1 Tim 3,8-13
Übersetzung
1 Tim 3,8-13 : 8 Ebenso [müssen] Diakone ehrbar [sein], nicht doppelzüngig, nicht vielem Weingenuss ergeben, nicht gewinnsüchtig. 9 Und sie [müssen] das Geheimnis des Glaubens mit reinem Gewissen bewahren. 10 Auch sollen sie zuerst geprüft werden, und wenn sie untadelig sind, sollen sie ihren Dienst ausüben. 11 Ebenso [müssen] Frauen ehrbar [sein], nicht verleumderisch, nüchtern, zuverlässig in allen Dingen. 12 Diakone sollen jeder Mann einer einzigen Frau sein und [ihren] Kindern und ihrem eigenen Haus gut vorstehen. 13 Diejenigen nämlich, welche ihren Dienst gut verrichtet haben, erwerben sich gutes Ansehen und großen Freimut im Glauben an Christus Jesus.
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Beobachtungen: Nachdem „Paulus“ den „Timotheus“ ermahnt hat, in Ephesus zu bleiben und die Irrlehren zu unterbinden (1,3-20), kommt er in 2,1-3,16 auf die Ordnung der Gemeinde zu sprechen. Zunächst befasst er sich mit dem Gebet (2,1-7), dann geht er – bei schleichendem Übergang - auf das rechte Verhalten von Männern und Frauen in der Gemeinde ein (2,8-15). In 3,1-13 kommt er nun auf die Gemeindeämter „Aufseher/Bischöfe“ (3,1-7) und Diakone (3,8-13) zu sprechen.
„Doppelzüngig“ ist ein Mensch, der verschiedenen Menschen gegenüber einen Sachverhalt unterschiedlich darstellt. Wir haben davon auszugehen, dass „Paulus“ Dinge im Blick hat, die den Glauben betreffen. Insofern könnte z. B. gemeint sein, dass ein doppelzüngiger Diakon einem Christen gegenüber sagt, dass der Mensch durch Christi Kreuzestod und Auferstehung vor dem ewigen Tod gerettet wird, sofern er daran glaubt. Einem Heiden gegenüber könnte er sagen, dass Christi Kreuzestod und Auferstehung zwar diejenigen Menschen rettet, die daran glauben, andere Menschen jedoch auch durch einen anderen Glauben zum Heil geführt werden können. Ersterem Menschen gegenüber würde er von der Notwendigkeit des christlichen Glaubens für das Heil ausgehen, letzterem Menschen gegenüber würde er davon ausgehen, dass der christliche Glaube für das Heil nicht unbedingt nötig ist.
Das Adjektiv „aischrokerdês“ bedeutet wörtlich „nach schändlichem Gewinn strebend“. Dabei stellt sich die Frage, ob es neben dem „schändlichen Gewinn“ auch einen Gewinn gibt, der nicht schändlich ist. Ein Unternehmer muss Gewinn machen, wenn er ein Einkommen erzielen und seine Arbeitskräfte bezahlen können will. Aber ein Diakon ist kein Unternehmer. Allerdings ist unklar, ob er von der Gemeinde bezahlt bzw. unterhalten wird und finanziell abgesichert ist. Dann könnte erwartet werden, dass er nicht zusätzlich noch Geld verdient. Sofern der Diakon aber für seinen Dienst kein oder wenig Geld bekommt und somit auch nicht abgesichert ist, wäre davon auszugehen, dass er zumindest einen Teil des Einkommens hinzuverdient. Das würde dann auch von ihm erwartet. Auch Paulus hat sich mindestens teilweise von seiner eigenen Hände Arbeit ernährt, folglich Gewinn gemacht (vgl. 1 Kor 4,12, Apg 20,33-35).
