Kol 4,10-14
Übersetzung
Kol 4, 10-14 : 10 Es grüßen euch Aristarch, mein Mitgefangener, und Markus, der Vetter des Barnabas - seinetwegen habt ihr schon Weisungen empfangen; wenn er zu euch kommt, nehmt ihn auf - 11 und Jesus, der Justus genannt wird. Sie sind [diejenigen] aus der Beschneidung, die alleine Mitarbeiter am Reich (des) Gottes [sind]; sie sind mir ein Trost geworden. 12 Es grüßt euch Epaphras, einer von euch, Sklave Christi, der allezeit für euch in den Gebeten kämpft, damit ihr vollkommen dasteht und erfüllt [seid] vom ganzen Willen (des) Gottes. 13 Denn ich bezeuge ihm, dass er sich große Mühe gibt um euch und die in Laodizea und die in Hierapolis. 14 Es grüßen euch Lukas, der geliebte Arzt, und Demas.
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Beobachtungen: Die Verbform "aspazetai" ist ein Singular und strenggenommen mit "es grüßt euch" zu übersetzen. Allerdings wird unmittelbar danach mit Markus und Jesus eine zweite und dritte grüßende Person genannt, weshalb sich die Übersetzung "es grüßen euch" nahelegt. Dass sich trotz dreier grüßender Personen im Griechischen eine Verbform im Singular findet, ist mit der Eigenheit der griechischen Sprache zu begründen, das Verb nicht an der Gesamtzahl der grüßenden Personen auszurichten. Vielmehr wird das erste Subjekt, die erste(n) grüßende(n) Person(en), als Einheit verstanden, auf die sich das Verb bezieht. Das erste Subjekt ist Aristarch, eine einzelne Person. Daher ist das Verb ein Singular. Die zweite und dritte grüßende Person werden jeweils mit der Konjunktion "kai" angeschlossen, die mit "und" zu übersetzen ist, allerdings strenggenommen "und auch" bedeutet. Es grüßt also Aristarch und auch Markus und auch Jesus.
Der in Kol 4,10 genannte Aristarch kann durchaus mit dem in der Apostelgeschichte (19,29; 20,4; 27,2) genannten identisch sein. Der in Apg 20,4 genannte stammte ebenso wie der in 27,2 genannte aus Thessalonich, einer Stadt in Makedonien, wobei letzterer Vers Aristarch ausdrücklich als „Makedonier“ bezeichnet. Ebenfalls wird ein Aristarch in Phlm 24 erwähnt. Dieser lässt Grüße an Philemon, den Adressaten des Philemonbriefes, ausrichten. Sowohl in Phlm 24 als auch in Kol 4,10 findet sich keine Angabe zur Herkunft des jeweils genannten Aristarch, weshalb sich nichts zu einer möglichen Identität mit dem in Apg 19,29 genannten Aristarch sagen lässt.
Aristarch wird vom Verfasser des Kol als "mein Mitgefangener" bezeichnet, wobei die Gefangenschaft nicht genauer erläutert wird. Es bleibt also offen wo und unter welchen Umständen sie sich ereignet hat. Die Mitgefangenschaft kann als Gefangenschaft im gleichen Gefängnis oder auch als Gefangenschaft gedeutet werden, die derjenigen von Paulus bzw. dem Verfasser des Kol ähnelte, aber getrennt von ihr stattfand. Selbst wenn eine Gefangenschaft zusammen mit Paulus bzw. dem Verfasser des Kol in einem Gefängnis angenommen wird, lässt sich zum Ort und zu den Umständen der Gefangenschaft nichts sagen, weil Paulus vielmals gefangen war (vgl. 2 Kor 6,5; 11,23). Es kann auch sein, dass Aristarch „Mitgefangener“ im übertragenen, nicht im eigentlichen Sinne ist. Sie wären dann wie Paulus in ihrem Tun als aktive Christen gebunden (= gefangen), und zwar an das Evangelium Christi. Diese übertragene Bedeutung ist auch in Kol 4,3, wo Paulus bzw. der Verfasser des Kol von seiner Bindung spricht, möglich. Allerdings ist sie hinsichtlich des Begriffs "Mitgefangener" nicht wahrscheinlich, weil zu erwarten wäre, dass zumindest angemerkt wird, worin Aristarch „gefangen“ ist. Ein solcher Zusatz ist nur bei einer Gefangenschaft im eigentlichen Sinn unnötig.
