Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Römerbrief

Brief des Paulus an die Römer

Röm 15,22-24

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Röm 15,22-24



Übersetzung


Röm 15,22-24:22 Deshalb bin ich auch die vielen Male gehindert worden, zu euch zu kommen. 23 Jetzt aber habe ich keinen Raum mehr in diesen Gegenden, habe aber schon seit vielen Jahren Sehnsucht, zu euch zu kommen, 24 sobald ich nach Spanien reise. Ich hoffe nämlich, euch auf der Durchreise zu sehen und von euch [für die Weiterreise] dorthin ausgestattet zu werden, wenn ich mich zuvor an euch ein wenig gesättigt habe.



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V. 22


Beobachtungen: Weil Paulus (gemäß Röm 15,20-21) nicht dort missioniert, wo schon jemand anderes „Christus genannt“ und das „Fundament“ gelegt hat, ist er bisher immer zwecks Evangelisation dorthin gegangen, wo vor ihm noch niemand das Missionswerk geleistet hat. Wenn Paulus diese Missionsstrategie nun als Begründung für das bisherige Ausbleiben des Besuches in Rom heranzieht, ist daraus zu schließen, dass er bisher noch nicht in Rom war, weil er in Rom auf fremdem Grund gebaut hätte. Es muss also schon jemand vor Paulus in Rom gewesen sein und dort missioniert haben. Fraglich ist jedoch, ob es sich bei den Adressaten mehrheitlich um vor Ort Bekehrte handelt oder um zugezogene Christen.


Der Hinweis auf die vielfache Verhinderung eines Besuches in Rom stellt eine Wiederholung von Röm 1,10.13 dar. Paulus scheint sich in einem Rechtfertigungszwang gegenüber dem Vorwurf zu sehen, dass er sich nicht um die Christen in Rom kümmere.


Weiterführende Literatur: Die Grundlinien paulinischer Theologie Röm 15,14-33 skizziert P. Müller 1989, 212-235.


Mit der Beziehung zwischen den geographischen und theologischen Räumen in 1,1-15 und 15,14-33 befasst sich A. Gignac 2006, 385-409.


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V. 23


Beobachtungen: Nicht nur mittels des Verweises auf die Vielzahl der Besuchsverhinderungen, sondern auch mittels der Betonung der Sehnsucht nach einer persönlichen Begegnung mit den Christen in Rom soll einem möglichen oder tatsächlichen Vorwurf des Desinteresses an den römischen Christen den Wind aus den Segeln genommen werden.


Die Formulierung „in diesen Gegenden“ dürfte sich auf das in 15,19 genannte, von Jerusalem (und Umgebung?) bis nach Illyrien reichende Missionsgebiet des Heidenapostels beziehen. Wenn Paulus in diesen Gegenden keinen Raum mehr hat, dann ist streng genommen daraus zu schließen, dass bereits alle Dörfer bereits von Paulus oder anderen Missionaren aufgesucht worden sind und Bekehrungen erlebt haben. Weil die paulinischen Briefe aber nicht erkennen lassen, dass tatsächlich bereits flächendeckend missioniert worden ist und in einer solch frühen Zeit der Ausbreitung des Christentums eine flächendeckende Mission auch nicht anzunehmen ist, dürfte Paulus wohl nur die städtischen Zentren im Blick haben. Demnach wäre die Mission inzwischen so weit gediehen, dass das Christentum - nicht durch Paulus, sondern durch andere Missionare - von den Städten in die ländlichen Gebiete hinein getragen werden kann. Wenn Paulus im Hinblick auf sein Missionsgebiet auch Illyrien erwähnt und für sich auch dort keinen Raum mehr sieht, bedeutet das, dass Paulus oder ein anderer Missionar bereits in Illyrien tätig war, wobei sich eine paulinische Tätigkeit in Illyrien nicht beweisen lässt.


