Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Römerbrief

Brief des Paulus an die Römer

Röm 6,1-11

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Röm 6,1-11



Übersetzung


Röm 6,1-11:1 Was sollen wir nun sagen? Lasst uns in der Sünde bleiben, damit die Gnade zunehme?! 2 Mitnichten! Wir, die wir der Sünde starben, wie sollten wir noch in ihr leben? 3 Oder wisst ihr nicht, dass wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, in seinen Tod hinein getauft wurden? 4 Wir wurden also mit ihm durch die in den Tod hinein [erfolgte] Taufe begraben, damit, gleichwie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von [den] Toten auferweckt wurde, (so) auch wir in [der] Neuheit des Lebens wandeln. 5 Wenn wir nämlich mit der Gleichgestalt seines Todes zusammengewachsen sind, werden wir es auch mit der [seiner] Auferstehung sein. 6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt wurde, damit der Leib der Sünde zunichte gemacht werde und wir nicht mehr der Sünde dienen. 7 Der Gestorbene ist nämlich von der Sünde freigesprochen. 8 Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. 9 Wissen wir doch, dass Christus, auferweckt von [den] Toten, nicht mehr stirbt; [der] Tod ist nicht mehr Herr über ihn. 10 Was er nämlich starb, starb er der Sünde ein für alle Mal. Was er aber lebt, lebt er für (den) Gott. 11 Ebenso erachtet auch ihr euch als tot für die Sünde, aber lebendig für (den) Gott in Christus Jesus.



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V. 1


Beobachtungen: V. 1 leitet einen Abschnitt (6,1-23) ein, in dem besonders häufig der Begriff „Sünde“ auftaucht. Paulus thematisiert nun das Leben der Christen angesichts der Macht der Sünde. Die Grundaussage ist: Der Christ soll Gott dienen, nicht der Sünde.


Machte 5,12-21 den Eindruck eines monologischen Redeflusses, so wechselt Paulus in 6,1 wieder zum von rhetorischen Fragen geprägten Diskussionsstil.

Das einleitende „Was sollen wir nun sagen?“ stellt einen Neuansatz dar. Paulus scheint einen Einwand gegenüber seiner Theologie im Blick zu haben. Der Einwand geht aus der folgenden rhetorischen Frage hervor. Demnach folgern die Kritiker des Heidenapostels aus dessen Theologie, dass wir in der Sünde bleiben können, damit die Gnade zunimmt. Das Positive, die Zunahme der Gnade, würde durch etwas Negatives, das Bleiben in der Sünde, erreicht. Das kann aus ihrer Sicht schwerlich im Sinne Gottes sein. Ihre Schlussfolgerung ziehen die Gegner wohl insbesondere aus 5,20, wo Paulus schreibt: „[Das] Gesetz aber ist dazwischen hineingekommen, damit die Verfehlung größer würde. Wo aber die Sünde anwuchs, wurde die Gnade noch reichlicher,...“. Das - so die Kritiker - bedeutet, dass Paulus das Anwachsen bzw. Verbleiben in der Sünde für etwas Wünschenswertes hält, eben weil sich damit ein Anwachsen der Gnade erreichen lasse (vgl. die Schlussfolgerung 3,8).


Weiterführende Literatur: Den wesentlichen Aussagegehalt von 6,1-23 versucht G. Bray 2000, 72-76 herauszuarbeiten.

Eine Auslegung von 6,1-14 bietet E. Cuvillier 1990, 3-16.

Eine versweise Auslegung von 6,1-11 bietet J. D. G. Dunn 1982, 259-264.


Mit der Struktur und Bedeutung von 6,1-14 befasst sich H. Boers 2001, 664-682.


J. L. Price 1980, 65-69 befasst sich mit 6,1-14 als Anfrage an den Christen, ob er tatsächlich Zeugnis vom Evangelium Christi ablegt.


Es zeige sich in 6,2-10 gemäß V. Tanghe 1997, 411-414 ein geschlossener, einheitlicher Text, der im Widerspruch zur Aufforderung, nicht mehr zu sündigen (6,11-14), verstanden werden könne. Die literarische Form lasse darin eine schriftliche Vorlage erkennen. Nur wenig habe der Schlussredaktor an der Vorlage geändert (V. 4c).


A. J. M. Wedderburn 1983, 337-355 geht anhand von Röm 6 der Frage nach, inwieweit Paulus hellenistischen Traditionen und insbesondere der Theologie der Mysterienreligionen verpflichtet ist. A. J. M. Wedderburn geht nicht von einer direkten Beeinflussung seitens letzterer aus. Die Frage müsse eher lauten, ob Paulus diesem Milieu über den hellenistischen Judaismus oder über seine stärker hellenisierten Vorgänger im christlichen Glauben oder über beide verpflichtet ist.

Ähnlich D. Zeller 1991, 42-61: Es lasse sich in Röm 6 keine bewusste Anlehnung an Praxis und Terminologie der Mysterienkulte nachweisen, noch seien die Gedanken des Kapitels von daher religionsgeschichtlich „abzuleiten“. Paulus sehe sich wegen dieser Kulte nicht in seiner religiösen Identität in Frage gestellt, noch greife er in pädagogischer Absicht nach dem Modell „Anknüpfung und Widerspruch“ auf sie zurück. Vielmehr würden Elemente des Taufritus und des urchristlichen Bekenntnisses neu gedeutet und aktualisiert. Dabei stehe Paulus – ohne es zu wissen – in Übereinstimmung mit antiken Denkstrukturen.


I. J. Canales 1985, 237-245 vertritt die Meinung, dass Paulus in 3,8 einer judaistischen Beschuldigung und in 6,1 einer heidnisch-antinomistischen Fehlinterpretation seiner Gnadenlehre widerspreche.


