Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Zweiter Korintherbrief

Der zweite Brief des Paulus an die Korinther

2 Kor 11,7-15

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

2 Kor 11,7-15

 

 

Übersetzung

 

2 Kor 11,7-15: 7 Oder habe ich eine Sünde begangen, als ich mich selbst erniedrigte, damit ihr erhöht würdet? Denn ich habe euch das Evangelium (des) Gottes unentgeltlich verkündigt. 8 Andere Gemeinden habe ich ausgeplündert, indem ich für den Dienst an euch Besoldung annahm. 9 Und als ich bei euch war und Mangel litt, fiel ich niemandem zur Last; denn meinem Mangel halfen die Geschwister ab, die von Makedonien gekommen waren; und in jeder Beziehung habe ich mich so verhalten, dass ich euch nicht zur Last fiel, und ich werde es [auch weiterhin so] halten. 10 [So gewiss] die Wahrheit Christi in mir ist: dieses Rühmen soll mir nicht zum Schweigen gebracht werden in den Gegenden Achaias. 11 Warum? Etwa weil ich euch nicht liebe? (Der) Gott weiß es! 12 Was ich aber tue, werde ich auch weiterhin tun, damit ich jenen den Anlass nehme, die einen Anlass suchen, damit sie in dem, dessen sie sich rühmen, befunden werden gleichwie auch wir. 13 Denn diese Leute sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter, die sich als Apostel Christi verstellen. 14 Und [das] ist kein Wunder; denn der Satan selbst verstellt sich als Engel des Lichts. 15 Da ist es [also] nichts Besonderes, wenn sich auch seine Diener als Diener der Gerechtigkeit verstellen. Ihr Ende wird ihren Taten entsprechen.

 

 

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V. 7

 

Beobachtungen: V. 7 schließt unmittelbar an V. 5-6 an, wo Paulus dargelegt hat, dass er in nichts hinter den "Überaposteln“, seinen Konkurrenten, zurücksteht und in der Erkenntnis durchaus kein Laie ist. Die Frage in V. 7 ist rhetorischer Art: Paulus hält es für keine Sünde, dass er sich selbst erniedrigte, damit die Korinther erhöht würden.

 

Das Frage des Unterhalts der Prediger des Evangeliums scheint im Konflikt mit den "Überaposteln“ eine herausragende Rolle zu spielen. Paulus hat das Evangelium Gottes den Korinthern unentgeltlich verkündigt. Die Konkurrenten scheinen das Gegenteil zu tun und sich bezahlen zu lassen. Worin liegt das Problem? Paulus lässt durchschimmern, dass der Verzicht auf das Einkommen ein geringes Ansehen mit sich brachte. Er bezeichnet es als "Selbsterniedrigung“.

 

Inwiefern wurden die Korinther durch die Verkündigung des Paulus erhöht? Zunächst einmal haben sie den Glauben angenommen und sind daher mit dem leiblichen Tod nicht verloren, sondern haben Anteil an der Auferstehung der Toten. Der Glaube hat jedoch nicht nur für das jenseitige Leben Bedeutung, sondern auch für das diesseitige, denn mit der Taufe treten die Christen in den Wirkungsbereich Jesu Christi ein. Sie werden zu Empfängern geistlicher Gaben und erlangen spirituellen und materiellen Wohlstand (vgl. 1 Kor 12,1-11; 2 Kor 9,11). Alle diese Aspekte können im Hinblick auf die Erhöhung mitgemeint sein, auch wenn vermutlich der Aspekt der Auferstehung im Mittelpunkt steht.

 

Das "Evangelium Gottes“ kann entweder ein Evangelium meinen, das Gott oder das mit Gott verbundene Heil zum Inhalt hat, oder ein Evangelium, das von Gott kommt. Möglich ist, dass hier beide Deutungen zutreffen.

