2 Kor 3,1-6
Übersetzung
2 Kor 3,1-6:1 Fangen wir wiederum an, uns selbst zu empfehlen? Oder haben wir etwa, wie gewisse [Leute], Empfehlungsbriefe an euch oder von euch nötig? 2 Unser Brief seid ihr, geschrieben in unsere Herzen, erkannt und gelesen von allen Menschen; 3 ist doch offenkundig, dass ihr ein Brief Christi seid, besorgt von uns, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit [dem] Geist [des] lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf Tafeln, [die] fleischerne Herzen [sind]. 4 Solches Vertrauen aber haben wir durch (den) Christus Gott gegenüber. 5 Nicht, dass wir von uns selbst aus befähigt wären, gleichsam von uns selbst aus etwas zu beurteilen, sondern unsere Fähigkeit kommt von (dem) Gott, 6 der uns auch zu Dienern eines neuen Bundes befähigt hat - nicht [des] Buchstabens, sondern [des] Geistes; denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.
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Beobachtungen: Paulus setzt den schon unmittelbar zuvor in 2,14-17 benutzten Wir-Stil fort. Es ist anzunehmen, dass - wie dort auch - Paulus sich in erster Linie selbst meint. Möglicherweise ist auch sein Mitarbeiter Timotheus, der gemäß 1,1 (zumindest offiziell) den Brief mitverfasst hat, eingeschlossen.
Paulus beginnt den Abschnitt mit zwei rhetorischen Fragen, die beide mit "Nein“ zu beantworten sind. Aus der ersten zu verneinenden rhetorischen Frage geht hervor, dass Paulus nicht wiederum anfängt, sich selbst zu empfehlen. Doch wann hat sich Paulus zuvor selbst empfohlen? Zunächst ist an eine briefliche Selbstempfehlung zu denken, wie sie in der Antike üblich war. Dabei ist der Blick an erster Stelle auf den Zweiten Korintherbrief zu richten. Dort fällt ein recht umfangreicher Komplex ins Auge, der eine Selbstrechtfertigung und-empfehlung darstellt, und zwar 1,12-2,17. In diesem Abschnitt legt Paulus insbesondere dar, warum er einen geplanten weiteren Besuch bei den Korinthern abgesagt hat. Er macht deutlich, dass er keinesfalls unwahrhaftig ist. Eine Selbstempfehlung im engeren Sinn stellt der Abschnitt 2,14-17 dar, wo Paulus darlegt, dass er selbst von Gott im Triumphzug mitgeführt wird. Allerdings kann sich Paulus in 3,1 nicht auf diese Selbstempfehlung samt vorausgehender Selbstrechtfertigung beziehen, weil sie unmittelbar an 3,1 angrenzt. Aus der Formulierung "Fangen wir wiederum an,...“ geht hervor, dass zwischen der vorhergehenden Selbstrechtfertigung und der von Paulus nicht beabsichtigten weiteren Selbstrechtfertigung ein gewisser Abstand vorhanden sein muss. Ein erneuter Anfang setzt ein zurückliegendes Ende voraus.
Somit ist der Blick auf einen anderen, vorhergehenden Brief zu werfen, wobei zunächst uns heute noch vorliegende Briefe zu beachten sind. Dort wird man auch fündig: Sowohl der Erste Korintherbrief (2,1-4) als auch der Erste Thessalonicherbrief (2,1-12) bieten eine Selbstempfehlung. Auf diese mag Paulus also verweisen. Allerdings verwundert, warum sich Paulus nicht nochmal selbst empfehlen will, wo doch Selbstempfehlungen in der Antike nichts Anrüchiges sind. Außerdem: Eine weitere Selbstempfehlung im unmittelbaren Anschluss an diejenige des Abschnittes 2 Kor 1,12-2,17 macht keinen Sinn.
Aus diesen beiden gewichtigen Einwänden ist zu schließen, dass sich Paulus nicht auf eine briefliche Selbstempfehlung bezieht, sondern auf eine anderer Art. Dabei ist an den ersten Kontakt zu Beginn des ersten Aufenthaltes in Korinth zwecks Mission zu denken. In der völlig fremden und ihm gegenüber weit gehend feindlich oder zumindest misstrauisch eingestellten heidnischen Welt kam es für Paulus darauf an, Vertrauen aufzubauen. Dies war schon deswegen notwendig, weil er Gastgeber finden musste, bei denen er Unterkunft finden konnte. Möglicherweise hatte er keinen Empfehlungsbrief einer anderen Gemeinde bei sich oder ein solcher war bei dem ersten Kontakt mit einer heidnisch oder jüdisch geprägten Stadt wertlos, da er von Andersgläubigen stammte. Den Aufbau von Vertrauen in der Fremde hat Paulus möglicherweise in 2 Kor 3,1 im Blick. Wenn er nun mittels der zu verneinenden rhetorischen Frage deutlich macht, dass er sich nicht wiederum selbst empfehlen werde, so will er damit ausdrücken, dass er eine solche Selbstempfehlung nun nicht mehr nötig hat.
Paulus hat auch keine Empfehlungsbriefe an die Korinther oder von den Korinthern nötig. Das bedeutet nicht, dass Paulus Empfehlungsbriefe grundsätzlich ablehnt. Paulus sagt nur, dass er diese nicht benötigt.
Er lässt durchblicken, dass "gewisse Leute“ in der korinthischen Gemeinde der Empfehlungsbriefe durchaus bedürfen. Mit den "gewissen Leuten“ sind vermutlich andere Missionare gemeint, die nach Korinth kommen und von dort wieder fortgehen. Paulus formuliert sehr distanziert, wobei der Grund für die Distanz aus 2,17 deutlich wird: Paulus wirft bestimmten Missionaren vor, dass sie das Wort Gottes verhökern, d. h. dass sie ihren eigenen finanziellen Vorteil suchen und ihre Predigt unlauteren Absichten entspringt.
