1 Tim 4,6-11
Übersetzung
1 Tim 4,6-11 : 6 Wenn du den Geschwistern das alles so weitergibst, wirst du ein guter Diener Christi Jesu sein, genährt durch die Worte des Glaubens und die gute Lehre, der du gefolgt bist. 7 Die unheiligen und altweiberhaften Fabeln aber weise zurück! Dich selbst aber übe zur Frömmigkeit. 8 Denn die leibliche Übung ist [nur] zu wenigem nütze, die Frömmigkeit hingegen ist zu allem nütze, weil sie die Verheißung des Lebens hat, des jetzigen und des zukünftigen. 9 Glaubwürdig ist das Wort und aller Annahme wert: 10 Denn dafür mühen wir uns ab und kämpfen wir, weil wir unsere Hoffnung auf [den] lebendigen Gott gesetzt haben, der der Retter aller Menschen ist, vor allem der Gläubigen. 11 Das sollst du anordnen und lehren!
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Beobachtungen: 4,6-11 gehört zum Abschnitt über die Auseinandersetzung mit den asketischen Forderungen der Irrlehrer (4,1-11). Nachdem „Paulus“ auf die wesentlichen Inhalte der Irrlehre eingegangen ist und den Schwerpunkt bei der Frage gesetzt hat, inwieweit Christen Speisen genießen dürfen (4,1-5), kommt er auf den Nutzen der Frömmigkeit zu sprechen.
Gemäß 1,1 ist „Timotheus“ einziger Adressat des Briefes. Der Brief ist aber nicht als reiner Privatbrief zu verstehen, den „Timotheus“ liest und dann in der Schublade verschwinden lässt. Der Brief ist für alle christlichen Amtsträger wichtig, außerdem für die ganze Gemeinde. Insofern muss er den christlichen Amtsträgern auch zu Gesicht bzw. zu Gehör kommen. Auch müssen die Gemeindeglieder, die „Geschwister“, vom Inhalt erfahren. Das geschieht vermutlich dadurch, dass der Brief der versammelten Gemeinde vorgelesen wird. Allerdings ist die Weitergabe der Lehre wohl nicht nur auf das Verlesen des Briefes bezogen. Sie kann auch bei der Amtsausübung erfolgen, indem „Timotheus“ bei Bedarf auf die Aussagen des Briefes hinweist.
„Geschwister“ meint hier nicht leibliche Geschwister, sondern Glaubensgeschwister, nämlich Christinnen und Christen. Bei dem Substantiv „adelphoi“ handelt es sich zwar um eine maskuline Form, die zunächst mit „Brüder“ zu übersetzen ist, jedoch sind hier vermutlich auch die „Schwestern“ eingeschlossen. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.
In V. 6 bezieht sich der Begriff „diakonos“ nicht auf das Amt des Diakons, von dem in 3,8-13 die Rede war. Es ist ja gar nicht klar, ob „Timotheus“ überhaupt ein Diakon ist. Wir haben davon auszugehen, dass der Name „Timotheus“ nicht (nur) als Einzelperson zu verstehen ist, sondern für alle Amtsinhaber steht, die in einer christlichen Gemeinde dienen. „Paulus“ geht es in seinem Brief vor allem darum, einen guten Dienst anzumahnen und darzulegen, was für einen guten Dienst nötig ist. Der gute Dienst gilt zunächst einmal der Gemeinde, ist aber letzten Endes ein guter Dienst an Jesus Christus (= Christus Jesus).