 

Weiterführende Literatur: L. Aejmelaeus 2000 kommt in seinem Buch bezüglich der Argumentation des Paulus mit den Begriffen "Schwachheit“ und "Kraft“ zu folgendem Ergebnis: Der Apostel verfolge zwei Ziele: Auf der einen Seite versuche er zu bewirken, dass die korinthischen Gemeindeglieder ihre falschen Auffassungen und Einstellungen von echter christlicher Kraft und Schwachheit verändern. Auf der anderen Seite versuche er sich im "Tränenbrief“ so effektiv wie möglich gegen die gegen ihn gerichtete Kritik zu verteidigen. Seine Ziele versuche Paulus durch drei verschiedene Argumentationsweisen zu erreichen: 1) Paulus drohe den Gemeindegliedern mit zukünftigen Strafmaßnahmen (vgl. 10,1-6; 12,19-13,6). 2) Paulus versuche zu beweisen, dass er bei richtiger Bewertung für "kraftvoll“ gehalten werden sollte (vgl. 10,7-11,15; 12,11-18). 3) Paulus gebe zu, dass er aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet in der Tat "schwach“ gewesen sei, diese Schwachheit ihrer Natur nach jedoch für positiv gehalten werden müsse (vgl. 11,16-12,10; 13,7-10).

 

H.-G. Sundermann 1996, 39-45 äußert sich zum rhetorischen Genus von 11,1-12,18 wie folgt: 11,1-12,18 gebe sich vordergründig als forensische Rede in einem Gerichtsverfahren zu erkennen, auf das sich Paulus − wenn auch zum Schein − in der Rolle des Angeklagten einlasse, der sich vor der richterlichen Instanz der korinthischen Gemeinde zu rechtfertigen suche. Die Gegner bzw. deren Sprecher in der Gemeinde seien in diesem Verfahren als Kläger präsent. In rhetorischen Kategorien sei in diesem Zusammenhang vom "genus turpe“ auszugehen, das denjenigen Partei-Gegenstand kennzeichne, der das Rechtsempfinden (oder: das Wert- und Wahrheitsempfinden) des Publikums schockiert. Der "Narrenrede“ (11,1-12,18) selbst falle im Kontext der paulinischen "Scheinapologie“ die Rolle der "argumentatio“ zu. Dabei gehe es dem Apostel um den Nachweis der Ebenbürtigkeit mit seinen Gegnern, der in Form eines Vergleichs ausgeführt werde. In der "refutatio“ (11,1-15) versuche Paulus, die Behauptung zu widerlegen, dass der Unterschied, den auch er zwischen sich und den "Superaposteln“ feststelle, ihn diesen gegenüber ins Hintertreffen geraten lasse.

 

Für eine rhetorische Strategie hält G. Holland 1993, 250-264 den Gebrauch des Motivs der Torheit. Die Ironie sei dabei nicht nur auf die "Narrenrede“ begrenzt, doch finde sie sich hier in der komplexesten Form. Die Dinge seien nicht so, wie sie zu sein scheinen. Mittels der Annahme der Rolle des Toren könne Paulus den Korinthern beibringen, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Sobald er Erfolg habe, bräuchte er nicht länger sich selbst zu rühmen.

 

L. Aejmelaeus 2002, 343-376 geht der Frage nach, wie Paulus’ Aussagen zum Unterhalt in 2 Kor 11,7-12 zu verstehen sind. Dabei geht er auch auf 1 Kor 9 und 2 Kor 12,13-18 ein. Ergebnis: Die Passagen des "Tränenbriefes“, in denen sich Paulus dafür entschuldigt, dass er keine finanzielle Unterstützung seitens der korinthischen Gemeinde in Anspruch genommen hat, seien ironisch gemeint. Tatsächlich sei dem Apostel der Verzicht auf die Annahme solcher Unterstützung nicht vorgeworfen worden.

