Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Zweiter Korintherbrief

Der zweite Brief des Paulus an die Korinther

2 Kor 9,6-15

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

2 Kor 9,6-15

 

 

Übersetzung

 

2 Kor 9,6-15:6 [Ich meine] aber dies: Wer kärglich sät, der wird auch kärglich ernten, und wer in Segensfülle sät, der wird auch in Segensfülle ernten. 7 Ein jeder [gebe], wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unlust oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber liebt (der) Gott. 8 (Der) Gott aber kann euch jegliche Gnade in Fülle zuwenden, damit ihr in jeder Hinsicht allezeit volle Genüge und für jedes gute Werk Überfluss habt, 9 wie geschrieben steht: "Er hat ausgestreut, den Armen gegeben, seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.“ 10 Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird [auch euch] euren Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. 11 So werdet ihr in jeder Hinsicht reich gemacht zu jeglicher schlichten Güte, die durch uns Danksagung an Gott bewirkt. 12 Denn der Dienst an dieser Dienstleistung hilft nicht nur dem Mangel der Heiligen ab, sondern erweist sich auch als überreich durch viele Danksagungen an Gott. 13 Durch die Bewährung in diesem Dienst preisen sie (den) Gott wegen des Gehorsams, mit dem ihr euch zum Evangelium Christi bekennt, [und] wegen der milden Güte eures Gemeinschaftssinnes ihnen und allen gegenüber. 14 Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der unermesslichen Gnade (des) Gottes [, die] auf euch [ruht]. 15 Dank sei Gott für seine unaussprechliche Gabe!

 

 

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V. 6

 

Beobachtungen: In V. 5 hat Paulus der "Segensgabe“ ("eulogia“), der großzügigen Spende, die "Geizesgabe“ ("pleonexia“), die mickrige Spende, gegenübergestellt. Aus dem Zusammenhang lässt sich ersehen, dass der Begriff "Segensgabe“ sowohl den Aspekt, dass Gott segensreich bei der Sammlung gewirkt hat, als auch den Aspekt, dass die Spende selbst den Jerusalemer Gemeindegliedern Segen bringt, enthält. Ein dritter Aspekt war jedoch nicht in den Blick gekommen: der Segen, den die "Segensgabe“ bei den Spendern bewirkt. Dieser wird in 9,6-15 thematisiert.

Paulus vertritt die Ansicht, dass das Ausmaß des Segens, das jemand sät, ihm selbst schließlich zukommt. Das Bild aus dem Ackerbau macht deutlich, dass fortgegebenes Geld nicht für den Geber einfach nur verloren ist, sondern so eingesetzt, dass er schließlich in anderer Form Gewinn bringt. Die Spende ist die Saat, aus der später die Frucht hervorgeht, die geerntet werden kann.

 

Paulus nimmt in V. 6 das Wort "eulogia“ auf. Die Verbindung mit der Präposition "epi“ ("in/mit“) legt nahe, dass hier nicht die "Segensgabe“ gemeint ist, sondern die "Segensfülle“, die aus ihr entspringt. Das Säen und Ernten "in Segensfülle“ steht im Kontrast zum kärglichen Säen und Ernten.

 

Weiterführende Literatur: K. J. O’Mahony 2000 liest 2 Kor 8-9 unter rhetorischen Gesichtspunkten, wobei er auch einen Überblick über die bisher vorgebrachten rhetorischen Leseweisen gibt, zu denen auch die umfangreiche Studie H. D. Betz 1993 gehört.

 

Mit der Zuordnung der Kollektenkapitel 2 Kor 8-9 zur Korinther-Korrespondenz und mit 2 Kor 9, dem Kollektenbrief an die Gemeinden Achaias, befasst sich B. Beckheuer 1997, 120-177.

 

Ausführlich mit der Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem befasst sich A. Wodka 2000, der auf S. 227-258 auf 2 Kor 9,6-15 eingeht.

 

Mit der Gegenseitigkeit im religiösen Zusammenhang gemäß 9,6-15 befasst sich S. Joubert 1999, 79-90. Die Kernaussage an die Korinther in 9,6-10 sei: Gott erfüllt alle Bedürfnisse freudiger und großzügiger Spender, und zwar sowohl materielle als auch spirituelle. Aufgrund von Gottes Sorge werde einer Überlastung entgegengewirkt und eine großzügige Spende erst ermöglicht. Aus 9,11-15 gehe hervor, dass die Überbringung nicht nur die Erfüllung einer Verpflichtung im Rahmen der Beziehung zwischen Jerusalem und den paulinischen Gemeinden ist. Vielmehr sei Gott einbezogen, der die Korinther dazu bewegt, die Kollekte abzuschließen. Diese Gnade Gottes veranlasse die Jerusalemer zu Dankesgebeten und es komme den Korinthern Ehre zu.

