1 Kor 16,13-18
Übersetzung
1 Kor 16,13-18:13 Wachet, steht [fest] im Glauben, seid mannhaft, erstarkt! 14 Alles soll bei euch in Liebe geschehen. 15 Ich ermahne euch aber, Geschwister: Ihr wisst, dass das Haus des Stephanas Erstling von Achaia ist, und dass es sich selbst in den Dienst für die Heiligen gestellt hat -, 16 dass auch ihr euch solchen unterordnet und [überhaupt] jedem, der mitarbeitet und sich müht. 17 Ich freue mich aber über die Ankunft des Stephanas, Fortunatus und Achaikus, weil diese mir euer Fehlen ersetzt haben. 18 Denn sie haben meinen Geist erquickt und den euren. Erkennt also solche an!
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Beobachtungen: Nach der Erläuterung der Reisepläne kommt Paulus nun zu den Ermahnungen. Angesichts der bevorstehenden Wiederkunft Christi sind sie grundsätzlich in jedem Brief angebracht, denn alle Christen sind in ihrem christlichen Leben zu stärken. Dieses soll so verlaufen, dass es am Ende der Tage bei der Beurteilung durch den "Herrn“ bestehen kann. Wenn in einer Gemeinde Missstände herrschen, wie dies in Korinth der Fall ist, sind die Ermahnungen von besonderer Wichtigkeit.
Die Aufforderung, wach zu sein, meint sicherlich nicht den Verzicht auf nächtlichen Schlaf, sondern bezieht sich auf die geistige Wachheit. Diese meint vermutlich nicht nur den klaren Verstand, sondern auch die Wachsamkeit im Hinblick auf den rechten Glauben und die rechte Lebensführung angesichts der bevorstehenden Wiederkunft Jesu Christi, auf die es sich vorzubereiten gilt. Folgerichtig bezieht sich die zweite Aufforderung auf die Standfestigkeit im Glauben.
Die Ermahnung mannhaft zu sein, scheint sich auf den ersten Blick nur auf die Männer zu beziehen. Doch wie müssen Männer sein, wenn sie als "mannhaft“ gelten wollen? Geht man davon aus, dass die Männer in den Krieg ziehen und in der Antike nicht nur als Beschützer ihres Heimatlandes, sondern auch der eigenen Familie angesehen werden, dann ist am ehesten daran zu denken, dass die Männer mutig, tapfer und stark sein müssen. Mut, Tapferkeit und Stärke sind auch in Glaubensfragen von Bedeutung, will ein Mann nicht angesichts von Anfeindungen und Anfechtungen vom Glauben abfallen. Nun ist jedoch nicht anzunehmen, dass die Männer die Frauen (und Kinder) auch in Glaubensfragen in Schutz nehmen können, sondern Mut, Tapferkeit und Stärke im Glauben werden auch von den Frauen gefordert. Somit sind die Ermahnungen in 16,13-18 sicherlich auch an die Frauen gerichtet - eine Anrede nur der Männer ist nicht ersichtlich. Folglich sollen auch die Frauen "mannhaft“, d. h. mutig, tapfer und stark sein, wobei Paulus die Stärke eigens erwähnt. Angesichts der bestehenden Missstände in der korinthischen Gemeinde scheint Paulus noch Entwicklungspotenzial bezüglich der Stärke im Glauben zu sehen und benutzt dementsprechend das Verb "erstarken“ ("krataioomai“).
Weiterführende Literatur: Mit dem Briefschluss 16,13-24 befasst sich J. A. D. Weima 1994, 201-208, wobei er eine strukturelle und thematische Analyse bietet.
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Beobachtungen: Das gesamte Leben der Christen soll von Liebe bestimmt sein. Die Liebe ist also nicht eine Gnadengabe unter anderen, sondern in Liebe sollen alle Gnadengaben und auch alles andere ausgeübt werden (vgl. 1 Kor 13).
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Paulus ermahnt die Adressaten - wie so oft in seinem Brief. Und wiederum wird der Hauptgrund für die zahlreichen Ermahnungen deutlich: Ein Teil der Korinther hält sich für geisterfüllt und sieht keinen Grund zur Unterordnung - ganz im Gegenteil: er drängt andere Gemeindeglieder im übersteigerten Selbstbewusstsein zur Seite. Selbst im Hinblick auf seinen Gesandten Timotheus und dessen Begleiter kann er nicht sicher sein, dass sie wohlwollend aufgenommen werden. Gegen solches übersteigertes Selbstbewusstsein richtet sich die Ermahnung, sich in den Dienst zu stellen und unterzuordnen.