 

R. F. Hock 1978, 560-562 vertritt die Ansicht dass die handwerkliche Tätigkeit des Paulus nicht nur von den Zeitgenossen, sondern auch von ihm selbst als Erniedrigung zum Status eines Sklaven angesehen worden und damit negativ bewertet worden sei. Handwerker hätten wenig Geld verdient und seien deswegen von der Hilfe seiner Mitmenschen abhängig gewesen. Wenn Paulus in V. 7 von einer Selbsterniedrigung spreche, dann tue er dies nicht im Hinblick auf die Lehre Jesu, sondern mit Blick auf seinen niedrigen Status. Vgl. R. F. Hock 1980, 54-60. Zur Handwerkstätigkeit des Paulus im Lichte der allgemeinen Einstellung zum Thema in der Antike siehe L. Aejmelaeus 2000, 131-135.

 

T. B. Savage 1996, 89-90 setzt sich kritisch mit der These auseinander, dass Paulus finanzielle Unterstützung seitens der Korinther ablehne, weil er sich nicht in soziale Zwänge begeben wolle, die das Erfordernis der Erwiderung der Wohltaten mit sich bringen würden. Daher − so die These − ziehe sich Paulus den Unwillen der potenziellen Wohltäter zu. T. B. Savage nimmt dagegen an, dass der Apostel sich nicht frei von sozialen Zwängen frei halten wolle; vielmehr sei er in Liebe an die korinthischen Gemeindeglieder gebunden und wolle sich allen zum Sklaven machen (vgl. 1 Kor 9,19).

 

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V. 8

 

Beobachtungen: Paulus hat jedoch bei den Korinthern nicht völlig auf finanzielle Unterstützung verzichtet, sondern solche von anderen Gemeinden durchaus angenommen. Das Geld kam den Korinthern insofern zugute, als der Apostel an ihnen unentgeltlich den Verkündigungsdienst ausübte. Da Paulus den Verkündigungsdienst als geistlichen Kampf ansieht (vgl. 1 Thess 5,8; Kor 6,7; 10,4), liegt es nahe, dass er im Hinblick auf die finanzielle Unterstützung militärische Begriffe benutzt. Er hat die Unterstützer wie ein Soldat ausgeplündert und eine Besoldung bezogen. Diese Besoldung ist jedoch trotz des vorhergehenden Verbs "ausplündern“ nicht als ein Raub zu verstehen, sondern als rechtmäßiger Lohn, denn Paulus geht davon aus, dass dem Prediger durchaus ein Lohn zusteht (vgl. 1 Kor 9,1-18). Die Gemeinden zahlen ihn freiwillig, so dass das Ausplündern nicht als ein Erbeuten zu verstehen ist. Gemeint ist mit dem Wort wahrscheinlich nur, dass die Unterstützergemeinden durch die Spenden ihr eigenes Geld verlieren.

 

Der Plural "Gemeinden“ lässt annehmen, dass eine Mehrzahl Gemeinden Paulus hat finanzielle Hilfe zukommen lassen. Im späteren Philipperbrief (4,10.15) kennt der Apostel allerdings nur Unterstützung seitens der Gemeinde in Philippi. Entweder hat Paulus die weiteren Hilfsleistungen anderer Gemeinden im Philipperbrief verschwiegen, um sein besonderes Verhältnis zu den Adressaten herauszustellen, oder die Angabe in 2 Kor 11,8 ist eine Übertreibung. In letzterem Fall hätte Paulus tatsächlich nur von einer einzigen Gemeinde, nämlich der in Philippi, Unterstützung erhalten. Möglich ist schließlich aber auch, dass beide Textstellen ungenau sind und die Wahrheit in der Mitte liegt: Paulus hat in erster Linie von den Philippern finanzielle Unterstützung erhalten; diejenige der anderen makedonischen Gemeinden war so gering, dass sie gegenüber den Philippern eine Erwähnung nicht wert war.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 9

 