Dass diese der Empfehlungsbriefe bedürfen, ist an sich nicht zu kritisieren, denn Empfehlungsbriefe waren in der Antike gängige Praxis. Sie konnten an eine Gemeinde wie die korinthische gerichtet sein oder von ihr ausgestellt werden und sollten dafür sorgen, dass die Empfohlenen an anderen Orten wohlwollend aufgenommen wurden und ihnen Hilfe zuteil wurde. Wenn Paulus betont, dass er solcher Empfehlungsbriefe nicht bedarf, so will er sich in erster Linie als Apostel gegenüber anderen Missionaren, von denen er sich abgrenzt und die in Konkurrenz zu ihm stehen, herausheben.
Weiterführende Literatur: Eine strukturelle Exegese von 2,14-7,4 mit einem Schwerpunkt auf 2,14-3,6 und 6,11-7,4 bietet D. Patte 1987, 23-49. Ihr Ziel ist es, die Hauptaspekte und die rhetorische Strategie, die dem gesamten Abschnitt zugrunde liegen, zu erhellen.
Eine strukturelle Analyse von 2,14-4,6 samt kritischer Prüfung des Ergebnisses bietet J. Lambrecht 1983, 344-380, der den Abschnitt in drei Unterabschnitte einteilt: 2,14-3,6; 3,7-18; 4,1-6.
2,14 − 3,18 analysiert G. Wagner 1985, 55-65.
Eine Auslegung von 2,(14 bzw.)15 - 3,18 bieten T. E. Provence 1982, 54-81 und R. W. Scholla 1997, 33-54.
C. K. Stockhausen 1989, 33-86 führt in den Abschnitt 3,1-6 ein, rekonstruiert den exegetischen Hintergrund und geht dann dem Argumentationsverlauf nach.
E. Richard 1981, 340-367 geht davon aus, dass der paulinische Text auf der Septuaginta und ihren sprachlichen Eigenheiten basiere. Er weist darauf hin, dass Paulus in 2 Kor 3,1-4,6 nicht nur Ex 34 einbaue, sondern auch Passagen aus Ex 31 sowie aus den Büchern Jesaja, Jeremia, Ezechiel, Sprüche und Weisheit Salomos. 2 Kor 3,1-18 beziehe sich nicht nur auf Ex 34, sondern erweitere, kommentiere und aktualisiere insbesondere die in Jer 31,31-33 (LXX: 38,31-33) gemachten Aussagen zum neuen Bund und zum Gottesvolk.
S. J. Hafemann 1986, 177-225 legt dar, dass das Leiden (vgl. 2,14-16a) und der Geist (vgl. 2,14-17) die beiden Säulen der paulinischen Selbstverteidigung seien. Die Korinther verdankten ihre christliche Existenz dem Wirken des Apostels, denn ihm hätten sie den Empfang und das Wirken des Geistes zu verdanken. Von daher sei es unmöglich, das Leiden und den Geistbesitz des Apostels gegeneinander auszuspielen oder zu behaupten − wie es die Gegner offensichtlich getan hätten -, dass Schwäche und Stärke, die Kraft und Herrlichkeit des Evangeliums, im Rahmen des apostolischen Dienstes nicht nebeneinander existieren könnten. Paulus sei schwach und leide als Verkörperung des Kreuzes Christi, aber er sei zugleich im Geistbesitzender, durch den die Kraft und der Geist Gottes offenbar und verbreitet werden.
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Beobachtungen: Paulus nennt den Grund, warum er keine Empfehlungsbriefe braucht: Sein Empfehlungsbrief sind die Adressaten. Die korinthische Gemeinde ist nämlich von ihm gegründet worden. Weil sie ihn allein durch ihre Existenz empfiehlt, braucht sich Paulus auch nicht - wie bei dem ersten Missionsaufenthalt - den Korinthern gegenüber erneut zu empfehlen.
Die korinthische Gemeinde ist als Empfehlungsbrief "in unsere Herzen“ geschrieben worden. Die Formulierung "in unsere Herzen“ irritiert. Wenn Paulus mit dem Personalpronomen sich selbst meint, dann kann er nicht von mehreren Herzen sprechen; er hat nur eins. Folglich muss mindestens ein anderer Missionar gemeint sein. In Frage kommt an erster Stelle Timotheus, der (offizielle) Mitverfasser des Briefes. Auch Silvanus könnte gemeint sein, denn dieser hat gemäß 2 Kor 1,19 ebenso wie Paulus und Timotheus in Korinth gepredigt. An andere Missionare ist nicht zu denken, weil alle Missionare nicht eingeschlossen sein können - sonst würde sich Paulus in V. 1 nicht von "gewissen“ abgrenzen - und eine Teilmenge völlig unbestimmt wäre.
Paulus will vermutlich sagen, dass er, Timotheus und vielleicht auch Silvanus eine besondere Beziehung zu den Adressaten haben. Paulus hat die Gemeinde in Korinth gegründet (vgl. 1 Kor 3,5-6) und Timotheus ist sein enger Mitarbeiter, der von Paulus als Stellvertreter nach Korinth gesandt wurde (1 Kor 4,17; 16,10-11). Auch Silvanus war ein enger Mitarbeiter des Paulus, der in Korinth gepredigt hat.
