Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Epheserbrief

Der Brief des Paulus an die Epheser

Eph 5,15-21

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Eph 5,15-21



Übersetzung


Eph 5,15-2 1 : 15 Achtet also sorgfältig darauf, wie ihr lebt, nicht wie Toren, sondern wie Weise, 16 und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse. 17 Darum werdet nicht töricht, sondern begreift, was der Wille des Herrn ist. 18 Und betrinkt euch nicht mit Wein, denn das führt zu Zügellosigkeit, sondern lasst euch im Geist erfüllen, 19 indem ihr einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern zusprecht, indem ihr dem Herrn mit eurem Herzen singt und spielt, 20 indem ihr dem Gott und Vater allezeit für alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus dankt, 21 indem ihr euch einander in [der] Furcht Christi unterordnet.



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V. 15


Beobachtungen: Der Abschnitt Eph 5,15-20 gehört zur Einheit 5,3-20, in der es darum geht, dass die Christen als "Kinder des Lichts" leben sollen. Nachdem der Verfasser des Eph in V. 3-5 dargelegt hat, was dem christlichen Lebenswandel geziemt und was nicht, und in V. 6-14 ausdrücklich auf das Licht zu sprechen gekommen ist, geht er nun auf zwei Punkte ein, die für das christliche Leben von entscheidender Bedeutung sind: die Weisheit und die Geisterfüllung. Zwar sind die Weisheit und der Geist im Eph schon vielfach zur Sprache gekommen, (Weisheit: 1,8.17; 3,10; Geist: 1,3.13-14.17; 2,18.22 u. v. m.), jedoch werden sie in 5,15-20 als grundlegende Aspekte des christlichen Lebens als "Kinder des Lichts" nochmal eingehender behandelt.


Die V. 15-18 sind durch drei Gegensätze geprägt, die durch die Formulierung " ... alla" markiert werden. Jeweils werden Fehlverhalten und rechtes Verhalten gegenübergestellt und die Adressaten werden ermahnt, sich nicht dem Fehlverhalten hinzugeben, sondern dem rechten Verhalten zu folgen.


Das Verb "peripateô" kann mit "wandeln", "leben" oder "das Leben führen" übersetzt werden. Gemeint ist der Lebenswandel, wobei der jüdische und der christliche nach Weisungen erfolgen.


Die Begriffe "Tor" und "Weiser" werden nicht im intellektuellen Sinn gebraucht, sondern im religiösen. Ein "Tor" ist also nicht jemand mit schlechter Schulbildung und/oder wenig intellektuellem Verstand, und ein "Weiser" nicht jemand mit guter Schulbildung, viel Faktenwissen und Kenntnis aller möglichen menschlichen Weisheiten. Vielmehr ist ein "Tor" jemand, der den Willen des "Herrn" nicht erkennt, und ein "Weiser", der zu einer solchen Erkenntnis in der Lage ist (vgl. V. 17). Zur Erkenntnis des Willens des "Herrn" gehört auch das entsprechende Reden und Handeln (vgl. V. 1-14).


Weiterführende Literatur: Laut H. Merklein 1981, 194-210 sei Eph 4,1-5,20 als Rezeption von Kol 3,1-17 zu verstehen. Genauer sei diese Rezeption als Transformation zu beschreiben, die sich aus der Verschiebung der Antithetik "irdisch vs himmlisch = christlich" (Kol) zu "heidnisch vs christlich" (Eph) ergebe. Da die Antithetik "heidnisch vs. christlich" nicht nur die Paränese (Eph 4,1-5,20), sondern auch die theologischen Ausführungen (besonders Eph 2,11-22; aber auch Eph 3) des Epheserbriefes beherrsche, sei mit einer einheitlichen Pragmatik des ganzes Briefes zu rechnen. Die dazugehörige Kommunikationssituation lasse sich allerdings nur noch hypothetisch erheben. Manches spreche dafür, dass der Autor des Epheserbriefes sich an ein Heidenchristentum wendet, das aus dem "gesetzesfreien" paulinischen Evangelium falsche Folgerungen gezogen hatte. Die "Emanzipation" der heidenchristlichen Kirche vom Gesetz habe gedroht, die theologisch-heilsgeschichtliche Bindung der Kirche an Israel in Vergessenheit geraten zu lassen, und habe auf sittlichem Gebiet die Gefahr des Rückfalls in heidnisches Leben mit sich gebracht. Von daher erkläre sich sowohl die theologische als auch die paränetische Intention des Epheserbriefes und lasse ihn als einen textpragmatisch einheitlichen Text erscheinen.


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V. 16


Beobachtungen: Unklar ist, wie das Verb "exagorazô" bzw. "exagorazomai" zu verstehen ist. Es kommt im NT nur in Gal 3,13 und 4,5 sowie in Kol 4,5 und Eph 5,16 vor. In Gal 3,13 und 4,5 bedeutet es "loskaufen / freikaufen". Dabei geht es um einen Loskauf / Freikauf vom Fluch des Gesetzes bzw. Gesetz. Das bedeutet, dass die Christen nicht mehr den Satzungen und Geboten des Gesetzes - gemeint ist die Tora (= Weisung; die fünf Bücher Mose) - unterworfen sind. Aus Sicht des Verfassers des Eph erlangt man durch den Glauben an Christus das Heil, nicht durch das Halten der Satzungen und Gebote des Gesetzes. So legt sich für Eph 5,16 folgende Deutung nahe: Die Adressaten sollen die "Zeit" loskaufen, d. h. aus einer Beschaffenheit befreien, die nicht zum Heil führt. In der - vom Verfasser des Eph her gesehen - gegenwärtigen Zeit ist das Christentum noch eine Minderheitenreligion, auch wenn sie sich in der Ausbreitung befindet. Die Mehrheit glaubt an heidnische Götter und auch das Judentum spielt eine Rolle. Diese Religionen stellen aber nicht Christus in den Mittelpunkt des Glaubens und führen nach Ansicht des Verfassers des Eph somit nicht zum Heil. Für diese Deutung spricht, dass es als Begründung für das "Loskaufen / Freikaufen der Zeit" heißt: "denn die Tage sind böse".