Das Verb „entrephô“ bedeutet „nähren“ oder „aufziehen“. Bei der Verbform „entrephomenos“ handelt es sich um ein Partizip Präsens im Passiv, womit die wörtliche Übersetzung „genährt werdend“ oder „aufgezogen werdend“ lautet. Neben der passivischen Übersetzung ist auch eine mediale Übersetzung möglich: „sich nährend“ oder „sich aufziehend“. Damit ergibt sich ein recht komplexes Bedeutungsspektrum: Zunächst einmal erscheinen die „Worte des Glaubens“ und die „gute Lehre“ als gute Lebensmittel, die die nötigen Nährstoffe zuführen und zum Wachstum, zur menschlichen Reifung und zum Wohlergehen führen. Die guten Lebensmittel sind hier geistlich verstanden. Zum anderen kommen Gott und „Timotheus“ gleichermaßen als Handelnde ins Spiel. Wird die Verbform „entrephomenos“ passivisch gedeutet, dann nährt sich „Timotheus“ nicht selbst und er zieht sich auch nicht selbst auf. Natürlich sind es die „Worte des Glaubens“ und die „gute Lehre“, die nähren und aufziehen. Das wird ja ausdrücklich gesagt. Darüber hinaus haben wir aber auch davon auszugehen, dass Gott handelt. Gott bewirkt, dass mittels der „Worte des Glaubens“ und der „guten Lehre“ „Timotheus“ genährt und aufgezogen wird. Wird die Verbform „entrephomenos“ medial gedeutet, dann nährt sich „Timotheus“ selbst und er zieht sich auch selbst auf. Er tut dies mittels der „Worte des Glaubens“ und der „guten Lehre“.
Über diese Deutungsmöglichkeiten hinausgehend ist zu beachten, dass das Partizip „entrephomenos“ sowohl als eine nüchterne Feststellung als auch als eine Begründung oder als eine Voraussetzung verstanden werden kann . Die wörtliche Übersetzung ist „ernährt werdend / aufgezogen werdend“ oder „sich ernährend/aufziehend“. Sprachlich flüssiger sind die Übersetzungen „der ernährt wird / aufgezogen wird“ und „der sich ernährt/aufzieht“. Das wäre eine nüchterne Feststellung. Das Partizip „entrephomenos“ kann aber auch im Sinne einer Begründung gedeutet werden, womit die Übersetzung „da/weil er ernährt wird /aufgezogen wird“ oder „da/weil er sich ernährt / sich aufzieht“ lautet. Man kann das Partizip „entrephomenos“ aber auch im Sinne einer Voraussetzung deuten. Dann lautet die Übersetzung „wenn er ernährt wird / aufgezogen wird“ oder „wenn er sich ernährt / sich aufzieht“. Im Hinblick auf diese Deutungsmöglichkeiten muss nicht unbedingt eine Entscheidung getroffen werden, weil möglicherweise die Mehrdeutigkeit beabsichtigt ist und alle diese Deutungen im Blick sind. Erst wenn alle diese Deutungen bedacht werden, wird die Bedeutung des Partizips „entrephomenos“ in der ganzen Fülle erfasst. Die gewählte Übersetzung „genährt“ ist im Sinne des gesamten Bedeutungsspektrums zu verstehen. Dabei geht es um eine dauerhafte Nährung, nicht um eine, die in der Vergangenheit erfolgt und abgeschlossen ist.
Die Formulierung „Worte des Glaubens“ ist unscharf. Es kann sich um Worte handeln, die auf den Glaubensgrundlagen, also auf dem Evangelium, gründen. Es kann sich aber auch um Worte handeln, die wesentliche Glaubensaussagen machen. Darüber hinaus kann es sich aber auch um Worte handeln, die dem Glauben entspringen. Und schließlich kann es sich um Worte handeln, die den Glauben bezwecken. Bei den „Worten des Glaubens“ haben wir es also mit dem Evangelium und/oder mit der Lehre des „Paulus“ zu tun. Auch hier kann die Mehrdeutigkeit beabsichtigt sein, so dass wir das gesamte Bedeutungsspektrum bedenken müssen, um die Bedeutung der Formulierung „Worte des Glaubens“ in ihrer Fülle zu erfassen.
Die „gute Lehre“ bezieht sich eindeutig auf die Lehre des „Paulus“, die den schlechten Irrlehren gegenübergestellt wird. Dieser Lehre ist „Timotheus“ gefolgt. Die Zeitform Perfekt („parêkolouthêkas“) macht deutlich, dass es sich nicht einfach nur um ein abgeschlossenes Ereignis der Vergangenheit handelt, sondern um ein Ereignis, das für die Gegenwart eine besondere Bedeutung hat. Es hat insofern für die Gegenwart eine besondere Bedeutung, als es die Voraussetzung für die Übernahme eines Gemeindeamtes und für die Weitergabe der Lehrinhalte an die anderen Amtsinhaber und „Geschwister“ darstellt.