"Geschwister“ meint hier nicht leibliche Geschwister, sondern Glaubensgeschwister, nämlich Christinnen und Christen. Bei dem Substantiv "adelphoi“ handelt es sich zwar um eine maskuline Form, die zunächst mit "Brüder“ zu übersetzen ist, jedoch sind hier vermutlich auch die "Schwestern“ eingeschlossen. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.
Als Vorbild stellt Paulus das "Haus des Stephanas“ hin, das er als "Erstling von Achaia“ bezeichnet. Mit dem "Haus des Stephanas“ ist die Hausgemeinschaft gemeint, die zum Familienoberhaupt namens Stephanas gehört. Dabei ist nicht an eine Kleinfamilie im heutigen Sinne zu denken, sondern an eine weitere Hausgemeinschaft samt Mägden und Knechten.
"Erstling von Achaia“ ist sie insofern, als sie von Paulus im Rahmen seiner Gemeindegründung in Korinth getauft wurde (vgl. 1 Kor 1,16) und damit zu den ersten Getauften der Provinz Achaia, deren Hauptstadt Korinth ist und die die Mitte und den Süden des heutigen Griechenlands umfasst, gehören. Allerdings geht die Bedeutung "Erstling“ über den rein zeitlichen Aspekt hinaus: Den Hintergrund der Bezeichnung "Erstling“ ("aparchê“) bildet die atl. Vorschrift, die ersten Früchte der Ernte und die ersten Abkömmlinge des Viehs Gott als Erstlingsgabe darzubringen (vgl. Lev 23,9-14 u. a.). Die Erstlinge galten nämlich als Gottes Eigentum, wobei sie - wie die Menschen - teils auszulösen waren. Die Darbringenden sollten durch diesen Ritus bei ihrem Gott Gefallen finden (vgl. Lev 23,11). Die Erstlingsgabe hat somit Heilsbedeutung. Das "Haus des Stephanas“ gehört also nicht nur zu den ersten in der Provinz Achaia Getauften, sondern hat auch Vorbildfunktion. Das vorbildhafte Handeln hat für das Gemeindeleben Segen bringenden Charakter.
Das "Haus des Stephanas“ gehört sicher zu den ersten Getauften der Provinz Achaia, doch ist damit nicht gesagt, dass dort niemand vor dem "Haus des Stephanas“ getauft wurde. Nicht gerade dafür spricht die Tatsache, dass Paulus das "Haus des Stephanas“ in 1 Kor 1,14-16 eher beiläufig in einem Nachsatz erwähnt. Die nachträgliche Erwähnung besagt allerdings auch nicht das Gegenteil, denn Paulus thematisiert nicht die zeitliche Abfolge der Taufen. Der Erste Korintherbrief gibt also keine Antwort auf die Frage, ob vor dem "Haus des Stephanas“ tatsächlich niemand in der Provinz Achaia getauft worden ist. Zieht man jedoch Apg 17,34 zur Beantwortung heran, dann ergibt sich ein klares Bild: Es sind zumindest in Athen Menschen gläubig geworden, noch bevor Paulus nach Korinth gekommen ist und unter anderem das "Haus des Stephanas“ getauft hat. Mit der Bekehrung dürfte sicherlich die Taufe verbunden gewesen sein. Will man nicht davon ausgehen, dass der Bericht der Apostelgeschichte an dieser Stelle fehlerhaft ist, so bleiben zwei Möglichkeiten, den Widerspruch zu glätten: Entweder hat das "Haus des Stephanas“ tatsächlich "nur“ zu den ersten gehört, die in der Provinz Achaia getauft wurden, oder er meint mit der geographischen Bezeichnung "Achaia“ nicht die gesamte Provinz samt Athen, sondern nur Korinth und die nähere Umgebung.