Nun bezeichnet "kairos" ("Zeit") jedoch gewöhnlich nicht ein Zeitalter - ein solches könnte ja der Heillosigkeit unterworfen sein - und auch keinen Zeitverlauf oder beliebigen Zeitpunkt, sondern die "rechte Zeit". Es ist also ein Zeitpunkt oder eine Zeitspanne gemeint, der bzw. die für ein Geschehen oder eine Handlung geeignet ist. Der Zeitpunkt oder die Zeitspanne kann auch derjenige bzw. diejenige sein, in dem bzw. in der sich ein von Gott vorgesehenes Ereignis abspielt. In Ausnahmefällen wie Eph 1,10 (vgl. Gal 4,4) kann aber "kairos" auch bedeutungsgleich mit "chronos" sein und einfach nur "Zeit" meinen, ohne dass diese als "recht" charakterisiert wird. Geht man trotz der Möglichkeit, dass auch in Eph 5,16 eine Ausnahme vorliegt, von der Bedeutung "rechte Zeit" aus, dann stellt sich die Frage, wie die Aufforderung "kauft die rechte Zeit los / frei" zu verstehen ist. Es könnte gemeint sein, dass derzeit die richtige Zeit ist, um die Welt aus dem unheilvollen Zustand loszukaufen, und zwar durch die Verbreitung des Christentums. Nun ist nicht zu erkennen, dass der Verfasser des Eph Leiden oder gar Tod für den Glauben verlangt. Gleiches gilt für übermäßige Askese. Er verlangt also nicht, dass die Gläubigen im wörtlichen oder übertragenen Sinn gekreuzigt werden und damit Christus nachfolgen, durch dessen Kreuzigung ja der Loskauf der gläubigen Menschen vom Gesetz erfolgt ist. Der Verfasser des Eph mahnt aber ein Verhalten und Reden an, das dem christlichen Glauben angemessen ist und zu dessen Ausbreitung und Stärkung führt.

Mit dem Loskauf / Freikauf der (rechten) Zeit könnte auch ausgesagt sein, dass die Christen diese Zeit nutzen sollen, und zwar zur Verbreitung und Stärkung des Glaubens. Diese Deutung passt sehr gut zur "rechten Zeit". Gegen sie spricht jedoch, dass es keinen Beleg dafür gibt, dass das Verb "exagorazô" bzw. "exagorazomai" "nutzen" bedeutet. Allerdings muss das Präfix "ex" nicht unbedingt übersetzt werden, sondern man kann "exagorazomai" wie "agorazomai" mit "kaufen" übersetzen. "Kaufen" ließe sich so verstehen, dass die Adressaten die Zeit in Besitz nehmen und nutzen sollen. Oder man deutet das Präfix "ex" im Sinne von "vollständig". Dann wäre die Übersetzung "kauft die Zeit vollständig!", was bedeuten könnte: "Nehmt die Zeit vollständig in Besitz und nutzt sie!". In Dan 2,8LXX findet sich schließlich noch eine weitere Bedeutung des Verbs "exagorazô" bzw. "exagorazomai": "Zeit gewinnen". Dass diese Bedeutung jedoch auch in Eph 5,16 vorliegt, ist unwahrscheinlich, denn es ist nicht zu erkennen, was "gewinnt die (rechte) Zeit" bedeuten sollte. Dass es darum geht, ein negatives Ereignis herauszuzögern und für etwas Zeit zu gewinnen, ist nicht zu erkennen.

Bei der Verbform "exagorazomenoi" handelt es sich um ein Partizip. Die wörtliche Übersetzung lautet also "loskaufend / freikaufend". Das Partizip folgt direkt auf einen Imperativ, was eine Übersetzung als Imperativ nahe legt ("kauft los! / kauft frei!"). Das Partizip kann aber auch einfach ein zeitgleiches Geschehen, den Rahmen des Wandels in Weisheit ("während ihr die Zeit loskauft / freikauft") ausdrücken oder das Mittel oder die Art und Weise des Wandels in Weisheit ("indem ihr die Zeit loskauft / freikauft"). Und schließlich kann auch die Folge des Wandels in Weisheit ausgedrückt sein: "so kauft ihr die Zeit los / frei".


Weiterführende Literatur: Zur Zeitsouveränität als neue Ermöglichung erfüllten Menschseins siehe A. Auer 1991, 439-444. Nach einer Klärung der Begriffe "Zeit" und "Souveränität" geht er der Frage nach, was nun die Formeln von Zeitsouveränität und vom Auskaufen der Zeit eigentlich meinen. Er versucht eine Auslegung in drei Richtungen: Chancen nutzen; Begrenztheiten hinnehmen; Erfüllungen auskosten. Lebenszeit sei christlich verstanden Heilszeit.


N. Baumert 1992, 261-281 deutet Eph 5,15-33 wie folgt: Die Menschheit - das um die "Völker" erweiterte Israel, also der "eine Mensch" = die ganze Menschheit (so die Deutung des altgriechischen Begriffs "ekklêsia") - sei es, mit der sich der Messias in seiner Menschwerdung wie mit einer Braut zu "einem Leib" verbinde, - um ihn zu reinigen und zu heiligen. Die Frau aber, die diesen Messias geboren hat, werde zum Tor göttlicher "Rettung" für alle und zum "Typos" der erlösten Frau. Wie das Wesen von Mann und Frau in der Erschaffung von Adam und Eva nach Gottes Bild grundgelegt sei, so sei ihre erlöste Beziehung in der "neuen Schöpfung" vorgeprägt in dem neuen Adam und seiner Mutter. Zu V. 16: "Kairos" sei hier mit "Gelegenheit", nicht mit "Zeit" zu übersetzen. Es gehe also darum, die Gelegenheit zu nutzen.


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V. 17


Beobachtungen: "Darum" kann sich auf V. 15-16 im Gesamten, die Aufforderung zum weisen Lebenswandel beziehen, aber auch speziell auf die Feststellung, dass die Tage böse sind. Wenn die Tage böse sind, besteht die Gefahr, sich vom Bösen anstecken zu lassen und vom weisen Lebenswandel abzuweichen.


Es heißt nicht "seid nicht töricht", sondern "werdet nicht töricht". Der Verfasser des Eph geht also davon aus, dass sich die Adressaten wegen ihres christlichen Glaubens christlich verhalten. Er dürfte also kein akutes Fehlverhalten im Blick haben, sondern macht grundsätzliche theologische Aussagen. Und diese besagen, dass der Glaube nicht statisch ist, sondern wachsen kann, ebenso schwinden und in Gefahr geraten. Und das Reden und Handeln kann ebenfalls vom christlichen Ideal abweichen, insbesondere wenn das Umfeld dazu verleitet. Der Verfasser des Eph spricht also nicht an erster Stelle über das gegenwärtige Verhalten der Adressaten, lobt nicht rechtes Verhalten und tadelt auch nicht Fehlverhalten, sondern er spricht ganz allgemein über die gewandelte Existenz des Christen und über das Denken, Reden und Handeln, das einem Christen angemessen und für kirchliches Leben maßgeblich ist.