Weiterführende Literatur: Y. Redalié 2008, 87-108 legt dar, dass der 1 Tim zwar an Timotheus, den jungen Mitarbeiter des Paulus, adressiert sei (1,1), sich tatsächlich aber insbesondere an die Gemeinde in Ephesus richte, einschließlich derer, die Probleme verursachen. Darüber hinaus ermahne er auch alle anderen mit „Timotheus“ Mitgemeinten: reformierte Pastoren, Reformatoren und Mitstreiter, die dazu aufgefordert würden, dem „Patron“, dem von Paulus gegebenen Beispiel zu folgen.
B. Campbell 1997, 189-204 wendet sich gegen die Vorstellung, dass 1 Tim 4 eine Sammlung von Anweisungen ohne durchdachte Anordnung sei. Es sei durchaus ein rhetorischer Plan nach antikem Muster zu erkennen. Der Fokus liege auf Timotheus’ Charakter und Aktivität angesichts der falschen Lehre. Paulus setze auf Timotheus als guten Diener Jesu Christi. V. 1-5 stelle die „narratio“ dar, V. 6-10 die „expolitio“, V. 11-16 den „epilogus“.
H. Dionson 2015, 7-21 macht deutlich, dass 1 Tim in einer ernsten Lage geschrieben sei. In dieser ernsten Situation weiche der 1 Tim vom üblichen antiken brieflichen Schreibstil ab und verwende einen sehr intensiven Schreibstil. In der ernsten Lage benötige Timotheus nicht nur Anweisungen, wie er die Gemeinde durch die Schwierigkeiten steuern kann, sondern auch Trost und Ermutigung. Paulus setze auf Timotheus und beauftrage ihn mit einer enormen Aufgabe.
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Beobachtungen: In V. 7 fordert „Paulus“ die klare Abgrenzung von den Pseudo-Gesetzeslehrern, die sich mit Fabeln und Geschlechtsregistern abgeben und sich leerem Geschwätz zugewendet haben (vgl. 1,3-7).
Die Bezeichnung „mythos“ („Geschichte“, „Fabel“) übersetzt, meint eine legendarische Erzählung. Diese hatte sich mit einem Volk aus dem vorgeschichtlichen Dunkel heraus entwickelt und ging Fragen nach Sinn und Wesen der Welt nach. Insofern gab sie eine Weltanschauung wieder. Mythen konnten sehr phantasievoll und lebendig und geradezu ungeheuerlich sein. Es handelte sich um „Geschichte“, allerdings um eine erzählte Geschichte und nicht um Geschichte im heutigen engeren Sinn, wonach Geschichte sich mit Personen, Ereignissen und Zuständen befasst, wie es sie wirklich gab. Ein solches Interesse an historischer Korrektheit gab es zwar auch schon ansatzweise in der Antike, aber es spiegelt sich nicht in den Mythen wieder. Während der aufgeklärte Mensch die Geschichte im engeren Sinn als (historisch) wahr ansieht, erscheinen ihm die Mythen als Fabeln, als blühender Phantasie entsprungene Geschichten. Der unaufgeklärte Mensch der Antike trennte nicht so scharf zwischen (historisch) wahrer Geschichte und fabelhafter Geschichte. Vielmehr sah er in der fabelhaften Geschichte auch (historisch) wahre Geschichte.
„Paulus“ hat ein negatives Bild von den Mythen, den Fabeln. Dieses negative Bild liegt aber nicht darin begründet, dass er ihnen das Fehlen von historischer Wahrheit vorwirft. Um historische Wahrheit im aufgeklärt wissenschaftlichen Sinn geht es ihm nicht. Vielmehr wirft er den Mythen, den Fabeln, vor, dass sie für das Heil irrelevant sind. Für das Heil relevant ist nur die paulinische Lehre, die auf dem mit Christus verbundenen Heilsgeschehen gründet.