Dass es neben den zahlreichen Missionsaufgaben auch andere Gründe gab, die Paulus am Besuch in Rom hinderten, lässt 1 Thess 2,18 annehmen. Dort begründet Paulus die Verhinderung der geplanten Besuche der Gemeinde in Thessalonich mit dem Wirken des Satans und eben nicht mit der Vielzahl der Missionsaufgaben, obwohl diese zu einem solch frühen Zeitpunkt größer gewesen sein müssen als bei der späteren Abfassung des Briefes an die Römer. Zu bedenken ist, dass sich Paulus bei seiner Mission vielfältigen Schwierigkeiten ausgesetzt sah und bereits gegründete Gemeinden auf Abwege geraten können, wovon die ethischen Anfragen des Ersten Korintherbriefs, die Verteidigungshaltung des Paulus im Zweiten Korintherbrief und die Attacken gegen judaistische Strömungen im Galaterbrief zeugen. Auch die Vertreibung der Juden aus Rom 49 n. Chr., also einige Jahre vor der Abfassung des Römerbriefes, mag Paulus von einem Besuch in Rom abgehalten haben.

Im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Mission im östlichen Teil des Römischen Reiches kann man die Formulierung „keinen Raum mehr haben“ auch im Sinne von „(aufgrund der Schwierigkeiten/Widerstände) keine Möglichkeiten mehr haben“ deuten.


Weiterführende Literatur: Zum paulinischen Missionsverständnis in Röm 15,14-33 und zu einer für die Gegenwart relevanten biblischen Missionstheologie siehe S. Strauss 2003, 457-474.


Wenn man die eschatologische Hoffnung des Heidenapostels, die von der Gewissheit der Rettung ganz Israels getragen sei, bedenke, dann sei die in Korinth formulierte Raumlosigkeit („Arbeitslosigkeit“ aufgrund der Erfüllung der Missionsaufgabe zwischen Jerusalem und Illyrien) im östlichen Missionsfeld laut B. Beckheuer 1997, 246-251 schlechterdings nicht zu verstehen. Er führt daher für V. 23a eine andere Verständnismöglichkeit an: Der für die Heidenmission zuständige Apostel könne mit der Aussage „Jetzt aber habe ich keinen Raum mehr in diesen Gegenden“ angedeutet haben, dass er von seinen damaligen Vertragspartnern jetzt zur unerwünschten Person erklärt worden ist. Seine antinomistische Haltung und die infolge des Antiochenischen Zwischenfalls gefallenen Äußerungen seien nach Jerusalem kolportiert worden.


Sozialgeschichtliche Beobachtungen zu 15,23-24 unter besonderer Berücksichtigung utopischer Elemente macht A. J. Dewey 1987, 49-57.


Um seine Adressaten für die Unterstützung der Spanienmission zu gewinnen, bediene sich Paulus laut B. Fiore 1987, 95-103 der Sprache und der rhetorischen Kniffs, wie sie auch in den antiken Diskussionen und Ermahnungen zur Freundschaft Anwendung gefunden hätten.