In V. 17 lesen einige Textzeugen das Partizip "synientes" ("begreifend") statt des Imperativs "syniete" ("begreift!"). Dabei ist das Partizip wohl im Sinne eines Imperativs ("begreift!") zu verstehen und zu übersetzen. Der Imperativ ist besser bezeugt, jedoch ist wahrscheinlicher, dass ein Partizip in einen Imperativ umgewandelt wird. Insofern ist zwar wahrscheinlich, dass der Imperativ ursprünglich ist, sicher ist dies jedoch nicht. Weil hier das Partizip bedeutungsgleich mit dem Imperativ sein dürfte, ist die Unsicherheit im Hinblick auf die Deutung des Textes aber nicht von Belang.

Das Begreifen dürfte nicht rein intellektuell zu verstehen sein, sondern auch die Verinnerlichung beinhalten, aus der dann das entsprechende Reden und Verhalten folgt.


Der Codex Sinaiticus bietet als einziger Textzeuge "phronêma" ("Absicht/Plan") statt "thelêma" ("Wille"). Diese Änderung lässt sich mit der Absicht des Schreibers erklären, den Kontrast zu "aphrones" ("töricht") zu betonen.


Der Titel "Herr" kann sich auf Gott (vgl. die Variante, die "Gott" liest) oder auf Jesus Christus beziehen. Da in Eph 1,2 Jesus Christus ausdrücklich als "Herr" bezeichnet wird, ist im Eph bei der Nennung des Titels "Herr" an erster Stelle an Jesus Christus zu denken, sofern der Zusammenhang nicht einen Bezug auf Gott erkennen lässt.

Der Titel „Herr“ gibt ein Herrschaftsverhältnis an: Der „Herr“ herrscht über seine Diener/Sklaven, die ihm bedingungslos zu dienen haben. Im Römischen Reich galt der Sklave als Sache. Der „Herr“ konnte also am Sklaven Willkür walten lassen. Allerdings erscheint Jesus Christus (oder: Gott) nicht als ein willkürlicher „Herr“, sondern vielmehr als einer, der seinen Sklaven für ihren Dienst Heil zukommen lässt. Der Sklave/Diener Jesu Christi (oder: Gottes) gehört also zu den sozial privilegierten Sklaven/Dienern. Der Aspekt der Gegenseitigkeit, wie er für das römische Klientelverhältnis typisch ist, spielt eine entscheidende Rolle: Der „Herr“ übt über seine Untergebenen (= Klienten) Macht aus, ist zugleich aber deren Schutzherr. Die Untergebenen wiederum sind dem „Herrn“ dafür zum Dienst verpflichtet. Die Christen befinden sich demnach also in der machtvollen Heilssphäre Jesu Christi, dem sie untergeben sind und dienen.


Weiterführende Literatur:


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V. 18


Beobachtungen: Die Formulierung "mê methyskesthe oinô" ("betrinkt euch nicht mit Wein") findet sich auch in Spr 23,31LXX. Dieses kurze Zitat wie auch das Vokabular in Eph 5,15-20 weist auf weisheitliches Gedankengut in den Aussagen hin.


Der Verfasser des Eph mag heidnische Trinkgelage oder den Kult des Weingottes Dionysos im Blick haben, womit der Rausch durch Alkohol dem heidnischen Leben zugewiesen wird. Nun wäre zu erwarten, dass dem Rausch durch Alkohol die Nüchternheit gegenübergestellt wird, die typisch christlich wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Es geht also nicht um den Gegensatz Rausch - Nüchternheit. Ebenfalls geht es nicht um den Gegensatz Rausch durch Alkohol - Ekstase im Geist. Denn die Ekstase könnte ebenso wie der Rausch zu Zügellosigkeit führen, nur wäre es eine Zügellosigkeit im Sinne geistlichen Verlustes der Selbstkontrolle. Zügellosigkeit wird aber allein mit dem Rausch durch Alkohol in Verbindung gebracht. Der Alkohol mag zu geistlosem oder anzüglichem Geschwätz, zu sexueller Ausschweifung oder Vandalismus führen, die Erfüllung im Geist scheint in ihrer Wirkung damit nicht vergleichbar zu sein. Es kommt also kein ekstatischer Zustand in den Blick, kein Zungenreden und kein körperlicher Kontrollverlust. Insofern liegt der entscheidende Gegensatz wohl in der Gegenüberstellung von zweierlei verschiedenen Formen des Gefülltwerdens bzw. der Erfüllung. Der Wein füllt den Körper, führt aber zu einer Vernebelung des Verstandes und zu zügellosem Verhalten. Diese negative Veränderung führt dazu, was den Toren ausmacht: Der Mensch verliert seine Urteilsfähigkeit bezüglich rechten und falschen Redens und Handelns und benimmt sich infolgedessen daneben. Und weil sein Verstand vernebelt ist, ist er für äußere Einflüsse nicht mehr offen. Er hört nicht zu und nimmt nicht wahr und vermag aufgrund fehlenden klaren Verstandes auch nichts aufzunehmen und geistig zu verarbeiten. All dieses ist aber für eine christliche Existenz notwendig: Der Mensch muss der Predigt zuhören, den Inhalt des Evangeliums erfassen und auch so innerlich verarbeiten, dass er zum Glauben kommen kann. Er muss erkennen, was der Wille des "Herrn" ist, was falsches Reden und Verhalten ist und was rechtes. Auch muss er stets bereit sein, sein Reden und Verhalten zu überprüfen und bei Bedarf zu korrigieren. Und wenn der Geist im Leben wirken und den Menschen erfüllen soll, dann bedarf es der Offenheit für das Wirken des Geistes. Möglich ist, dass manche Adressaten all dies nicht ausreichend verinnerlicht hatten, sondern allgemein dem Alkohol zuneigten oder sich bei bestimmten Anlässen mit Alkohol berauschten. Ein solcher Anlass könnte das Abendmahl gewesen sein, das im frühen Christentum ein Gemeinschaftsmahl war und bei dem der Wein in Erinnerung an das Blut Christi eine besondere Rolle spielte. Allerdings weist der wenig vehemente Hinweis auf die mit dem Alkoholgenuss verbundene Gefahr der Zügellosigkeit darauf hin, dass nicht konkretes und aktuelles Fehlverhalten innerhalb der ephesinischen Gemeinde für die Aussagen des V. 18 entscheidend war, sondern die Aussagen grundsätzlicher zu verstehen sind: Christen sollen sich nicht wie Heiden verhalten, sondern einen christlichen Lebenswandel führen.