Weiterführende Literatur: Mit den Lasterkatalogen in den Pastoralbriefen befasst sich R. F. Collins 2011, 7-31. Bei dem Lasterkatalog handele es sich um eine literarische Form, die oft von den antiken Moralphilosophen – insbesondere von den Stoikern und Kynikern - verwendet worden sei. Der Lasterkatalog zähle eine Vielzahl von Lastern auf, um diejenigen zu diskreditieren, deren Lebensstil die Moralphilosophen kritisierten. Auch in den Pastoralbriefen fänden sich Lasterkataloge (1 Tim: 5; 2 Tim: 1; Tit: 2). Entscheidend sei die Wirkung der gesamten Aufzählung, nicht die Bedeutung einzelner Laster. Von den vielen in den Pastoralbriefen aufgezählten Lastern handelten nur zwei von der Sexualität. Diese würden jeweils nur einmal erwähnt. Die Verfasser der Pastoralbriefe seien mehr an persönlichen Qualitäten als an abstrakten moralischen Aspekten interessiert. Meist seien die Laster als Adjektive oder Partizipien formuliert, seltener als Nomen.
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Beobachtungen: Die Formulierung „Geheimnis des Glaubens“ erstaunt. Immerhin sind doch bereits zur Zeit der Abfassung des 1 Tim viele Menschen zum christlichen Glauben gekommen. Daher haben wir vermutlich nicht davon auszugehen, dass der Glaube an sich ein Geheimnis ist. Vielmehr dürfte es so sein, dass der Inhalt des Glaubens ein Geheimnis ist – „Geheimnis“ nicht insofern, dass niemand den Inhalt des Glaubens weiß, sondern insofern, dass ihn niemand ganz zu erfassen mag. Der Inhalt des Glaubens, das Evangelium, ist zwar gepredigt worden und wird weiterhin gepredigt, jedoch nur insofern, wie ihn der Mensch erfassen kann. Aber Gott bzw. Jesus Christus ist nicht nur Angelegenheit des intellektuellen Verstehens, sondern geht über intellektuelles Verstehen hinaus. Auch wenn die Christen intellektuell das Wesentliche des Glaubens erfasst haben, haben sie den gesamten Glauben in seiner vollständigen Dimension noch nicht erfasst. Kreuzigung, Auferstehung von den Toten und stellvertretende Sündenvergebung sind nicht in Gänze rational erfassbar, weil sie dem, was der Mensch gemeinhin für vernünftig hält, widersprechen. Eine Unterscheidung zwischen besonders erleuchteten Christen und „normalen“ Christen sowie Nichtchristen macht „Paulus“ nicht. Der „Glaube“ ist also für alle Menschen ein „Geheimnis“.
Wenn die Diakone das „Geheimnis des Glaubens bewahren“ sollen, dann bedeutet das sicherlich nicht, dass sie ihren Glauben verheimlichen und nicht über die Inhalte des Glaubens sprechen sollen. Sicherlich bedeutet das auch nicht, dass sie allen sagen sollen, dass das Evangelium kompliziert ist und man sich daher besser nicht damit befassen sollte. Vielmehr werden wir bei der Deutung der Formulierung auf die richtige Fährte geführt, wenn wir uns bewusst machen, dass es „Paulus“ in besonderem Maße darauf ankommt, dass das Evangelium zu einen richtig, d. h. im Sinne des Apostels Paulus, gelehrt wird, und zum anderen die Amtsinhaber sich dem Evangelium entsprechend verhalten. Wenn die Diakone das „Geheimnis des Glaubens bewahren“ sollen, mag das Folgendes bedeuten: Erstens sollen sie sich bewusst sein, dass sich das Evangelium nie vollständig mit dem Intellekt erfassen lässt. Zweitens sollen ihre Aussagen zum Evangelium und zum Glauben an das Evangelium an der rechten paulinischen Lehre orientieren. Sie sollen also nicht Irrlehren verbreiten. Und drittens sollen sie sich so verhalten, dass es das Evangelium in der Tiefe seiner Bedeutung widerspiegelt. Sie sollen also nicht einfach nur das Evangelium oberflächlich intellektuell erfassen und ansonsten mehr oder weniger weltlich leben. Es geht um ein wahrhaft christliches Verhalten im Lichte der ganzen, nicht vollständig intellektuell erfassbaren Dimension des Glaubens. Wer all dies beherzigt, kann ein „reines Gewissen“ haben. „Reines Gewissen“ bedeutet wohl dem Grunde nach „gutes Gewissen“. Allerdings dürfte der Formulierung noch stärker der Gedanke der Heiligkeit zugrunde liegen, der eng mit der Reinheit verbunden ist.