Das "Haus des Stephanas“ hat sich selbst in den Dienst der Heiligen gestellt. Aus dieser Aussage gehen zwei vorbildliche Verhaltensweisen hervor: Vorbildlich ist der Dienst an sich, vorbildlich ist aber auch, dass dieser Dienst aus eigenem Antrieb geschieht. Doch um was für einen Dienst handelt es sich? Und wer sind die "Heiligen“? "Heilige“ sind nach paulinischem Verständnis alle Christen, nicht nur besonders fromme oder wundertätige Christen. Allerdings kann er den Begriff auch nur auf eine bestimmte Personengruppe beziehen. So spricht er in 1 Kor 16,1 von einer Geldsammlung für die "Heiligen“ und hat dabei vermutlich nur Christen der Jerusalemer Gemeinde im Blick. "Heilige“ ist demnach eine Ehrenbezeichnung für die Glieder - oder auch nur die Leiter - der frühesten christlichen Gemeinde. Vielleicht handelt es sich um eine Selbstbezeichnung der Jerusalemer Gemeindeglieder. Für 1 Kor 16,15 bedeutet dies, dass der Begriff "Heilige“ entweder alle Christen oder auch nur Jerusalemer Gemeindeglieder meinen kann. In ersterem Fall wäre der Dienst nicht genauer bestimmt, in letzterem wäre ein eindeutiger Bezug auf die Geldsammlung gegeben, wobei sich jedoch die Frage stellen würde, warum das "Haus des Stephanas“ im Gegensatz zu den anderen korinthischen Gemeindegliedern schon mit der Kollekte begonnen hat.
Weiterführende Literatur: Was die Paulusbriefe betrifft, so sei gemäß P. Arzt-Grabner 2010, 137-142 kein einziger unter ihnen zur Gänze als Empfehlungsbrief zu charakterisieren, doch einige enthielten Abschnitte, die genau dem Briefcorpus von Empfehlungsbriefen entsprechen, und auch die darin empfohlenen Personen könnten entsprechend den allgemeinen brieflichen Konventionen der damaligen Zeit als Überbringer des entsprechenden Paulusbriefes identifiziert werden. Wie die beiden Paulusstellen Röm 16,1-2 und Phil 2,29-30 enthielten auch die meisten auf Papyrus erhaltenen Empfehlungsbriefe die Bitte um grundsätzliche Unterstützung; selbst ausführlicher vorgebrachte Bitten enthielten kaum spezielle Anliegen, sondern ersuchten den Adressaten, den Briefüberbringer bei sich aufzunehmen oder einfach in allem zu unterstützen, was er benötigt. Auch 1 Kor 16,15-18 erinnere an einen Empfehlungsbrief, allerdings deutlich weniger als Röm 16,1-2 und Phil 2,29-30. Nicht zum üblichen Inventar von Empfehlungsbriefen gehöre der ausdrückliche Hinweis, dass die Adressaten den Hausverband des Stephanas kennen, denn ob und inwieweit die Empfohlenen den Adressaten bereits bekannt sind, sei kaum von Relevanz; maßgeblich sei vielmehr, in welchem Verhältnis der Empfohlene zum Briefsender steht, denn schließlich sei es letzterer, der sich für ihn verbürgt. Mit aller Vorsicht könne für 1 Kor 16,15-18 dennoch erwogen werden: Wenn in diesem Paulusbrief seine Überbringer erwähnt werden, dann geschehe dies hier an dieser Stelle.
Mit der Bezeichnung "Erstling von/der Achaia“ befasst sich F. W. Horn 2008, 83-98. So sei eine Abweichung des Ersten Korintherbriefes von der Schilderung der Apostelgeschichte festzustellen: In Apg 18,1-17 würden der Synagogenvorsteher Krispus und sein ganzes Haus als Erstbekehrte in Korinth genannt, die durch die Wirksamkeit des Paulus, aber erst nach Eintreffen von dessen Mitarbeitern Silas und Timotheus aus Makedonien zum christlichen Glauben finden. Unmittelbar vor diesem Korinthaufenthalt des Apostels seien durch seine Wirksamkeit in Athen die namentlich genannten Dionysius und Damaris sowie einige andere mit ihnen zum Glauben gekommen (vgl. Apg 17,34). Da Athen zu der im Jahr 27 v. Chr. begründeten römischen Provinz Achaia zähle, müsse ihnen das Attribut für die Erstbekehrten, nämlich "Erstlinge der Achaia“ zu sein, zustehen und nicht Stephanas und seinem Haus, der in der Apostelgeschichte gar nicht, sondern ausschließlich im Ersten Korintherbrief erwähnt werde. F. W. Horn erklärt die Hervorhebung des Stephanas und dessen Hauses durch Paulus damit, dass Paulus über Stephanas auf eine Gemeinde Einfluss zu nehmen versuchte, die in Fraktionen zu zersplittern drohte. Stephanas habe die Sache des Paulus vertreten und habe in Korinth als Pauliner wiedererkannt werden sollen. Die betonte Erinnerung der korinthischen Gemeinde, Stephanas und sein Haus sei "Erstling der Achaia“ gewesen, binde die Gemeinde in ihren relativ undurchsichtigen Fraktionierungen an eine Ursprungsgestalt des christlichen Glaubens in Korinth und an den mit dieser Person und seiner Hausgemeinde verbundenen Apostel zurück. Paulus verleihe der Person des Stephanas überdies mit "Erstling der Achaia“ ein Prädikat, dessen Funktion hier sowohl als Altersbeweis als auch Verpflichtung für die Zukunft erkannt worden sei.