 

B. B. Bruehler 2002, 209-224 analysiert den Text vor allem im Hinblick auf drei Dimensionen: das weisheitliche Material (Sprüche), die Rhetorik (Überzeugung) und den sozio-ökonomischen Status der Adressaten. Ergebnis: Das weisheitliche Material stamme von einem hellenistisch-jüdischen Hintergrund, auch wenn es eine gewisse Nähe zu griechisch-römischer Thematik gebe. Paulus habe 9,6-15 nach griechisch-römischen rhetorischen Praktiken gestaltet. Die propositio V. 5 führe unmittelbar zur probatio V. 6-15. V. 6-10 stelle einen "logos“, eine vorsichtige Argumentation, dar, wogegen V. 11-15 ein "pathos“, eine eher emotionale Anrede, sei. V. 6-10 sei eher an diejenigen Gemeindeglieder gerichtet, die der unteren sozio-ökonomischen Schicht angehören und aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten vor einer großzügigen Spende zurückschrecken. V. 11-15 sei dagegen an die Angehörigen der sozio-ökonomischen Oberschicht gerichtet, die sich eine größere Spende leisten und Ansehen und Dank erwarten können.

 

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V. 7

 

Beobachtungen: Eine großzügige Spende ist zwar wünschenswert, doch kommt es in erster Linie darauf an, dass die Spende mit Freude gegeben wird (vgl. 8,12). Paulus scheint allerdings die Höhe der Spende mit der Freudigkeit in einem engen Zusammenhang zu sehen, was die hohe Bedeutung, die er einer großzügigen Spende beimisst, zeigt.

 

Paulus zitiert Spr 22,8aLXX. Der Spruch findet sich jedoch nur in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, die verschiedentlich von der Vorlage abweicht.

Paulus zitiert, dass Gott den fröhlichen Spender liebt. Heißt das, dass er den Spender, der mit Unmut und aus Zwang gibt, nicht liebt? Mit Blick auf V. 6-7 lautet die Antwort: Ja. Zu bedenken ist jedoch, dass Paulus die Liebe hier konkret auf das Maß an Segen bezieht, das dem Spender von Gott zukommt.

 

Das Herz erscheint als der Ort, in dem der Mensch seine Entschlüsse fasst, also auch den Entschluss, wieviel er spendet.

 

Weiterführende Literatur: E. Baasland 1996, 375-376 merkt an, dass mit dem im NT nur hier vorkommenden Verb "proaireomai“ ("sich vornehmen“) ein Lieblingswort der stoischen Ethik aufgenommen werde.

 

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V. 8

 

Beobachtungen: Nun stellt sich die Frage, welche Gnade denn der freudige Spender von Gott zu erwarten hat. Paulus geht darauf nur allgemein ein, ja man kann sagen, so allgemein wie möglich. Die allgemeinen Aussagen haben jedoch einen Zweck: Sie sollen deutlich machen, dass sich Gottes Gnade nicht eingrenzen lässt, weder vom Umfang noch von der zeitlichen Ausdehnung her.

Gott kann jegliche Gnade zuwenden. Eine Begrenzung auf die in 1 Kor 12,1-11.27-31 genannten "Gnadengaben“ ("charismata“) verbietet sich also, auch wenn diese auf jeden Fall zu der "Gnade“ ("charis“) dazugehören. Auch das Ausmaß der Gnade ist nicht begrenzt, denn Gott kann sie in Fülle zuwenden. Das, was den freudigen Spendern zugewendet wird, haben sie zur vollen Genüge und im Überfluss, und zwar zeitlich unbegrenzt. Es betrifft sowohl die Spender selbst als auch die anderen Menschen, also alle Menschen. Die Spender erhalten selbst zur Genüge, bedürfen also nichts mehr, und haben darüber hinaus Überfluss für jedes gute Werk, ohne Begrenzung.