Dass es in Korinth eine Gemeinde gibt, ist allen Menschen ersichtlich. Daher können auch alle Menschen den Empfehlungsbrief, der ja die Gemeinde ist, erkennen und lesen. Allerdings stellt sich die Frage, wie denn alle Menschen lesen sollen, wenn sich das Geschriebene doch in den Herzen von Paulus und Timotheus findet. Die Antwort dürfte sein, dass ein logischer Sprung vorliegt, weil Paulus zwei Gedanken miteinander verknüpft hat: 1. Die korinthische Gemeinde ist der Empfehlungsbrief von Paulus (und Timotheus). 2. Paulus und Timotheus haben eine besondere Beziehung zu der Gemeinde.
Der logische Sprung ist in einer Variante geglättet worden, sei es wegen eines Hör- oder Schreibfehlers oder durch absichtliche Korrektur. So ersetzt die Variante das Possessivpronomen "unsere“ ("hêmôn“) durch "eure“ ("hymôn“). Demnach ist also der Empfehlungsbrief "in eure Herzen“, also diejenigen der Adressaten, geschrieben. Der Empfehlungsbrief und das Geschriebene sind miteinander verbunden und es stellt sich nicht die Frage, wie denn das Geschriebene von allen Menschen gelesen werden kann.
Die Reihenfolge der Verben "erkennen“ ("ginôskô“) und "lesen“ ("anaginôskô“) lässt sich auf zweierlei Weise erklären: Erstens muss ein Brief als solcher erkannt werden, bevor er gelesen werden kann, zweitens handelt es sich um ein Wortspiel: zwei fast identische, aber bedeutungsverschiedene Worte folgen aufeinander, wobei das kürzere dem längeren vorangeht.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Wenn die korinthische Gemeinde ein Empfehlungbrief ist, so stellt sich die Frage, wer ihn denn geschrieben hat. Paulus bezeichnet die Gemeinde als "Brief Christi“, d. h. er ist von Christus geschrieben. Christus ist aber im Himmel, so dass unklar ist, wie denn der Empfehlungsbrief auf der Erde Gestalt annehmen konnte und nun von allen Menschen erkannt und gelesen werden kann. Paulus gibt die Antwort, indem er auf seinen Dienst (und den des Timotheus und vielleicht auch den des Silvanus) verweist. Durch seinen Dienst ("diakoneomai“ = "bedient/besorgt werden“) im Auftrage Christi, das missionarische Wirken, ist es zur Gemeindebildung gekommen. In gewisser Weise sind Paulus und Timotheus (und vielleicht auch Silvanus) die Überbringer des Empfehlungsschreibens vom Himmel auf die Erde. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Tatsache, dass das Empfehlungsschreiben in ihre eigenen Herzen geschrieben ist, sinnvoll: Die Überbringer von Empfehlungsschreiben trugen diese nämlich eng bei sich.
Der Empfehlungsbrief stammt also von Christus. Nun stellt sich jedoch die Frage nach dem Schreibmaterial. Womit und worauf hat er geschrieben? Paulus’ Antwort: Christus hat nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes. Tinte ist tote Materie und vergänglich; sie verblasst im Laufe der Zeit und man kann sie abwischen oder löschen. Der Geist des lebendigen Gottes dagegen ist etwas Lebendiges, das auch (ewiges) Leben schafft. Er vergeht nicht und kann auch nicht weggewischt oder gelöscht werden.
Die Frage nach der Schreibunterlage hat schon V. 2 beantwortet: Der Empfehlungsbrief ist in die Herzen des Paulus und Timotheus (und vielleicht auch des Silvanus) geschrieben. Damit ist ausgesagt, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Empfehlungsbrief handelt, wie er in der Antike von Menschen ausgestellt und gewöhnlich auf Papyrus (oder Pergament) geschrieben wurde.
Auf steinerne Tafeln wurden Empfehlungsbriefe gewöhnlich nicht geschrieben. Dass Paulus sie überhaupt nennt, hängt damit zusammen, dass er nun zur Unterscheidung von altem und neuem Bund übergeht. Die steinernen Tafeln stehen für den alten Bund, den der Gott JHWH mit seinem Volk Israel auf dem Berg Sinai - auch "Horeb“ genannt - geschlossen hat. Gemäß Ex 24,12; 31,18; 32,15-16 u. a. hat dort Mose, der Anführer des Volkes bei der Wüstenwanderung von Ägypten nach Israel/Palästina, von Gott zwei beidseitig beschriebene steinerne Tafeln mit Weisung und Gebot erhalten. Paulus ist daran gelegen, den alten Bund und den Dienst an ihm mit bloßem, totem Material in Verbindung zu bringen, den neuen Bund und den Dienst an ihm jedoch mit dem Geist des lebendigen Gottes. So kommt es auch, dass Paulus die Tinte als Schreibstoff nennt. Diese eignet sich eigentlich nicht zum Beschreiben von Steinen, doch ist sie vergänglich, materiell und den Korinthern von Papyrusbriefen her vertraut - alles Aspekte, die bei in den Stein eingemeißelten Schriftzeichen (vgl. Ex 32,16) nicht gegeben sind.
Da Paulus das Material der Tafeln des alten Bundes, nämlich Stein, nennt, erwähnt er nachträglich auch das Material der menschlichen Herzen, der "Tafeln“ des neuen Bundes: sie sind aus Fleisch.
Weiterführende Literatur: A. de Oliveira 1996, 356-377 geht davon aus, dass man mit Recht von intratextuellen Wurzeln der ntl. Kanon-Bildung sprechen könne. Inwieweit und auf welche Weise sich diese "erzeugende Energie“ in den paulinischen Briefen zeigt, wo die Wurzeln der in ihnen beanspruchten Normativität liegen, wie sie zu Identitätsquellen nicht nur für die ursprünglichen Rezipienten, sondern auch für die Kirchen aller Orte und Zeiten geworden sind, darauf könne man anhand von 2 Kor 2,14-7,4 antworten.