„Paulus“ bezeichnet die Fabeln in V. 7 als „unheilig“ („bebêlous“) und „altweiberhaft“ („graôdeis“). Die Fabeln haben demnach nichts mit Gott, Jesus Christus oder dem heiligen Geist zu tun und stammen von „alten Weibern“. Die „alten Weiber“ erscheinen als Frauen, die Märchen und sonstige ersonnene Geschichten – heutzutage als „Ammenmärchen“ bezeichnet - erzählen. Dabei stellt sich die Frage, ob es solche „alten Weiber“ tatsächlich gab, oder ob hier nicht vielmehr ein frauenfeindliches Stereotyp vorliegt. In letzterem Fall würden (alte) Frauen als Menschen dargestellt, die sowieso nur Märchen erzählen und deswegen besser den Mund halten sollten.
„Frömmigkeit“ („eusebeia“) ist neben der „Ehrbarkeit“ („semnotês“) ein wesentliches Merkmal christlicher Existenz (vgl. 2,2). Diese ist zum einen vom rechten Glauben und zum anderen vom rechten Verhalten geprägt. Dementsprechend soll sich auch „Timotheus“ - ebenso wie alle anderen christlichen Amtsträger - zur Frömmigkeit üben. Das Verb „üben“ macht deutlich, dass die Frömmigkeit nicht einfach gegeben ist, sondern geübt werden muss. Sie ist das Ziel, das erstrebt wird und der disziplinierten und beständigen Wiederholung bedarf. Insofern ist die Übersetzung „zur Frömmigkeit üben“ (oder: „für die Frömmigkeit üben“) passender als die Übersetzung „in Frömmigkeit üben“. Dabei haben wir das Üben aber wohl nicht im Sinne eines Sportlers zu verstehen, der bestimmte Übungsstunden festsetzt und durchführt, sich ansonsten aber erholt und seinem „normalen“ Leben nachgeht. Vielmehr ist hier an dauerhaftes Üben gedacht, das das gesamte Leben umfasst. Das Leben soll also „in Frömmigkeit“ erfolgen „zur Frömmigkeit“ (oder: „für die Frömmigkeit“). Es geht um stete Verbesserung der Frömmigkeit.
Weiterführende Literatur: Zur „eusebeia“ („Frömmigkeit“) als Beispiel für die Adaption, Transformation und Inkulturation hellenistisch-römischer Vorstellungen in den Pastoralbriefen siehe J. Herzer 2007, 309-329. Der Begriff werde in den Pastoralbriefen unterschiedlich verwendet und ein kohärentes „Konzept“ von „eusebeia“ sei nicht zu erweisen. Während er im 1 Tim eine deutliche Affinität zum römischen Pietas-Begriff im Sinne der Loyalität gegenüber gesellschaftlichen Strukturen und Gegebenheiten und einem entsprechend angemessenen Verhalten habe, umschreibe der Begriff im 2 Tim und im Tit die christologisch begründete Lebenshaltung.
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Beobachtungen: „Paulus“ sagt nicht, dass die leibliche Übung zu nichts nütze ist. Aus der profanen menschlichen Sicht ist die leibliche Übung nämlich sehr nützlich, weil sie bei einem Wettkampf zu guter Leistung und möglicherweise zum Sieg führt. Mit guter Leistung und vor allem mit dem Sieg ist Ruhm verbunden. Der Sieg kann auch materiellen Segen wie einen Siegespreis mit sich bringen. Wenn „Paulus“ schreibt, dass die leibliche Übung nur zu wenigem nütze sei, dann nimmt er einen geistlichen Standpunkt ein. Aus irdischer Sicht ist die leibliche Übung sehr nützlich, aus geistlicher überhaupt nicht. Auf das Ganze hin gesehen ist der Nutzen der leiblichen Übung gering. Entscheidend ist nämlich der geistliche Nutzen.
Die Frömmigkeit ist nicht nütze, wenn man sportliche Wettkämpfe gewinnen will. Das ist aus geistlicher Sicht aber auch nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass die Frömmigkeit einen großen geistigen Nutzen hat. Wenn „Paulus“ schreibt, dass die Frömmigkeit „zu allem“ nütze sei, dann mag daraus hervorgehen, dass es allein auf den geistlichen Nutzen ankommt. Dieser ist, wie er im unmittelbar Folgenden deutlich macht, aber nicht rein zukünftig, sondern auch gegenwärtig.