Der griechische Begriff "entolê" kann ein "Gesetz", "Gebot", eine "Weisung/Anweisung" oder einen "Auftrag" meinen. Aus dem Zusammenhang geht hervor, dass es hier nicht um Gesetze im juristischen Sinn geht. Auch geht es nicht um religiöse Gebote der Tora (= fünf Bücher Mose), die die Adressaten befolgen sollen. Vielmehr geht es um Aufträge oder um Weisungen, und zwar um welche, die mit Markus zu tun haben. Eine entscheidende Weisung wird genannt: Die Adressaten sollen Markus aufnehmen. Dass dies betont werden muss, zeigt, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Die Adressaten könnten Markus nicht kennen oder von ihm aus irgendeinem Grund ein schlechtes Bild bekommen haben. Durch die Weisung, Markus aufzunehmen, stellt Paulus bzw. der Verfasser des Kol Markus als jemanden dar, der vertrauenswürdig ist und zu seinen Mitarbeitern gehört. Da von einer Mehrzahl Weisungen die Rede ist, bleibt offen, was diese beinhalteten. Am ehesten ist daran zu denken, dass auch sie mit der Aufnahme des Markus zu tun haben und vielleicht weitere Ausführungen dazu enthalten. Es kann sich aber auch um Weisungen handeln, die nichts mit der Aufnahme zu tun haben. Es ist am ehesten anzunehmen, dass die Weisungen von Paulus stammen. Da dies allerdings nicht ausdrücklich gesagt wird, ist nicht ausgeschlossen, dass die Weisungen von einer anderen Person stammen.
Das Substantiv "anepsios" taucht im NT nur hier auf und bedeutet "Vetter", später auch "Neffe". Wenn die Verwandtschaftsbeziehung von Markus zu Barnabas von Bedeutung ist, dann sind daraus zweierlei Schlüsse möglich: Entweder kennen die Adressaten mehrere Personen namens Markus, so dass durch einen Zusatz erklärt werden muss, welcher Markus gemeint ist; oder es ist daraus zu schließen, dass Barnabas die den Adressaten bekanntere Person ist. Mit dem Namen "Barnabas" können die Adressaten etwas anfangen, womit sie auch zu Markus einen Bezug bekommen. Weiterer Informationen scheint es nicht zu bedürfen.
Ob Markus mit dem Jerusalemer Johannes Markus (vgl. Apg 12,12.25; 13,5.13 u. v. m.) oder mit dem laut 1 Petr 5,13 Grüße ausrichtenden Markus identisch ist, ist fraglich. Bei Identität beider Personen wäre eigentlich zu erwarten, dass in Kol 4,10 darauf hingewiesen wird, dass Markus eigentlich Johannes heißt und Markus nur der Beiname ist (vgl. Apg 15,37). Und außerdem wäre zu erwarten, dass an irgendeiner Stelle in der Apostelgeschichte erwähnt wird, dass Markus der Vetter (oder Neffe) des Barnabas ist.
Das Gleiche gilt für die Frage, ob der in Kol 4,10 genannte Barnabas mit dem Mitarbeiter des Paulus identisch ist, der vielfach in der Apg und auch in den authentischen Paulusbriefen erwähnt wird. Dagegen spricht, dass das Verhältnis zwischen Paulus, Johannes und Barnabas durchaus konfliktreich war. So heißt es zu Beginn der zweiten Missionsreise in Apg 15,37-39: "Barnabas wollte auch (den) Johannes, Markus genannt, mitnehmen. Paulus jedoch bestand darauf, diesen, der sie in Pamphylien im Stich gelassen hatte und nicht mit ihnen ans Werk gegangen war, nicht mitzunehmen. Da kam es zu einer Auseinandersetzung, so dass sie sich voneinander trennten; und (der) Barnabas nahm (den) Markus zu sich und segelte nach Zypern ab." Gerade angesichts dieser gemeinsamen Missionsarbeit des Barnabas und Johannes Markus wäre zu erwarten, dass das Verwandtschaftsverhältnis der beiden in Apg 15,37-39 erwähnt wird. Das ist aber nicht der Fall, womit der Grund für den engen Kontakt zwischen Johannes Markus und Barnabas offen bleibt. Eine Ungereimtheit ist auch, dass Johannes Markus in Apg 15,37-39 als untreu und nicht wirklich vertrauenswürdig erscheint. Zumindest wird so die Sicht des Paulus dargestellt. In Kol 4,10 wird Markus dagegen empfohlen und als vertrauenswürdig dargestellt. Diese Ungereimtheit kann man damit erklären, dass der in Apg geschilderte Konflikt in zeitlichem Abstand zur Abfassung des Kol geschehen und zwischenzeitlich vielleicht wieder beigelegt worden ist. Vor dem Konflikt kann der Kol schwerlich verfasst sein, weil Paulus auf seiner ersten Missionsreise nicht in das Lykostal und dessen Umgebung gekommen ist, wo die Adressaten wohnen. In diese Region ist Paulus erst bei seiner zweiten Missionsreise und damit nach dem Konflikt gekommen. Als weitere Erklärung kommt infrage, dass Markus gerade deswegen empfohlen wird, weil er durch den Konflikt einen schlechten Leumund bekommen hat, der ihm bei seiner weiteren Tätigkeit hinderlich ist. So kann dessen Empfehlung durch Paulus bzw. den Verfasser des Kol als Bemühen zu verstehen sein, den schlechten Leumund aus der Welt zu schaffen. Da kommt die Verwandtschaftsbeziehung zum möglicherweise in einem besseren Ruf stehenden Barnabas gerade recht. Grundsätzlich ist bei der Bewertung der Ungereimtheiten zu bedenken, dass der Verfasser der Apg nicht mit dem Verfasser des Kol identisch ist, was ebenfalls unterschiedliche Darstellungen der Sachverhalte mit sich bringen kann. Trotz all dieser möglichen Erklärungen bleiben die Ungereimtheiten doch bemerkenswert.