Beobachtungen: Paulus hat bei seinem Missionsaufenthalt in Korinth Mangel gelitten. Diesem Mangel haben "adelphoi“ − "Brüder“ oder "Geschwister“ - aus Makedonien abgeholfen. Sie sind eigens von ihrer Heimat nach Korinth gekommen, vermutlich um die sichere Geldübergabe zu gewährleisten. Die Hilfe ist umso bemerkenswerter, als die makedonischen Gemeinden arm waren (vgl. 2 Kor 8,2). Möglich ist aber auch, dass sie erst in der Folgezeit verarmten. Dass Paulus Mangel litt, obwohl er gemäß Apg 18,3 Zeltmacher war, lässt sich entweder damit erklären, dass er als Christ in der heidnischen Umgebung nur wenige Arbeitsaufträge bekommen hat, oder damit, dass ihm neben der Verkündigungstätigkeit nur wenig Zeit für handwerkliche Arbeit blieb. Alles in allem hat Paulus nach eigenen Aussagen "Tag und Nacht“ gearbeitet, wobei mindestens ein Teil der Arbeitszeit der handwerklichen Tätigkeit gewidmet war (vgl. 1 Thess 2,9; 1 Kor 4,12).

 

"Geschwister“ meint hier nicht leibliche Geschwister, sondern Glaubensgeschwister, nämlich Christinnen und Christen. Bei dem Substantiv "adelphoi“ handelt es sich zwar um eine maskuline Form, die zunächst mit "Brüder“ zu übersetzen ist, jedoch können hier durchaus auch "Schwestern“ eingeschlossen sein. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.

 

Warum hat Paulus die Entbehrung auf sich genommen und bei seinem Missionsaufenthalt von den Korinthern keinen Lohn genommen, obwohl er auf diesen Anspruch gehabt hätte? V. 9 gibt einen Teil der Antwort: Der Apostel wollte den Korinthern nicht zur Last fallen. Die Gefahr, die mit einer finanziellen Belastung der neu Bekehrten verbunden gewesen wäre, geht aus 1 Kor 9,12 hervor: Sie hätte zu einem Hindernis bei der Verbreitung des Evangeliums werden können, weil sich möglicherweise Widerstand gegen einen Lohn für den Apostel geregt hätte oder mancher neu Bekehrte finanziell überfordert gewesen wäre. Paulus hält seine Verhaltensweise für richtig und wird sie auch in Zukunft nicht ändern.

 

Weiterführende Literatur: Laut W. Pratscher 1979, 284-298 betone Paulus in V.9.12 den Korinthern gegenüber, dass er von ihnen bisher keine finanzielle Unterstützung angenommen habe und dieses Verhalten beizubehalten gedenke. Dies sei eine merkwürdige Absicht, zumal er doch sonst durchaus bereit gewesen sei, Unterstützung anzunehmen, ja sie geradezu erwartet habe (vgl. Phil 4,10-20). Der Frage nach dem Verhalten des Paulus bezüglich der Annahme bzw. Ablehnung von Unterstützung durch seine Gemeinden geht W. Pratscher daher nach. Ergebnis: Das allgemeine Verhalten des Paulus sei in der Frage der Annahme von Unterstützung seitens der von ihm gegründeten Gemeinden durch einige grundlegende Positionen bestimmt. Zunächst: Paulus betone mit aller Entschiedenheit sein Recht als Apostel auf Unterhalt. Weiters: Paulus verzichte nirgends auf dieses Recht, wohl aber verzichte er unter bestimmten Bedingungen auf die Inanspruchnahme dieses Rechts. Sodann: Die Kosten für seinen Lebensunterhalt pflege Paulus zumindest teilweise aus seiner manuellen Arbeit zu bestreiten. Schließlich: Unter bestimmten Bedingungen sei Paulus bereit, seinen Lebensunterhalt neben den Erträgen aus seiner Arbeit aus Unterstützungen seiner Gemeinden zu bestreiten. Hinsichtlich der Bedingungen für den Verzicht des Paulus auf Unterstützung sei zum ersten charakteristisch, dass er von der Gemeinde, in der er gerade arbeitet, keine Unterstützung annimmt. Charakteristisch sei zum zweiten, dass Paulus zwar von den Philippern des öfteren mit großer Freude Unterstützung annimmt, dass er sie von den Korinthern jedoch strikt ablehnt und diese Haltung ausdrücklich beizubehalten gedenkt. Zu begründen sei diese Haltung mit der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern: Paulus habe zu befürchten, dass seine Annahme von Unterstützung in Korinth von den Gegnern benützt würde, um seine Stellung der korinthischen Gemeinde gegenüber zu untergraben.