"Asôtia" bedeutet "Verschwendung", "Ausschweifung" oder "Zügellosigkeit". Trotz der Ähnlichkeit mit dem Begriff "sôtêria" ("Wohlergehen/Rettung") und der möglicherweise gleichen Wurzel dürfte "asôtia" aber nicht als Gegensatz zu "sôteria" zu verstehen und im Sinne von "Heillosigkeit" zu deuten sein.


Mit dem "Geist" dürfte wohl der heilige Geist gemeint sein, nicht der menschliche Geist. Die Formulierung "en pneumati" kann auf dreierlei Weise gedeutet werden: Zum einen kann sie "durch [den] Geist" bedeuten und zwar in dem Sinne, dass der Geist selbst in die Adressaten eintritt, sie füllt und schließlich erfüllt. Zum anderen kann sie in dem Sinne "durch [den] Geist" bedeuten, dass der Geist die wirkende Kraft ist, mittels derer die Adressaten erfüllt werden. Offen bliebe dann, wer oder was in die Adressaten eintritt, sie füllt und schließlich erfüllt. Es könnte an den Geist gedacht sein, aber auch an Gott (vgl. 3,19) oder Christus (vgl. 1,23; 4,10.13). Und schließlich kann gemeint sein, dass die Erfüllung im Wirkraum des Geistes erfolgt. "En pneumati" wäre dann mit "im Geist"zu übersetzen. Der Geist wäre dann die wirkende Kraft, die die Erfüllung bewirkt. Auch bei dieser Deutung bliebe offen, wer oder was in die Adressaten eintritt, sie füllt und schließlich erfüllt.

Sicher ist, dass die Adressaten sich nicht selbst aktiv erfüllen sollen, sondern sie sollen sich erfüllen lassen. Sie sollen also für das Handeln des Geistes (bzw. Gottes oder Christi) offen sein.


Weiterführende Literatur: Mit dem religionsgeschichtlichen Hintergrund von Eph 5,18-19 befasst sich S. E. Porter 2004, 68-80. Drei wesentliche Theorien seien bisher vorgebracht worden: a) Die beiden Verse seien vom dionysischen und bacchanalischen Kult beeinflusst. Die Trunkenheit aufgrund von Weingenuss sei von frühesten Zeiten an ein Merkmal des dionysischen Kultes gewesen. b) Die Verse seien auf dem Hintergrund eines Mahls zu verstehen, bei dem nicht nur gegessen worden sei, sondern auch getrunken, gesungen und diskutiert. c) Paulus moralisiere über das verwerfliche unmoralische Verhalten und das weise ordentliche Leben. S. E. Porter legt dar, dass Paulus vermutlich direkt auf den Einfluss des dionysischen Kultes in der Kirche von Ephesus antworte. Die dionysischen Kulthandlungen seien in Ephesus bekannt gewesen. Aus der Tragödie "Die Bakchen" des Dichters Euripides werde deutlich, dass die Sprache des dionysischen Kultes Ähnlichkeiten mit der Sprache des Paulus aufweist. Es sei durchaus möglich, dass ephesinische Gemeindeglieder weiterhin zu den dionysischen Festlichkeiten gingen oder zumindest versucht waren, wieder zu ihnen hinzugehen. Und schließlich spiegele die Musik, auf die Paulus in V. 19 zu sprechen komme, dionysische musikalische Rituale wider, die - auch wenn sie ursprünglich jüdisch gewesen seien - in der antiken Welt Ähnlichkeiten aufgewiesen hätten.


C. L. Rogers 1979, 249-257 macht als möglichen historischen Hintergrund von Eph 5,18 die Verehrung des Weingottes Dionysos aus. Die plötzliche Erwähnung der „Trunkenheit“ in diesem Vers werde seitens der Exegeten mal damit erklärt, dass es im privaten Leben der Christen verbreitet das Problem der Trunkenheit gegeben habe, mal damit, dass Christen mittels der Trunkenheit die Einheit mit der göttlichen Welt zu erlangen oder zu vertiefen versucht hätten, so wie es im Dionysos-Kult praktiziert worden sei. Beide Möglichkeiten kämen laut C. L. Rogers infrage. Paulus habe seine Aussage zwar auf dem Hintergrund des Dionysos-Kultes getätigt, sich damit aber nicht direkt gegen diesen gewandt. Seine Aussage sei zu allen Zeiten und in allen Kulturen gültig. Geistliche Stärke, Weisheit und göttliche Hilfe bei einem Gott gefälligen Leben ließen sich nur durch Geisterfüllung, nicht jedoch mit anderen Mitteln erreichen.

P. W. Gosnell 1993, 363-371 legt dar, dass die These, dass der Kontrast Trunkenheit – Erfüllung mit dem Geist einen Missbrauch des Herrenmahls für Trinkgelage (vgl. 1 Kor 11) im Blick habe, nicht überzeugen könne. Eine weitere nicht überzeugende These sei, dass es sich bei Eph 5,18 um sanfte Polemik gegenüber dionysischem ekstatischem Rausch bei nichtchristlichen Mählern handele. Es gebe überhaupt keinen offensichtlichen Hinweis auf einen Bezug von 5,18 auf Mahlzeiten. P. W. Gosnell untersucht die Verhaltensmuster bei verschiedenen geselligen Zusammenkünften der griechisch-römischen Welt. Von entscheidender Bedeutung sei die Beobachtung, dass einige Teilnehmer an besonderen Mählern die bei vollem Verstand geführte Diskussion der trunkenen Ausschweifung vorgezogen haben. Der Verfasser des Eph könne diese Position aufgenommen haben, dahingehend verändert, dass es ihm nicht um philosophische Gespräche ging, sondern um die Erfüllung mit dem Geist, die Menschen dazu bewegt, Gott zu verehren und Christus zu preisen. Trunkenheit werde mit Torheit und Sünde assoziiert, die zu Gottesverehrung und Lobpreis Christi führende Erfüllung mit dem Geist dagegen mit Weisheit und Gerechtigkeit. Diese Sichtweise beziehe sich auf alle Arten geselliger Zusammenkünfte. Dabei nehme der Verfasser des Eph allerdings an, dass sich die Adressaten regelmäßig im Zusammenhang mit Mählern versammeln.


Zur Bedeutung der Formulierung „plêrousthe en pneumati“ („lasst euch durch den / im Geist erfüllen“) siehe C. J. Collins 2007, 12-30. Anhand einer Untersuchung ähnlicher Formulierungen im lukanischen Geschichtswerk (Lukasevangelium und Apostelgeschichte) und in der Septuaginta (speziell Pentateuch) kommt er zu dem Ergebnis, dass sich Eph 5,18 auf die Gnadengaben beziehe, also auf die Aufgaben, die die Gemeindeglieder im Leib Christi, der Kirche, zu dessen Wohlergehen ausüben.