Weiterführende Literatur: G. Röhser 2009, 129-150 sieht den Schluss 4,7-17 als Schlüssel für die Antwort auf die Frage nach den Entstehungsverhältnissen des Kol an. Eine genaue Analyse der Epistolaria (= alle Angaben bezüglich der Umstände, die den Brief als solchen notwendig und sinnvoll machen) ergebe deutliche Hinweise auf eine nachpaulinische Verfasserschaft dieses Schreibens. Insbesondere die Angaben über Paulusmitarbeiter in ihren Beziehungen ließen eine beginnende Hierarchisierung erkennen, die es in den authentischen Paulusbriefen so noch nicht gebe. Die Situation ohne und nach Paulus bringe es mit sich, dass dessen Rolle und das Verhältnis der zurückbleibenden Mitarbeiter sowohl zu ihm als auch zu den zurückbleibenden paulinischen Gemeinden intensiv reflektiert und geklärt werden muss. Dies geschehe in den Epistolaria des Kol in einer differenzierten und sorgfältigen Weise.
Laut J. Murphy-O'Connor 2007, 416-426 handele es sich bei den Personen, die in Kol 4,10-14 und Phlm 23-24 grüßen - entgegen gängiger Annahme - nicht um gewöhnliche Begleiter des Paulus, sondern um Mitglieder einer Delegation, die mit Epaphras von Kolossä gekommen ist.
Zu den verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten des griechischen Begriffs "anepsios" siehe D. J. Clark 2014, 349-352.
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Beobachtungen: Nach der Erwähnung des Jesus, der Justus genannt wird, heißt es wörtlich übersetzt weiter: "...die aus der Beschneidung sind. Diese allein sind Mitarbeiter am Reich (des) Gottes; sie sind mir ein Trost geworden." Diese wörtliche Übersetzung lässt aber annehmen, dass Paulus bzw. der Verfasser des Kol außer den genannten Personen keine Mitarbeiter am Reich Gottes hat. Das wäre ein beklagenswerter Zustand, der dem ganzen V. 11 einen weinerlichen Charakter geben würde. Dass die wörtliche Übersetzung aber die eigentliche Aussageabsicht trifft, ist sehr unwahrscheinlich. In den paulinischen Briefen werden nämlich zahlreiche weitere Mitstreiter genannt (und zum Teil auch ausdrücklich als "Mitstreiter" bezeichnet) und auch der Kol zählt nach den genannten Personen weitere Grüßende auf. Sollten diese etwa keine Mitarbeiter am Reich Gottes sein? Angesichts dieser Ungereimtheiten legt sich eine andere Übersetzung nahe. Möglich wäre auch folgende: "...die aus der Beschneidung sind. Diese sind die einzigen Mitarbeiter am Reich (des) Gottes, die mir ein Trost geworden sind." Das könnte man so deuten, dass nur die genannten Personen Paulus bzw. dem Verfasser des Kol in der Gefangenschaft beistehen bzw. beigestanden haben. Diese Übersetzung und Deutung wirft aber die Frage auf, ob die nachfolgend genannten grüßenden Personen etwa Paulus bzw. dem Verfasser des Kol kein Trost geworden sind, ihm etwa nicht in der Gefangenschaft beistehen bzw. beigestanden haben. Dann wäre zu erwarten, dass diese Personen weniger positiv dargestellt werden, was aber nicht der Fall ist (vgl. V. 12-14). Aber welche Deutung bleibt dann? Festzuhalten bleibt zunächst einmal die Tatsache, dass mindestens die unmittelbar zuvor genannten beiden Personen Markus und Jesus, vermutlich auch Aristarch (und Barnabas, der aber nicht zu den Grüßenden gehört) "aus der Beschneidung" (= Judenchristen; die Beschneidung der Jungen am Glied gilt als Zeichen der Zugehörigkeit zum Volk der Juden; offen bleibt, ob die Judenchristen noch die Tora befolgen oder ob sie nur der Herkunft nach Juden sind) sind. Von dieser Tatsache ausgehend kann man so deuten, dass sie aus der Menge derer "aus der Beschneidung" die