 

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V. 10

 

Beobachtungen: Der mit "estin“ ("es ist [wirklich]“) beginnende V. 10 ist als Schwur zu verstehen. Paulus schwört, dass "dieses Rühmen“ ihm nicht zum Schweigen gebracht wird. Unklar ist, ob Paulus sein eigenes Rühmen oder das der Gemeinden in der Provinz Achaia meint. Ist ersteres der Fall, so kann es allgemein durch Druck von außen zum Schweigen gebracht werden, wobei letztendlich Paulus selbst darüber entscheidet, ob er dem Druck nachgibt. Ist letzteres der Fall, so sind es die Konkurrenten des Paulus, die durch ihren direkten Einfluss in den Gemeinden Achaias das Verstummen des Rühmens bewirken können.

 

Paulus schwört aufgrund seiner Gewissheit, dass die "Wahrheit Christi“ in ihm ist. Gemeint ist wohl die mit dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi verbundene Heilswahrheit. die der Apostel seit seiner Bekehrung verinnerlicht hat. Weil die "Wahrheit Christi“ in ihm ist, darf seine Verkündigung nicht gehindert werden. Die ungehinderte Verkündigung wird am ehesten durch einen Verzicht auf Unterhaltsleistungen bewirkt (vgl. die Beobachtungen zu V. 9). Es ist also nur rechtens und im Sinne Jesu Christi bzw. Gottes, dass sich Paulus seiner unentgeltlichen Verkündigung rühmt.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 11

 

Beobachtungen: V. 11 wendet sich gegen das Missverständnis, dass Paulus nur deswegen von den korinthischen Gemeindegliedern keine Unterstützung angenommen hat und bei seiner Haltung bleibt, weil er die dortigen Gemeindeglieder im Gegensatz zu denjenigen Makedoniens nicht liebt. Dieser Sachverhalt werde durch das Rühmen des unentgeltlichen Wirkens verschleiert.

 

Die Antwort "Gott weiß es!“ kann sich sowohl auf die Frage "Warum?“ als auch auf die Frage "Etwa weil ich euch nicht liebe?“ beziehen. Angesichts der Tatsache, dass bei einem Bezug nur auf eine einzige Frage die andere unbeantwortet bliebe, ist davon auszugehen, dass "Gott weiß es!“ beide beantwortet. V. 11 besagt also, dass Gott weiß, warum "dieses Rühmen“ nicht zum Schweigen gebracht werden soll. Und: Gott weiß, dass Paulus die korinthischen Gemeindeglieder liebt.

 

Den Grund, warum "dieses Rühmen“ nicht zum Schweigen gebracht werden soll, hat Paulus schon in V. 9 angesprochen, weshalb er selbst die Frage an dieser Stelle nicht zu beantworten braucht und ein Verweis auf den wissenden Gott genügt. Der Verweis auf Gott besagt, dass dieser das aufrichtige Verhalten des Apostels im Gegensatz zu manchen Menschen erkennt.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 12

 