Weiterführende Literatur: In der Forschung herrsche gemäß G. S. MaGee 2008, 247-265 weitgehender Konsens, dass Paulus den Begriff „mystêrion“ („Geheimnis“) dann benutze, wenn er die einstige Verborgenheit von der jetzt enthüllten Rettung in Christus unterstreichen will. In 1 Tim 3,9.16 sei die genaue Bedeutung jedoch unklar, was damit zusammenhänge, dass der Begriff hier in einem Wortumfeld auftauche, zu dem es keine enge Parallele in Paulus’ anderen Schriften gibt. Dies habe manche Ausleger zu der Annahme geführt, dass hier eine besondere Verwendung des Begriffs „mystêrion“ vorliege. G. S. MaGee macht jedoch deutlich, dass dies nicht der Fall sei.
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Beobachtungen: „Kai houtoi“ am Anfang von V. 10 kann auf zweierlei Weise übersetzt werden. Die erste Übersetzungsmöglichkeit ist „auch sollen sie“. Sie geht davon aus, dass V. 10 die Anordnungen zu den Diakonen fortsetzt, also eine neue Anordnung zu den in V.8-9 genannten hinzufügt. Die zweite Übersetzungsmöglichkeit ist „auch sie sollen“. Sie geht davon aus, dass auch die Bischöfe zuerst geprüft werden sollen. Allerdings war in den Ausführungen zu den Bischöfen (3,1-7) nicht von einer Prüfung die Rede, auch wenn eine solche durchaus nahe liegend wäre. Das spricht für erstere Übersetzung. Allerdings ist durchaus möglich, dass V. 10 etwas nachschiebt, was in V. 1-7 versehentlich oder absichtlich nicht zur Sprache gekommen ist. Deshalb ist auch die zweite Übersetzung nicht ausgeschlossen. Wie die Prüfung erfolgen soll, bleibt offen. Ebenso bleibt offen, durch wen die Prüfung erfolgen soll.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Was für Frauen sind gemeint? Zunächst einmal ist an die Frauen der Diakone zu denken. Für diese Annahme spricht, dass in V. 12 wieder ausdrücklich von den Diakonen die Rede ist und die Diakone ausschließlich Männer zu sein scheinen. Der Zusammenhang legt nahe, dass wir es mit Frauen zu tun haben, die den Diakonen zugeordnet sind, also mit Ehefrauen. Dass „Paulus“ Anordnungen zu den Ehefrauen der Diakone für nötig hält, zeigt, welch großes Gewicht „Paulus“ der geordneten und wohlgesitteten Hausgemeinschaft beimisst. Die Ehefrauen der Diakone sollen einen ebenso vorbildlichen Lebenswandel wie ihre Ehemänner führen. Nun verwundert aber, warum „Paulus“ nicht „Ebenso [müssen] ihre Frauen ehrbar [sein]“ schreibt. Es wäre ein Leichtes gewesen, mittels des Possessivpronomens „ihre“ deutlich zu machen, dass von den Frauen der Ehemänner die Rede ist. Dass „Paulus“ diese nahe liegende Möglichkeit nicht genutzt hat, weist darauf hin, dass es ihm entweder nicht ausschließlich um die Ehefrauen der Diakone geht oder er eine Forderung aufgegriffen hat, die sich ursprünglich nicht auf die Ehefrauen der Diakone bezogen hat. „Paulus“ kann alle Frauen meinen, hier jedoch durch den Zusammenhang zu erkennen geben, dass er die Anordnung V. 11 in erster Linie auf die Ehefrauen der Diakone bezieht. „Paulus“ kann die Anordnung selbst ersonnen und formuliert haben. Er kann sie aber auch vorgefunden und in seinen Text eingebaut haben. Es ist durchaus möglich, dass V. 11 formuliert, was im Römischen Reich in der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. als Frauenideal galt. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Formulierung durchschimmern lässt, dass Frauen das Diakonenamt oder ein anderes Gemeindeamt ausüben konnten. V. 11 wäre dann eine Anordnung an Diakoninnen (oder Inhaberinnen eines anderen Gemeindeamtes) oder ursprünglich eine Anordnung an Diakoninnen (oder Inhaberinnen eines anderen Gemeindeamtes) gewesen. Dass Frauen in der Frühzeit der Kirche Diakoninnen sein konnten, beweist die Diakonin Phöbe. Sie wird in Röm 16,1 ausdrücklich als „diakonos“ bezeichnet. Im Hinblick auf 1 Tim 3,11 ist das nicht nur deshalb von großem Interesse, weil damit belegt ist, dass Frauen Diakoninnen sein konnten, sondern auch deshalb, weil die Frauen nicht separat hätten genannt werden zu brauchen. „Diakonos“ kann dem Grunde nach eine Frau oder ein Mann sein. Warum also die Nennung von Diakoninnen als eigene Gruppe? Warum die vage Bezeichnung „Frauen“ für diese Gruppe? Ist „Frauen im Diakonenamt“ gemeint? Dann würde sich die Frage stellen, warum plötzlich das Geschlecht so eine große Rolle spielt, nachdem „Paulus“ vorher allgemein von „Diakonen“ gesprochen hat. Liegt der Grund darin, dass V. 12 nur noch männliche Diakone im Blick hat? Angesichts der Tatsache, dass in V. 12 die Ehefrauen der Diakone als „Frauen“ („gynaikes“) bezeichnet werden, ist „Frauen“ („gynaikes“) eine äußerst ungünstige Bezeichnung für weibliche Diakone. Dass „Paulus“ mit den „Frauen“ in V. 11 „Frauen im Diakonenamt“ meint, ist unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass die Ehefrauen der Diakone gemeint sind. Es kann aber zur Zeit der Abfassung des 1 Tim durchaus (noch) Frauen im Diakonenamt gegeben haben. Das mag aber nicht im Sinne des „Paulus“ gewesen sein, der um ein hohes Maß an Anpassung des Christentums an die nichtchristlichen gesellschaftlichen Konventionen bemüht gewesen sein dürfte. Mit dem Ideal des geordneten römischen „Hauses“ und der Unterordnung der Frauen vor Augen, konnte er ein entsprechendes allgemeines Frauenideal des 1. Jh. n. Chr. oder eine bereits kursierende Anordnung, die die Frauen im Diakonenamt betraf, leicht auf die Ehefrauen der Diakone beziehen. V. 11 würde demnach widerspiegeln, dass es bezüglich der Stellung der Frau in Gesellschaft und Gemeinde durchaus verschiedene Ansätze und Meinungen gab und der 1 Tim eine Tendenz aufgreift und verstärkt, die die Frau im gesellschaftlichen und gemeindlichen Leben zurückzudrängen suchte.
„Diabolos“ ist hier ein Adjektiv. Es ist also nicht der Teufel gemeint, sondern eine Eigenschaft, die auch dem Teufel zugeschrieben wird. „Diabolos“ bedeutet „verleumderisch“ oder „gehässig“. Die „Frauen“ sollen also nicht „verleumderisch“ bzw. „gehässig“ sein. Wer einen anderen Menschen verleumdet, bringt nicht aus der Wahrheitsliebe heraus Beschuldigungen hervor. Es geht nicht darum, schlechtes Verhalten anzuprangern und ans Licht zu bringen, um so gutes Verhalten zu befördern. Vielmehr geht es darum, der verleumdeten Person zu schaden. Gehässigkeit ist also die Antriebsfeder.