einzigen Mitarbeiter am Reich Gottes sind. Das würde einen geringen Anteil Judenchristen unter den Mitarbeitern des Paulus bzw. Verfassers des Kol annehmen lassen. Allerdings handelt es sich bei den genannten Personen nicht um die einzigen jüdischen Mitarbeiter, denn auch Aquila und Prisca/Priscilla sind Judenchristen (vgl. Apg 18,2). Kol 4,10-11 nennt also vermutlich nur diejenigen Mitarbeiter "aus der Beschneidung", die in der ganz konkreten gegenwärtigen Situation die einzigen Mitarbeiter am Reich Gottes sind. Aquila und Prisca/Priscilla dürften nicht dazugehören. Als weitere Deutung kommt infrage, dass Markus und Jesus und vermutlich auch Aristarch aus der Menge derer "aus der Beschneidung" die einzigen Mitarbeiter am Reich Gottes sind, die Paulus bzw. dem Verfasser des Kol ein Trost geworden sind. Dann wären die nachfolgend in V. 12-14 genannten grüßenden Personen nicht "aus der Beschneidung"; andernfalls würden sie auch bei dieser Deutung abqualifiziert.
Jesus, der Justus genannt wird, taucht nur in Kol 4,11 auf. Deshalb lässt sich zu ihm über die Informationen dieses Verses hinausgehend nichts sagen. Allerdings kann mit einer gewissen Verwunderung festgestellt werden, dass alle in Kol 4,10-14 genannten Personen, die grüßen, auch in Phlm 23-24 aufgezählt werden - mit Ausnahme von Jesus, der Justus genannt wird. Wie lässt sich dieser Sachverhalt erklären? Zunächst einmal ein Blick auf Phlm 23-24, wo es heißt: "Es grüßt dich Epaphras, mein Mitgefangener in Christus Jesus, [auch] Markus, Aristarch, Demas [und] Lukas, meine Mitarbeiter." Da in den antiken griechischen Handschriften Satzzeichen fehlten, kann "Christus Jesus" sowohl Jesus Christus bezeichnen, als auch "Christus, Jesus" gelesen werden. Letzteres ist jedoch nur möglich, wenn im griechischen Text ein "s" ergänzt wird. So heißt es im griechischen Urtext: "en Christô Iêsou", also "in Christus Jesus". Damit "in Christus, Jesus..." gelesen und Jesus als eine eigenständige Person gelesen werden kann, muss es "en Christô Iêsous" lauten. Die in Phlm 23-24 aufgezählten Namen stehen alle im Nominativ und auch eine Person namens "Jesus" müsste im Nominativ stehen. Der Dativ "Iêsou" kann nur zum Dativ "Christô" gehören. Liest man"en Christô Iêsous", dann lautet die Übersetzung von Phlm 23-24: "Es grüßt dich Epaphras, mein Mitgefangener in Christus, Jesus, [auch] Markus, Aristarch, Demas [und] Lukas, meine Mitarbeiter." Dass "en Christô Iêsous" zu "en Christô Iêsou" wurde, lässt sich damit erklären, dass Schreiber den Namen Jesus zu "Christus" zogen und davon ausgingen, dass Jesus Christus gemeint sei. Daher strichen sie das "s". Ebenfalls kommt als Erklärung für den Wegfall des Namens in Phlm 23-24 infrage, dass es ursprünglich "en Christô Iêsou Iêsous", also "in Christus Jesus, Jesus" hieß. Dann könnte die Erwähnung des Namens Jesus für eine fehlerhafte Doppelschreibung gehalten und daher gestrichen worden sein. So wäre aus "en Christô Iêsou Iêsous" verkürzt "en Christô Iêsou" geworden. Bei den beiden Erklärungsmöglichkeiten handelt es sich jedoch um Hypothesen, die sich nicht anhand von Varianten zu Phlm 23-24 belegen lassen.
In Apg 18,7 ist von einer Person namens Titius Justus die Rede. Bei dieser in Korinth wohnhaften Person handelt es sich jedoch um einen "Gottesfürchtigen", womit vermutlich eine Person gemeint ist, die mit dem jüdischen Glauben sympathisiert, ohne jedoch selbst Jude zu sein. Titius Justus ist also nicht "aus der Beschneidung" und kann folglich nicht mit dem Jesus, der Justus genannt wird, identifiziert werden.