Beobachtungen: In V. 12 bekräftigt Paulus, dass er es auch in Zukunft so halten wird, wie er es bisher gehalten hat. Er begründet dies nun aber nicht mehr damit, dass er den Korinthern nicht zur Last werden will, sondern damit, dass er "jenen“ den Anlass nimmt, befunden zu werden wie er selbst. Wer "jene“ sind, muss aus dem Zusammenhang erschlossen werden. Paulus sagt nur, dass "jene“ sich rühmen, und zwar hinsichtlich einer Sache, derer sich auch Paulus rühmen kann. Um den Verzicht auf die Unterhaltsleistungen kann es sich nicht handeln, denn dieser ist ja für Paulus typisch. Vielmehr dürfte sich das Rühmen "jener“ auf den Apostelstatus beziehen. "Jene“ sind also vermutlich die Konkurrenten des Paulus, die sich selbst als Apostel ansehen, sich jedoch im Gegensatz zu Paulus ihren Verkündigungsdienst bezahlen lassen. Nun lässt die Anmerkung, dass diese selbsternannten Apostel einen Anlass suchen, in ihrem Aposteldasein gleich wie Paulus befunden zu werden, vermuten, dass der Verzicht auf Unterstützungsleistungen generell positiv bewertet wird. Sollte dies tatsächlich so sein, so stellt sich die Frage, warum nicht die selbsternannten Apostel einfach wie Paulus auf ihre Bezahlung verzichten und von einer anderen Tätigkeit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Wird dies als zu mühsam angesehen? Mit Blick auf V. 7 ist eine andere Antwort nahe liegender: Die Wertung des Verzichtes auf Bezahlung der Verkündigungstätigkeit wird als "Erniedrigung“ angesehen. Das ist sicherlich nicht die Sichtweise des Paulus, denn dieser rühmt sich ja gerade seines Verzichtes. Vielmehr dürfte es sich um die Sicht der Mehrheit in der Gesellschaft sein, mit der sich Paulus auseinandersetzen muss. Wenn die Mehrheit der Gesellschaft den Verzicht auf Unterhaltsleistungen als Erniedrigung ansieht, so ist diese nicht erstrebenswert - es sei denn, jemand denkt genauso wie Paulus. Das ist aber von den selbsternannten Aposteln nicht zu erwarten, denn sonst bräuchte sich Paulus über diese nicht so zu ereifern. Folglich ist davon auszugehen, dass die selbsternannten Apostel nicht den Verzicht anstreben und sich auch nicht mit Paulus auf eine Ebene begeben wollen. Die Konkurrenten des Paulus fühlen sich diesem ja gerade überlegen. Paulus selbst ist es, der meint, mit seinem Verzicht auf Bezahlung einen besonderen Ruhm zu erlangen. So ist V. 12 aus dessen Sicht zu interpretieren: Die Konkurrenten trachten danach, ihm seine besondere Auszeichnung zu nehmen, damit sie ihr Apostolat als in jeder Hinsicht dem des Paulus gleichwertig erscheinen lassen können. Weil sie gierig hinter dem Geld her sind, kommt für sie nicht in Frage, wie Paulus darauf zu verzichten. Folglich müssen sie versuchen, Paulus durch Schlechtmacherei dazu zu bewegen, in Zukunft Unterhaltsleistungen anzunehmen. Dies lehnt Paulus aber kategorisch ab.

 

Das Verb "ekkoptô“ bedeutet eigentlich "abschlagen“. Paulus drückt das Nehmen des Anlasses also drastisch aus: Er will den Anlass "abschlagen“, wie man einen morschen Baum fällt oder ein krankes Körperglied amputiert.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 13

 

Beobachtungen: V. 13 bestätigt die Annahme, dass mit "jenen“ in V. 12 die Konkurrenten des Paulus gemeint sind. Diese werden nämlich jetzt ausdrücklich als "pseudapostoloi“ ("falsche Apostel“) bezeichnet. Diese Bezeichnung hat Paulus wohl nach dem Begriff "pseudoprophêteis“ ("falsche Propheten“) gebildet, wie er sich in Jer 33,8LXX und verschiedentlich auch in ntl. Schriften (Mt 7,15.24 u. a.) findet.

 

Außerdem nennt Paulus seine Konkurrenten "betrügerische Arbeiter“, womit wohl gemeint ist, dass diese nur vorgeben, "Apostel Christi“ zu sein und in dessen Auftrag zu arbeiten, d. h. zu verkündigen. In Wirklichkeit erstreben sie ihren eigenen Ruhm und Gewinn.

 

Weiterführende Literatur: Mit der Frage, wer die "falschen Apostel“ sind, befasst sich C. Ginami 1989, 55-64. Ergebnis: Es handele sich um eine einzige Gruppe von Personen, und zwar vermutlich um von außen in die Gemeinde kommende Wanderprediger, die nicht im Sinne des Apostels predigten, sondern diesen vielmehr kritisierten.