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V. 24


Beobachtungen: Paulus nennt nun Spanien als Missionsziel. Der Rombesuch scheint für Paulus nur im Zusammenhang mit der Spanienreise denkbar zu sein. Spanien hat sich Paulus nicht spontan nach Abschluss seiner Missionstätigkeit im Osten des Römischen Reiches als Missionsgebiet ausgesucht, sondern er plant die Reise schon seit längerer Zeit. Spanien scheint als Missionsgebiet besondere Bedeutung zuzukommen, wobei sich die Frage nach dem Grund stellt. Spanien liegt weit im Westen des Römischen Reiches. Stellen Rom und Spanien die Fortsetzung des von Paulus gezeichneten Bogens von Jerusalem nach Makedonien dar? Ist Mission in Spanien ein für alle sichtbares Zeichen, dass die Mission dem Ende naht? Nimmt man dies an, stellt sich die Frage, warum verschiedene Regionen nicht im Missionsplan auftauchen: im Nordwesten Germanien, Gallien und Britannien, im Norden die slawischen Regionen, im Osten Mesopotamien und Indien und im Süden Ägypten und weitere Landstriche in Nordafrika. Spart Paulus diese Gebiete aus? Falls ja, wäre nach dem Grund zu fragen. Kennt er diese Gebiete nicht? Mindestens im Hinblick auf Ägypten und Mesopotamien ist Kenntnis anzunehmen, denn immerhin sind diese Regionen für die Geschichte Israels von Bedeutung und beherbergen mit Alexandria, Babylon, Assur und Sumer Zentren antiker Zivilisation. Zählt Paulus die ausgesparten Gebiete nicht zu seinem Missionsbereich, weil er dort andere Missionare wirken weiß? Möglich ist auch, dass Paulus Spanien deshalb als Ziel seiner geplanten Missionsreise wählt, weil er damit einen im AT genannten Ort identifiziert und mit Mission in Zusammenhang bringt. Paulus würde dann einer atl. Vorgabe folgen. Bei dem Ort könnte es sich um Tarschisch handeln, das in Jes 66,19 als Ort der Verkündigung erscheint. Allerdings ist die Identifizierung von Tarschisch mit Spanien nicht über alle Zweifel erhaben, denn „Tarschisch“ könnte auch Tarsus in Kilikien (Kleinasien) meinen. Und außerdem wäre zu erwarten, dass Paulus seiner sonstigen Gepflogenheit gemäß die atl. Passage, mit der er sein Handeln begründet, zitiert.

Ob Paulus tatsächlich jemals bis nach Spanien gelangt ist, wissen wir nicht. Zwar heißt es im Ersten Klemensbrief (5,7) „...; er lehrte die ganze Welt Gerechtigkeit, kam bis an die Grenze des Westens und legte vor den Machthabern Zeugnis ab;...“, doch ist „die Grenze des Westens“ nicht unbedingt mit Spanien gleichzusetzen. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre nicht sicher, dass die Aussage des Ersten Klemensbriefes eine historisch korrekte Tatsache wiedergibt. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um eine Deutung von Röm 15,22-24 handelt, bei der ohne Überprüfung angenommen wird, dass Paulus seinen Reiseplan auch tatsächlich durchgeführt hat.


Rom erscheint nicht als Zielort, sondern als Ort der Durchreise. Die Verkündigung scheint nicht der Hauptgrund zu sein, weshalb Paulus Rom durchreisen will. Erstens unterstreicht der Apostel, dass er nicht in Orten missioniert, wo vor ihm schon Missionare gewirkt haben (vgl. 15,20-21), zweitens nennt Paulus zwei Gründe, die gewichtiger sein dürften: Erstens sehnt er sich danach, die Adressaten zu sehen, zweitens hofft er für die Weiterfahrt nach Spanien ausgestattet zu werden.