„Nêphalios“ bedeutet „nüchtern“. „Nüchtern“ kann im Sinne der Enthaltung von Alkohol gemeint sein, aber auch die geistige Klarheit meinen, die eng mit der Enthaltung von Alkohol zusammenhängt. Auch der Bischof soll „nüchtern“ sein (vgl. 3,2). Auch wenn bezüglich der Diakone das Adjektiv „nêphalios“ nicht verwendet wird, wird auch von ihnen Nüchternheit gefordert. Sie sollen nämlich nicht vielem Weingenuss ergeben sein (vgl. 3,8).
Das Adjektiv „pistos“ kann „gläubig“, „treu“ oder „zuverlässig“ bedeuten. Hier liegt die Bedeutung „zuverlässig“ vor. Die Frauen sollen in allen Dingen zuverlässig sein. Es soll auf sie Verlass sein, was immer sie auch tun. Dies kann man auf Tätigkeiten im Rahmen der Hauswirtschaft und Hausgemeinschaft beziehen, die „Paulus“ ja so wichtig sind, aber auch auf Tätigkeiten im Rahmen eines Gemeindeamtes. Auch wenn „gläubig“ und „treu“ hier nicht die vorrangigen Bedeutungen sind, heißt das nicht, dass sie überhaupt nicht im Blick sind. Im Gegenteil: Wir haben davon auszugehen, dass die Frauen auch gläubig und treu sein sollen. „Paulus“ dürfte Frauen im Blick haben, die gläubig sind, ihrem Ehemann treu und außerdem die Hauswirtschaft voll und ganz im Griff haben. Man soll also in jeder Hinsicht auf diese Frauen vertrauen können, gleich ob hinsichtlich des christlichen Glaubens, der ehelichen Treue oder der Ausübung von Tätigkeiten im Rahmen des „Hauses“.
Weiterführende Literatur: Robert M. Lewis 1979, 167-175 gibt einen Überblick über die bisher vorgebrachten Deutungen der Bezeichnung „Frauen“ in 1 Tim 3,11: a) Ehefrauen der Diakone; b) Diakoninnen; c) unverheiratete Assistentinnen der Diakone. R. M. Lewis hält Deutung c für am wahrscheinlichsten. Aber warum sollte Paulus nur unverheirateten Frauen erlauben, den Diakonen zu assistieren? Darüber lasse sich nur spekulieren, jedoch seien folgende Gründe zu erwägen: Der Dienst verheirateter Frauen sei auf das Haus fokussiert gewesen, nicht auf außerhäusliche Tätigkeiten. Ihre häuslichen Pflichten hätten ihnen nicht erlaubt, außer Haus den Diakonen zu assistieren. Die unverheirateten Frauen hätten ihre ganze Aufmerksamkeit dem kirchlichen Assistenzdienst schenken können.
Gemäß J. H. Stiefel 1995, 442-457 sprächen sowohl der Inhalt als auch die Struktur des Abschnittes 1 Tim 3,8-13 für die Annahme, dass es sich bei den „Frauen“ um Diakoninnen handelt, also um Frauen, die ihren Dienst kollegial mit Männern verrichteten. Aufgrund der unklaren Bezeichnung, die verschiedene Deutungen erlaube, lasse sich diese Annahme jedoch nicht sicher belegen.
Laut U. Wagener 2004, 82-85 setze der Verfasser des 1 Tim Diakoninnen voraus, ohne dass er ein positives Interesse an ihnen hätte.
M. Villalobos Mendoza 2014, 186-188 sieht in 1 Tim 3,11 einen Sinneswandel seitens des Verfassers der Pastoralbriefe. Er gebe keine restriktiven Anweisungen mehr, sondern akzeptiere und legitimiere die Dienste der Frauen. Dabei scheine er die weiblichen Diakone in einem besseren Licht als männliche Diakone und sogar in einem besseren Licht als Bischöfe und Älteste zu sehen. Er verlange von den weiblichen Diakonen dieselben Qualifikationen wie von den männlichen Diakonen. Der Dienst der Frauen werde also nicht über das Geschlecht und die zugehörigen Rollenerwartungen definiert, sondern über ihre Fähigkeit, ihre Körper im Griff zu haben, und über ihren Willen, der Gemeinschaft zu dienen. Wir wüssten zwar nicht, was die weiblichen Diakone taten, aber vermutlich hätten sie das Gleiche wie die männlichen Diakone getan.