Paulus ist vom Heilsdenken geprägt: Dort, wo Gott wirkt, herrscht Wohlergehen. Wer auf dem rechten Wege wandelt und freudig spendet, bewegt sich im Heilsbereich. Der allumfassende Charakter des Heils lässt annehmen, dass es sich nicht nur auf das Diesseits, sondern auch auf das Jenseits bezieht.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 9

 

Beobachtungen: Das Heilsdenken begründet Paulus mit einem Zitat des Verses Ps 111,9LXX (= 112,9). In diesem Psalm geht es um das Verhalten des "Gerechten“, des Frommen, der auf dem rechten Wege wandelt. Zu den guten Werken, die der "Gerechte“ tut, gehört, dass er den Armen gibt. Dafür bleibt seine "Gerechtigkeit“ in Ewigkeit. Die "Armen“ sind in dem Psalm sicherlich diejenigen, die kein oder nur wenig Geld haben.

In 2 Kor 9,9 ist das Subjekt, das ausstreut und den "Armen“ gibt, "er“. Damit kann - wie im Psalm - der großzügig gebende Fromme gemeint sein, aber auch Gott. Für Gott als Subjekt spricht, dass dieser im vorhergehenden Vers als Geber sämtlicher Gnade genannt worden ist. Vielleicht ist die Doppeldeutigkeit gewollt: Wenn die Frommen den Notleidenden in Jerusalem helfen, indem sie eifrig spenden, so handelt zugleich Gott. Gott wirkt durch die Frommen. Der Wirkungsbereich Gottes ist jedoch größer. Dass dieser größere Wirkungsbereich auch in V. 9 im Blick sein kann, liegt daran, dass der deutschen Übersetzung "Arme“ der griechische Begriff "penês“ zugrunde liegt. Er bezeichnet den relativ Armen, der durch seine Arbeit immerhin seinen eigenen Unterhalt und den seiner Familie bestreiten kann, wenn auch kärglich. Im Unterschied dazu bezeichnet der Begriff "ptôchos“ den absolut Armen, der um sein Überleben kämpfen muss und auf Almosen hoffen muss. Im Hebräischen findet sich der Begriff "'ävjôn“, der insbesondere den absolut Armen meint. Die griechische Übersetzung der Septuaginta differenziert nicht und bietet daher "penês“, was den Weg zur Doppeldeutigkeit eröffnet. Nun können auch die relativ Armen im Blick sein, zu denen ja durchaus korinthische Gemeindeglieder gehören. Folglich ist es möglich, das Zitat in V. 9 auch dahin gehend interpretieren, dass Gott auch den freudig spendenden Korinthern ausstreut, d. h. gibt. Auch wenn an diese Interpretation nicht an erster Stelle zu denken ist, so wird sie doch durch V. 8, wo Gott der Geber und die freudigen Geber unter den Korinthern die Empfänger sind, vorbereitet.

 

Im Hinblick auf den Menschen ist "Gerechtigkeit“ auf das rechte Handeln bezogen. Wer rechtschaffen ist und dementsprechend handelt, ist "gerecht“. Geht man davon aus, dass sich die "Gerechtigkeit“, die in Ewigkeit bleibt, auf Gott bezieht, so ist vermutlich dessen segensreiches Wirken gemeint.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 10

 

Beobachtungen: V. 10 behält das Bild vom Säen und Ernten bei. Paulus zitiert nahezu wörtlich Jes 55,10LXX ("Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise“) und fügt eine Wachstumsverheißung hinzu, die an Hos 12,10LXX anklingt und vielleicht eine geprägte Wendung der jüdischen Ethik aufnimmt.

 

V. 10 macht deutlich, dass alles Heil von Gott kommt. Er gibt dem Sämann den Samen. Dies ist zunächst im eigentlichen Sinne zu verstehen: Der Samen, den der Bauer auf das Feld streut kommt von Gott, denn er stammt ja von den Pflanzen, die Gott hat wachsen lassen. Wenn der Samen zu einer Pflanze wird und schließlich Frucht bringt, dann ist dies allein auf Gottes gnadenhaftes Wirken zurückzuführen. Die Frucht, der Ernteertrag, dient dem Menschen zur Speise. So kann das Getreide beispielsweise zu dem Hauptnahrungsmittel Brot verbacken werden.

Paulus überträgt diesen Sachverhalt auf die korinthischen Gemeindeglieder. Das Geld, das diese verdienen, geht auf Gottes Wirken zurück. Es dient nun dem eigenen Unterhalt ("Brot“), soll jedoch teilweise freudig gespendet werden. So bringt es "Früchte eurer Gerechtigkeit“, die zwar nicht direkt verbacken oder sonstwie verarbeitet werden können, jedoch indirekt zum Lebensunterhalt der Armen beitragen, weil mit dem Geld Lebensmittel gekauft werden können. Durch dieses gottgefällige Werk erhalten aber auch die Spender "Früchte eurer Gerechtigkeit“, wie V. 11 (vgl. V. 6-8) darlegt.