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V. 2


Beobachtungen: Eine solche Schlussfolgerung ist jedoch ein Missverständnis, wie das kategorische „Mitnichten!“ deutlich macht. Wer so schlussfolgert, hat aus Paulus’ Sicht das Wesen des christlichen Daseins nicht verstanden.


Das Dasein der Christen - das Personalpronomen „wir“ schließt sicherlich alles Christen mit ein, auch wenn in erster Linie Paulus und die Adressaten im Blick sein dürften - ist davon geprägt, dass sie der Sünde „starben“. „Sterben“ ist hier wohl im Sinne des Abbruchs der Beziehung zu etwas zu verstehen. Wer leiblich stirbt, bricht die Beziehung zur irdischen Welt ab. Damit erlöschen auch alle Ansprüche von Menschen gegenüber dem Verstorbenen. Allenfalls von den Verwandten kann noch etwas eingefordert werden. Ebenso verhält es sich mit demjenigen, der der Sünde stirbt: Er bricht die Beziehung zur Sünde ab, die folglich ihm gegenüber auch keinen Anspruch mehr geltend machen kann und keine Herrschaft mehr über ihn ausübt. Das bedeutet, dass die Schlussfolgerung, dass Christen in der Sünde verbleiben könnten, unmöglich ist.

Das Verb steht in der Zeitform Aorist („apethanomen“ = „wir starben“), was auf ein einmaliges, vergangenes Geschehen hinweist. Doch wann sind die Christen der Sünde gestorben? Am ehesten ist an die Taufe zu denken, denn mit der Taufe erfolgt für alle sichtbar der Eintritt in das christliche Leben. Für eine solche Datierung spricht auch die ausdrückliche Erwähnung der Taufe in den folgenden Versen.


Weiterführende Literatur: W. J. Fogleman 1993, 294-298 betrachtet die Taufe als Übergangsritus.


D. J. Moo 1982, 215-220 befasst sich mit 6,1-14 unter der Fragestellung, inwiefern Paulus trotz des Glaubens noch die Notwendigkeit der Abkehr von der Sünde für erforderlich hält. Auffällig sei, dass Paulus eingangs nicht die Abkehr von der Sünde verlangt. Vielmehr mache er deutlich, dass es grundsätzlich widersprüchlich sei, wenn ein Mensch, der (aufgrund der Taufe) der Sünde gestorben ist, weiterhin in ihr lebt. Christen gehörten schon zum neuen Zeitalter. das von Leben und Gnade geprägt ist. Allerdings seien sie weiterhin dem alten Zeitalter, das von Tod und Sünde geprägt ist, unterworfen. Daher verbinde Paulus in Röm 6,1-14 Aussagen über den neuen Status „in Christus“ mit Imperativen, um uns dazu zu ermutigen, die bestehenden Bestandteile unseres Lebens in Einklang mit dem neuen Status zu bringen. Möge uns Gott dazu durch seinen Geist die Kraft geben.


Das auf die Taufe folgende neue Sein des Christen, wie es in Röm 5,20-7,6 zur Sprache kommt, hat Z. I. Herman 1986, 225-273 zum Thema.


Mit der Tod-Leben-Symbolik in 6,1-11 befasst sich M. V. Hubbard 2002, 79-103.


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V. 3


Beobachtungen: V. 3 bringt das Sterben ausdrücklich mit der Taufe in Verbindung, die Taufe wiederum mit Jesus Christus und Jesus Christus schließlich mit dem Tod, der - und hier schließt sich der Kreis - in enger Verbindung mit dem der Sünde Sterben zu sehen ist.


Die Taufe ist ein Geschehen, das der Täufling passiv über sich ergehen lässt: er wird getauft. Dieses Geschehen ist bei den Christen, zu denen auch Paulus und die Adressaten gehören, in der Vergangenheit erfolgt.

Die Taufe ist „auf Christus Jesus“ erfolgt, wörtlich: „in Christus Jesus hinein“ („eis Christon Iêsoun“). Gemeint ist wohl, dass die Getauften mit der Taufe in den Machtbereich Jesu Christi (= Christi Jesu) getreten sind. Es ist also nicht so, dass auf den Abbruch der Beziehung zur Sünde nichts Neues folgt. Tatsächlich kommt es zu einer neuen Beziehung, und zwar zu einer Beziehung zu Jesus Christus. Dieser hat nun Anspruch auf die Christen und wird zu deren „Herr“. Dieser in der griechischen Bibel (= NT) gebräuchliche Titel für Jesus Christus findet sich zwar in 6,1-11 nicht, doch steht er mit dem bei der Taufe erfolgten Übertritt von einem Machtbereich in den anderen im engen Zusammenhang.


Mit der Person Jesus Christus ist auch die Heilsgeschichte verbunden. Ein wesentlicher Bestandteil der Heilsgeschichte ist der Tod Jesu Christi. Er ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil er voraussetzungslose Grundlage der Sündenvergebung ist. Die Sündenvergebung wird wirksam, sobald der Mensch in den Machtbereich Jesu Christi hineintritt. „Macht“ ist also nicht nur im Sinne der Herrschaft und der Unterwerfung unter diese zu verstehen, sondern auch im Sinne der Entfaltung der Wirkung der Heilsereignisse, hier konkret des Todes Jesu.