„Leibliche Übung“ kann auch körperliche Askese meinen. Dann wäre die Askese nicht ganz unnütz. Aber sie wäre für das Seelenheil nicht entscheidend. Entscheidend für das Seelenheil wäre die Frömmigkeit.
Die Formulierung „Verheißung des Lebens“ ist sehr schwammig. Das einzige, was wir über das „Leben“ erfahren, ist, dass es ein gegenwärtiges und ein zukünftiges gibt. Doch was ist mit „gegenwärtiges Leben“ und was mit „zukünftiges Leben“ gemeint? Und wo findet sich die „Verheißung“? Es liegt nahe, das „gegenwärtige Leben“ rein irdisch zu deuten, als ein irdisches Leben, das von Gesundheit, Wohlergehen und auch materiellem Wohlstand geprägt ist. Eine entsprechende Verheißung mag „Paulus“ in Ps 90,16-17 und ähnlichen Texten erkannt haben. Ob die Frömmigkeit auch zu sportlichen Erfolgen beiträgt, ist unklar. Wenn, dann tut sie es auf einer anderen Ebene als die leibliche Übung: Zu denken wäre an geistige Klarheit, Ausgeglichenheit und Konzentration. In diesem Lichte wäre auch der materielle Wohlstand nicht materialistisch im Sinne des Strebens nach immer mehr Geld und Gütern zu verstehen. Vielmehr wäre materieller Wohlstand die Folge von klarem Verstand, klugen Entscheidungen und Konzentration. Gemäß 1 Tim 3,3 und 3,8 sind Geldgier und Gewinnsucht nicht mit einem frommen Leben vereinbar und folglich insbesondere auch für kirchliche Amtsträger tabu. Was aber aus dem Begriff „Verheißung“ hervorgeht und nicht vergessen werden sollte: Entscheidend sind Gottes Wille und Wirken. Das „zuküftige Leben“ dürfte wohl das „ewige Leben“ (vgl. 1 Tim 1,16; 6,12) meinen. Das „ewige Leben“ liegt in Jesus Christus begründet, an den es zu glauben gilt (vgl. 1 Tim 1,15-16; 2 Tim 1,1). Auch das „jetzige Leben“ im Sinne von Gesundheit, Wohlergehen und materiellem Wohlstand mag in ihm begründet liegen, allerdings ist diesbezüglich die Verheißung nicht so klar.
Weiterführende Literatur: Zum Bild der körperlichen Übung für die beständige geistliche Übung siehe C. Paya 2014, 49-61. Die beständige geistliche Übung werde nicht nur den kirchlichen Amtsinhabern ans Herz gelegt, sondern allen Christen.
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Beobachtungen: Der altgriechische Begriff „logos“ („Wort“) meint hier kein einzelnes Wort, sondern eine Aussage. „Logos“ kann auch das gesamte Evangelium bezeichnen. Die Aussage „Glaubwürdig ist das Wort und aller Annahme wert“ findet sich wortwörtlich auch in 1 Tim 1,15. Dort bezieht sie sich möglicherweise auf „Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten“, was dann als Quintessenz des Evangeliums verstanden würde. Dass die Aussage in 4,9 wiederholt wird, mag darauf hinweisen, dass V. 8 in ihrem Lichte verstanden werden soll: In Jesus Christus liegen das „jetzige Leben“ und das „zukünftige Leben“ bzw. „ewige Leben“ begründet. Das ist – in anderen Worten als in 1,15 ausgedrückt – die Quintessenz des Evangeliums. Die Frömmigkeit ist ein Leben, das die Verheißung ernst nimmt, ihr gläubig folgt und im Handeln Ausdruck verleiht. Und sie ist ein Leben, das ohne Zweifel auf die Verwirklichung des Verheißenen setzen kann.