Die Aufforderung „lasst euch durch den / im Geist erfüllen“ werde laut T. G. Gombis 2002, 259-271 als Ermächtigung einzelner Gläubiger zu Nachfolge und Dienst verstanden. Allerdings müsse sie im Rahmen der gesamten Argumentation des Eph gelesen werden. Zunächst greift T. G. Gombis die Ansicht von A. J. Köstenberger 1997, 231-235 auf, wonach die Stoßkraft des Abschnittes 5,15-21 korporativ und nicht individualistisch sei. Wenn es um ein vom Geist erfülltes Geschehen gehe, dann gehe es um gemeinschaftliches Geschehen. Der Kontrast in Eph 5,18 werde laut T. G. Gombis meist so gedeutet, dass es sich um einen Kontrast Beherrschung durch Wein – Beherrschung durch den heiligen Geist handele. Dabei werde jedoch nicht deutlich gemacht, dass wir uns diesen Kontrast auf dem Hintergrund der beiden Lebensweisen der Finsternis und des Lichtes zu denken haben. Paulus (= der Verfasser des Eph) fordere seine Leser dazu auf, „Tempel Gottes“ oder „Wohnstatt Gottes durch den Geist“ auf Erden zu sein. Die nachfolgenden fünf Partizipien seien nicht als Aufzählung zu verstehen, was zur Erfüllung durch den heiligen Geist führt, sondern wodurch die Kirche ihrer Identität als „Tempel Gottes“ bzw. „Wohnstatt Gottes“ Ausdruck gibt.


J. P. Heil 2007, 506-516 stellt die Übersetzung „lasst euch mit dem Geist erfüllen“, wonach der Geist der Inhalt sei, mit dem die Adressaten gefüllt werden sollten, infrage. Wenn es sich um ein Verb des Füllens handele, dann sei zu erwarten, dass – statt eines Dativs - ein Genitiv folgt, der den Inhalt angibt. Darüber drücke nirgends im NT das Verb „plêroô“ mit der folgenden Präposition „en“ und einem Dativ einen Inhalt aus, der eingefüllt wird. Und schließlich: Wenn im Eph vom Füllen die Rede sei, sei als Inhalt an Gaben der Liebe Christi gedacht. Ebenso sei auch die Übersetzung „lasst euch durch den Geist erfüllen“, wonach der Geist als Mittler oder Instrument füllt, nicht richtig. Derjenige, der selbst oder als Mittler fülle, sei im Eph Christus. Wenn im Eph an den Geist als Mittler oder Instrument gedacht sei, dann werde die Präposition „dia“ („durch“) verwendet (vgl. 3,16). Insofern sei als Übersetzung „lasst euch in dem Geist erfüllen“ zu wählen. Die Zuhörerschaft solle gefüllt werden, Christus füllen und als zu füllender Inhalt sei an die Gaben der Liebe Christi gedacht. Die Präposition „en“ („in“) bezeichne den dynamischen Raum bzw. die dynamische Sphäre, die in der Gabe des Geistes begründet liege und durch sie geprägt sei.


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V. 19


Beobachtungen: Das Partizip "lalountes eautois" ("einander zuredend") kann auf vielerlei Weise übersetzt werden, nämlich mit "während ihr einander zuredet", mit "indem ihr einander zuredet", mit "sodass ihr einander zuredet" oder mit "redet einander zu!". Die erste Übersetzung sieht die Geisterfüllung und das gegenseitige Zureden als zeitgleiches Geschehen an. Die zweite Übersetzung sieht das gegenseitige Zureden als ein Mittel der Geisterfüllung an. Die dritte Übersetzung geht davon aus, dass das gegenseitige Zureden aus der Geisterfüllung folgt. Die vierte Übersetzung betont den auffordernden Charakter des Partizips, liest es also im Lichte der vorausgehenden Imperative.


Der Verfasser des Eph nennt in V. 19 - Kol 3,16 entsprechend - drei Arten von Liedern: psalmoi, hymnoi und ôdai pneumatikai. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint der Sachverhalt klar zu sein: psalmoi sind Psalmen, wie sie sich im AT finden, hymnoi sind Loblieder und ôdai pneumatikai geistliche Lieder, die nicht zu den atl. Psalmen, aber auch nicht zu den Lobliedern gehören. Bei genauerem Hinsehen gestaltet sich der Sachverhalt aber schwieriger:

So ist fraglich, ob es sich bei den „psalmoi“ tatsächlich um atl. Psalmen handelt. Der griechische Begriff scheint zwar darauf hinzuweisen, doch bedeutet er nichts weiter als „Lieder“, konkret: „Loblieder“. Diese können - dem atl. Psalm entsprechend - mit oder ohne Gesangsbegleitung auf einem Saiteninstrument gezupft oder auch unbegleitet gesungen werden. Sie können verständlich sein, aber auch unverständlich. In ersterem Fall würden sie den heutigen Kirchenliedern ähneln, in letzterem Fall (wie vermutlich in 1 Kor 14,15) der Zungenrede. Sie können lobpreisenden Charakter haben oder/und einem Gebet entsprechen. Der genaue Charakter der Lieder lässt sich also nicht sicher bestimmen. Damit bleibt auch offen, ob der Verfasser des Eph die uns bekannten atl. Psalmen oder andere, frühchristliche Lieder im Blick hat. Es ist auch möglich, dass die Christen es nicht bei den atl. Psalmen beließen, sondern auch neue schufen.

Auch bei den "hymnoi" handelt es sich um "Loblieder". Können diese deutlich von den "psalmoi" abgegrenzt werden oder ist die Abgrenzung unscharf? Eine deutliche Abgrenzung wäre, dass es sich bei den "hymnoi" um Loblieder handelt, die nicht zu den atl. Psalmen gehören. Verschwimmen tun die Grenzen aber, wenn man annimmt, dass neu geschaffene Psalmen nicht als "psalmoi" verstanden werden, sondern als "hymnoi". Dann würden nicht alle Psalmen als "psalmoi" bezeichnet, sondern nur diejenigen, die sich im AT finden. Eine klare Abgrenzung wäre ebenfalls nicht möglich, wenn man annimmt, dass "hymnoi" ein Oberbegriff für alle Loblieder ist, die Betonung also auf dem Lob liegt. In der griechischen Welt kann das Lob allen möglichen Göttern und Helden zukommen, wobei im Eph sicher das Lob des Gottes der Juden und Christen und/oder das Lob Jesu Christi im Blick ist. Auch unter den Psalmen finden sich Loblieder, so dass Psalmen zugleich "psalmoi" als auch "hymnoi" sein können. Der Begriff "psalmoi" könnte mehr auf die Form des Liedes oder auf die Verankerung des Liedes in der hebräischen Bibel (= AT) anspielen, der Begriff "hymnoi" dagegen mehr auf den lobpreisenden Inhalt.