Wie das vorwurfsvolle „Oder wisst ihr nicht...?“ annehmen lässt, sollte aus Sicht des Paulus diese Deutung der Taufe eigentlich den Adressaten bekannt sein, sodass die Kritik seiner Gegner eigentlich bei ihnen nicht auf fruchtbaren Boden fallen dürfte. Dass die Galater sich dennoch von den paulinischen Gegnern beeinflussen lassen und Paulus deswegen den Galaterbrief abfasst, lässt aus Sicht des Apostels darauf schließen, dass die Adressaten die Bedeutung der Taufe zumindest nicht verinnerlicht haben. Dass Paulus ihnen dies überhaupt zum Vorwurf macht, setzt voraus, dass er ihnen die Bedeutung der Taufe in irgendeiner Form schon beigebracht hat. Ob dies in Form einer regelrechten Lehre bei der Taufkatechese im Rahmen eines Missionsaufenthaltes oder bei einer anderen Gelegenheit geschehen ist oder ob die Information eher nebenher mündlich oder schriftlich erfolgt ist, lässt sich nicht erschließen.


Weiterführende Literatur: Mit der Taufe und Gerechtigkeit im Römerbrief (3,25; 4,25; 6) befasst sich U. Schnelle 1983, 65-92. Er geht davon aus, dass drei Faktoren die paulinische Argumentation im Römerbrief beeinflussten: a) Die noch nicht lange zurückliegenden Konflikte in Galatien und Korinth. b) Die Auseinandersetzungen zwischen Heiden- und Judenchristen in Rom. c) Gedankliche Probleme der eigenen Theologie.


J. D. G. Dunn 1999, 294-310 versucht seine schon früher vertretene These, dass „in Christus hinein getauft“ metaphorisch im Sinne des Eintritts des Gläubigen in ein geistliches Verhältnis mit Christus zu verstehen sei und nicht als Beschreibung des physischen Akts des Getauftwerdens, auf der breiteren Grundlage des NT zu begründen.


W. B. Badke 1988, 23-29 legt dar, dass die Taufe von Paulus nie als Wende im Leben des Gläubigen betrachtet werde, ohne dass er zugleich an einen Wechsel des Untertanengehorsams denke. Die grundlegende Bedeutung der Taufe sei die Anerkennung von Christi Herrschaft. Das Sterben-Auferstehen-Motiv, das erst später – nach Abfassung des Ersten Korintherbriefes – hinzugefügt wurde, gebe dem Untertanengehorsam eine tiefere Bedeutung, nämlich dass der Gläubige mit Christus verbunden ist, weil der Gläubige mit seinem Retter gestorben ist und Christi Leben anstelle seines eigenen empfangen hat.


Laut S. Légasse 1991, 544-559 werde die Teilhabe des Gläubigen am Tod Christi in 6,1-14 thematisiert. In anderen paulinischen Briefpassagen erscheine sie ohne Zusammenhang mit der Taufe. In 6,1-14 ziehe Paulus eher nebenher die Verbindung, wogegen diese in Kol 2,12-13 aufgenommen und verstärkt werde.

S. Légasse 1996, 223-241 liest Röm 6 mit Blick auf die Mysterienreligionen. Dabei gründe das paulinische Gedankengut nicht auf diesen. So gehe es – so eines der Argumente - in den Mysterienreligionen in keinem Fall um den Tod des Mysten mit seinem Gott. Paulus‘ Gedankengut sei nicht bewusst von griechisch-römischen religiösen Modellen entliehen, sondern befinde sich unbewusst in Einklang mit den diese durchdringenden Denkschemata. Später, mit den Apologeten, sei man sich der Analogien bewusst geworden und man habe sie zu erklären versucht.


Laut I. Mitsunobu 1994, 131-168 sei die paulinische Lehre von der Einheit mit Christus in Tod und Auferstehung in der Vergangenheit häufig als Tauflehre verstanden worden. In neuerer Zeit würden jedoch vermehrt Stimmen laut, die von einer Lehre bezüglich des realen Lebens des Christen ausgehen. Im Zusammenhang der gesamten paulinischen Theologie gesehen scheine letztere Auslegung die richtige zu sein. Die Einheit mit Christus in Tod und Auferstehung könne als Synthese der zentralen Themen paulinischer Theologie angesehen werden: Rechtfertigung durch Glauben, neue Schöpfung, Moral gemäß den Prinzipien von Geist und Fleisch. Im Zentrum all dieser Themen stehe der eschatologische Übergang vom Reich der Sünde zum Reich Christi.


A. Dettwiler 2009, 279-296 geht der Frage nach, ob Kol 2 auf einer vorpaulinischen, Röm 6 zugrunde liegenden enthusiastischen Tradition beruht, oder ob es sich um eine Relecture von Röm 6 in der vorliegenden Fassung handelt. A. Dettwiler vermutet letzteres. Die deuteropaulinische Relecture, die von der (spirituellen) Auferstehung der Gläubigen spreche (Kol 2,12-13, in Eph 2,5-6 aufgenommen) stelle eine Aktualisierung eines Sinnesgehaltes dar, wie er bereits Röm 6 innewohne. Abschließend widmet sich A. Dettwiler der tiefgehenden religiösen Umwandlung des Menschen durch die Taufhandlung, verstanden als Initiationsritus.


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V. 4


Beobachtungen: Wir, also die Christen, wurden mit Jesus Christus begraben. Wie das Getauftwerden ist auch das Begrabenwerden ein rein passives Geschehen, das in der Vergangenheit erfolgt ist. Durch wen das Begräbnis erfolgt ist, wird hier nicht gesagt, spielt wohl auch keine Rolle.


Sicher ist, dass das Begrabenwerden durch die Taufe geschehen ist. Fraglich ist jedoch, ob „in den Tod hinein“ auf die Taufe oder auf das Begrabenwerden zu beziehen ist. In ersterem Fall wäre die Taufe in den Tod hinein erfolgt. Diese Aussage entspräche V. 3, was einen Bezug auf die Taufe wahrscheinlich macht. In letzterem Fall wäre das Begrabenwerden in den Tod hinein erfolgt. Gegen diesen Bezug spricht, dass der Tod mit dem Begrabenwerden einhergehen würde, was tatsächlich nicht der Fall ist. Das Begrabenwerden folgt gewöhnlich auf den Tod. Allerdings, so kann man einwenden, wird erst mit dem Begrabenwerden der Tod besiegelt und allen vor Augen geführt.