Die Ausführungen von K. Scholtissek 2000, 183-205 wenden sich der metaphorischen Bestimmung der Gemeinde in Korinth als "Brief“ des Apostels bzw. als "Brief Christi“ zu. Welche Bedeutung hat diese Metapher in 2 Kor 3,1-3? Welche sich wechselseitig erhellenden Kontextbezüge sind in 2 Kor 3, einem der umstrittensten Paulustexte, bzw. in 2 Kor insgesamt erkennbar? Greift Paulus hier eine in Korinth, bei seinen Gegnern oder im religionsgeschichtlichen Umfeld vorgegebene Wendung auf? Und nicht zuletzt: Lässt diese Metapher in ihrer paulinischen Ausführung eine Aktualisierung zu? Ergebnis: In der paulinischen Apostolatstheologie sei der Apostel selbst, genauerhin seine apostolische Existenz, Ausweis des Evangeliums, und dies besonders hinsichtlich seiner kreuzestheologischen Zuspitzung. Zugleich sei nicht nur der Apostel, sondern auch die von ihm gegründete und verantwortete Gemeinde in ihrer Existenz und in ihren Vollzügen Ausweis des Evangeliums .In ihrem Leben vergegenwärtige sie das Evangelium für die Glaubenden wie für die Nichtglaubenden. Sowohl Paulus als auch den Christen in Korinth sei das Evangelium ins Herz geschrieben. Nur auf dieser Basis könnten der Apostel und seine Gemeinde sich wechselseitig "rühmen“ bzw. "empfehlen“. Alle christlichen Gemeinden und mit ihnen jeder einzelne Christ seien berufen und befähigt, "Brief Christi“ zu sein.
M. Fatehi 2000, 196-201 legt dar, dass es Christus sei, der auf die Herzen der Menschen des Neuen Bundes schreibt. Damit sei er das Gegenstück zu JHWH (gemäß Ex 31), der mit seinem Finger das Gesetz auf zwei Steintafeln schrieb. Christus sei der Urheber der Bekehrung der Korinther mittels des Geistes.
Zum Verhältnis des Alten und des Neuen Bundes zueinander siehe J. M. McDermott 2006, 25-63. Der Alte (= mosaische) Bund weise − christologisch verstanden - prophetisch auf den Neuen Bund hin und biete den Christen Handlungsanweisungen. Der Neue Bund sei nicht nur äußerlich von Herrlichkeit gekennzeichnet, sondern sei auf die Herzen der Gläubigen geschrieben und bewirke so eine Umwandlung der Gläubigen in Christus hinein. Diese werde durch dessen historische Erscheinung und durch die Eucharistie vermittelt.
L. L. Belleville 1996, 281-304 meint, dass die Bedeutung des (heiligen) Geistes in der Theologie des Paulus oft nicht angemessen gewürdigt werde. Sie befasst sich daher mit der Theologie des Geistes und fragt, wie sie die polemische und argumentative Haltung des Apostels in dem Zweiten Korintherbrief durchkreuzt. Dabei geht sie auf S. 290-291 auf das Wirken des Geistes bei der Bildung der korinthischen Gemeinde ein.
K. H. Easley 1984, 299-313 befasst sich mit der Frage, was es bedeutet, wenn etwas "im Geiste“ geschieht. Dabei versucht er zu klären, ob es sich bei der Formulierung "im Geiste“ um einen terminus technicus mit der stets gleichen Bedeutung handelt, oder ob die Bedeutung des Begriffs vom Zusammenhang abhängt. Ergebnis: Paulus gebrauche den Begriff nicht als einen terminus technicus. Vielmehr verweise der Apostel mit ihm auf den Geist als wirksamen Mittler der Kraft Gottes, durch den Christen bestimmte Erfahrungen zuteil werden und durch den die Gläubigen in die Lage versetzt werden, bestimmte Erwartungen zu erfüllen.
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Beobachtungen: Paulus hat in seine vorausgehenden Aussagen Vertrauen. Er ist von apostolischem Selbstbewusstsein erfüllt. Wenn gemäß V. 3 Christus selbst den Empfehlungsbrief, die korinthische Gemeinde, ausgestellt hat, dann gründet das ganze Vertrauen auf Christus selbst. Das Vertrauen hat er Gott gegenüber; vor ihm und nicht vor den Menschen muss er sein Tun rechtfertigen.
Weiterführende Literatur: J. Eckert 1983, 241-256 befasst sich mit der geistlichen Schriftauslegung des Apostels in 3,4-18. Paulus betreibe hier in Übereinstimmung mit der biblischen Auslegungsmethode seiner Zeit eine sehr freie, von seinem christlichen Standpunkt beherrschte Exegese der Schrift. Um die paulinischen Aussagen nicht in eine vorgegebene theologische oder ideologische Konzeption zu pressen, sei der Text 3,4-18 zunächst historisch-kritisch auszulegen.
S. J. Hafemann 1995, 39-186 vertritt die Meinung, dass die Anspielung auf Moses Berufung in 2 Kor 2,16 und die Parallelen in 3,4-6 die Basis seien, auf der Paulus seine Argumentation im Hinblick auf die Legitimität seines apostolischen Dienstes errichte. S. J. Hafemann legt die kanonische Tradition der Berufung des Mose und der Propheten dar. Auf diesem Hintergrund werde klar, warum Paulus seine eigene Berufung niemals in den Begriffen der Berufung des Mose per se darstelle, sondern immer in Nachahmung der Berufung der Propheten, besonders derjenigen des Jeremia. Darüber hinaus werde klar, welche Rolle Paulus’ Anspielung auf die eigene Berufung in der Verteidigung spielte. In diesem Zusammenhang beleuchtet S. J. Hafemann, welche soziale Funktion Berufungsberichte als Quelle der Legitimation zur Zeit des Paulus hatten.