Das Verb „propempô“ bedeutet „auf den Weg schicken“ oder „begleiten“. Es kann an eine feierliche Verabschiedung eines Gastes, bei der man den Scheidenden ein Stück weit begleitet, gedacht sein, aber auch an eine Begleitung, die dem Schutz vor Überfällen oder der Orientierung in fremden Gewässern dient. Es kommt aber auch als Bedeutung „ausstatten“ in Frage. Paulus geht nicht weiter auf die Ausstattung ein, doch ist an alles zu denken, was für eine lange Schiffsreise erforderlich ist. Notwendig wäre zunächst ein Schiff, sofern Paulus ein solches nicht schon besitzt oder zur Nutzung zur Verfügung gestellt wurde. Zu bedenken ist ja, dass Paulus mit dem Schiff in Rom ankommen dürfte. Kann er dieses von Rom ab nicht weiter (mit)benutzen? Zum Schiff gehört auch Ausstattung, die bei langen Fahrten abnutzen oder kaputtgehen kann. Die Ausstattung kann Bestandteil des Schiffes sein, wie Seile, Ruder, Segel usw., aber auch das Leben auf dem Schiff vereinfachen, wie Lampen oder Gefäße. Für eine lange Fahrt sind auch Lebensmittel notwendig, die in die Gefäße gefüllt werden. Ebenso ist auch an Geld zu denken, mit dem Paulus auf bewohnten Inseln auf dem Wege oder auch am Ziel etwas kaufen kann. Geld ist insofern nötig, als Paulus in ihm fremde Gefilde reist, wo er nicht auf ein soziales oder wirtschaftliches Netzwerk bauen kann und somit Mangel an finanziellen Unterstützern und Arbeitsmöglichkeiten herrscht. Zusätzlich zur materiellen Ausstattung ist aber auch an personelle Ausstattung, also an Begleitpersonal, und an geistliche Ausstattung, nämlich an Gebete seitens der römischen Glaubensgenossen für das Gelingen der Reise, zu denken. Ob auch Empfehlungsschreiben der römischen Gemeinde im Blick sind, ist fraglich, weil solche voraussetzen, dass es in Spanien bereits christliche Gemeinden gibt.


Paulus hofft darauf, dass er vor der Begleitung oder Ausstattung „gefüllt“ („empimplêmi“ = „füllen“) wird. Dabei bleibt jedoch offen, um welches Gefülltwerden es sich handelt. Geht es um ein seelisches Gefülltwerden oder um ein körperliches? Das seelische Gefülltwerden wäre als Erfüllung infolge erfüllender Begegnungen mit den römischen Glaubensgenossen zu verstehen. Bei dem körperlichen Gefülltwerden würde es sich um eine Sättigung handeln, die Paulus durch die von den Gastgebern gereichten Speisen erfährt. Letztere Auslegung wäre insbesondere dann passend, wenn man das zuvor genannte Verb „propempô“ als „ausstatten“ deutet.

Von der Deutung des Verbs „empimplêmi“ hängt auch diejenige der Formulierung „apo merous“ ab. „Apo merous“ bedeutet „teilweise“. Nun ist kaum anzunehmen, dass Paulus davon ausgeht, dass er bei den Adressaten nur teilweise seelisch erfüllt wird. Selbst wenn er das annehmen würde, würde er das kaum schreiben, weil es als Beleidigung empfunden werden kann. Vielmehr wäre im Hinblick auf die seelische Erfüllung die Bedeutung „zeitweise“ - einen Teil der Zeit - passend. Paulus würde sich gemäß dieser Deutung also darauf freuen, eine Zeit lang von den Begegnungen mit den römischen Glaubensgenossen seelisch erfüllt zu werden. Nimmt man an, dass sich Paulus eine Sättigung erhofft, so dürfte „apo merous“ mit „ein wenig“ zu übersetzen sein. Es wäre sicherlich nicht gemeint, dass die Gastgeber nicht willens oder in der Lage sind, Paulus wirklich durch die von ihnen dargereichten Speisen zu sättigen. Vielmehr wäre wohl daran gedacht, dass eine Missionsreise in der Antike entbehrungsreich und nicht mit heutigen Touristenreisen zu vergleichen ist. Paulus dürfte also nach seiner Seefahrt in Rom hungrig ankommen. Der Aufenthalt bei seinen Gastgebern wäre also eine gute Möglichkeit, sich wieder zu sättigen. „Ein wenig“ dürfte bei dieser Auslegung verdeutlichen, dass es Paulus nicht um Völlerei geht, bei denen er die Gastfreundschaft der Gastgeber für die eigenen körperlichen Begierden ausnutzt, sondern um eine Stärkung angesichts der vorhergehenden und bevorstehenden Entbehrungen.