Das Begrabenwerden erfolgte mit „ihm“, also Jesus Christus. Mit dem Begrabenwerden tritt der Täufling jedoch nicht in den Bereich des Todes ein, sondern in den Bereich des Todes Jesu Christi. Mit dem Tod Jesu Christi ist Leben verbunden, weshalb der Täufling - so paradox es klingen mag - auch nicht in den Machtbereich des Todes, sondern des Lebens eintritt. Das hängt damit zusammen, dass Jesus Christus nach seinem Tod nicht unter den Toten geblieben ist, sondern auferweckt wurde. Der Tod Jesu Christi ist also untrennbar mit der Auferweckung verbunden.


Auferweckt wurde Jesus Christus durch die „Herrlichkeit“ des Vaters, d. h. Gottes. Der griechische Begriff „doxa“ enthält sowohl den Aspekt der Macht und des Ansehens als auch denjenigen des Glanzes. Gott hat also die Macht, von den Toten aufzuerwecken. Mit dieser Macht ist das Ansehen verbunden, dass Gott ein Gott des Lebens ist. Als Gott des Lebens ist er auch nicht ein Gott der Verwesung, des Moders und der unterirdischen Finsternis, sondern ein Gott des himmlischen Glanzes.


Paulus schreibt zwar, dass die Christen mit Jesus Christus zusammen begraben wurden, aber nicht, dass sie auch mit ihm zusammen auferweckt wurden. Nicht die Auferweckung ist mit ihm zusammen erfolgt, sondern der Eintritt in die Neuheit des Lebens. Die Neuheit des Lebens ist nur bei Jesus Christus Folge der Auferweckung. Im Gegensatz zu Jesus Christus sind die Christen noch nicht auferweckt worden und gen Himmel gefahren, sondern sie verweilen weiterhin auf Erden. Allerdings ist ihr irdisches Leben von der Taufe an neu. Es ist insofern zugleich auch neuartig, weil die Getauften von nun an keinen Kontakt mehr zur Sünde haben und statt in deren Machtbereich in demjenigen Jesu Christi wandeln.

Das Verb „wandeln“ („peripateô“) weist darauf hin, dass das Leben als ein Weg gedacht ist, auf dem sich der Mensch fortbewegt.


Dass Paulus vom „Begrabenwerden“ spricht, bedeutet noch lange nicht, dass zu seiner Zeit die Taufe den Ritus des Untertauchens des Täuflings beinhaltete. Vielmehr dürfte das Untertauchen als Bestandteil der Taufliturgie, wie es wohl auch in der frühchristlichen Didache (7) vorgesehen ist, auf Röm 6,1-11 basieren.


Weiterführende Literatur: V. P. Branick 1985, 664-675 setzt sich kritisch mit der These von J. C. Beker 1980; J. C. Beker 1982 auseinander, wonach Paulus‘ Denken grundsätzlich und durchgehend apokalyptischer Art sei. Es gehe ihm um die Befreiung von der bösen gegenwärtigen Weltzeit hin zur zukünftigen Weltzeit, die vom Geist statt vom Fleisch geprägt sei. V. P. Branick merkt an, dass der apokalyptische Charakter nicht überbetont werden dürfe. So sei apokalyptisches Denken nicht durchgehend auszumachen, sondern Paulus sei auch offen für spätere Formen der „gegenwärtigen Eschatologie“. Sein Denken befinde sich im auf zukünftige Denkstrukturen hin ausgerichteten Übergangsstatus. Insofern sei auch kein wirklicher Widerspruch zu „präsentischer Eschatologie“ entsprechenden Aussagen in späteren Schriften (v. a. Epheserbrief, Apostelgeschichte, Johannesevangelium) zu entdecken. Die Theologie des Kolosserbriefes sei das Verbindungsglied zwischen der paulinischen Theologie und derjenigen späterer ntl.Schriften.


Ausgehend von der Beobachtung, dass im Römerbrief anstelle vom „Kreuz“ vom „Tod“ die Rede ist, befasst sich M. Quesnel 2009, 55-73 mit der Gestalt des Todes in Röm 5-6. In den ersten Kapiteln des Römerbriefes sei von dem erlösenden Tod Jesu die Rede, wie er im Lichte der Auferstehung erscheine. Von 5,12 an kehre sich die Anordnung der Darstellung um: Die personifizierte Sünde gehe dem personifizierten Tod der Menschen voraus. Die Sünde erscheine wie die Mutter (frz.: Vater) des Todes. Der Tod sei also dysphorisch, er sei die tragische Folge der Sünde. In dem Abschnitt, in dem die Taufe thematisiert wird, 6,1-14, sei der Tod bereits zu Fall gebracht. Hier gehe es um den Tod der Gläubigen mit Christus, um ein der Sünde sterben.


A. Campbell 1999, 284-289 meint, dass es in 6,1-11 nicht in erster Linie um die Zukünftigkeit der Auferstehung gehe, sondern vielmehr um die Frage, ob das Evangelium die Moral untergräbt. Paulus‘ Antwort laute, dass derjenige, der Christus folgt, auch in der Neuheit des Lebens wandele. Die Gläubigen seien natürlich noch nicht im wörtlichen Sinn auferstanden, wie sie auch noch nicht im wörtlichen Sinn gestorben seien, aber sie seien gesellschaftlich gestorben. Gesellschaftlich und moralisch sei ihr Leben dementsprechend erneuert.