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Beobachtungen: Nun könnte man Paulus die kritische Anfrage stellen: "Wieso bist du dir eigentlich so sicher, dass die korinthische Gemeinde dein Empfehlungsbrief ist?“ Und es könnte der Vorwurf folgen: "Du bist aber ganz schön eingebildet!“ Dem Vorwurf der eitlen Einbildung begegnet Paulus, indem er darauf verweist, dass nicht er selbst sich selbst beurteilen kann. Die Beurteilung kommt von Gott; deswegen kann er sich seiner Sache so sicher sein.
Paulus streitet nicht nur im Hinblick auf seine eigene Person und sein eigenes Tun die Fähigkeit zur Beurteilung ab, sondern in jeder Hinsicht. Was immer er auch beurteilt, Gott gibt ihm die Befähigung dazu.
Weiterführende Literatur: G. Dautzenberg 1986, 156-158 legt dar, dass sich Paulus’ Eignung für die weltweite Verkündigungsaufgabe an der Uneigennützigkeit, Lauterkeit und Gottgemäßheit seiner Verkündigung zeige. Möglicherweise sei auch in der Erinnerung an die erfolgreiche Mission in Korinth und an die Gründung der korinthischen Gemeinde (vgl. 2 Kor 3,1-3) eine weitere Antwort auf die Frage der Antwort enthalten. Wichtig sei, dass die Eignung von Gott her kommt.
Von der Frage ausgehend, wer als Amtsträger Christus repräsentieren darf, setzt sich J. Eckert 1997, 60-78 mit dem Wesen des Amtes in der Kirche auseinander, wobei er insbesondere 2 Kor 3 aufgreift. Ergebnis: Paulus wisse sich einerseits als der bevollmächtigte Gesandte Jesu Christi mit dem Evangelium der Gemeinde gegenüber stehend. Weil gemäß der biblischen Tradition der Neue Bund für Paulus wesentlich durch das Wirken des Geistes Gottes bestimmt sei und dieser allen Glaubenden zuteil geworden sei, wisse er jedoch bei allen hohen Aussagen sein Amtsverständnis zu relativieren, und eine klare Unterscheidung zwischen Ämtern und Diensten sei in seiner Theologie kaum möglich. Die Gemeinde sei "Gottes Tempel“, in dem Gottes Geist wohnt (1 Kor 3,16), und alle Glaubenden − die Frauen selbstverständlich eingeschlossen - seien "Geistliche“ (Gal 6,1) und "Gottbelehrte“ (1 Thess 4,9).
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Beobachtungen: Auch dass Paulus und Timotheus (und vielleicht auch Silvanus) Diener Gottes sind, können sie nicht mit eigener Fähigkeit begründen, denn die Befähigung stammt von Gott. So kommt es, dass er und Timotheus (und vielleicht auch Silvanus) im Triumphzug Gottes mitgeführt werden. In 2,16 fragt Paulus, wer dazu geeignet ist. Die Antwort, die sich schon aus dem Zusammenhang 2,14-17 erschließen ließ, gibt Paulus in 3,6: Er selbst und Timotheus (und vielleicht auch Silvanus) sind dazu geeignet - nicht aufgrund eigenen Könnens, sondern aufgrund der Befähigung durch Gott.
Genau genommen bezeichnet Paulus sich und Timotheus (und vielleicht auch Silvanus) hier nicht als "Diener Gottes“, sondern als "Diener eines neuen Bundes“. Den neuen Bund charakterisiert er im Folgenden und vergleicht ihn mit dem alten Bund.
Den neuen Bund zeichnet aus, dass er ein Bund des Geistes ist. Der alte Bund dagegen ist ein Bund des Buchstabens. Das Wesen der beiden Bünde ist grundverschieden: Während der Buchstabe tötet, macht der Geist lebendig. Wie ist das zu verstehen? Auf den ersten Blick könnte man denken, dass es gefährlich ist, die hebräische Bibel - aus der Sicht der Christen das AT - aufzuschlagen, denn darin finden sich ja schließlich heutzutage die Buchstaben, aus denen die Weisung und das Gebot, die Mose auf dem Berg Sinai von Gott übergeben wurden (vgl. V. 3), bestehen. Müssen also die Menschen beim Anblick dieser Buchstaben sterben? Das ist nicht anzunehmen. Die Bedeutung der Aussage lässt sich aus Gal 3,10-14 erschließen: Weisung und Gebot wollen gehalten werden, am besten buchstabengetreu. Wer sie übertritt, sündigt. Nun stellt sich aber das Problem, dass niemand in der Lage ist, Weisung und Gebot bis ins Detail tagtäglich zu halten. Alle Menschen sind demnach Sünder. Als Sünder sind sie dem Tode verfallen. Daher kann Paulus sagen, dass der Buchstabe tötet. Sünde und Tod können nicht durch den Buchstaben überwunden werden. Zwar kennt die hebräische Bibel Sühnopfer, doch können auch diese aus Paulus’ Sicht nicht wirklich Sünde und Tod überwinden. Die Überwindung von Sünde und Tod ist erst durch Christi Kreuzestod und durch Christi Auferweckung von den Toten erfolgt. An dieses Heilsgeschehen gilt es zu glauben. Zum Glauben sind die Menschen aus eigener Kraft jedoch nicht fähig, sondern sie bedürfen des Wirkens des (heiligen) Geistes. Daher kann Paulus sagen, dass der Geist lebendig macht, wobei Paulus auch Christus selbst als lebendig machenden Geist bezeichnen kann (vgl. 1 Kor 15,45; 2 Kor 3,17). Der Geist ist es auch, der die Menschen nach der Taufe dazu befähigt, ihrem Christsein angemessen zu leben (vgl. zum Wirken des Geistes die paulinischen Aussagen 1 Kor 2,10.12-14; 6,11; 12,1-11; 2 Kor 1,22; 4,13; Gal 5,16-26; 6,8).