Bei den "ôdai" handelt es sich um "Lieder". Dabei bleibt offen, um was für Lieder es sich handelt. Das Adjektiv "pneumatikai" sagt nur aus, dass diese Lieder geistlich, also vom heiligen Geist bewegt, sind. Geistlich dürften allerdings auch die "psalmoi" und "hymnoi" sein. Dementsprechend kann sich das Adjektiv "pneumatikai" auch auf "psalmoi" und "hymnoi" beziehen. Das Adjektiv steht im Dativ ("pneumatikais"), was zu den drei Dativen "psalmois", "hymnois" und "ôdais" passt. Die feminine Form passt nur zu "ôdais", nicht aber zu den Maskulina "psalmois" und "hymnois". Daraus lässt sich aber nur schließen, dass sich "pneumatikais" auf jeden Fall auf das unmittelbar vorhergehende Wort "ôdais" bezieht, mit dessen femininem Geschlecht es übereinstimmt. Ob es sich darüber hinaus auch auf "psalmois" und "hymnois" bezieht, bleibt offen. Gerade die Tatsache, dass bei den "psalmoi" und "hymnoi" eigentlich ohne nähere Bestimmung klar ist, dass es sich um geistliche Lieder handelt, lässt einen Bezug nur auf "ôdais" wahrscheinlicher erscheinen. Doch was sollen diese "geistlichen Lieder" sein? In der griechisch-römischen Welt bezeichnet der Begriff "ôdê" ein lyrisches oder poetisches Liedstück, das von einem Musikinstrument begleitet werden kann. Erneut stellt sich die Frage, ob der Verfasser des Eph deutlich abgrenzt oder ob es sich nicht vielmehr um eine unscharfe Abgrenzung handelt. Deutlich wäre die Abgrenzung, wenn es sich bei den "geistlichen Liedern" um geistliche Lieder handelt, die weder zu den Psalmen noch zu den Hymnen gehören. Dann würde sich die Frage aufdrängen, ob die Oden von einer bestimmten Form geprägt sind, also z. B. in Reimform verfasst, mit einem bestimmten Versmaß. Ebenso wäre zu fragen, ob diese Oden verständlich sind oder nicht. Aus Apg 2,1-4 und 1 Kor 14,15 geht hervor, dass sie durchaus wie Zungenrede unverständlich sein können. Unscharf wäre die Abgrenzung der "ôdai pneumatikai" von den "psalmoi" und "hymnoi", wenn es sich bei den "ôdai pneumatikai" ganz allgemein um geistliche Lieder handelt, die Betonung also auf der Geistbewegtheit liegt. Dann wäre auch ein zweimaliger begrifflicher Übergang vom Konkreten zum Allgemeinen zu erkennen, bei zweimaliger Verschiebung des Schwerpunktes. Am konkretesten wären die "psalmoi", die nur atl. (und vielleicht auch noch weitere) Psalmen umfassen. Die "hymnoi" wären Loblieder, die auch über die Psalmen hinausgehen können. Und die "ôdai pneumatikai" wären geistliche Lieder im weiten Sinn, zu denen aber auch die "psalmoi" und "hymnoi" gehören.


Es ist unklar, ob die Präposition "en" ursprünglich oder eine spätere Zufügung ist. Sowohl die Lesart mit der Präposition als auch die Lesart ohne ist gut bezeugt. Wenn die Präposition ursprünglich ist, so könnte sie im Zuge einer Angleichung des Textes an Kol 3,16 weggefallen sein. Wenn die Präposition eine spätere Zufügung ist, dann muss sie angesichts des hohen Alters eines Teiles der Textzeugen, der sie bietet, schon recht bald geschehen sein. Die Zufügung könnte der Verdeutlichung gedient haben, dass das Zureden mittels der Psalmen, Lobgesänge und geistlichen Lieder erfolgen soll. Die Präposition "en" hat nämlich instrumentale Bedeutung.


Die Mehrheit der Textzeugen bietet das Wort "pneumatikais" ("geistlichen"), allerdings schließt die Minderheit, die es nicht bietet, den sehr alten Papyrus 46 (um 200 n. Chr.) ein. Sowohl eine Zufügung des Wortes als auch eine Auslassung lassen sich begründen: Eine Zufügung könnte mit Blick auf Kol 3,16 geschehen sein, wo es sich findet. Eine Auslassung könnte damit zu erklären sein, dass die letzten drei Buchstaben des unmittelbar vorhergehenden Wortes "ôdais" mit denen des Wortes "pneumatikais" identisch sind. Beim Diktieren oder Abschreiben können die Augen also abgeirrt und versehentlich vom ersten zum zweiten Wort mit der gleichen Endung gesprungen sein, weshalb das erste übersehen wurde (Homoioteleuton). Die breite geographische Streuung der Textzeugen, die das Wort "pneumatikais" bieten, spricht für diese Annahme.


Die Adressaten sollen dem "Herrn" - erneut dürfte Christus eher als Gott im Blick sein - singen und spielen. Vom Spielen ist nur in Eph 5,19 die Rede, nicht aber in Kol 3,16. Vermutlich ist an instrumentales Spiel gedacht und es wird verdeutlicht, dass zur geistlichen Musik nicht nur Gesang gehört, sondern auch das Spiel auf Instrumenten. Die Psalmen, Lobgesänge und geistlichen Lieder können also gesungen worden sein, aber auch gesungen worden und zugleich instrumental begleitet worden sein. Dass sie nur mit Instrumenten gespielt wurden, ist unwahrscheinlich, weil sie zugeredet wurden oder mit ihnen zugeredet wurde.


Was ist mit "einander zureden" gemeint? Drei Aspekte sind zu bedenken: Der erste Aspekt ist der Wechselgesang. So können die einzelnen Verse oder Strophen von verschiedenen Teilen der Gottesdienstbesucher gesungen worden sein. Der gerade singende Teil hätte jeweils dem gerade schweigenden Teil bzw. den gerade schweigenden Teilen "zugeredet". Als zweiter Aspekt ist der inhaltliche zu nennen. So wird in Kol 3,16 zur Lehre und zum gegenseitigen Ermahnen aufgefordert. Der Verfasser des Eph, der zu uneindeutigen Formulierungen neigt, könnte das Lehren und gegenseitige Ermahnen mitgemeint, dabei allerdings mittels einer uneindeutigen Formulierung weiteren Deutungen Raum gelassen haben. Aber nicht nur Kol 3,16 und Eph 5,19 sind in einem engen Zusammenhang zu sehen, sondern auch die beiden Hälften von Eph 5,19. So ist - dies ist der dritte Aspekt - das Zureden im Lichte des Singens und Spielens zu verstehen. Alle diese drei Aspekte zusammengenommen ergibt sich folgende Deutung: Mit dem gegenseitigen Zureden ist zugleich der Wechselgesang, das Lehren und gegenseitige Ermahnen und der Gesang und das instrumentale Spiel gemeint. All dies geschieht für den "Herrn", also dem "Herrn" zum Lob und zur Ehre.