 

Weiterführende Literatur: Gemäß F. Wilk 1998, 333-339 lese Paulus die Formulierung aus Jes 55,10 als Hinweis auf Gottes bewahrendes Handeln an seinen Geschöpfen, die durch Gottes Gnade reich genug seien, um für sich selbst und für andere zu sorgen. Dies stehe in Analogie zum Handeln Gottes an den Gemeinden in Jerusalem und Korinth - und damit an der Heilsgemeinde aus Juden und Heiden insgesamt.

 

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V. 11

 

Beobachtungen: Die freigebigen Spender unter den korinthischen Gemeindegliedern werden "reich gemacht“ und zwar nicht in rein materieller Hinsicht, sondern in jeder Hinsicht. Das bedeutet, dass bei ihnen in allen Bereichen Wohlergehen herrschen und auch das spirituelle Leben blühen wird.

 

Dieses Wohlergehen soll aber nicht zu Stolz und Habsucht führen, sondern - ganz im Gegenteil - zu "haplotês“ ("schlichte/milde Güte“). Der Begriff enthält die Aspekte der Schlichtheit, Aufrichtigkeit und Freigebigkeit. Paulus geht also davon aus, dass das Wohlergehen zu dem Bewusstsein führt, dass es in jeder Hinsicht auf Gottes gnädigem Wirken beruht. Es ist dazu vorgesehen, durch Mildtätigkeit auch anderen Menschen zugute zu kommen. So bleibt aufgrund des Tun-Ergehen-Zusammenhangs ein Kreislauf in Gang, der sowohl den Spendern als auch den Empfängern der Spende zugute kommt.

 

Die umfassende schlichte Güte bewirkt durch "uns“ Danksagung an Gott. Es ist davon auszugehen, dass das Personalpronomen "uns“ ihn selbst meint, denn die zur Freigebigkeit ermunterten Adressaten sind ja schon mit dem Personalpronomen "ihr“ erwähnt worden, und die Empfänger der Kollekte bewirken weniger Danksagung, als dass sie Dank sagen.

Paulus ruft seine eigene Rolle in dem Heilsgeschehen wieder in Erinnerung zurück: Er hat die Kollekte angestoßen und zu ihrer großzügigen Durchführung ermahnt. Er ist es auch, der sie schließlich in Begleitung überbringt und bewirkt, dass die Empfänger, die Jerusalemer Gemeindeglieder, Gott Dank sagen.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 12

 

Beobachtungen: Die Danksagung an Gott ist Paulus wichtig: Es geht nicht alleine darum, dass die materiellen und spirituellen Bedürfnisse der Gläubigen gedeckt werden, sondern insbesondere auch darum, dass die gläubigen Geber und Empfänger der Spende erkennen, dass aller Wohlstand von Gott stammt und diesem dafür Dank gebührt. Paulus geht davon aus, dass die "Heiligen“ - gemeint sind die Jerusalemer Gemeindeglieder (vgl. 1 Kor 16,1-4) - Gott tatsächlich in zu erwartendem Maße Dank sagen.

 

Paulus bezeichnet die Teilnahme an der Kollekte als "Dienst an dieser Dienstleistung“. Der griechische Begriff für "Dienstleistung“ ist "leitourgia“. Im profanen Sinn bezeichnete er im antiken Griechenland eine finanzielle Dienstleistung von Wohlhabenden für die Allgemeinheit. So wurden öffentliche Aufgaben mittels der Aufwendungen einiger Reicher bestritten. Als Gegenleitung konnten die Wohltäter Ehre erwarten. Diese profane Bedeutung des Wortes dürften die Leser des Briefes im Hinterkopf gehabt haben. Ebenso dürften sie aber auch an die religiöse Bedeutung gedacht haben, und zwar an eine "Liturgie“ im Sinne des Gottesdienstes (zu dieser Bedeutung vgl. Phil 2,17). Gemäß 2 Kor 9,12 ist die Kollekte sowohl eine öffentliche Dienstleistung, die der Unterstützung notleidender Glaubensgenossen dient, als auch eine Form von Gottesdienst.