Unklar ist, wie der "Trost" ("parêgoria") zu deuten ist. Handelt es sich um den Trost (im Sinne der Ermutigung), den der Verfasser des Kol im Gefängnis aufgrund des Beistandes seiner Mitarbeiter am Reich Gottes empfindet? Oder handelt es sich um den Trost, dass wenigstens ein kleiner Teil der Juden zu Mitarbeitern am Reich Gottes geworden ist, also im Dienste der christlichen Verkündigung steht?
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Epaphras ist einer von den Kolossern, was wohl auf seine Herkunft aus Kolossä, vielleicht seine dortige Geburt, verweist. Epaphras kann als Missionar im Lykostal gewirkt und Gemeinden gegründet und/oder aufgebaut haben; sicher lässt sich dies aus seiner Herkunft und seinen Grüßen allerdings nicht schließen. Dass Epaphras identisch mit dem Epaphras des Philemonbriefes ist, der dort (V. 23) als "Mitgefangener in Christus Jesus" bezeichnet wird und ebenfalls Grüße ausrichtet, ist möglich, aber nicht sicher. Sollte dies der Fall sein, dann wäre zu erwarten, dass er auch in Kol 4,12 als "Mitgefangener in Christus Jesus" bezeichnet wird oder Gefangenschaft mit Paulus bzw. dem Verfasser des Kol in anderen Worten ausgedrückt wird. Das ist aber nicht der Fall. So ist entweder Epaphras zur Zeit der Abfassung des Kol noch nicht oder nicht mehr im Gefängnis oder der Epaphras des Kol ist nicht mit dem des Phlm identisch. „Epaphras“ kann auch die Kurzform des Namens „Epaphroditus“ sein. Von einem Gesandten der Gemeinde in Philippi namens Epaphroditus ist in Phil 2,25-30 die Rede, doch gibt es keinen Hinweis darauf, dass es sich bei diesem Epaphroditus und dem in Kol 4,12 erwähnten Epaphras um dieselbe Person handelt.
Epaphras ist insofern „Knecht/Sklave Christi“ (oder: „Knecht/Sklave Christi Jesu“), weil er Jesus Christus als seinen „Herrn“ betrachtet, dem er sich bei seiner Taufe untergeben hat und dem er zu dienen verpflichtet ist. Der eigene Wille spielt damit keine Rolle mehr.
Fraglich ist, ob "Christi" oder "Christi Jesu" die ursprüngliche Lesart ist. Beide Lesarten sind gut bezeugt. Da es noch eine dritte, allerdings nur schwach bezeugte Lesart gibt, nämlich "Jesu Christi", ist daran zu denken, dass die Kurzform "Christus" auf zweierlei verschiedene Weise ergänzt worden ist.
Das Verb "agônizomai", das hier mit "kämpfen" übersetzt werden kann, hat gemeinhin auch die Bedeutung "wettkämpfen". So gebraucht es Paulus in 1 Kor 9,25 im Zusammenhang mit einem sportlichen Wettkampf, mit dem er den geistlichen Lebenswandel vergleicht. Der Gedanke des Wettkampfes könnte in Kol 4,12 der Grund für den Gebrauch des Verbes "agônizomai" sein: Es geht um Anstrengung und Disziplin und es gibt einen Preis zu gewinnen: die Vollkommenheit. Es wird für das Erlangen des Ziels Energie benötigt: beim sportlichen Wettkampf handelt es sich um körperliche Energie und Muskelkraft, beim religiösen bzw. missionarischen Kampf handelt es sich um geistliche Energie und die Kraft Gottes bzw. Christi. Nun erfolgt der Wettkampf aber nicht für Epaphras selbst, sondern für die Kolosser. Dass er so eifrig für die Kolosser betet, kann damit erklärt werden, dass diese ihm als Kolosser besonders nahe stehen. Das Gebet kommt ihnen zugute, aber auch Epaphras selbst, der sich damit im religiösen Wettkampf auszeichnen und auf einen Siegespreis hoffen kann. Im Gegensatz zu Paulus bzw. dem Verfasser des Kol (vgl. Kol 1,29) erscheint Epaphras aber in Kol 4,12 nicht als einer, der im Rahmen der Mission besonderen Mühen ausgesetzt ist. Er ist also bei der Mission nicht in vorderster Front tätig und muss somit wohl nicht besondere Leiden ertragen. Dazu passt, dass er nicht als "Mitgefangener in Christus Jesus" bezeichnet wird. Und wenn Epaphras zwar gefangen war, nun aber wieder frei ist, wäre durchaus ein Hinweis auf die vergangene Gefangenschaft und auf die Mühen zu erwarten.