Die Adressaten sollen dem "Herrn" mit ihrem Herzen singen. Das Herz zeigt die Innerlichkeit, die Inbrunst des Gesangs und Spiels an. Anders als Kol 3,16 bietet Eph 5,19 nicht "en tais kardiais hymôn" ("aus vollem Herzen"; wörtlich: "in euren Herzen"), sondern "tê kardia hymôn" ("mit eurem Herzen"), wobei jedoch einige Textzeugen an Kol 3,16 angleichen.


Weiterführende Literatur: Zum geistlichen Gesang im Rahmen der Erkenntnis, was der Wille des „Herrn“ ist, und als Resultat der Erfüllung mit dem Geist siehe F. S. Malan 1998, 517-519.

Gemäß C. N. Huizenga 1980, 746-748 ermutige Paulus in V. 19-20 die Gläubigen, miteinander auf geistliche Weise zu kommunizieren, und zwar in poetischer und musikalischer Form, gesprochen oder gesungen. Diese geistliche Kommunikation sei ein Hinweis auf die Erfüllung mit dem Geist und drücke Freude aus und Dankbarkeit für Gottes Gnade. Damit unterscheide sie sich fundamental von dem Gegröle Betrunkener.


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V. 20


Beobachtungen: Das Partizip "eucharistountes" ("dankend") ist das vierte einer Reihe von fünf Partizipien in V. 19-21, die in einem engen Zusammenhang stehen und für die allesamt die Deutungen möglich sind, die in den Beobachtungen zu V. 19 zum Partizip "lalountes eautois" ("einander zuredend") aufgeführt sind.


Die Satzstellung des V. 20 im Altgriechischen weicht deutlich von der im Deutschen üblichen ab. So heißt es im Altgriechischen wörtlich: "... indem ihr allezeit für alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus dem Gott und Vater dankt."


Gott wird als "Vater" bezeichnet, wobei unklar ist, ob er hier als Vater Jesu Christi gesehen wird oder als Vater der Christen. Beide Bedeutungen klingen an.


Der Genitiv "pantôn" kann ein Maskulinum oder ein Neutrum sein, sich also auf Menschen oder auf Dinge beziehen. Die Formulierung "hyper pantôn" kann also mit "für alle" oder mit "für alles" übersetzt werden. Da hier nichts darauf hinweist, dass sich der Dank nur auf Menschen beziehen soll, ist die Übersetzung "für alles" vorzuziehen (vgl. Kol 3,17).

Die Formulierung "allezeit für alles" macht deutlich, dass der Dank vollumfänglich sein soll. Zum einen soll er zu jedem beliebigen Zeitpunkt erfolgen. Zum anderen soll er aber auch alles umfassen. Es geht also um eine Grundhaltung, die die christliche Existenz ganz und gar prägen soll.


Die Formulierung "im Namen unseres Herrn" ist aus dem AT bzw. der Septuaginta übernommen und der Titel "Herr" auf Jesus Christus hin gedeutet. Es geht nicht darum, dass eigentlich Jesus Christus dem Gott dankt und die Christen dies nur stellvertretend für Jesus Christus tun, weil dieser abwesend und/oder selbst dazu nicht in der Lage ist. Vielmehr geht es darum, dass der Dank im Lichte des mit Christus verbundenen Heilsgeschehens erfolgt. Jesus Christus ist der "Herr" der Christen und prägt somit ihr ganzes Leben. Kurz: Ohne Jesus Christus wäre der Dank nicht möglich.


„Christus“ ist nicht ein Name im Sinne eines Vor- oder Nachnamens, sondern ein Heilstitel. „Christus“ bedeutet „Gesalbter“ (griechisch: „christos“). Im AT werden Könige, Priester, Propheten und auch kultische Gegenstände gesalbt. Durch die Salbung mit dem Salböl werden sie der rein profanen Welt enthoben und in den Dienst Gottes gestellt, womit sie in die Sphäre des Heils treten. Wenn Jesus als „Christus“ bezeichnet wird, dann wird er als Heilsbringer (Messias, hebr.: māschiaḥ) verstanden. Jesus Christus ist gemäß dem Verfasser des Eph insbesondere deshalb Heilsbringer, weil er für die Menschen gestorben und von den Toten auferstanden ist. Er bewirkt Sündenvergebung und ewiges Leben.


Weiterführende Literatur: Laut A. Ruck-Schröder 1999, 100-101 erwähne der Verfasser des Eph den "Namen" zwar nur an zwei Stellen (1,21; 5,20), spreche von diesem hier aber ausgesprochen pointiert. Zu 5,20: Indem die Gemeinde Christus als den "Herrn" bekenne und darin den Namen Christi zur Sprache bringe, lobe und danke sie Gott.


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V. 21


Beobachtungen: Das Ende des Abschnittes 5,14-20/21 ist fließend. Einerseits ist V. 21 durch das letzte von fünf Partizipien eng mit 5,15-20 verbunden und setzt grammatisch nahtlos die V. 19-20 fort, andererseits gehört V. 21 thematisch aber schon zur christlichen Haustafel 5,21-6,9. Diese thematische Zugehörigkeit geht aus dem Verb "unterordnen" hervor. Unterordnung wird in der christlichen Haustafel verlangt.


Die Formulierung "Furcht Christi" ist nicht so gemeint, dass sich Christus fürchtet. Vielmehr sollen die Adressaten Christus fürchten. Das bedeutet aber wohl nicht, dass die Adressaten vor Christus Angst haben sollen. Vielmehr geht es um Ehrfurcht gegenüber Christus, die aus der Verehrung herrührt. Diese ist geboten, weil Christus der "Herr" ist (vgl. Beobachtungen zu V. 17). Möglicherweise klingt auch das Jüngste Gericht an, bei dem Christus über die Menschen und ihre Taten richtet. Zwar kommt ein solches im Eph nur am Rande zur Sprache, doch zeigt die Rede vom Zorn Gottes, der über die "Kindes des Ungehorsams" kommt, dass das Heil zwar gegenwärtig, aber keinesfalls vollständig gesichert ist. Wer nicht an Christus glaubt und/oder sich unchristlich verhält, muss tatsächlich den Zorn Gottes fürchten.