 

Weiterführende Literatur: D. Georgi 1994 geht der wechselvollen Geschichte der Kollekte nach. Er geht davon aus, dass sie zweimal neu aufgenommen worden sei. Im Rahmen der zweiten Neuaufnahme seien der Empfehlungsbrief für Titus und seine Begleiter (2 Kor 8) und der Rundbrief an die Gemeinden Achaias (2 Kor 9) geschrieben worden, die er auf S. 51-79 behandelt.

 

Laut A. Lindemann 2001, 199-216 sei die Kollekte zugunsten der Armen in Jerusalem, gemäß der Aussage des Paulus in Gal 2,10, auf dem sog. "Apostelkonzil“ vereinbart worden. Es handele sich um eine freiwillige, offenbar einmalige Aktion mit primär sozialer Zielsetzung, d. h. es sei wirklich um die materielle Unterstützung von tatsächlich armen Christen in Jerusalem gegangen. Darüber hinaus sei die Kollekte offenbar auch ein Akt der Demonstration kirchlicher Einheit, insbesondere ein Zeichen der Verbundenheit der (überwiegend) heidenchristlichen Gemeinden des paulinischen Missionsgebiets mit der judenchristlichen Urgemeinde in Jerusalem gewesen. Die ausführlichste Erörterung des Kollektenthemas finde sich in 2 Kor 8-9. Dabei spreche die literarkritische Analyse des Briefes für die Annahme, dass es sich bei 2 Kor 8 und 9 um zwei ursprünglich selbstständige Briefe handelt, deren jeweiliges Präskript und Postskript im Zusammenhang der Redaktion des "Zweiten Korintherbriefs“ entfernt wurden, die im übrigen aber weit gehend vollständig erhalten zu sein scheinen. Einiges spreche für die Vermutung, dass der Brief 2 Kor 8 nach Korinth gerichtet war, der eine etwas andere Tendenz zeigende Brief 2 Kor 9 hingegen, wie aus 9,2 hervorgehe, an christliche Gemeinden im übrigen Achaia. Über die zeitliche Abfolge der beiden Briefe lasse sich nichts sagen. Wenn die Annahme zutrifft, dass sich die Briefe an unterschiedliche Adressaten wenden, könnten sie praktisch zeitgleich verfasst worden sein.

 

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V. 13

 

Beobachtungen: Der Dank, den Paulus als schon gegenwärtig erscheinen lässt, wird durch die "Bewährung in diesem Dienst“ bewirkt, d. h. durch die freigebige Teilnahme an der Geldsammlung. Dabei erscheint die Teilnahme nicht als etwas, an dem die Gemeindeglieder nach Belieben teilnehmen können, sondern als eine Art Glaubensprüfung, in der sich das Bekenntnis zum Evangelium Christi erweist. Wer wirklich glaubt, nimmt freigebig an der Geldsammlung teil. Glaube umfasst also nicht nur den Glauben an Tod und Auferstehung Jesu Christi, sondern beinhaltet auch soziales Verhalten.

 

Im sozialen Verhalten zeigt sich der "Gemeinschaftssinn“. Mit diesem Begriff ist wahrscheinlich das Bewusstsein gemeint, dass alle Christen eine Gemeinschaft bilden, den "Leib Christi“. Dazu gehört das Mitleiden mit denjenigen Gliedern der Gemeinschaft, denen es schlecht geht (vgl. 1 Kor 12,26). Das Mitleiden soll jedoch nicht nur ein Gefühl bleiben, sondern sich auch in der Hilfe zeigen, wobei ein konkretes Beispiel für die Hilfe die Geldsammlung ist.

Der Gemeinschaftssinn wird als "haplotês“ ("milde/schlichte Güte“) bezeichnet, einen Begriff, den Paulus schon in V. 11 gebraucht hat. Der Gemeinschaftssinn ist nicht nur das Bewusstsein, dass die Heidenchristen mit den Jerusalemer Christen, die Judenchristen sind, eine Gemeinschaft bilden, sondern er ist auch das Bewusstsein der Gemeinschaft "aller“, d. h. aller Christen, gleich ob Judenchristen oder Heidenchristen. Nichtchristen sind sicherlich nicht in die Gemeinschaft eingeschlossen.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 14

 