Weiterführende Literatur: Die Bundestheologie hat H. Lichtenberger 1995, 400-414 zum Thema. Er geht auf folgende Aspekte ein: 1) Problemanzeige; 2) Neuer Bund und Gottesbund in den Qumrantexten; 3) Jer 31 und der "Neue Bund“ im rabbinischen Judentum; 4) Die Bundesaussagen im NT. Fazit: Die fortdauernde Gültigkeit des Alten und die Neuheit des Neuen lasse sich am ehesten im Begriff des erneuerten Bundes zum Ausdruck bringen.
M. Tiwald 2008, 392-399 hält für die Qumrantexte ein Zweifaches fest: a) Die Rede vom "neuen Bund“ bedeute (genau wie in Jer 31,31) keine Abrogation der früheren Bundesverheißungen Gottes, sondern deren Erfüllung. b) Die Orientierung an der authentisch-verbindlichen Torainterpretation werde zum Kriterium, wer zum wahren Israel gehört und wer nicht. Die Grenzen des "wahren Israel“ liefen ja nicht entlang der bloßen Zugehörigkeit zum Volk Israel als solchem. In ähnlicher Weise lasse sich auch Paulus in 2 Kor 3,6-17; Gal 4,24-26; Röm 9,4 und 11,25-36 verstehen.
J. Murphy-O’Connor 1987, 105-129 versucht im ersten Teil seines Artikels allein aus 3,1-6 zu erschließen, welches die Gegner und deren Einstellungen waren, mit denen Paulus konfrontiert wurde. Ergebnis: Es habe sich um anerkannte Vertreter der Jerusalemer Kirche gehandelt, die die Vorstellung vom Neuen Bund gebraucht hätten, um ihr Beharren auf der weiteren Gültigkeit des mosaischen Gesetzes zu legitimieren. Diese Vertreter hätten möglicherweise unter denjenigen korinthischen Christen Unterstützung gewonnen, die von dem spekulativen weisheitlichen Gedankengut Philos beeinflusst waren. − Im zweiten Teil geht J. Murphy-O`Connor auf die Reaktion des Apostels und die Auswirkungen auf dessen Theologie ein. Ergebnis: Paulus habe seine Vorstellung von der korinthischen Gemeinde als sein einziges Empfehlungsschreiben entwickelt und − gegen seine bisherige Theologie − eine Unterscheidung der Bünde vorgenommen.
W. J. Dumbrell 2002, 61-84 geht davon aus, dass sich Paulus in 2 Kor 3 gegen judenchristliche Wanderprediger wende, die Empfehlungsschreiben mit sich führten und die das christliche Zeitalter für eine Fortsetzung, gar eine Vollendung des jüdischen Zeitalters hielten. Gemäß diesen Wanderpredigern erfülle Jesus Christus den alten, mosaischen Bund. Paulus unterstreiche dagegen die Neuartigkeit des neuen Bundes gegenüber dem alten.
G. Barth 1980, 257-270 führt zunächst kurz in die Forschungsdiskussion ein, wer im Zweiten Korintherbrief Paulus Gegner sein könnten. Früher habe die Forschung versucht, sie als Judaisten zu verstehen, d. h. als Vertreter jenes extremen Judenchristentums, das auch von den Heidenchristen die Übernahme von Gesetz und Beschneidung forderte und deshalb gegen die paulinische Verkündigung und gegen den Apostel selbst agitierte. Später seien − nach Meinung von G. Barth angemessener − die Gegner in den Kreis der für die Spätantike so charakteristischen Wanderpropheten, Goeten und Heilsbringer, die sich als Abgesandte einer Gottheit geben und ihre göttliche "Kraft/Macht“ durch Offenbarungen und Wundertaten zur Schau stellen, eingeordnet worden. G. Barth selbst meint, dass die Aussagen u. a. in 2 Kor 2,17; 3,6 auf dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit hellenistisch-judenchristlichen Wanderpredigern, die sich ihrer Eignung als eines aufweisbaren Geistbesitzes rühmten, zu verstehen seien. Paulus wende sich gegen eine solche Haltung, denn er gehe davon aus, dass die Eignung nur als unverfügbare Gabe von Gott her empfangen werden könne. Sie habe ihr Kriterium darin, dass der Verkündiger ein Diener des "Neuen Bundes“ ist, der nicht durch den tötenden "Buchstaben“, sondern durch den Leben schaffenden "Geist“ bestimmt ist.
Auch F. W. Horn 1992, 302-310 vertritt die Ansicht, dass die Gegner des Paulus Judenchristen gewesen seien. Allerdings sei der Pneumatismus kein ursprüngliches und wesentliches Element ihres Auftretens. Im Mittelpunkt ihres Interesses stehe die Bestreitung der Legitimität des paulinischen Apostolats. Die korinthische Gemeinde knüpfe an diese Bestreitung nicht grundsätzlich an, wohl aber befinde sie sich seit der Zurückdrängung des pneumatischen Enthusiasmus in einer Distanz zu Paulus.