Weiterführende Literatur: B. J. Lietaert Peerbolte 2003, 143-159 untersucht, inwiefern der Verkündigungsdienst des Apostels tatsächlich missionarischen Charakter hatte. Ergebnis: Paulus‘ Verkündigung habe durchaus auf Bekehrung abgezielt. Im Hinblick auf die Ausstattung in V. 24 sei anzumerken, dass Paulus ein Fundraiser gewesen sei, der sich von den von ihm selbst gegründeten Gemeinden habe aussenden und ausstatten lassen.


B. Wander 2001, 175-195 merkt an, dass forschungsgeschichtlich wie methodisch gesehen von vornherein zwei Fragen voneinander unterschieden, wenn auch nicht getrennt werden müssten: Die Frage nämlich einerseits, ob Paulus tatsächlich in Spanien gewesen sein kann und welche Quellenangaben und weiterreichenden Hinweise sich dafür heranziehen lassen, und andererseits die Frage, warum Paulus nach Spanien wollte und welche Quellen über seine Motivation hinreichend Zeugnis ablegen können. B. Wander gibt einen Überblick über die Tendenzen der älteren und der neueren Forschung und schließt damit, dass der Weg der Forschung in Zukunft schwerpunktmäßig den neueren Ansatz nach dem "Warum" einschlagen und die Frage der älteren Forschung nach der Realisierung hinter sich, oder besser, offen lassen sollte.


A. J. Dewey 1994, 321-349 merkt an, dass es ungewöhnlich sei, dass Paulus über Rom nach Spanien reist. In der Antike sei Rom das Zentrum des Interesses gewesen, doch Paulus sehe die Stadt nur als Durchgangsstation an. Was ist der Grund für diesen Reiseplan? A. J. Dewey legt dar, dass sich die gängige Annahme, dass in Spanien zur Zeit des Paulus schon Juden gelebt hätten, deren Gemeinschaften Paulus als Basis für seine Spanienmission hätte benutzen können, kaum belegen lasse. Von Bedeutung sei die Tatsache, dass einige Jahrzehnte vor dem Reiseplan des Apostels Spanien dem Römischen Reich einverleibt worden ist. Demnach wäre es der Plan des Apostels gewesen, der Ausbreitung des Römischen Reiches zu folgen, wie es vielleicht auch die anderen Religionen taten. Die iberische Halbinsel sei mythisch als Eldorado verklärt gewesen. Eine Gleichsetzung von Spanien mit dem biblischen Tarschisch sei problematisch. Schon in den vor dem Römerbrief verfassten Briefen befänden sich Spuren des utopisch-universalen Missionsgedankens, der dem romfixierten Denken innerhalb des Römischen Reichs entgegengesetzt sei. Und der Römerbrief selbst sei als ein die Spanienfahrt vorbereitendes Schreiben zu lesen, nicht aber als eine Zusammenfassung der bisher geäußerten theologischen Gedanken oder als eine Art abschließendes Testament.

S. Koch 2009, 699-712 zu Spanien als Reiseziel: Das Land habe sich keineswegs angeboten, denn es habe dort keine jüdische Besiedlung gegeben. Spanien habe aus römischer Perspektive als wild und unkultiviert gegolten und die Sprachsituation sei sehr komplex gewesen. Außerdem werde in der Forschung auf die Lage am westlichen Rand des Imperiums und der Welt hingewiesen. S. Koch relativiert die Bewertung des Landes Spanien: Durch gut dokumentierte römische Expeditionen seien nicht nur die Halbinsel selbst, sondern auch die Azoren, der Seeweg nach bzw. in Richtung Indien und die afrikanische Küstengeographie bis in die heutige Sahara hinein bekannt gewesen. Mindestens für informierte Kreise habe in Spanien also nicht das Ende der Welt gewartet, sondern es habe geradezu eine neue Welt begonnen. Es sei durchaus möglich, dass Paulus auch Spanien nur als Durchgangsstation ansah, vielleicht eine Rundreise vorhatte. Die spanischen Provinzen hätten außerdem – folge man etwa dem Historiker Strabo – zu den am stärksten romanisierten Teilen des Imperiums gehört. Im Süden des Landes habe es ein großes und überregional bedeutendes Heiligtum des Melquart/Herakles gegeben. Hier sei durchaus eine Missionspredigt des Paulus denkbar gewesen.