Gemäß H.-J. Eckstein 1997, 8-23 könne keine Frage sein, dass Paulus sowohl in 2 Kor 5,14ff wie auch in Röm 6,4.11.13 nicht nur von der Hoffnung auf die zukünftige, leibliche Auferstehung spricht, sondern von einem gegenwärtigen Teilhaben an der neuen Wirklichkeit des Lebens. Nicht nur von einer Antizipation der allgemeinen Auferstehung in Gestalt des Gehorsams sei hier die Rede, sondern von der Partizipation der Gläubigen an dem Auferstehungsleben Christi. Was allerdings einem präsentischen Verständnis der Lebensaussagen in Röm 6,1-11 nach Überzeugung vieler Ausleger entgegenstehe, seien die futurisch formulierten Aussagen in V. 5 und V. 8. Diese Aussagen seien jedoch laut H.-J. Eckstein als Futur der logischen Konsequenz (im Deutschen: Wenn das eine wahr ist, wird doch auch das andere gelten“) zu verstehen. Auch wenn der Römerbrief auch futurisch eschatologische Aussagen enthalte, so sei doch der Abschnitt 6,1-11 ein Zeugnis für die präsentische Eschatologie bei Paulus.

G. Sellin 1983, 220-237 legt dar, dass es heute nahezu einmütige Meinung in der ntl. Wissenschaft sei, dass es bereits vor Paulus im hellenistischen Christentum eine Anschauung gegeben habe, wonach der Christ schon zu Lebzeiten vom Tode auferstanden wäre. Man nenne diese Anschauung „Enthusiasmus“, und man verstehe darunter eine sakramentalistische oder spiritualistische Umdeutung der apokalyptischen Auferstehungshoffnung, veranlasst durch gnostische oder mysterienhafte Einflüsse im vorpaulinischen hellenistischen Christentum. Eine bestimmte Reihe von ntl. Texten – ausgehend von 2 Tim 2,18 seien Kol 2,12 und Röm 6,4 zu nennen- scheine diese These vom vorpaulinischen Enthusiasmus zwingend nahe zu legen. Diese Sicht scheitere jedoch an den genannten Texten und beruhe auf falschen religionsgeschichtlichen Voraussetzungen. In einem ersten Teil möchte G. Sellin terminologische und religionsgeschichtliche Vorfragen klären. In einem zweiten Teil beschäftigt er sich mit den beiden zentralen Texten Röm 6 und Kol 2. Es gehe dabei um die Frage, ob diese Texte den Schluss auf die These von einem vorpaulinischen Enthusiasmus überhaupt zulassen. In einem dritten Teil geht er dann auf die Weiterentwicklung der apokalyptischen Problematik in der paulinischen Schultradition ein.


Mit der stellvertretenden Taufe befasst sich R. E. DeMaris 1995, 661-682. Er setzt voraus, dass tatsächlich von einer stellvertretenden Taufe die Rede ist, und fragt nach ihrem Grund und nach ihrer Bedeutung für die korinthischen Christen. Zunächst geht er auf die Vorstellung von der Welt der Toten gemäß dem Glauben der Korinther ein, wobei er unterstreicht, dass sowohl in griechischen als auch römischen Gesellschaften den Toten beträchtliche Aufmerksamkeit zugekommen sei. Dann untersucht er, warum gerade in Korinth die stellvertretende Taufe für die Toten aufkam und besondere Bedeutung erlangte. R. E. DeMaris begründet dies mit den eigentümlichen religiösen Begebenheiten in Korinth und Umgebung und betont die Bedeutung der stellvertretenden Taufe als Übergangsritus. Eigentlich sei die Taufe ein Initiationsritual der christlichen Gemeinschaft, doch habe sie vielleicht auch als Übergangsritus auf dem Wege vom Leben in den Tod gedient und daher mit dem Begräbnis verbunden worden. Dieser Einstellung stehe Paulus keineswegs neutral gegenüber, auch wenn aus 15,20-18 keine eindeutige Ablehnung hervorgehe. Es könne jedoch sein, dass Röm 6,1-11 auf dem Hintergrund der stellvertretenden Taufe für die Toten geschrieben worden ist. Paulus stelle in diesem Text die Taufe jedoch nicht als Übergangsritus vom Leben zum Tod, sondern – ganz im Gegenteil – vom Tod zum Leben dar.


Die Anrufung Gottes als „Vater“ erkenne laut M. M. Thompson 1999, 203-216 zum einen die göttliche Heilsinitiative, verstanden als Gottes gnadenreiche Gewährung seines Erbes gegenüber und durch Jesus Christus, Gottes Sohn, und zum anderen den Status derer, die Erben mit Christus sind, an. M. M. Thompson behandelt knapp die verschiedenen Passagen des Römerbriefs, in denen von Gott als „Vater“ die Rede ist, wobei sie auf S. 208-211 auf 6,4 eingeht.


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V. 5


Beobachtungen: Die V. 3-4 haben die bei Paulus und den Adressaten in der Vergangenheit liegende Taufe im Blick, wie die Zeitform Aorist der Verben zeigt. Erst die Formulierung „auch wir in der Neuheit des Lebens wandeln“ rückt das auf die Taufe folgende Leben in den Vordergrund. Beginnend mit V. 5 gilt nun das Hauptinteresse den Auswirkungen der Taufe auf das Leben. So erklärt sich der Gebrauch der Zeitform Perfekt.


Die wesentliche Auswirkung der Taufe auf das Leben ist, dass wir mit der Gleichgestalt seines Todes zusammengewachsen sind („symphytoi gegonamen“; Perfekt!). Paulus benutzt also ein Bild aus der Welt des Organischen. Was zusammenwächst, wird zu einer körperlichen Einheit. Insofern geht V. 5 über V. 4 hinaus, wo Paulus im Sinne einer Entsprechung („gleichwie...so auch...“) formulierte.