Eine Variante liest "Furcht Gottes" statt "Furcht Christi". Sie mag damit zu begründen sein, dass der Zorn Gott zugeschrieben wird (vgl. 5,6). Somit wäre eigentlich anzunehmen, dass "Furcht Gottes" und nicht "Furcht Christi" gefordert ist. Die Variante "Furcht des Herrn" behält den Sinn der ursprünglichen, von Nestle-Aland, 27. Aufl. gebotenen Textfassung bei, bezieht jedoch auch den Zorn Gottes ein, denn der Titel "Herr" kann sowohl auf Christus als auch auf Gott bezogen werden. Gemäß dieser Variante sind also sowohl die "Furcht Christi" als auch die "Furcht Gottes" gefordert. Weitere Varianten lesen "Furcht Jesu Christi" oder "Furcht Christi Jesu", was aber mit "Furcht Christi" gleichbedeutend ist.


Weiterführende Literatur: G. Pella 1985, 3-20 befasst sich mit 1 Kor 11,2-16 und Eph 5,18-33 und geht folgenden Fragen nach: Wie ist die Darstellung des Mannes als „Haupt“ der Frau zu verstehen und wie die Aufforderung an die Frau, sich ihrem Mann unterzuordnen? Haben die Texte uns in der heutigen Zeit noch etwas zu sagen? Und wenn wir sie ernst nehmen, wie können sie durch uns Gestalt annehmen? Außerdem behandelt G. Pella theoretische Aspekte der Auslegungsmethodik.


B. Fiore 1998, 157-172 legt dar, dass umstritten sei, ob die „Haustafel“ in V. 21 oder V. 22 beginnt. B. Fiore versteht V. 21 als den Rahmen der Anweisungen an die Ehemänner und Ehefrauen.

Ausführlich mit der Frage nach dem Beginn der „Haustafel“ befasst sich B. L. Merkle 2017, 179-192. Bei der Verbform „hypotassomenoi“ handele es sich um ein adverbiales Partizip, das genaugenommen mit „unterordnend“ zu übersetzen sei. Folglich sei V. 21 klar mit dem Vorhergehenden verbunden. Dennoch gingen verschiedene Textausgaben und Übersetzungen von einer Zäsur vor V. 21 aus. B. L. Merkle geht den Argumenten für eine Zäsur vor V. 21 und den Argumenten für eine Zäsur nach V. 21 nach. Ergebnis: V. 21 sei sowohl mit dem Vorhergehenden als auch mit dem Folgenden eng verbunden und habe die Funktion eines Scharniers. Eine klare Entscheidung im Sinne des entweder oder sei nicht möglich und auch nicht angemessen. Betrachte man aber die Grammatik und den Satzbau, so erscheine V. 21 enger mit dem Vorhergehenden verbunden. V. 21 solle daher nicht mittels der Zeichensetzung vom Vorhergehenden getrennt werden.


L. Rayan 2009, 23-47 geht der Frage nach, was mit der „gegenseitigen Unterordnung“ gemeint ist. Dazu untersucht er die Bedeutung von „hypotassomenoi“ („unterordnen“) und „allêlois“ („gegenseitig“). Das Partizip „hypotassomenoi“ sei in V. 21 kein Passiv, sondern ein Medium. Es drücke aus, dass die Handlung für die handelnde Person zum Vorteil ist und wohlüberlegt erfolgt. Mann und Frau seien in der ehelichen Gemeinschaft – auf diese beziehe sich V. 21 - als gleichberechtigte Partner gedacht, ohne Überordnung oder Unterordnung im hierarchischen Sinn. Sie ordneten sich gegenseitig zu ihrem eigenen Vorteil und wohlüberlegt unter.



Literaturübersicht


Auer, Alfons; "Kaufet die Zeit aus!" Zeitsouveränität als Ermöglichung erfüllten Menschseins, in: J. J. Degenhardt [Hrsg.], Die Freude an Gott – unsere Kraft, FS. O. B. Knoch, Stuttgart 1991, 439-444

Baumert, Norbert; Antifeminismus bei Paulus? Einzelstudien (FzB 68), Würzburg 1992

Collins, C. John; What Does plêrousthe en pneumati Mean?, Pres 33/1 (2007), 12-30

Fiore, Benjamin; Household Rules at Ephesus: Good News, Bad News, No News, Proceedings EGL & MWBS 18 (1998), 157-172

Gombis, Timothy G.; Being the Fullness of God in Christ by the Spirit: Ephesians 5:18 in Its Epistolary Setting, TynB 53/2 (2002), 259-271

Gosnell, Peter W.; Ephesians 5:18-20 and Mealtime Propriety, TynB 44/2 (1993), 363-371

Heil, John Paul; Ephesians 5:18b: "But Be Filled in the Spirit", CBQ 69/3 (2007), 506-516

Huizenga, C. Nolan; A Biblical "Tune-up" for Hymn Singing, ChrTo 24/12 (1980), 746-748

Köstenberger, Andreas J.; What Does it Mean to be Filled with the Spirit? A Biblical Investigation, JETS 40/2 (1997), 229-240

Malan, F. S.; Church Singing According to the Pauline Epistles, Neotest. 32/2 (1998), 509-524

Merkle, Benjamin L.; The Start of Instruction to Wives and Husbands - Ephesians 5:21 or 5:22?, BS 174/694 (2017), 179-192

Merklein, Helmut; Eph 4,1-5,20 als Rezeption von Kol 3,1-17 (zugleich ein Beitrag zur Pragmatik des Epheserbriefes), in: P.-G. Müller, W. Stenger [Hrsg.], Kontinuität und Einheit, FS F. Mußner, Freiburg i. Br. – Basel – Wien 1981, 194-210

Pella, Gérard; Voile et soumission? Essai d’interprétation de deux textes pauliniens concernant le statut de l’homme et de la femme, Hok 30 (1985), 3-20

Porter, Stanley E.; Ephesians 5.18-19 and its Dionysian Background, in: J. Mrázek et al. [eds.], Testimony and Interpretation, London 2004, 68-80

Rayan, Louis.; Be Subject to One Another out of Reverence for Christ (Eph 5:21), Indian Theological Studies 46/2 (2009), 23-47

Rogers, Cleon L.; The Dionysian Background of Ephesians 5:18, BS 136 (1979), 249-257

Ruck-Schröder, Adelheid; Der Name Gottes und der Name Jesu: eine neutestamentliche Studie (WMANT 80), Neukirchen-Vluyn 1999

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