 

T. Haraguchi 1993, 178-195 meint, dass eindeutig sei, dass "ergatês“ ("Arbeiter“) ein Terminus technicus für den urchristlichen Missionar gewesen ist. Die Bezeichnung sei dabei mit einer bestimmten Lebensweise, dem Leben auf Wanderschaft für die Verkündigung, eng verbunden. Die Bezeichnung weise sowohl auf die Pflicht zum schutzlosen Wanderleben als auch auf das Recht zum Unterhalt hin (vgl. besonders Lk 10,7; Mt 10,10). Paulus verstehe das Recht nicht als Pflicht, sondern als Privileg, auf das er freiwillig verzichten kann (vgl. 1 Kor 9,3-18).

 

C. Barrett 1982, 87-107 legt V. 13 wie folgt aus: Es handele sich um eine Erwiderung auf den Vorwurf, dass Paulus "falsch“ sei, er sich also in seinem Leben und seiner Lehre nicht auf dem Boden der Religion seiner Vorfahren befinde. Paulus werfe seinen Gegnern, judaisierende Christen, vor, dass sie sich der Bestimmung Gottes für sein Volk widersetzen.

 

W. Harnisch 1996, 64-82 vertritt die Ansicht, dass sich ein moderner Toleranzgedanke kaum in den paulinischen Schriften ausfindig machen lasse. Allerdings könnten sich aus dem Gespräch mit Paulus weiterführende und erhellende Gesichtspunkte auch für die gegenwärtige Toleranz-Debatte gewinnen lassen, wenn man sich an der paulinischen Art des Umgangs mit Konflikten orientiert. 2 Kor 11,13-15 zählt W. Harnisch zu denjenigen Passagen, in denen sich die paulinische Unduldsamkeit zeige, und die z. T. im Stil heiligen Rechts nicht nur die Sache häretischer Agitation, sondern auch deren Träger dem Verhängnis göttlichen Banns anheimstellten.

 

H. S. Shoemaker 1989, 407-414 bezieht die in 11,1-21 geäußerte Polemik auf die Gegenwart. Eine Christologie des Über-Christus sei die falsche Christologie, eine Theologie der Herrlichkeit die falsche Theologie, ständiger eitel Sonnenschein die falsche Spiritualität, der Über-Pastor das falsche Bild des Pastors, die Über-Kirche die falsche Ekklesiologie

 

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V. 14

 

Beobachtungen: Paulus bringt seine Konkurrenten mit dem Satan, im NT der Gegenspieler Gottes, in Zusammenhang. Auch der Satan versucht sein wahres schlechtes Wesen zu verbergen, indem er vorgibt, ein anderes Wesen zu sein. Das vorgetäuschte Wesen ist positiv, eine Lichtgestalt. Diese Lichtgestalt nennt Paulus "Engel des Lichts“. Eine Verstellung des Satans kennen auch die apokryphen Schriften Moses-Apokalypse (17) und Leben Adams und Evas (9ff.).

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 15

 

Beobachtungen: Bei V. 15 handelt es sich um einen Schluss "vom Schweren zum Leichten“ (a maiori ad minus; qal wa-homer). Vom Satan wird auf die falschen Apostel, die Paulus als die Diener des Satans ansieht, geschlossen.

Die Diener des Satans verstellen sich als Diener der Gerechtigkeit. Unter dem Begriff "Gerechtigkeit“ ist der gnädige Verzicht Gottes auf die Vergeltung der menschlichen Sünden zu verstehen. Der Verzicht liegt im stellvertretenden Kreuzestod Jesu Christi begründet, an den es zu glauben gilt.

 

Wenn die falschen Apostel in Wirklichkeit Diener des Satans sind, so werden sie am Ende der Tage bei der Wiederkunft Jesu Christi keine Vergebung der Sünden zu erwarten haben. Sie mögen sich zwar selbst als Apostel Christi verstehen, doch folgen aus diesem Selbstverständnis keine entsprechenden Taten. An diesen zeigt sich jedoch der wahre Glaube, so dass nach diesen auch beim Jüngsten Gericht geurteilt wird.