Zusammengewachsen sind wir mit der „Gleichgestalt“ („homoiôma“) seines Todes. Doch wie ist diese „Gleichgestalt“ zu verstehen? Wie schon in V. 4 angemerkt, ist der Tod Jesu Christi nicht mit dem Tod, sondern mit dem Leben in Verbindung zu bringen. Der mit der „Gleichheit“ des Todes Jesu Christi Zusammengewachsene ist längst der Sünde gestorben und auch mit Christus begraben worden. Inzwischen wandelt er in der „Neuheit des Lebens“. Das Zusammenwachsen ist also eine unumstößliche Tatsache, die bei allen Christen in der Vergangenheit erfolgt ist. Daher kann es auch nicht eine besondere Lebensführung voraussetzen. Somit ist ausgeschlossen, dass alle Menschen wie Jesus Christus den Kreuzestod oder einen anderen Märtyrertod erleiden sollen. Das Zusammenwachsen setzt auch nicht eine Lebensweise voraus, die sich der Sünden enthält. Vielmehr setzt das Zusammenwachsen ausschließlich die Lossage von der Sünde und den Austritt aus deren Machtbereich voraus. Das Leben, das sich der Sünden enthält, ist nicht eine Voraussetzung des Zusammenwachsens mit der „Gleichgestalt“ des Todes Jesu Christi, sondern eine Folge. Das bedeutet, dass „zusammengewachsen mit der ‘Gleichgestalt’ des Todes Jesu Christi“ einen bestimmten Zustand bezeichnet. Es dürfte der Zustand der Teilhabe an der mit dem Kreuzestod Jesu verbundenen Sündenvergebung sein. In diesem Zustand befinden sich die Zusammengewachsenen. Das diesem Zustand entsprechende Verhalten ist das Vermeiden von Sünden, das „neue Leben“.


Wenn Paulus schreibt, dass wir auch mit der „Gleichgestalt“ der Auferstehung Jesu Christi zusammengewachsen sein werden, so hat er wiederum einen Zustand im Blick, und zwar den Zustand, der auf die Auferstehung von den Toten folgt. Wie dieser Zustand beschaffen ist, schreibt Paulus nicht. Sicher ist nur, dass auch er als „Leben“ zu bezeichnen ist, und zwar vermutlich als „ewiges Leben“. Da Jesus Christus nicht mehr auf Erden, sondern im Himmel verweilt, kann das ewige Leben im Himmel lokalisiert werden. Im Lichte der zukünftigen Sündenvergebung und des darauf folgenden ewigen Lebens spielt sich das irdische Leben der Christen ab.


Weiterführende Literatur: Mit dem Duktus und Gedankengang von 6,1-11 befasst sich B. Frid 1986, 188-203, wobei er „in den Tod hinein“ und „mit der Gleichgestalt seines Todes“ als Schlüssel ansieht.


Die Bedeutung und den Bezug des griechischen Begriffs „homoiôma“ hat S. Sabou 2004, 219-229 zum Thema. Zunächst setzt er sich mit zwei derzeit verbreiteten Deutungen des Begriffs auseinander: Die erste verstehe den Begriff als „entsprechende Realität“, wonach im Dasein des Christen sowohl Christi Tod als auch Christi Auferstehung sichtbar würden. Die zweite verstehe den Begriff als „Bild“ oder „Form“, und zwar als „Form“ in dem Sinn, dass eine Realität nach außen hin sichtbar wird. Demnach spreche V. 5 von einer direkten Einheit mit Christi Tod, die über Ähnlichkeit hinausgehe. S. Sabou vertritt abweichend eine dritte These: „homoiôma“ bedeute „Darstellung“ und beziehe sich auf die Verkündung von Tod und Auferstehung Christi. Dieses Geschehen werde von den Christen geglaubt, sie würden mit ihm vereinigt. So wie Christus von den Toten auferstanden ist, wandelten sie in der Neuheit des Lebens.


F. A. Morgan 1983, 267-302 legt dar, dass die Kommentatoren nur Einigkeit darüber erzielt hätten, dass die Formulierung „symphytoi gegonamen“ („wir sind Zusammengewachsene geworden“) besage, dass wir Christen vereint sind. Dabei stelle sich jedoch die Frage: Mit was oder mit wem sind die Gläubigen genau vereint? F. A. Morgan hält „homoiôma“ für den entscheidenden Begriff. Er sei „abbildlich“ zu verstehen und sei am besten mit „Gleichheit“ („likeness“) oder als abbildliche „Form“ zu übersetzen. Gemeint sei, dass der Tod der Christen demjenigen Christi insofern gleiche, als sowohl die Christen als auch Christus der Sünde gestorben sind, diese also zurückgewiesen haben bzw. zurückweisen. Ebenso gleiche die Auferstehung der Christen derjenigen Christi, habe also die gleiche Form. Diese Deutung entspreche der Deutung von der Zeit der Kirchenväter bis ins 19. Jh. und werde auch im 20. Jh. noch von manchen Auslegern vertreten. Diesem traditionellen Verständnis widerspreche die zunehmend geäußerte Ansicht, dass „homoiôma“ nicht abbildlich zu verstehen sei.


T. Kuo-Yu Tsui 2009, 287-294 befasst sich mit der Bedeutung der beiden Future „esometha“ („wir werden sein“) und „syzêsomen“ („wir werden zusammen leben“) in V.5.8. Folgende Deutungen seien bisher vorgebracht worden: a) Beide Verse bezögen sich auf die logische Zukunft, das moralische Leben des Christen in der gegenwärtigen, historischen Existenz. b) Beide Verse bezögen sich auf die Gegenwart, allerdings mit einer eschatologischen Perspektive. c) Beide Verse bezögen sich auf eine eschatologische Zukunft, allerdings mit vorwegnehmenden Gedanken über das moralische Leben der Christen. d) Beide Verse bezögen sich auf die eschatologische Zukunft. In Auseinandersetzung mit der vierten Deutung, dann aber auch den anderen drei Deutungen kommt T. Kuo-Yu Tsui zu dem Ergebnis, dass wahrscheinlich ein gnomisches Futur vorliege, das die für alle Zeiten geltende Tatsache aussage, dass die Gläubigen - als Folge ihres Todes mit Christus – mit Christus sein oder leben werden.