Laut Kol 1,28 ist es das Ziel der Mahnungen und Lehre des Verfassers des Kol, jeden Menschen als einen in Christus vollkommenen hinzustellen. Das Gebet des Epaphras ist ebenfalls auf dieses Ziel ausgerichtet. Durch das Gebet sollen die Kolosser vollkommen (hin)gestellt werden. Auch wenn die Kolosser durch Glauben und entsprechenden Lebenswandel mit zur Vollkommenheit beitragen müssen, liegt die Vollkommenheit nicht allein in ihrem Tun begründet. Im Hinblick auf das Gebet sind sie passiv (die Verbform "stathête" in 3,12 ist ein Passiv!). Durch das Gebet geschieht etwas an ihnen, wobei anzunehmen ist, dass aufgrund des Gebetes Gott selbst wirkt. Das Ergebnis des Gebetes und des Wirkens Gottes ist, dass die Kolosser schließlich vollkommen dastehen. Dabei ist die Vollkommenheit eng mit dem Erfülltsein vom Willen Gottes verbunden. Eine Variante bietet statt des Passivs "stathête" ("ihr ... gestellt werdet") die aktive Form "stête" ("ihr...steht"). Bei ihr tritt das Handeln Gottes in den Hintergrund.
Das Verb "plêrophoreô" kann mit "erfüllen" oder "überzeugen" übersetzt werden, das passive Perfekt "peplêrophorêmenoi" dementsprechend mit "erfüllt" oder "überzeugt". Wer von einer Sache ganz erfüllt ist, ist von ihr überzeugt.
Weiterführende Literatur: L. E. Brown 2008, 29-41 macht im Hinblick auf Kol 2,2 und 4,12 deutlich, dass alle Gläubigen in der Rechtfertigung eine erste Zusicherung des Heils erführen; ein erweitertes Maß an Zusicherung des Heils käme allen Gläubigen infolge der Rettung zu.
Zur Bedeutung von "Sklave Christi" im NT siehe ausführlich M. J. Harris 1999, 139-156. Auf S. 177-179 geht er auf die enge Beziehung zwischen den beiden Begriffen "doulos" ("Sklave") und "diakonos" ("Diener") ein. Alle Sklaven seien Diener, aber nicht alle Diener Sklaven. "Diakonos" sei also der weiter gefasste Begriff. Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den beiden Begriffen sei, dass der Diener seinen Dienst im Rahmen eines ausgehandelten Vertrages versehe, wogegen sowohl die Arbeit als auch die Person des Sklaven jemand anderem gehöre. Der Begriff "Diakonos" weise also auf einen höheren Status hin.
Zur Wettkampfmetaphorik siehe B. Heininger 2009, 65-73.
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Beobachtungen: Das Substantiv "ponos", das "Mühe" bedeutet, ist ungewöhnlich und taucht im gesamten NT nur hier sowie in Offb 16,10-11 und 21,4 auf. Das seltene Vorkommen des Begriffs hat vermutlich zu den Varianten geführt, die angesichts der vergleichsweise schwachen Bezeugung allesamt sekundär sein dürften. Die von den Varianten gebotenen alternativen Begriffe weisen darauf hin, wie der Begriff "ponos" von den Schreibern verstanden wurde, welche Bedeutungsnuancen er enthält: "kopos" ("Arbeit/Mühe"), "agôn" ("Kampf", wobei der geistliche Kampf gemeint ist), "zêlos" ("Eifer") und das am stärksten abweichende "pothos" ("Sehnsucht/Verlangen").
Unklar ist, was die Mühe einschließt. Ganz sicher ist die Mühe im Gebet im Blick, das in V. 12 als (geistiger) Kampf verstanden wird. Ein ausschließlicher Bezug auf die Mühen im Gebet würde jedoch die Rede von der großen Mühe wie eine Wiederholung erscheinen lassen. Insofern ist auch denkbar, dass weitere Mühen der missionarischen Arbeit, die ja oftmals gegen den Widerstand eines mehr oder weniger feindlichen Umfeldes erfolgte, gemeint sind.
Dass V. 13 nicht einfach nur V. 12 wiederholt, lässt sich daran erkennen, dass sorgfältig aufgezählt wird, für wen die Mühen erbracht werden: für "euch", also die Kolosser, die gemäß 1,1 die Adressaten des Briefes sind, für "die in Laodizea" und für "die in Hierapolis". Es ist anzunehmen, dass "die in Hierapolis" nicht alle Einwohner von Laodizea und "die in Hierapolis" nicht alle Einwohner von Hierapolis sind, sondern nur die Christen von Laodizea bzw. Hierapolis. Die Adressaten sind ja auch nicht alle Einwohner von Kolossä, sondern nur die Christen der Stadt. Das Gebet setzt somit den Glauben der Empfänger voraus und soll deren Glaubenswachstum hin zur Vollkommenheit im Glauben an Christus dienen.