F. Schnider, W. Stenger 1987, 83-87 gehen auf das "Amt“ als häufiges Thema der Schlussparänese ein. In der Schlussparänese des Ersten Korintherbriefes versuche Paulus bei den Korinthern die Leitungsautorität der Leute um Stephanas zu befestigen. Paulus sehe in ihnen Repräsentanten der Gemeinde, die ihm sogar deren Gegenwart ersetzen bzw. vermitteln können.
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Beobachtungen: Wie das "Haus des Stephanas“ sollen sich auch die anderen korinthischen Gemeindeglieder unterordnen bzw. dienen. Die Unterordnung soll unter "solche und jeden, der mitarbeitet und sich müht“ geschehen. "Solche“ kann sich auf "die Heiligen“ oder auch auf das "Haus des Stephanas“ beziehen. Der Begriff "solche“ ("hoi toioutoi“) spielt auf eine bestimmte Eigenschaft an. Da Paulus in V. 15 keine Eigenschaft der "Heiligen“ nennt, ist am ehesten an einen Bezug auf das "Haus des Stephanas“ zu denken. Solchen, die wie das "Haus des Stephanas“ dienen, sollen sich die Gemeindeglieder unterordnen. Somit wird ein weiterer Aspekt des Begriffs "Erstling“ deutlich, und zwar das besondere Ansehen. So wie im AT die Erstlingsfrucht und das bzw. der Erstgeborene eine besondere Bedeutung bzw. ein besonderes Ansehen hat, so kommt auch dem "Haus des Stephanas“ als "Erstling“ eine besondere Ehre zu. Diese Ehre ist nicht allein mit der frühen Taufe zu begründen, sondern auch mit dem aus der Taufe resultierenden dienenden Verhalten.
Das "Haus des Stephanas“ erscheint als "Mitarbeiter“ am Gemeindeaufbau, der sich müht. Dass die Mitarbeit am Gemeindeaufbau und die Mühe ein besonderes Ansehen bewirken, zeigt die Aufforderung, sich allen, die mitarbeiten und sich mühen, unterzuordnen. Die Unterordnung scheint nicht wie selbstverständlich zu erfolgen, denn sonst müsste Paulus nicht zu dieser mahnen.
Die beiden Verben "mitarbeiten“ und "sich mühen“ weisen auf allgemeinen Dienst an der Gemeinde hin, nicht speziell auf die Geldsammlung für die "Heiligen“ in Jerusalem. Worin der Dienst des "Hauses des Stephanas“ für die eigene Gemeinde besteht, bleibt jedoch offen. Es kann sich um karitative, verwaltende oder missionarische Tätigkeiten handeln oder auch um Gesandtendienste.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Paulus hat nicht nur Gesandte nach Korinth geschickt, sondern es haben sich auch korinthische Gemeindeglieder zu Paulus nach Ephesus begeben. Es handelt sich um drei Personen, die zwischenzeitlich angekommen sind: Stephanas, Fortunatus und Achaikus. Fortunatus und Achaikus werden im NT nur hier erwähnt, so dass über sie nichts Weiteres bekannt ist. Ob sie von der korinthischen Gemeinde entsandt wurden, wird nicht ausdrücklich gesagt, ist jedoch gut möglich. Allerdings können die drei auch aus privatem oder geschäftlichem Grund nach Ephesus gereist sein.
Es ist gut möglich - wenn auch nicht sicher -, dass die drei Reisenden Paulus den Brief überbracht haben, der die Anfragen enthält, auf die Paulus in seinem Ersten Korintherbrief antwortet. Und es ist auch gut möglich, dass sie den Ersten Korintherbrief, das Antwortschreiben, nach Korinth mitnehmen.