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V. 6


Beobachtungen: Dass die Lebensweise, die sich der Sünde enthält, nicht die Voraussetzung des Zusammenwachsens ist, sondern dessen Folge, geht eindeutig aus V. 6 hervor. Dort wird das „Zusammenwachsen mit der ‘Gleichgestalt’ des Todes Jesu Christi“ als „mitgekreuzigt Werden“ bezeichnet, was insofern passend ist, als es sich bei dem Tod Jesu Christi um einen Kreuzestod handelte.


Der Kreuzestod ist ein Tod, bei dem dem Körper in besonderer Weise Gewalt angetan wird. So kann man sagen, dass bei der Kreuzigung Jesu Leib zunichte gemacht wurde. Nun wird bei der Taufe aber nicht wie bei der Kreuzigung im eigentlichen Sinne der Körper an sich zunichte gemacht, sondern nur die Beziehung des Körpers zur Sünde. Somit kann Paulus schreiben, dass die Taufe, die im übertragenen Sinne ein Gekreuzigtwerden mit Christus ist, erfolgt, „damit der Leib der Sünde zunichte gemacht werde und wir nicht mehr der Sünde dienen.“

Paulus stellt bei seinen Formulierungen den Körper in den Mittelpunkt, als ginge es ihm in erster Linie um die Absage an rein körperliche Sünden. Tatsächlich dürfte er aber vom Körper als fassbaren Bestandteil des Menschen sprechen. Der Körper war es, der bei Jesu Kreuzigung zunichte gemacht wurde. Die irdische menschliche Existenz ist überhaupt nur leiblich u denken. Daraus ist zu schließen: Nicht die Fokussierung körperlicher Sünden dürfte Paulus zu seiner Betonung des Körpers führen, sondern dessen Bedeutung bei Jesu Kreuzigung und für die menschliche Existenz im Allgemeinen.


Mit der Taufe haben sich Paulus und die Adressaten wie auch alle anderen Christen verändert: Als „alte Menschen“ - alt im Sinne des Zustands, nicht des Lebensalters -, dienten sie der Sünde. Bei der Taufe sagten sie sich von den Sünden los und wurden mit Christus gekreuzigt. Nach der Taufe wandeln sie in der „Neuheit des Lebens“. Daraus ist zu schließen, auch wenn Paulus die Formulierung in 6,1-11 nicht benutzt, dass sie nun „neue Menschen“ sind.


Weiterführende Literatur:


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V. 7


Beobachtungen: Auch V. 7 befasst sich mit den Folgen der Taufe, wie wiederum die perfektische Verbform zeigt. Der Gestorbene - gemeint ist der Getaufte, der den Sünden gestorben ist - ist von der Sünde freigesprochen. Das Verb „dikaioô“ bedeutet eigentlich „rechtfertigen“. Der Gestorbene ist also von der Sünde gerechtfertigt. Die Sünden, die er vor der Taufe begangen hat, sind ihm also vergeben. Mit Blick auf V. 6 dürfte allerdings nicht allein Sündenvergebung ausgesagt sein, sondern darüber hinaus das Ende des Dienstes für die Sünde und die „Freisprechung“ von ihr. Die Sünde kann von nun an keinerlei Ansprüche mehr an ihrem früheren Diener geltend machen, ebenso wie die noch lebenden Menschen von einem Verstorbenen nichts mehr einfordern können.


Weiterführende Literatur: J. W. Aageson 1996, 75-89 befasst sich mit der Sprache der Kontrolle, wie sie bei dem Wort „doulos“ („Sklave“) und allen abgeleiteten Worten besonders deutlich zutage trete. Im Kontrast dazu stehe „eleutheros“ („frei“), ein Begriff, der sich sowohl auf den Menschen beziehe, der nie Sklave war, als auch auf denjenigen, der es nicht mehr ist.


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V. 8


Beobachtungen: Hat Paulus in V. 4 noch das Leben nach der Taufe als „Neuheit des Lebens“ bezeichnet, in der die Getauften wie auf einem Weg wandeln, so kommt in V. 8 der zukünftige Aspekt des Lebens in den Blick: Gemeint ist hier das Leben nach der Auferstehung, die gemäß V. 5 noch aussteht.

Wir sind bei der Taufe mit Christus gestorben. „Mit Christus“ ist dabei nicht im zeitlichen Sinn zu verstehen, sondern im Sinn der Nachfolge und der Teilhabe an dem mit dem Kreuzestod verbundenen Heil. Aus dieser Nachfolge und Teilhabe resultiert eine weitere Nachfolge und Teilhabe: Die Gläubigen werden Christus „nachfolgen“, indem auch sie von den Toten auferweckt werden. Als Gerechtfertigte haben sie auch an dem Heil Anteil, das mit der Auferweckung Christi verbunden ist, und werden wie Christus in das ewige Leben eingehen. Und nun kommt möglicherweise noch ein dritter Aspekt des „mit ihm“ in den Blick, nämlich die räumliche Nähe zu Christus.


