Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Zweiter Korintherbrief

Der zweite Brief des Paulus an die Korinther

2 Kor 6,11-13

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

2 Kor 6,11-13

 

 

Übersetzung

 

2 Kor 6,11-13:11 Unser Mund hat sich euch gegenüber aufgetan, Korinther, unser Herz ist weit geworden. 12 Ihr seid nicht in uns beengt; beengt seid ihr vielmehr in eurem Inneren. 13 Zu entsprechender Gegenleistung - wie zu [meinen] Kindern rede ich - werdet auch ihr weit!

 

 

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V. 11

 

Beobachtungen: Die direkte Anrede der Korinther zeigt an, dass Paulus neu ansetzt. Er stellt in 6,11-13 seine Einstellung derjenigen der Korinther gegenüber. Paulus begegnet den Korinthern mit Offenheit und Weite. Wenn er sagt, dass sein Mund den Korinthern gegenüber aufgetan worden ist, so bedeutet dies für die Gegenwart, dass der Mund offen ist (konstatierendes Perfekt). Der offene Mund dürfte für die freimütige Rede stehen. Paulus hat also grundsätzlich nichts zu verbergen und spricht freimütig zu den Korinthern.

Ähnliches gilt für das Herz, das weit geworden ist, d. h. es ist offen. Das Herz steht hier wahrscheinlich für den inneren Menschen samt seiner Gesinnung. Paulus ist also den Korinthern gegenüber offen, er nimmt sie mit ihrem Wesen und ihren Gefühlsregungen an.

In der Vergangenheit scheint dies nicht immer so gewesen zu sein, denn das Öffnen des Mundes und das Weiten des Herzens setzt voraus, dass Mund und Herz früher (zeitweise?) verschlossen waren. Das Verhältnis zwischen den Korinthern und Paulus war in der Vergangenheit gestört, doch sieht der Apostel keinen Grund für eine weitere Verstimmung.

 

Die direkte Anrede "Korinther“ ist sicherlich einerseits Ausdruck der tiefen Verbundenheit des Apostels mit seiner Gemeinde, andererseits klingt aber auch ein Vorwurf mit.

 

Weiterführende Literatur: Eine Interpretation von 6,1-13 bietet B. K. Peterson 1997, 409-415.

 

M. Crüsemann 2004, 351-375 geht zunächst auf die Bedeutung des Herzens in der hebräischen Anthropologie ein, wonach es neben seiner zentralen Rolle im menschlichen Organismus auch das metaphorische Zentrum einer Person sei: Ort des Willens und aller Wünsche und aller Entschlüsse, die aus Verstand, Gefühl und Antrieb in ihm entstehen und von dort aus als Summe alles Bewussten und auch des im heutigen Sinne Unbewussten in Worte und Taten münden, die das eigene Leben und das der Mitmenschen bestimmen. M. Crüsemann meint, dass Paulus in dieser Tradition lebe. Sie zählt zunächst auf, an welchen Stellen Paulus im Zweiten Korintherbrief vom "Herz“ ("kardia“) spricht. Allein aus der bloßen Aufzählung werde schon ersichtlich, wie sehr dieser Begriff mit der Beschreibung von interpersonellen Verhältnissen verknüpft ist, und insbesondere denen zwischen Apostel und Gemeinde, einer Thematik, die praktisch den ganzen Zweiten Korintherbrief beherrsche. Dem geht sie in ihrer Untersuchung nach, um so einen Versuch der Verortung des "Paulus in Beziehung“ mit dieser Gemeinde zu leisten und damit die Struktur einer Beziehungstheologie aus der Sicht des Paulus und derer, die sich mit ihm gemeinsam schriftlich äußern, zu gewinnen.

 

J. Murphy-O’Connor 1987, 272-275 vertritt die Meinung, dass 2 Kor 6,11b auf Dtn 11,16LXX basiere. G. K. Beale 1989, 576 sieht dagegen Jes 60,5 als Grundlage an. Der Wortlaut dieses Verses bezüglich des Weitmachens des Herzens sei nahezu identisch mit Ps 119,32 (= 118,32LXX), also mit demjenigen Vers, den verschiedene andere Ausleger als Grundlage von 2 Kor 6,11b ansähen.