Doch wie kommt es, dass Paulus sich veranlasst sieht, Unterordnung unter das "Haus des Stephanas“ einzufordern? Hat Paulus ihm sein Leid aufgrund des Verhaltens der anderen Gemeindeglieder geklagt? Sollte dies im Rahmen einer Gesandtenreise geschehen sein, dann müsste er sich den Vorwurf gefallen lassen, die Gesandtenreise für seine Zwecke missbraucht und sich hinter dem Rücken der anderen korinthischen Gemeindeglieder beschwert zu haben. Eine Beschwerde wäre im Rahmen einer Reise, die nicht im Auftrag der Gemeinde erfolgt ist, eher angebracht. Dass Stephanas, Fortunatus und Achaikus nur zum Zwecke der Beschwerde über andere Gemeindeglieder nach Ephesus gereist sind, ist jedoch unwahrscheinlich. Überhaupt ist nicht gesagt, dass sie - oder auch nur Stephanas - sich im eigentlichen Sinne beschwert haben. Möglich ist nämlich auch, dass Paulus durch Stephanas’ persönliche Anwesenheit an Missstände erinnert wird, die ihm schon vor Stephanas’ Ankunft zu Ohren gekommen sind. Vielleicht hat Paulus auch selbst nach dem Stand der Dinge gefragt und aus den möglicherweise vorsichtigen Formulierungen des Stephanas seine Schlüsse gezogen. Wenn Stephanas aber tatsächlich mit Fortunatus und Achaikus zum Zwecke des Brieftransports nach Korinth gesandt worden ist, kann seine Stellung in der korinthischen Gemeinde ganz so schlecht nicht sein, denn sonst wäre ihm nicht so viel Vertrauen entgegengebracht worden.
Paulus freut sich über die Anwesenheit des Stephanas, Fortunatus und Achaikus, weil sie einen Mangel (hysterêma) ausgleicht. Paulus hat vermutlich nicht einen Ausgleich eines Verhaltensmangels der anderen Korinther im Blick, sondern er empfindet die Abwesenheit der anderen korinthischen Gemeindeglieder als einen Mangel. Ihr Fehlen stellt eine Lücke in Paulus’ Leben dar, die es aufzufüllen (anaplêroô) gilt. Entsprechend freut sich Paulus über die Ankunft des Stephanas, Fortunatus und Achaikus.
Dass Paulus die Abwesenheit der korinthischen Gemeindeglieder als Mangel ansieht, der durch die Ankunft des Stephanas, Fortunatus und Achaikus zumindest ansatzweise behoben wird, macht deutlich, dass Paulus zu den korinthischen Gemeindegliedern als seine "Geschwister“ trotz aller Missstände eine enge Beziehung hat und er sich gerade wegen der engen Beziehung zu dem ausführlichen Antwortschreiben, dem Ersten Korintherbrief, samt den verschiedenen Ermahnungen aufgefordert sieht.
Weiterführende Literatur: W. A. Meeks 1983, 56-58 legt dar, dass die Fähigkeit zu reisen gewisse Geldmittel voraussetze, die nicht notwendigerweise diejenigen des/der Reisenden sein müssten. Man sei versucht, Stephanas als einen wohlhabenden Mann zu betrachten, doch sei dieser Schluss voreilig. Sein griechischer Name weise vielleicht darauf hin, dass seine Familie nicht der römischen Kolonie angehöre, sondern einheimische Griechen oder Einwanderer sei. Auf jeden Fall gehöre sie nicht der höchsten sozialen Schicht an. Stephanas Reise zusammen mit Achaikus und Fortunatus zu Paulus lege eine gewisse Unabhängigkeit nahe. Tatsächlich gehörten die drei jedoch wahrscheinlich einer offiziellen Gesandtschaft an, so dass ihre Ausgaben von der korinthischen Gemeinde gezahlt würden. Allerdings erscheine Stephanas durchaus als Haupt eines Hauses und auch seine Dienste an der korinthischen Gemeinde legten die Stellung eines Patrons nahe, so dass er sicherlich von höherem Ansehen sei. Achaikus und Fortunatus gehörten dagegen vermutlich, wie ihre lateinischen Namen annehmen ließen, Kolonistenfamilien an, die sich früh in Korinth niedergelassen haben. Achaikus werde seinen Spitznamen, der auf die geographische Herkunft (Provinz Achaia) hinweise, sicherlich nicht als Einwohner von Korinth erhalten haben. Eher sei anzunehmen, dass er (oder sein Vater) eine längere Zeit in Italien verbracht und den Spitznamen dort erhalten hat. Dann sei er (oder sein Vater) wieder nach Korinth zurückgekehrt, vermutlich als freigelassener Kolonist.