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Beobachtungen: V. 12 geht von ausschließlich männlichen Diakonen aus. Das bedeutet nicht unbedingt, dass Frauen das Amt grundsätzlich verwehrt ist. Vielmehr spiegelt das antike gesellschaftliche Gepflogenheiten wieder und wohl auch die männerzentrierte Tendenz der Pastoralbriefe.
Wenn „Paulus“ betont, dass jeder Diakon – gleich wie jeder Bischof (vgl. 3,2) - Mann einer einzigen Frau sein solle, dann lässt sich daraus schließen, dass es Männer gab, die mehrere Frauen hatten. Ist dies so zu verstehen, dass diese Männer mehrere Ehefrauen hatten? Das ist die nahe liegende Deutung. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass diese Männer neben der Ehefrau auch noch Geliebte hatten oder anderweitig mit Frauen außerhalb der Ehe sexuellen Verkehr hatten. Die Voraussetzung, dass ein Diakon nur eine einzige Frau haben soll, wirft Fragen auf: Darf ein Diakon nach dem Tod seiner Frau erneut heiraten? Darf er sich scheiden lassen und dann eine andere Frau heiraten? Von 5,9 her, wo es im Hinblick auf die in eine Liste einzutragenden Witwen heißt, dass sie eines Mannes Frau sein sollen, ist anzunehmen, dass „Paulus“ von den Amtsinhabern die Einzigehe verlangt. Es ist nämlich unwahrscheinlich, dass Frauen zeitgleich mehrere Ehemänner oder einen Ehemann und dazu Geliebte haben konnten. Die Diakone betreffend bedeutet das, dass eine erneute Heirat nach dem Tod der Ehefrau oder nach einer möglichen Scheidung nicht erwünscht war.
Bemerkenswert ist, dass nicht gefordert wird, dass ein Diakon unverheiratet lebt. Und wenn er eine Ehefrau haben darf, dann ist wohl auch ehelicher Geschlechtsverkehr erlaubt. Somit kann ein Diakon auch Kinder haben.
Ebenso wie die Bischöfe sind auch die Diakone als Vorsteher ihres „Hauses“ gedacht. Mit dem „Haus“ (der Plural „Häuser“ wird verwendet, weil es es sich um eine Mehrzahl Diakone handelt, die jeder Vorsteher eines „Hauses“ sind) ist nicht in erster Linie das Haus als Gebäude gemeint, sondern die Hausgemeinschaft samt dem gesamten Haushalt. Als Angehörige der Hausgemeinschaft werden Kinder – gemeint sind die Kinder der Diakone – und die Ehefrau genannt. Darüber hinaus dürften auch Sklaven und vielleicht auch weitere den Diakonen nahestehende Personen eingeschlossen sein. Der Haushalt umfasst neben den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden auch Haushaltsgegenstände und möglicherweise auch Ländereien.
Weiterführende Literatur: S. Page 1993, 105-120 nimmt an, dass es bei der Formulierung („mias gynaikos anêr“) um die Qualität der ehelichen Beziehung des Amtsanwärters gehe, nicht um den ehelichen Status an sich. Gemeint sei folglich, dass der Amtsanwärter seiner einen Frau treu sein soll (vgl. New English Bible).
Mit der patristischen Deutung von 1 Tim 3,2.12; Tit 1,6 befasst sich D. G. Hunter 2015, 333-352. Er hat insbesondere die Deutung im Blick, wonach die Ordination von Digamisten, also zweimal nacheinander Verheirateten, untersagt werde.