Beobachtungen: Mit dem Dank ist auch ein Gebet verbunden. Es handelt sich um ein Gebet für die korinthischen Gemeindeglieder, also um ein Fürbittengebet. Was genau der Inhalt der Fürbitten ist, bleibt offen. Paulus schreibt nur, dass sich in dem Fürbittengebet die Sehnsucht nach den korinthischen Gemeindegliedern ausdrückt. Man könnte nun meinen, dass es sich um ein Verlangen nach dem Geld der Spender handelt, also um Habgier, doch das ist nicht der Fall. Grund für die Sehnsucht ist nicht das Geld, sondern die unermessliche Gnade Gottes, die auf den Spendern ruht. Es ist anzunehmen, dass sich die Jerusalemer erhoffen, durch die Gemeinschaft an der Gnade Anteil zu haben. Vielleicht ist auch hier an den Ausgleichsgedanken (vgl. dazu 2 Kor 8,13-15) zu denken. Das würde bedeuten, dass die Jerusalemer nicht nur an dem finanziellen Überfluss der Korinther teilhaben, sondern auch an dem geistlichen. Das könnte insofern bedeutend sein, als hiermit ein Argument für die Heidenmission gegeben ist: Auch auf den bekehrten Heiden ruht die Gnade Gottes. Angesichts möglicher Vorbehalte der Judenchristen gegenüber den Heidenchristen kommt der (fiktiven) Sehnsucht der Judenchristen nach den Gliedern einer mehrheitlich heidenchristlichen Gemeinde besondere Bedeutung zu.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 15

 

Beobachtungen: Paulus nimmt den Dank der Jerusalemer Gemeindeglieder für die Spende der heidenchristlichen Gemeinden, darunter auch der korinthischen, voraus. Dass der Apostel aber nur die materielle Gabe im Blick haben sollte, dagegen spricht schon das Adjektiv "unaussprechlich“. Es geht also um eine viel umfassendere Gabe Gottes. Damit könnte zum einen die Gnadengabe des allumfassenden Wohlergehens gemeint sein, zum anderen aber auch die Gnadengabe schlechthin, der Sohn Gottes Jesus Christus. Durch diesen wird der Tod besiegt (vgl. 1 Kor 15,57).

 

Weiterführende Literatur: C. H. Talbert 1989, 359-370 versucht Argumente für die Annahme zu liefern, dass es sich bei 2 Kor 8-9 um einen einheitlichen Gedankengang handele, dessen Anfang und Ende von dem Wort "charis“ (8,1: "Gnade“; 9,15: "Dank“) begrenzt wird, und dass dieser einheitliche Gedankengang eng mit 2 Kor 7 verbunden sei.

 

 

Literaturübersicht

 

Baasland, Ernst; Anagkê bei Paulus im Lichte eines stoischen Paradoxes, in: H. Cancik u. a. [Hrsg.], Geschichte − Tradition − Reflexion III, Tübingen 1996, 357-385

Beckheuer, Burkhard; Paulus und Jerusalem: Kollekte und Mission im theologischen Denken des Heidenapostels (EHS R. XXIII; 611), Frankfurt a. M. u. a. 1997

Betz, Hans Dieter; 2. Korinther 8 und 9: ein Kommentar zu zwei Verwaltungsbriefen des Apostels Paulus (Hermeneia-Kommentar), Gütersloh 1993

Bruehler, Bart B.; Proverbs, Persuasion and People: A Three-Dimensional Investigation of 2 Cor 9.6-15, NTS 48/2 (2002), 209-224

Georgi, Dieter; Der Armen zu gedenken: die Geschichte der Kollekte des Paulus für Jerusalem, Neukirchen-Vluyn, 2., durchges. und erw. Aufl. 1994

Joubert, Stephan; Religious reciprocity in 2 Corinthians 9:6-15: Generosity and gratitude as legitimate responses to the charis tou theou, Neotest. 33/1 (1999), 79-90

Lindemann, Andreas; Hilfe für die Armen. Zur ethischen Argumentation des Paulus in den Kollektenbriefen II Kor 8 und II Kor 9, in: C. Maier u. a. [Hrsg.], Exegese vor Ort, FS P. Welten, Leipzig 2001, 199-216

O’Mahony, Kieran J.; Pauline Persuasion: A Sounding in 2 Corinthians 8-9 (JSNT.S; 199), Sheffield 2000

Talbert, Charles H.; Money Management in Early Mediterranean Christianity: 2 Corinthians 8-9, RExp 86 (1989), 359-370

Wilk, Florian; Die Bedeutung des Jesajabuches für Paulus (FRLANT 179), Göttingen 1998

Wodka, Andrzej; Una teologia biblica del dare nel contesto della colletta paolina (2 Cor 8-9) (Tesi Gregoriana, Serie Teologia 68), Roma 2000

 

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