Weiterführende Literatur: G. M. M. Pelser 1998, 115-134 geht der Frage nach, ob die Formeln „sterben“ und „auferstehen mit Christus“ Ausdrücke paulinischer Mystik sind. Ergebnis: Die Einheit von Christus und dem Gläubigen, begründet durch Christus und erfahren durch den Glauben an ihn, könne wahrscheinlich am ehesten als „mystisch“ bezeichnet werden. Weil die Einheit das Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus zur Folge habe – und nicht umgekehrt – könnten die Formeln „sterben“ und „auferstehen mit Christus“ nur indirekt als Ausdrücke paulinischer Mystik verstanden werden. Das heiße, dass sie sich nicht auf eine mystische Teilhabe an Christi Sterben und Auferstehen an sich beziehen, sondern nur auf ein Mitsterben und Mitauferstehen als Folge der mystischen Einheit mit Christus.


C. E. B. Cranfield 1994, 41-43 greift seine frühere Auslegung von 6,1-14 auf, in der er die These vertreten hat, dass das Sterben mit Christus auf viererlei verschiedene Weise verstanden werden könne: im juristischen Sinn, im Taufsinn, im moralischen Sinn und im eschatologischen Sinn. Weil wir es nicht nur mit dem Sterben mit Christus, sondern auch mit dem Auferstehen mit Christus zu tun hätten, ergebe sich ein achtfaches Schema. C. E. B. Cranfield untersucht nun, inwiefern sich die verschiedenen Elemente des achtfachen Schemas explizit oder implizit im Abschnitt finden.


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V. 9


Beobachtungen: Dass das zukünftige Leben mit Christus ewig ist, unterstreicht V. 9, der ein Paulus selbst und den Adressaten bekanntes Wissen voraussetzt: Christus ist von den Toten auferweckt und somit in der „Neuheit des Lebens“ (vgl. V. 4). Damit ist jedoch noch nicht ausgesagt, ob er nochmals sterben wird oder nicht. Paulus beseitigt jede Unklarheit, indem er ausdrücklich schreibt, dass Christus nicht mehr stirbt. Auch Christus nämlich hat einen Wechsel des Machtbereichs vollzogen, und zwar den Wechsel vom Machtbereich des Todes zu demjenigen des Lebens. War während des irdischen Lebens der Tod „Herr“ über ihn, so ist mit der Auferweckung der Tod überwunden worden (vgl. 1 Kor 15,20-28).


Weiterführende Literatur:


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V. 10


Beobachtungen: In einem engen Zusammenhang mit dem Tod ist die Sünde zu sehen: Dort, wo der Tod herrscht, herrscht auch die Sünde (vgl. Röm 5,12-21). Jesus Christus ist sowohl leiblich gestorben als auch im Hinblick auf die Sünde. Wenn es heißt „starb er der Sünde ein für alle Mal“, dann stellt sich die Frage, ob auch Jesus Christus in seinem irdischen Leben der Herrschaft der Sünde unterworfen war und gesündigt hat. Aus der von Paulus gegebenen Formulierung kann durchaus ein solcher Schluss gezogen werden. Allerdings fällt auf, dass Paulus dieser Frage hier keinerlei Beachtung schenkt. Ihm kommt es vielmehr darauf an, Jesus Christus als Vorbild und Vermittler des Heils darzustellen. Wesentlich ist, dass Jesus Christus sich mit seinem Kreuzestod ein für alle Mal von der Sünde losgesagt hat, und zwar ein für alle Mal. Die Sünde hat also keine Macht mehr über ihn und wird sie auch nie mehr haben.


Auf die Überwindung der Sünde durch den Kreuzestod folgte die Überwindung des Todes durch die Auferweckung. Jesus Christus ist also nicht mehr tot, sondern lebt. Wenn er „für Gott“ lebt, so bedeutet dies vermutlich, dass Gott die einzige Macht ist, der Jesus Christus dient. Die Sünde und der Tod sind machtlos.


Weiterführende Literatur: Laut T. Söding 2005, 388-393 unterstreiche Paulus die Tauftheologie von Röm 6, die auf die pneumatische Partizipation der Glaubenden am Tode und an der Auferweckung Jesu ziele, mit dem christologischen Kernsatz 6,10.


J. Winandy 2000, 433-434 vertritt – seiner Wahrnehmung nach im Gegensatz zur großen Mehrheit der Ausleger – die Meinung, dass sich V. 10 nicht auf Christus beziehe. Vielmehr handele es sich um eine allgemeine Wahrheit, die die Christusgläubigen betreffe.


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V. 11


Beobachtungen: Das mit Jesus Christus verbundene Geschehen ist nicht isoliert für sich zu sehen, sondern aus ihm folgt sowohl ein Heilszuspruch als auch eine Forderung. Mit der Taufe haben sich auch die Christen von der Sünde losgesagt, die von nun an keine Macht mehr über sie hat. Dies ist insofern ein Heilszuspruch, als dem Gläubigen nicht nur die vor der Taufe begangenen Sünden vergeben sind, sondern darüber hinaus das „neue Leben“, das nur im Dienst für Gott erfolgt, im Lichte der zugesprochenen, aber erst in der Zukunft endgültig erfolgenden Rechtfertigung zu sehen ist. Zugleich lässt sich aus V. 10 die Verheißung der zeitlichen Unbegrenztheit des Lebens (nach der Auferstehung) herauslesen.

Paulus dürfte sich aber auch bewusst sein, dass das Verhalten der Gläubigen nicht immer dem Heilszuspruch angemessen ist. Damit das zugesagte Heil nicht gefährdet wird, sieht Paulus sich genötigt, von den Adressaten ein angemessenes Verhalten zu fordern: Die Christen sollen tatsächlich keinen Kontakt mehr zur Sünde haben und tatsächlich in ihrem Leben allein Gott dienen.


Der Zusatz „in Christus Jesus“ macht deutlich, dass das Leben für Gott im Machtbereich und Heilsraum Jesu Christi erfolgt (bzw. erfolgen sollte). Das mit Jesus Christus verbundene Heilsgeschehen prägt (bzw. sollte prägen) das Leben der Christen durch und durch.


Weiterführende Literatur:



Literaturübersicht


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