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Beobachtungen: Von welchem „Dienst“ spricht V. 13? Angesichts der Tatsache, dass in V. 10 das Verb „diakoneô“ („dienen“) den Dienst des Diakons bezeichnet, dürfte es auch in V. 13 den Dienst des Diakons meinen. Es handelt sich wohl um einen Dienst an der Gemeinde, an Gott und an Jesus Christus. Auch wenn es in V. 8-13 nicht um das Bischofsamt geht, kann über den Dienst des Diakons hinaus auch der Dienst des Bischofs gemeint sein. Immerhin war das Bischofsamt in V. 1-7 Thema und der „Dienst“ ist nicht genauer definiert. Und schließlich ist auch noch ein weiterer Bezug möglich: Da unmittelbar vorher gesagt worden ist, dass ein Diakon einem „Haus“ vorstehen solle, kann auch dieses Vorstehen als Dienst verstanden sein. Es wäre ein Dienst an der Hausgemeinschaft, außerdem wohl an Gott und Jesus Christus.
Auch wenn es sich bei dem Amt des Diakons (wie auch des Bischofs) um einen Dienst an der Gemeinde und an Gott und Jesus Christus handelt und nicht um ein Amt zur Mehrung des eigenen Ansehens und Wohlstandes, so geht es doch auch um Ehre und Ansehen. Ehre und Ansehen waren in der römischen Welt von großer Bedeutung. Eine christliche Gesellschaftsordnung, die mit der römischen Gesellschaftsordnung halbwegs kompatibel sein wollte, musste Ehre und Ansehen ebenfalls ins Gedankengebäude integrieren. Der Vorstand eines „Hauses“ hatte in der römischen Welt schon ein gewisses Ansehen. Ein Mindestmaß an Ansehen bzw. ein bestimmter Rang war ebenso wie ein Mindestmaß an Wohlstand Voraussetzung für ein politisches oder militärisches Amt und insbesondere eine politische oder militärische Ämterlaufbahn. Wer sich in einem Amt bewährte und über ein bestimmtes Vermögen verfügte, konnte nach einem Amt ein anderes übernehmen. Und je weiter jemand in der politischen oder militärischen Ämterlaufbahn vorrückte, desto größer wurde sein Ansehen und desto höher wurde sein gesellschaftlicher und politischer Rang. Und auch wenn die Ausgaben hoch waren, konnten neue Geldquellen erschlossen und der Wohlstand vermehrt werden. Natürlich konnten die Christen dieses Denken nicht einfach eins zu eins übernehmen, hatten sie doch ganz eigene Vorstellungen von Ansehen und Ehre. Ihnen ging es in erster Linie um Ehre und Ansehen vor Gott und Jesus Christus. V. 13 lässt aber verschiedene Aspekte einer von Ehre und Ansehen geprägten Gesellschaft und einer Ämterlaufbahn durchschimmern: Wer sich als Vorsteher eines „Hauses“ bewährt hat, hat sich dadurch ein gewisses Ansehen und eine gewisse Befähigung erworben. Das gehört zu den Voraussetzungen für ein Gemeindeamt. Wer sich in seinem Amt als Diakon bewährt, erwirbt sich dadurch ein „gutes Ansehen“. Der in V. 13 verwendete Begriff „bathmos“ bedeutet nicht nur „Ansehen“, sondern bezeichnet zugleich eine bestimmte Stufe oder einen bestimmten Rang des Ansehens. Gute Amtsführung hievt den Diakon auf eine höhere Stufe des Ansehens und verleiht ihm einen höheren Rang. Dabei fällt jedoch auf, dass nicht das „besser“ oder „höher“ betont wird, sondern das „gut“. Es geht nicht um Karriere, sondern es geht um die Voraussetzungen für die Übernahme des Diakonenamtes und um Bewährung im Amt. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen der politischen und militärischen Ämterlaufbahn und der Übernahme von geistlichen Ämtern wie des Diakonenamtes. Ob ein bewährter Diakon nach Beendigung seines Dienstes Bischof werden kann, wird nicht thematisiert. Sollte das möglich sein, dann wäre das nicht als ein Erklimmen einer höheren Sprosse einer Karriereleiter zu verstehen, sondern als Übernahme eines anderen Gemeindeamtes durch ein in der Amtsausübung bereits bewährtes Gemeindeglied.
