stelle eigentlich die Erwähnung Jesu Christi zu erwarten wäre.

Mit dem Frieden ist vermutlich kein seelischer Zustand gemeint, aus dem der Friede der Christen untereinander resultiert, sondern das durch Jesus Christus bereinigte Verhältnis zu Gott.


Einige Textzeugen fügen "Amen" („amên“) an, was dem Hebräischen entlehnt ist und "gewiss" bedeutet. Das vorher Gesagte ist demnach gewiss wahr oder wird gewiss eintreten. Ein an den Gnadenwunsch angefügtes "Amen" findet sich in den gemeinhin für echt gehaltenen paulinischen Briefen nur in Gal 6,18 und als Bestandteil des vermutlich später dem Paulusbrief zugefügten Verses Röm 16,24. Wahrscheinlich wurde das "Amen" in Kol 4,18 mit Blick auf die Parallelen zugefügt, vielleicht weil die Gewissheit des Geschriebenen betont werden sollte.


Weiterführende Literatur: Den Abschluss des antiken Briefs bildete laut F. Schnider, W. Stenger 1987, 131-132.158-167 das sogenannte Eschatokoll. Es habe meist aus dem Datum und einem Schlussgruß bestanden. Der Schlussgruß habe "Lebe wohl" gelautet. Manchmal habe dieser jedoch auch gefehlt oder sei zu einem kurzen Satz erweitert worden. Paulus habe ihn in einen Segenswunsch verändert. Meist sei der Schlussgruß durch einen Absatz vom übrigen Brief getrennt gewesen. Manche antiken Briefe - so auch Gal 6,11; 1 Kor 16,21; 2 Thess 3,17; Kol 4,18 - ließen hier einen Wechsel der Handschrift erkennen. D. h., hier habe der Verfasser den Schreiber, dem er den Brief diktierte, abgelöst und den Gruß in eigener Hand geschrieben. So habe man den Brief als von ihm stammend erkannt. Das Eschatokoll sei mithin ein Authentizitätssignal. Dass Paulus im Eschatokoll von 1 Kor 16,21-24 seinen Namen erwähnt, sei für die antike Epistolographie höchst ungewöhnlich. Die Namensunterschrift fehle in den Eschatokollen antiker Briefe. Erstaunlich sei, dass in gleicher Formulierung die Namensunterschrift auch in Kol 4,18 und 2 Thess 3,17 begegnet. Paulus habe mit der Eigenhändigkeit seine brieflich vermittelte Anwesenheit intensivieren wollen. Die Autoren der pseudonymen Paulusbriefe hätten mit der Brieffiktion den Apostel für die nachapostolische Kirche ebenfalls gegenwärtig machen und mit der Fiktion von Eigenhändigkeitsvermerk und apostolischer Namensunterschrift der Intensivierung dieser Gegenwärtigkeit des Apostels in der nachapostolischen Kirche dienen wollen. Es gehe in beiden Texten nicht um Authentizitätssimulation, sondern um Ingeltungsetzung des Briefinhalts.


P. F. Esler 2007, 231-258 geht folgenden beiden Fragen nach: Warum heißt es in V. 18 "Denkt an meine Fesseln!"? Und warum erstellen die Verfasser des Kol, Eph und 2 Tim einen dramatischen Rahmen für ihre Mitteilungen, in dem Paulus als gefesselter Gefangener erscheint? P. F. Esler geht davon aus, dass Paulus nicht der Autor des Kol, Eph und der Pastoralbriefe ist. Damit müsse eine Erklärung in den Bedingungen der Christengemeinden nach dem Tode des Apostels (oder - weniger wahrscheinlich - kurz vor seinem Tode) gesucht werden. Fazit: Die Gestalt eines gefangenen Paulus stehe wohl in Verbindung mit dem Erleben von einigen Christen, die nach dem Tod des Apostels ebenfalls zu leiden hatten und in Fesseln lagen. Dieses Erleben sei den Gläubigen in der vertrauten Briefform vermittelt worden.



Literaturübersicht


Esler, Philip F.; "Remember my Fetters": Memorialisation of Paul's Imprisonment, in: P. Luomanen et al. [eds.], Explaining Christian Origins and Early Judaism. Contributions from Cognitive and Social Science (BIS 89), Leiden, Boston 2007, 231-258

Schnider, Franz; Stenger, Werner; Studien zum neutestamentlichen Briefformular (NTTS 11), Leiden 1987


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