P. B. Duff 2004, 313-337 wendet sich gegen die These, dass es sich bei 3,7-18 um eine Polemik gegen den gesetzestreuen Judaismus handele. Stattdessen behaupte Paulus, dass sich mit dem Neuen Bund der Status der Heiden vor Gott verändert habe. Gemäß dem Alten Bund seien die Heiden wegen ihrer abweisenden Haltung gegenüber dem mosaischen Gesetz zum Tode verdammt gewesen. Der paulinische Dienst habe jedoch den Geist zu den Heiden gebracht und sie mit Gott versöhnt, womit sie von nun an nicht mehr zum Tode verurteilt seien.
E. Gräßer 1985, 77-95 geht im Rahmen seiner exegetischen Vorlesung zum Alten Bund im NT auf S. 77-95 auf 2 Kor 3,6.14 ein. Ergebnis: Im Kampf um die Legitimität seines Apostelamtes vergleiche sich Paulus mit Mose, dem Prototyp der Gegner, und stelle die Gemeinde neben die Synagoge als ihr Gegenbild, mit dem sie sich zu vergleichen und von dem sie sich zu trennen habe, weil es ihre Vergangenheit zeige. Und wie in Gal 4 rückten dabei der Sinaibund und der Christusbund in ein Verhältnis von einander ausschließender Gegensätzlichkeit. Als Gegensätze baue Paulus Buchstabe und Geist, d. h. Gerechtigkeit aus Werken des Gesetzes und Gerechtigkeit aus Glauben, auf. Vgl. E. Gräßer 1985, 77-95.
Die steinernen Tafeln und den Schleier in 2 Kor 3 thematisiert S. K. Davis 2002, 182-214, der auch auf die zugrunde liegenden atl. Texte Ex 34,28-35; Jer 31,31-34; Ez 11,17-20; 36,22-32 eingeht. Ergebnis: Tora und Empfehlungsschreiben seien mittelbare Offenbarung und daher im Vergleich mit der geistbewirkten, direkten Erfahrung Gottes seitens der Christen minderwertig.
Zur bisherigen Deutung der Buchstabe-Geist-Antithese, zur paulinischen Hermeneutik und zu den Problemen, die aus der Buchstabe-Geist-Antithese und aus Paulus’ Selbstverständnis resultieren, bietet S. J. Hafemann 1995, 1-35 eine ausführliche Einleitung samt Literaturhinweisen.
S. Westerholm 1984, 229-248 untersucht, welche Überzeugungen der Buchstabe-Geist-Antithese seitens Paulus und seiner Ausleger zugrunde liegen. Er vertritt die Ansicht, dass die Antithese nichts mit paulinischer Hermeneutik zutun habe. Keinesfalls gehe es um die rechte oder falsche Art und Weise, die heilige Schrift zu lesen. Eher gehe es um die Verpflichtungen des Menschen Gott gegenüber.
Im Rahmen des Abschnittes über die paulinische Rezeption und Kritik des frühjüdischen Gesetzesverständnisses geht R. Liebers 1989, 95-123 auf 2 Kor 3 ein. Die Behauptung, im Zweiten Korintherbrief spiele die Gesetzesdebatte keine Rolle, erweise sich zumindest in Bezug auf 2 Kor 3 als unzutreffend. Obwohl die paulinische Ausgangsposition in 3,1ff. durch die in Korinth auftretenden (christlichen) gegnerischen Apostel bedingt sei, setze sich Paulus im Folgenden (ermöglicht durch die Assoziation "Brief“ − "schreiben“ − "Schrift“ = Tora) in erster Linie mit dem für ihn grundlegenden Problem auseinander: dem soteriologischen Anspruch der weisheitlich verstandenen Tora gegenüber dem Anspruch Christi. Dazu greife der Apostel auf bestimmte (früh-)jüdische Anschauungen vom Nomos zurück und kontrastiere sie mit dem in Christus geschehenen Heil.
S. Grindheim 2001, 97-115 vertritt die Ansicht, dass der Gegensatz zwischen dem Dienst am Buchstaben und dem Dienst am Geist am ehesten entlang der traditionellen Linien des Dualismus von Gesetz und Evangelium zu interpretieren sei.
K. Kertelge 1996, 117-130 bietet insbesondere eine Auslegung der Buchstabe-Geist-Antithese im Rahmen des in 2 Kor gegebenen Kontextes. In V. 6 (= Themenanzeige) sei die Antithese von Buchstabe und Geist eng verbunden mit der Selbstbezeichnung des Apostels als "Diener des Neuen Bundes“. Aber offenkundig bestimme die Antithese nicht nur den leitenden Begriff des Neuen Bundes, sondern im weiteren Zusammenhang von V. 7-18 (= exegetische Entfaltung der Aussage von V. 6) auch das Verhältnis des "Neuen“ zum "Alten Bund“.
R. C. Gleason 1997, 61-79 geht der Frage nach, was Paulus’ Unterscheidungen zwischen dem Alten und Neuen Bund in 2 Kor 3 für die Relevanz des atl. Gesetzes für Christen der Gegenwart bedeuten. Besondere Aufmerksamkeit schenkt er dabei der Unterscheidung von Buchstabe und Geist in V. 6. Ergebnis: Das mosaische Gesetz habe für Christen keine Relevanz, weil ihr Leben vom Geist und vom Neuen Bund geprägt sein solle.