Mit gesellschaftlicher Ehre und gesellschaftlichem Ansehen verbindet „Paulus“ großen Freimut und große Zuversicht – beides kann der Begriff „parrêsia“ bedeuten - im Glauben an bzw. im Vertrauen auf Jesus Christus (= Christus Jesus). Es geht also um Ehre und Ansehen eines Christen. Der Christ ist in eine christliche Ordnung gestellt. Ein Christ, der Diakon werden will, soll einem „Haus“ vorstehen und sich darin bewähren. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann er Diakon werden. Als solcher hat er ein Amt inne, aber es ist kein politisches Amt, sondern ein geistliches. Mit ihm ist besondere Ehre, besonderes Ansehen und ein besonderer Rang verbunden, und zwar weniger in der gesamten Gesellschaft als vielmehr in der Gemeinde und vor Gott und Jesus Christus. Es handelt sich zuvörderst um geistliche Ehre, geistliches Ansehen und um einen geistlichen Rang. All dies ermöglicht dem Diakon, sich besonders sicher im christlichen Glauben zu bewegen, freimütig das Evangelium zu verkündigen, über den Glauben zu sprechen oder christliche Glaubensinhalte zu lehren. Dem Diakon mögen bestimmte Aufgaben anvertraut gewesen sein, in V. 13 kommen diese jedoch nicht in den Blick. Vielmehr geht es um das Erlangen eines großen Freimuts und einer großen Zuversicht im christlichen Glauben.
Worauf sich die Zuversicht bezieht, lässt sich nicht genau sagen. Zu denken ist an die Zuversicht, dass das eigene Reden und Handeln zur Ausbreitung des christlichen Glaubens und zur Stärkung im christlichen Glauben und zum Gemeindeaufbau beiträgt. Zu denken ist ebenfalls an die Zuversicht, dass der Erfolg des Redens und Handelns durch das Wirken Jesu Christi ermöglicht und begünstigt wird. Und schließlich kann auch die Zuversicht gemeint sein, aufgrund dieses positiven Wirkens auch wirklich vor dem ewigen Tod gerettet zu werden und das ewige Leben zu erlangen.
Weiterführende Literatur:
Literaturübersicht
[ Hier geht es zur Übersicht der Zeitschriftenabkürzungen ]
Collins, Raymond F.; How Not to Behave in the Household of God, LS 35/1-2 (2011), 7-31
Hunter, David G.; "A Man of One Wife": Patristic Interpretations of 1 Timothy 3:2, 3:12 and Titus 1:6 and the Making of Christian Priesthood, ASEs 32/2 (2015), 333-352
Lewis, Robert M.; The „Women“ of 1 Timothy 3.11, BS 136/541 (1979), 167-175
MaGee, Gregory S.; Uncovering the "Mystery" in 1 Timothy 3, TrinJ 29/2 (2008), 247-265
Page, Sydney; Marital Expectations of Church Leaders in the Pastoral Epistles, JSNT 50 (1993), 105-120
Paschke, Boris A.; The cura morum of the Roman Censors as Historical Background for the Bishop and Deacon Lists of the Pastoral Epistles, ZNW 98/1 (2007), 105-119
Stiefel, Jennifer H.; Women Deacons in 1 Timothy: A Linguistic and Literary Look at "Women Likewise..." (1 Tim 3,11), NTS 41/3 (1995), 442-457
Villalobos Mendoza, Manuel; When Men Were Not Men: Masculinity and Otherness in the Pastoral Epistles (The Bible in the Modern World 62), Sheffield 2014
Wagener, Ulrike; Verschwenderische Fülle oder haushälterische Vernunft? Oikonomia Gottes, christliche Existenz und Geschlechterdifferenz im frühen Christentum, in: E. Klinger, S. Böhm, T. Franz [Hrsg.], Haushalt, Hauskult, Hauskirche, Würzburg 2004, 79-105