 

R. Bieringer 1998, 193-213 hat das Ziel zu zeigen, dass in 6,11 nicht das Bild der Offenheit, sondern das Bild der Weite im Mittelpunkt steht. Der Nachdruck liege nicht auf dem Öffnen des Mundes, sondern auf "pros hymas“ ("zu euch hin“ oder "im Hinblick auf euch“, "euch gegenüber“ o. ä.). Der Apostel betone hier also nicht wie in 5,11-12 seine Aufrichtigkeit bzw. seine Transparenz gegenüber den Gemeindegliedern, sondern seine Liebe zu ihnen.

 

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V. 12

 

Beobachtungen: Paulus wirft den Korinthern vor, dass nur er zur Versöhnung bereit ist, nicht aber die Korinther. In seinem Herzen haben die Korinther Raum, sie selbst sind im Inneren (oder: im Herzen) dagegen beengt. In welchem Maße sie eng sind, bleibt offen. Dass Paulus seinerseits zur Versöhnung bereit ist, lässt annehmen, dass auch die Korinther einen Schritt in die gleiche Richtung gemacht haben. So ist immerhin das Gemeindeglied, das Paulus beetrübt hat, ausreichend bestraft worden. Einschränkend ist aber zu sagen, dass eine Minderheit gegen die Bestrafung oder das auferlegte Ausmaß der Bestrafung war (vgl. 2,5-11). Möglicherweise lässt sich hieraus schließen, dass ein Teil der Gemeindeglieder Paulus gegenüber sehr kritisch eingestellt ist. Ein solcher Schluss setzt allerdings voraus, dass 1,1-2,13 tatsächlich zum gleichen Brief wie 6,11-13 gehört, oder - falls dies nicht der Fall ist - dass 1,1-2,13 vor 6,11-13 verfasst wurde, denn sonst wären der betrübliche Zwischenfall und die Bestrafung des Übeltäters noch nicht erfolgt. Wie auch immer: Sicher ist auf jeden Fall aus 6,12 herauszulesen, dass Paulus keine ungeteilte Zuneigung entgegengebracht wird.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 13

 

Beobachtungen: Paulus ist zur Versöhnung bereit und erwartet diese Bereitschaft nun auch von den Korinthern. Ob die Mehrheit der Korinther Paulus gegenüber noch Vorbehalte hat, oder ob sich Paulus insbesondere an einen Teil der Gemeindeglieder, die Kritiker, wendet, ist unklar.

 

Paulus redet wie zu Kindern. Er schreibt zwar nicht ausdrücklich, dass er wie zu seinen eigenen Kindern spricht, doch geht dies aus dem Begriff "teknon“ hervor, der das Kind im Sinne des eigenen Sohnes oder der eigenen Tochter meint. Hintergrund dieser Redeweise ist, dass Paulus die Gemeinde der Adressaten gegründet hat und er somit ihr "Vater“ ist. Paulus redet mit väterlicher Liebe zu den Korinthern, die wiederum wie die Kinder der väterlichen Ermahnung folgen sollen (vgl. 1 Kor 4,14-16).

 

Weiterführende Literatur:

 

 

Literaturübersicht

 

Beale, G. K.; The Old Testament Background of Reconciliation in 2 Corinthians 5-7 and ist bearing on the Literary Problem of 2 Corinthians 6.14-7.1, NTS 35/4 (1989), 550-581

Bieringer, Reimund; Die Liebe des Paulus zur Gemeinde in Korinth. Eine Interpretation von 2 Korinther 6,11, SNTU Serie A 23 (1998), 193-213

Crüsemann, Marlene; Das weite Herz und die Gemeinschaft der Heiligen. 2 Kor 6,11-7,4 im sozialgeschichtlichen Kontext, in: F. Crüsemann u.a. [Hrsg.], Dem Tod nicht glauben: Sozialgeschichte der Bibel, FS L. Schottroff, Gütersloh 2004, 351-375

Murphy-O’Connor, Jerome; Relating 2 Corinthians 6:14-7:1 to its Context, NTS 33/2 (1987), 272-275

Peterson, Brian K.; 2 Corinthians 6,1-13, Interp. 51,4 (1997), 409-415

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