E. R. Kalin 1998, 461-472 nennt mögliche Arten der „Ausstattung“: Mitarbeiter, die Paulus bei seiner Tätigkeit begleiten; vielleicht Hilfe hinsichtlich der Sprache (vermutlich Latein) und Bräuche des anvisierten Gebietes; mit großer Wahrscheinlichkeit finanzielle und logistische Unterstützung).

S. Mariné Bigorra 1983, 842-843 kommt in seiner Analyse der verhältnismäßig häufig belegten Graffiti in griechischer Sprache zu dem Ergebnis, dass in Spanien mitnichten nur die lateinische Sprache gesprochen worden sei. So sei die griechische Sprache unter den vertriebenen Orientalen (v. a. Sklaven und Freigelassene) insbesondere in großen Stadtzentren, in der Baetica und an der levantischen Küste in Gebrauch gewesen. Die erste Verbreitung des Christentums habe größtenteils diese niedrigen Schichten erreicht, wie dies besonders die christlichen Grabinschriften in griechischer Sprache nicht nur durch die Namen der Verstorbenen, der Verwandten und der Widmenden, sondern auch durch den Zustand der Sprache selbst bezeugten: Wegen der häufigen Fehler könne man das verwendete Griechisch als "Vulgärgriechisch" bezeichnen.



Literaturübersicht


Beckheuer, Burkhard; Paulus und Jerusalem: Kollekte und Mission im theologischen Denken des Heidenapostels (Europäische Hochschulschriften: Reihe XXIII, Theologie; Bd. 611), Frankfurt a. M. u. a. 1997

Dewey, Arthur J.; Social-historical Observations on Romans 15:23-24, Proceedings EGL&MWBS 7 (1987), 49-57

Dewey, Arthur J.; Eis tên Spanian: The Future and Paul, in: L. Bormann et al. [eds.], Religious Propaganda and Missionary Competition in the New Testament World (NTS 74), Leiden 1994, 321-349

Fiore, Benjamin; Friendship in the Exhortation of Romans 15:14-33, Proceedings EGL&MWBS 7 (1987), 95-103

Gignac, Alain; Espaces Géographiques et Théologiques en Rm 1:1-15 et 15:14-33: Regard Narratologique sur la “Topologie” Paulinienne, BI 14/4 (2006), 385-409

Kalin, Everett R.; Rereading Romans: Ethnic Issues (or, “How can I find a gracious community?”, CThMi 25/6 (1998), 461-472

Koch, Stefan; „Wenn ich nach Spanien reise“ (Röm 15,24): Hinweise zu Hintergründen und Bedeutung der Reisepläne des Paulus, in: U. Schnelle [ed.], The Letter to the Romans (BETL 226), Leuven 2009, 699-712

Lietaert Peerbolte, Bert Jan; Romans 15:14-29 and Paul’s Missionary Agenda, in: P. W. van der Horst et al. [eds.], Persuasion and Dissuasion in Early Christianity, Ancient Judaism and Hellenism (CBET 33), Leuven 2003, 143-159

Mariné Bigorra, Sebastián; Hispanische Latinität und sprachliche Kontakte im römischen Imperium (ANRW II 29/2), Berlin 1983, 819-852

Müller, Peter; Grundlinien paulinischer Theologie (Röm 15,14-33), KeDo 35/3 (1989), 212- 235

Strauss, Steve; Missions Theology in Romans 15:14-33, BS 160/4 (2003), 457-474

Wander, Bernd; Warum wollte Paulus nach Spanien? Ein forschungs- und motivgeschichtlicher Überblick, in: F. W. Horn [Hrsg.], Das Ende des Paulus: Historische, theologische und literaturgeschichtliche Aspekte (BZNW 106), Berlin – New York 2001, 175-195

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