In 2,1 spricht Paulus bzw. der Verfasser des Kol davon, welch schweren Kampf er für die Adressaten und für die in Laodizea und für alle führe, die ihn nicht persönlich kennen gelernt haben. In 2,1 wird Hierapolis nicht erwähnt, in 4,13 dagegen schon. Die Erwähnung in 4,13 lässt sich am ehesten so erklären, dass Epaphras, der einer von den Kolossern ist, auch eine besondere Beziehung zu den Christen in Laodizea und Hierapolis hat. Alle drei Städte lagen (heute sind von ihnen bestenfalls noch Ruinen vorhanden) dicht beieinander und bildeten ein Dreieck in der agrarisch geprägten Region des Lycus/Lykos-Tales. Dass Epaphras eine besondere Beziehung zu den Hierapolitanern hat, bedeutet noch lange nicht, dass der Brief auch an sie gerichtet sein muss oder auch ihnen vorgelesen werden muss. Adressaten sind gemäß 1,2 nur die Christen in Kolossä. Und 4,17 spricht nur davon, dass er den Laodizeern vorgelesen werden soll, die Hierapolitaner werden nicht erwähnt.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Wie in V. 10 findet sich auch in V. 14 die Verbform "aspazetai", die ein Singular und strenggenommen mit "es grüßt euch" zu übersetzen ist. Hier bezieht sich der Singular auf Lukas, wobei aber gemeint ist: Es grüßt euch Lukas, [...], und es grüßt euch auch Demas.
Es fällt auf, dass Lukas als "geliebt" bezeichnet wird und darüber hinaus auch sein Beruf genannt wird. Bei der Liebe ist ebenso wie bei Epaphras (1,7), Tychikus (4,7) und Onesimus (4,9) die christliche Liebe von Glaubensgenossen untereinander gemeint. Romantische, erotische oder sexuelle Liebe kommen nicht in den Blick. Wie bei den anderen drei genannten Personen sagt aber "geliebt" nicht nur das gemeinsame, von christlicher Nächstenliebe geprägte Glaubensband aus, sondern auch eine ganz besondere Beziehung zueinander, sei es durch gemeinsame missionarische Arbeit, gegenseitige Fürsorge oder Hilfe in der Not. Darauf weist die Tatsache hin, dass Demas nicht als "geliebt" bezeichnet und darüber hinaus auch nicht weiter charakterisiert wird. Während Demas wohl ein Christ ist, mit dem der Verfasser des Kol aber über den Glauben hinaus nicht enger verbunden zu sein scheint, handelt es sich bei Lukas um einen Arzt. Dass der Beruf des Lukas genannt wird, ist wohl nicht in erster Linie damit zu erklären, dass der Verfasser des Kol all sein Wissen über Lukas kundtun will. Leicht hätte er wohl auch den Beruf des Demas erfragen können. Vielmehr scheint Lukas gerade als Arzt im Leben des Verfassers des Kol eine besondere Bedeutung bekommen zu haben, vielleicht weil er ihn oder einen Mitarbeiter (oder mehrere) von einer Krankheit geheilt oder ihm Wunden verbunden hat. Möglicherweise ist Paulus auch in seiner Bildsprache - z. B. dass die Kirche der "Leib Christi" und die Christen dessen "Glieder" seien - von Lukas inspiriert worden. Man kann die Nennung der Berufsbezeichnung aber auch ganz einfach damit erklären, dass die Berufsbezeichnung nur der Unterscheidung von anderen Personen namens Lukas dient, wobei gegen eine solch einfache Begründung die besondere Bindung spricht, die mit der Bezeichnung des Lukas als "geliebt" ausgedrückt wird.