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Unklar ist, worauf sich die Formulierung „eis touto“ bezieht und wie sie zu übersetzen ist. Zunächst einmal ist an einen Rückbezug auf die Frömmigkeit (V. 7 und V. 9). Die Frömmigkeit ist gemäß dem 1 Tim zugleich Charakteristikum und Ziel christlichen Lebens. Insofern sollen sich die Christen zugleich in der Frömmigkeit und zur Frömmigkeit üben. Dieses Üben formuliert V. 10 mit Verben, die zum einen der leiblichen Übung für den sportlichen Wettkampf (vgl. 1 Kor 9,25) und zum anderen der Missionsarbeit, die bei Paulus neben den Mühen für die Mission auch die berufliche Handarbeit umfasste (vgl. 1 Kor 4,12), zugehören. „Paulus“ orientiert sich also am Erleben und an der Sprache des Paulus. Rückbezogen ist „eis touto“ mit „denn dafür“ zu übersetzen“. Die Übersetzung der Konjunktion „hoti“ in V. 10 lautet dann „weil“. Sie leitet eine Begründung ein: „… weil wir unsere Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt haben“. „Eis touto“ kann aber auch auf das Folgende bezogen werden. Die Übersetzung ist dann „Denn im Blick darauf“. „Hoti“ ist dann mit „dass“ zu übersetzen, womit der Beginn von V. 10 wie folgt zu übersetzen ist: „Denn im Blick darauf mühen wir uns ab und kämpfen wir, dass wir unsere Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt haben, ...“. Es ist durchaus möglich, dass die zwei möglichen Bezüge des „eis touto“ beabsichtigt sind und so die verschiedenen Aussagen eng miteinander verflochten werden.
„Paulus“ erklärt nicht, was er meint, wenn er Gott als „lebendig“ bezeichnet. Vermutlich handelt es sich um eine Abgrenzung von den toten und nichtigen heidnischen Göttern, den Götzen. Diese sind insofern tot und nichtig, als sie keine Relevanz für das Heil der Menschen haben. Sie vermögen es nicht, den verstorbenen Menschen von den Toten aufzuerwecken. Die Auferweckung ist ohne Jesus Christus, der mit dem „lebendigen“ Gott (Israels) eng verbunden ist, nicht zu denken. Die Auferweckung bzw. Auferstehung setzt den Tod Christi durch die Kreuzigung und die Auferweckung bzw. Auferstehung Christi von den Toten voraus. Gott ist also zunächst einmal in dem Sinne lebendig, als er Jesus Christus lebendig gemacht hat und auch diejenigen, die an dieses Heilsgeschehen glauben, lebendig macht bzw. lebendig machen wird. Über dieses Heilsgeschehen hinausgehend ist wohl Gott auch insofern als „lebendig“ gedacht, als er wirkmächtig ist.
Schon in 1 Tim 1,1 und 2,3 hat „Paulus“ Gott als „unseren Retter“ bzw. „unseren Rettergott“ bezeichnet. „Unser“ dürfte sich angesichts der christlichen Sicht der Dinge auf die Christen beziehen, zu denen „Paulus“ ja gehört. Inwiefern Gott „Retter“ der Christen ist, wird nicht weiter ausgeführt. Es liegt die Erklärung nahe, dass Gott aufgrund seines Heilsplans „Retter“ ist. Es ist Gottes Wille, die Menschen durch seinen Heilsplan zu retten. In dem Heilsplan spielt das mit Jesus Christus verbundene Heilsgeschehen die entscheidende Rolle. Gott ist es zu verdanken, dass Menschen von den Toten auferstehen und zum ewigen Leben eingehen können. Jesus Christus selbst wird nicht als „Retter“ bezeichnet. V. 10 weitet den Blick nun: Gott erscheint als „Retter aller Menschen“. Und dann wird steigernd hinzugefügt: „vor allem der Gläubigen“. Wie können „alle Menschen“ gerettet werden, wenn die „Rettung“ doch den Glauben an Jesus Christus voraussetzt? Sofern die „Rettung“ die „Rettung“ im Sinne von „Auferweckung von den Toten“ und „ewiges Leben“ zu verstehen ist, bleibt die Bedeutung der Steigerung im Dunklen: Was soll es denn noch mehr geben als die „Auferweckung von den Toten“ und das „ewige Leben“? Angesichts dieser merkwürdigen Unklarheit ist nicht davon auszugehen, dass alle Menschen von den Toten auferweckt werden und ewig leben. Wieso sollten denn auch