W. J. Dalton 1987, 88-94 ist nicht der Meinung, dass nach Ansicht des Apostels der alte Bund durch den neuen aufgehoben sei. Die Unterscheidung von "Buchstabe“ und "Geist“ sei auf dem Hintergrund zu verstehen, dass Paulus’ Gegner den (alten) Bund haben erstarren lassen, indem sie aus ihm einen "tötenden“ Text machten.
B. Ehler 1986, 70-79 geht im Rahmen der Thematisierung von E. Käsemanns Frage nach der Mitte der Schrift auf die Unterscheidung von "Buchstabe“ und "Geist“ in 2 Kor 3,6 ein.
"Buchstabe“ und "Geist“, die gängige Übersetzung von "gramma“ und "pneuma“, werde laut A. Stimpfle 1995, 181-202 in den Schriften des NT lediglich dreimal verwendet (2 Kor 3,6; Röm 2,29; 7,6) − und doch finde man diese antithetische Begriffskombination im Laufe der Kirchen- und Theologiegeschichte in einer Intensität rezipiert wie kaum ein anderes ntl. Begriffspaar. Der unverhältnismäßigen Breite der Rezeption korrespondiere ein auffallend einheitliches, regelrecht interkonfessionelles Verständnis dieser ntl. Dichotomie. A. Stimpfle nennt als Ziel der Erörterungen, diese weit gehend übereinstimmende Tradition vom paulinischen Text her zu hinterfragen und gleichzeitig damit die Relevanz historisch-kritischer Exegese für das Verstehen eines biblischen Textes aufzuzeigen.
Zum Gegensatz von Buchstabe und Geist siehe auch A. d’Ors 1986, 497-505.
Laut J. Kremer 1980, 219-250 sei der Halbvers 6b früher oft losgelöst vom Kontext herangezogen worden, um die Unterscheidung zwischen einem "buchstäblichen“ und einem "geistigen“ Sinn der Bibel zu begründen. In neuerer Zeit hingegen bemühe man sich fast einhellig, den Text aus seinem Zusammenhang heraus zu interpretieren. J. Kremer wolle über die Erklärungen in den Kommentaren und Einzelarbeiten insofern hinaus gehen, als er die neueren sprachwissenschaftlichen (linguistischen) Arbeiten berücksichtige und exemplarisch untersuche, inwieweit es berechtigt ist, diesem Text eine Bedeutung abzugewinnen, die er im unmittelbaren Kontext nicht hat.
Wie Aurelius Augustinus die Aussage "denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“ auslegt, hat I. Bochet 1992, 341-370 zum Thema.
A. Lindemann 1995, 125-151 versucht die hermeneutische Reflexion des Paulus in 2 Kor 3 zu erheben. Dabei steht am Anfang eine knappe Übersicht über den ganzen Text 2 Kor 3, einschließlich eines kurzen Hinweises auf die von ihm vorausgesetzte literarkritische Hypothese. Dann folgt der Versuch einer kurzen Einordnung des Kapitels in den korinthischen Konflikt des Paulus. Auf dieser Basis schließt sich eine vergleichsweise ausführliche Exegese von 2 Kor 3 an, wobei den für die hier zur Debatte stehende Fragestellung relevanten Aussagen innerhalb dieses Abschnitts besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Dann folgen eine kurze Zusammenfassung der exegetischen Ergebnisse und der Versuch, aus der historischen Exegese Folgerungen für das gegenwärtige theologische Nachdenken über eine christliche Hermeneutik des AT zu ziehen.
C. K. Stockhausen 1993, 143-164 befasst sich mit den Prinzipien der paulinischen Auslegung in 2 Kor 3-4 und zeigt anhand des Galaterbriefes, dass die paulinische Vorgehensweise im Zweiten Korintherbrief keinesfall singulär sei. Die fünf wesentlichen exegetischen Vorgehensweisen seien: a) die Tora stellt die Grundlage der Auslegung dar; b) die Aktualisierung der Tora geschehe mittels prophetischer und gelegentlich auch mittels weisheitlicher Texte; c) die Ortung und Lösung von Widersprüchen und schwer miteinander vereinbaren Aussagen der Tora; d) Beachtung des Zusammenhangs der zitierten Passagen; e) Aktualisierung der Aussagen nach Art eines Peschers.
M. Hasitschka 1999, 291-299 skizziert das Selbstverständnis des Paulus in 2 Kor 3,4-4,6. Als Ergebnis kommt er zu zwei wesentlichen Feststellungen: 1) Bestimmend für die Interpretation von Ex 34,29-35 in 2 Kor 3,7.12-18 sei der christologische Überbietungsgedanke. Dieser beziehe sich v. a. auf das "Bleibende“ und Unvergängliche, das mit Jesus kommt. Vom Christusereignis her gedacht und im Vergleich dazu trage die durch Mose symbolisierte Heilsordnung letztlich das Merkmal des "Vergehenden“ und der Vergänglichkeit. 2) Bei der Lektüre von 2 Kor 3,4-4,6 frage man sich zunächst, ob 3,12-18 und 4,1-6 nicht vom Thema von 3,4-11 weglenken. Bei näherer Betrachtung zeige sich jedoch ein tieferer Zusammenhang. Die Rolle des "Dieners“ und das Verständnis vom "Dienst“ in Verbindung mit der Evangeliumsverkündigung wurzele im Schauen von Herrlichkeit, die Theophaniecharakter habe. Dieses Schauen bleibe aber nicht nur jenen reserviert, die sich wie Paulus in einem speziellen apostolischen Dienst wissen, sondern sei im Grunde allen zugänglich. Mit diesem Schauen, das letztlich Geschenk sei, sei das Geschehen einer Wandlung (vgl. 3,18) verbunden.
Literaturübersicht
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