Sowohl Lukas als auch Demas tauchen auch in der Liste der Grüßenden Phlm 23-24 auf, wobei dort die Berufsbezeichnung des Lukas fehlt. Es ist gut möglich, aber nicht sicher, dass die in Phlm 23-24 erwähnten Personen namens Lukas und Demas, die dort beide von Paulus als "meine Mitarbeiter" bezeichnet werden, mit den in Kol 4,14 genannten Personen gleichen Namens identisch sind. Im Falle der Identität stellt sich bezüglich Lukas die Frage, warum mal die Berufsbezeichnung genannt wird und mal nicht. Kannte Paulus im Gegensatz zum Verfasser des Kol den Beruf des Lukas nicht? Oder kannte auch der Verfasser des Kol den Beruf des Kol nicht, hat ihn aber als aussagekräftige Ausschmückung beigefügt, möglicherweise von einer mündlichen oder schriftlichen Tradition übernommen? Oder kannte auch Paulus den Beruf des Lukas, zumal ja Paulus selbst der Verfasser des Kol sein kann, hat die Nennung des Berufes aber im Phlm für überflüssig erachtet? Möglich ist auch, dass "iatros" hier nicht "Arzt", sondern "Helfer" oder "Retter" bedeutet. Dann wäre Lukas dem Paulus bzw. Verfasser des Kol in der Not ein Helfer oder Retter (gewesen). Dass Lukas der Verfasser des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte ist, wie eine im 2. Jh. n. Chr. aufgekommene Tradition besagt, lässt sich V. 14 nicht entnehmen.
Lukas und Demas tauchen auch in 2 Tim 4,10-11 auf. Dort erscheint Lukas als einziger Getreuer, der bei Paulus verweilt, von Demas dagegen heißt es, dass er Paulus aus Liebe zu dieser Welt verlassen habe. Dass Lukas wegen dieses Sachverhaltes in Kol 4,14 als "geliebt" bezeichnet wird, Demas dagegen nicht, ist unwahrscheinlich. Der Kolosserbrief und der Zweite Timotheusbrief dürften von zwei verschiedenen Verfassern stammen, auch wenn sie beide Paulus als Verfasser ausgeben; zudem scheint in Kol 4,14 vorausgesetzt zu sein, dass sich Demas (noch) im Umfeld des Paulus bzw. Verfassers des Kol befindet. Der 2 Tim scheint in einer anderen Lage geschrieben zu sein als der Kol. Deshalb können weder die Inhalte noch die Personen der beiden Briefe ohne Weiteres miteinander harmonisiert werden.
Weiterführende Literatur: N. Frank 2009, 336-355 mit einer umfassenden Übersicht über die vielfältigen Bezüge zwischen Kol und den authentischen Paulusbriefen. Bei der Abfassung des mutmaßlich ersten pseudopaulinischen Schreibens sei angesichts dieser vielfältigen Bezüge von einer zumindest partiellen (und im Falle des Phlm unumstrittenen) Kenntnis aller uns heute erhaltenen authentischen Paulusbriefe auszugehen. Die Bildung einer Paulusbrief-Sammlung sei angesichts dieses Befundes - anders als meist angenommen - wohl nicht erst in nachpaulinischer Zeit erfolgt, sondern in Anfängen bereits durch Paulus. Auf S. 22-26.63-74 zu Kol 4,10-14: Hier würden zusätzliche Informationen gegeben, die die ursprüngliche Namensliste von Phlm 23-24 durch personenbezogene Angaben konkretisieren. So werde aus Lukas der Arzt Lukas, aus Aristarch werde der Mitgefangene Aristarch, aus Markus werde Markus, der Vetter des Barnabas, und Epaphras werde nicht nur als Angehöriger der Adressatengemeinde ausgewiesen, sondern auch ausführlich in seinem Tätigkeitsprofil für die Gemeinde charakterisiert. Der einzige Name, der nicht Phlm 23-24 entspricht, sei Jesus Justus, was insofern bemerkenswert sei, als diesem (gemeinsam mit Aristarch und Markus) die Hervorhebung des Mitarbeiters des Reiches Gottes und Trostspender des Paulus zukomme.
Literaturübersicht
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Clark, David J.; A Small Translation Mystery, BiTr 65/3 (2014), 349-352
Brown, L. E.; Full Assurance, Journal of the Grace Evangelical Society 21/41 (2008), 29-41
Frank, Nicole; Der Kolosserbrief im Kontext des paulinischen Erbes. Eine intertextuelle Studie zur Auslegung und Fortschreibung der Paulustradition (WUNT II/271), Tübingen 2009
Harris, Murray J.; Slave of Christ: A New Testament Metaphor for Total Devotion to Christ (NSBT 8), Downers Grove, Illinois 1999
Heininger, Bernhard; Soziale und politische Metaphorik im Kolosserbrief, in: P. Müller [Hrsg.], Kolosser-Studien (BThSt 103), Neukirchen-Vluyn 2009, 55-82
Murphy-O'Connor, Jerome; The Greeters in Col 4:10-14 and Phlm 23-24, RB 114/3 (2007), 416-426
Röhser, Günter; Der Schluss als Schlüssel. Zu den Epistolaria des Kolosserbriefes, in: P. Müller [Hrsg.], Kolosser-Studien (BThSt 103), Neukirchen-Vluyn 2009, 129-150