Menschen die Sünden vergeben werden, die gar nicht an das Heilsgeschehen glauben, sondern den Glauben daran ablehnen und sogar bekämpfen? Völlig auszuschließen ist das nicht, denn Gott kann ja auch Ungeahntes bewirken. Wahrscheinlicher ist aber, dass „Retter aller Menschen“ als Angebot zu verstehen ist. Die Menschen können das Angebot der Sündenvergebung, der Auferweckung von den Toten und des ewigen Lebens annehmen, aber auch ablehnen. Gott wäre demnach potenziell „Retter aller Menschen“, zur Realisierung der „Rettung“ würde es aber nur bei den Gläubigen kommen. Als weitere Deutungsmöglichkeit kommt infrage, dass die „Rettung aller Menschen“ gar nicht speziell auf die Sündenvergebung, Auferweckung von den Toten und auf das ewige Leben bezogen ist. „Rettung“ kann ganz allgemein auf die Bewahrung der Schöpfung, konkret des Lebens aller Menschen bezogen sein. Es könnte sich um eine Vorstellung der „Rettung“ handeln, wie sie Ps 36,7 zugrunde liegt. Dort findet sich die Formulierung „Gott rettet Tiere“, wobei gemeint sein dürfte, dass Gott den Tieren Speise und Trank gibt, so dass sie leben können. Dieses Spenden von Speise und Trank und Erhalten und Fördern des Lebens könnte auch ein Bedeutungsaspekt der Formulierung „lebendiger Gott“ sein: Gott lässt nicht nur den Christen Regen herabkommen und lässt auch nicht nur den Christen Nahrung zuteil werden, sondern auch allen anderen Menschen. Und in diesem großen Rahmen der Förderung und Bewahrung des Lebens wären dann Sündenvergebung, Auferweckung von den Toten und das ewige Leben im Sinne einer Steigerung oder Vollendung der „Rettung“ zu verstehen.
Weiterführende Literatur: Laut T. Söding 1999, 149-192 sei das Erscheinen Jesu Christi als Retter aller Menschen das Leitmotiv der Pastoralbriefe. In Gott, dem Vater, habe das christologische Heilsgeschehen seinen Ursprung.
M. J. Goodwin 1996, 65-85 geht der Bedeutung der Formulierung „lebendiger Gott“ nach. Dazu befasst er sich mit dem paulinischen Hintergrund. Ergebnis: Die Kombination von „lebendiger Gott“ und „Retter“ beziehe sich auf die Leben spendende Kraft des lebendigen Gottes, der Jesus von den Toten auferweckt hat und so die endgültige Rettung aller Gläubigen signalisiert. Die Leben spendende Kraft manifestiere sich in dem paulinischen Dienst der Evangeliumsverkündigung. V. 10 spiegele eine nachpaulinische mündliche Tradition bezüglich des lebendigen Gottes wider, wie sie sich auch in den Paulusakten finde.
S. M. Baugh 1992, 331-340 legt dar, dass 1 Tim 4,10 von den Verfechtern der Allversöhnungs-Lehre als eine zentrale Belegstelle herangezogen werde. Tatsächlich handele der Vers jedoch nicht direkt von der Versöhnung, auch nicht von der ewigen Rettung. Vielmehr handele er von Gottes gnädigen Wohltaten gegenüber der ganzen Menschheit, also von seiner umfassenden Gnade.
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Beobachtungen: Anordnen/Unterweisen und Lehren sind die beiden wesentlichen Aufgaben eines christlichen Amtsinhabers, gerade auch im Anbetracht von Irrlehren. „Timotheus“ erhält selbst von „Paulus“ Anordnungen und wird unterwiesen (vgl. 1,18; 6,13) und er soll selbst anordnen und unterweisen (1,3.5; 4,11; 5,7; 6,17). Die paulinische (oder besser: „paulinische“) Theologie soll weitergegeben werden und die Kirche und ihre Amtsinhaber prägen. Es geht um Kontinuität nach dem Tod des Apostels Paulus. Diese Kontinuität soll auch hinsichtlich der Lehre gewahrt bleiben (vgl. V. 6).