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Beobachtungen: Stephanas wird erneut gelobt. Er ist samt seiner Hausgemeinschaft nicht nur "Erstling von Achaia“ und dient den "Heiligen“, sondern hat auch den "Geist“ des Paulus und denjenigen der korinthischen Gemeindeglieder erquickt. Was hat man sich darunter vorzustellen? Das Verb "erquickt“ steht in der Zeitform des Aorist, es handelt sich also vermutlich um ein einmaliges, abgeschlossenes Geschehen. Erquickt wurde der "Geist“ des Paulus und der korinthischen Gemeindeglieder. Das griechische Substantiv "pneuma“ bezeichnet auch den (heiligen) Geist, der die Gläubigen erfüllt. Das Erquicken hat also nicht weltlichen Charakter, sondern bezieht sich auf das christliche Leben samt Gemeindeaufbau. Es meint eine Stärkung, wie sie durch eine Rast oder Ruhephase erfolgt, nur dass sie geistlicher und nicht körperlicher Art ist. Mit der Stärkung ist sicherlich auch die Freude verbunden.
Es fällt auf, dass nicht nur Stephanas den "Geist“ erquickt hat, sondern auch Fortunatus und Achaikus. Das Erquicken muss also mit der Reise und dem Erscheinen und Aufenthalt der drei Personen in Ephesus zusammenhängen. Die Reise und der Aufenthalt umfassen jedoch einen längeren Zeitraum, so dass nach einer bestimmten einmaligen und abgeschlossenen Begebenheit oder Handlung im Verlaufe der Reise oder des Aufenthaltes zu fragen ist, die die Erquickung bewirkt haben könnte. Zunächst einmal ist an die Ankunft der drei Reisenden bei Paulus zu denken. Paulus ist sicherlich durch diese erfreut und beruhigt gewesen, doch ist für die Gemeinde die Ankunft an sich von eher untergeordneter Bedeutung, insbesondere wenn der Besuch bei Paulus nicht im Rahmen einer Gesandtschaft erfolgt. Eine Bedeutung für die Gemeinde wäre in erster Linie dann gegeben, wenn mit der Ankunft des Stephanas, Fortunatus und Achaikus in Korinth auch die Übergabe eines Gemeindebriefes verbunden gewesen ist. In diesem Fall wäre die korinthische Gemeinde über die Stellvertreterfunktion der Gesandten hinaus bei Paulus präsent und spräche selbst. Es wäre der Briefkontakt, der die Gemeinde erfreut, beruhigt und stärkt. Von der tatsächlich erfolgten Briefübergabe würde sie jedoch erst nach der Rückkehr der Gesandten und deren Übergabe des paulinischen Antwortschreibens erfahren. Paulus würde in seiner Formulierung die Erquickung der korinthischen Gemeinde also vorwegnehmen. Er selbst wäre jedoch durch die Übergabe des korinthischen Gemeindebriefes schon erfreut, beruhigt und gestärkt worden und hätte das Antwortschreiben verfasst. Folgt man dieser Interpretation, so folgt daraus, dass der erquickende Charakter des Briefkontakts an sich nicht durch die wenig erfreulichen Zustände in der korinthischen Gemeinde geschmälert wird.
Wer den "Geist“ des Paulus und der korinthischen Gemeinde erquickt, soll anerkannt werden. Die Anerkennung kann sich auf die Stellung innerhalb der Gemeinde beziehen, aber auch konkret auf eine Gesandtschaft als solche. Aus der Ermahnung des Paulus geht hervor, dass die Anerkennung in Korinth nicht selbstverständlich erfolgt. Sofern Stephanas, Fortunatus und Achaikus von der Gemeinde mit der Reise zwecks Briefübergabe beauftragt worden sind, mag es auch vorweg Diskussionen darüber gegeben haben, wen man mit der Gesandtschaft betrauen soll.
Weiterführende Literatur:
Literaturübersicht
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Arzt-Grabner, Peter; Neues zu Paulusaus den Papyri des römischen Alltags, Early Christianity 1/1 (2010), 131-157
Horn, Friedrich Wilhelm; Stephanas und sein Haus − die erste christliche Hausgemeinde in der Achaia, in: D. C. Bienert u. a. [Hrsg.], Paulus und die antike Welt, Göttingen 2008, 83-98
Meeks, Wayne A.; The First Urban Christians: The Social World of the Apostle Paul, New Haven − London 1983
Schnider, Franz; Stenger, Werner; Studien zum neutestamentlichen Briefformular (NTTS 11), Leiden 1987
Weima, Jeffrey A. D.; Neglected Endings: The Significance of the Pauline Letter Closings (JSNTS 101), Sheffield 1994