Die Aussage "Ihr Ende wird ihren Taten entsprechen.“ ist eine Drohung, die jedoch auch Hoffnung für die falschen Apostel beinhaltet. Sollten diese nämlich ihr Verhalten ändern, so würde dies beim Jüngsten Gericht positiv zu Buche schlagen.

 

Weiterführende Literatur: Paulus greife gemäß P. Arzt 1992, 101-113 hinsichtlich seiner Gegner auf dämonologisches Repertoire zurück und setze es ein, aber auffällig sparsam und ohne große und bedeutende Ausprägung. Er setze Vorstellungen von bösen Mächten eher sparsam, aber dennoch gezielt ein, um sie einem wichtigeren Ziel unterzuordnen, nämlich der Bekämpfung seiner Gegner im Kampf um die Gefolgschaft "seiner“ Gemeinden.

 

Zur Beurteilung gemäß den Taten statt dem Schein gemäß V. 15 siehe K. L. Yinger 1999, 271-272. Es handele sich um eine der wenigen paulinischen Aussagen zum Gericht über bestimmte Personen, wobei der Zorn Gottes als sicher erscheine und Buße nicht in den Blick komme.

 

 

Literaturübersicht

 

Aejmelaeus, Lars; Schwachheit als Waffe. Die Argumentation des Paulus im Tränenbrief (2. Kor. 10-13) (SESJ 78), Helsinki - Göttingen 2000

Aejmelaeus, Lars; The Question of Salary in the Conflict between Paul and the "Super Apostles“ in Corinth, in: I. Dunderberg et al. [eds.], Fair Play (NT.S 103), Leiden 2002, 343-376

Arzt, Peter; Gegner des Paulus als böse Mächte. Überlegungen zur Funktionalität von 2 Kor 11,15 und Phil 3,18f, PzB 1/2 (1992), 101-113

Barrett, Charles; pseudapostoloi (2 Cor 11,13), in: C. Barrett [ed.], Essays on Paul, Philadelphia, Pennsylvania 1982, 87-107

Ginami, Corrado; Gli "pseudo-apostoli“ in 2 Cor 11:13, RicStBib 1/2 (1989), 55-64

Haraguchi, Takaaki; Das Unterhaltsrecht des frühchristlichen Verkündigers: Eine Untersuchung zur Bezeichnung ergates im Neuen Testament, ZNW 84 (1993), 178- 195

Harnisch, Wolfgang; “Toleranz” im Denken des Paulus? Eine exegetisch-hermeneutische Vergewisserung, EvTh 56/1 (1996), 64-82

Hock, Ronald F.; Paul’s Tentmaking and the Problem of His Social Class, JBL 97 (1978), 555-564

Hock, Ronald F.; The Social Context of Paul’s Ministry: Tentmaking and Apostleship, Philadelphia 1980

Holland, Glenn; Speaking Like a Fool: Irony in 2 Cor 10-13, in: S. E. Porter et al [eds.], Rhetoric and the New Testament (JSNTS 90), Sheffield 1993, 250-264

Pratscher, Wilhelm; Der Verzicht des Paulus auf finanziellen Unterhalt durch seine Gemeinden: ein Aspekt seiner Missionsweise, NTS 25 (1979), 284-298

Savage, Timothy B.; Power through Weakness (SNTS.MS 87), Cambridge 1996

Shoemaker, H. Stephen; 2 Corinthians 11:1-21, RExp 86 (1989), 407-414

Sundermann, Hans-Georg; Der schwache Apostel und die Kraft der Rede. Eine rhetorische Analyse von 2 Kor 10-13 (EHS R. XXIII; 575), Frankfurt 1996

Yinger, Kent L.; Paul, Judaism, and Judgment according to Deeds (SNTS.MS 105), Cambridge 1999

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