Es wird nicht genauer bestimmt, was mit „das“ („tauta“) gemeint ist. Da der folgende Abschnitt nur speziell an „Timotheus“ gerichtete Anweisungen bezüglich seiner Vorbildfunktion enthält, kann sich „das“ nur auf Vorhergehendes beziehen. Aufgrund der Unbestimmtheit haben wir davon auszugehen, dass sich „das“ auf den rechten Glauben, die rechte Lehre und das rechte Verhalten bezieht, also auf all das, was in 1 Tim 4 in Abgrenzung zu den Irrlehren gesagt wird. Ein Bezug nur auf Aussagen in 4,6-10 oder ganz bestimmte, V. 11 unmittelbar vorhergehende Aussagen legt sich nicht nahe.
Weiterführende Literatur: Zur Charakterisierung des Lehrens in den Pastoralbriefen siehe H. Roose 2003, 440-446: Die Gemeindeleiter seien zum Lehren verpflichtet. Ihr Lehren habe soteriologische Funktion, und sie seien dazu angehalten, dieses Heilsangebot auch gegenüber Irrlehrern offen zu halten. Das heiße auch, dass sich die Gemeindeleiter nicht bedeckt halten dürfen. Sie sollten lehren, auch wenn ihnen das Repressalien einbringt. Die Pastoralbriefe ließen keinen Zweifel daran, dass das Lehren mit Leid gekoppelt ist. Die Bereitschaft, dieses Leid auf sich zu nehmen – unter Umständen bis hin zum Märtyrertod (vgl. 2 Tim 4,6) -, werde unzweideutig eingefordert. Die Gemeindeleiter dienten also in der Tat der Gemeinschaft, indem sie lehren. Denn sie stellten dadurch ihre Leidensbereitschaft unter Beweis und vermittelten den Gemeindeangehörigen das Heilsangebot des Evangeliums. Dem Verfasser der Pastoralbriefe sei vermutlich die hinter Mk 10 stehende Tradition – insbesondere das Ideal des Dienens und Leidens in pointierter Abgrenzung von der Herrschaft – bekannt gewesen. Er forme ein Bild vom lehrenden Gemeindeleiter, das diesem Ideal in wesentlichen Punkten entspricht.
Literaturübersicht
[ Hier geht es zur Übersicht der Zeitschriftenabkürzungen ]
Baugh, Steven M.; "Savior of All People": 1 Tim 4:10 in Context, WTJ 54/2 (1992), 331-340
Campbell, Barth; Rhetorical Design in 1 Timothy 4, BS 154/614 (1997), 189-204
Dionson, Herman; 1 Timothy 4:6-16: Towards a Theology of Encouragement, AJPS 18/2 (2015), 7-21
Goodwin, Mark J.; The Pauline Background of the Living God as Interpretive Context for 1 Timothy 4.10, JSNT 61 (1996), 65-85
Herzer, Jens; "Das Geheimnis der Frömmigkeit" (1 Tim 3,16). Sprache und Stil der Pastoralbriefe im Kontext hellenistisch-römischer Popularphilosophie - eine methodische Problemanzeige, ThQ 187/4 (2007), 309-329
Paya, Christophe; Note exégétique: "L'exercice corporel est utile à peu de choses..." (1 Tm 4.8), TheolEv 13/1 (2014), 49-61
Redalié, Yann, „Sois un modèle pour les croyants“ Timothée, un portrait exhortatif, 1 Tim 4, in: K. P. Donfried [ed.], 1 Timothy Reconsidered (Colloquium Oecumenicum Paulinum 18), Leuven 2008, 87-108
Roose, Hanna; Dienen und Herrschen: Zur Charakterisierung des Lehrens in den Pastoralbriefen, NTS 49/3 (2003), 440-446
Söding, Thomas; Das Erscheinen des Retters. Zur Christologie der Pastoralbriefe, in: K. Scholtissek [Hrsg.], Christologie in der Paulus-Schule (SBS 181), Stuttgart 1999, 149-192