Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Epheserbrief

Der Brief des Paulus an die Epheser

Eph 1,13-14

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Eph 1,13-14



Übersetzung


Eph 1,13-14 :13 In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, das Evangelium eurer Rettung, in ihm seid auch [ihr], die ihr zum Glauben gekommen seid, versiegelt worden mit dem Geist der Verheißung, dem heiligen, 14 der ein Angeld unseres Erbes ist, zur Erlösung des Eigentums, zum Lob seiner Herrlichkeit.



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V. 13


Beobachtungen: Der Wechsel vom "wir" zum "ihr" macht deutlich, dass nun ausschließlich die Adressaten des Eph angesprochen sind. Der Verfasser des Eph und die Christen, die nicht zu den Adressaten gehören, sind nun eindeutig nicht mehr eingeschlossen. Hat man daraus zu schließen, dass die Wir-Gruppe und die Ihr-Gruppe zwei ganz verschiedene Gruppen ohne Schnittmenge sind? Die Wir-Gruppe könnte nicht die Adressaten, sondern nur den Verfasser des Eph und Judenchristen (die Adressaten sind gemäß Eph 2,11; 3,1; 4,17 Heidenchristen) oder nur den Verfasser des Eph und seine Mitarbeiter der Mission umfassen. Das ist eher unwahrscheinlich, weil aus dem Vorhergehenden nicht hervorgeht, dass der Verfasser des Eph seine Aussagen nicht auf die Adressaten bezieht. Seine Aussagen betreffen durchaus die Adressaten und können auch auf alle Christen bezogen werden. Insofern ist anzunehmen, dass die vorhergehenden Verse auch, die Verse 13-14 dagegen ausschließlich auf die Adressaten zu beziehen sind. Die direkte Anrede der Adressaten lässt sich damit erklären, weil es nun um die Bedeutung des Evangeliums für seine Hörer geht. Der Verfasser des Eph - vorgeblich Paulus - zählt zu den Missionaren, die Aussagen betreffen dagegen die von den Missionaren zu Christus Bekehrten. Folglich kann er nicht mehr mit "wir" fortfahren, sondern wechselt zum "ihr".


Wie schon in V. 7 und 11 findet sich auch in V. 13 die Formulierung "en hô", die mit "in ihm" oder "durch ihn" übersetzt werden kann und darauf hinweist, dass im Folgenden von einer (neuen) Segnung gesprochen wird. Für die Übersetzung mit "in ihm" spricht, dass in V. 7 recht eindeutig die Formulierung "en hô" nicht mit "durch ihn", sondern mit "in ihm" zu übersetzen ist. V. 11 und V. 13 können als Parallelen verstanden werden. Somit ist erneut ausgesagt, dass etwas "in Christus" geschehen ist, nicht aber "durch Christus". "In Christus" besagt, dass etwas im Macht- und Wirkungsbereich geschehen ist, es also um ein Heilsgeschehen geht. Dass mit "ihm" nicht Gott, sondern Christus gemeint sein dürfte, geht ebenfalls aus V. 7 hervor.


Ist in V. 13 von einer oder von zwei Segnungen die Rede? Für zwei Segnungen spricht zunächst, dass es zweimal "en hô", also "in ihm", heißt. Sucht man aber nach zwei Segnungen, wird es schwierig. Die zweite Segnung ist klar, sie lautet: Ihr seid versiegelt worden, mit dem Geist der Verheißung, dem heiligen. Aber was ist die erste Segnung? Es findet sich das Partizip "akousantes", ein Aorist, der mit "die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt" (oder ähnlich) zu übersetzen ist. Es handelt sich um einen Aorist, der Vorzeitigkeit anzeigt. Er sagt also nicht eine bestimmte Segnung aus, sondern etwas, was der Segnung vorausgegangen ist und sozusagen ihre Voraussetzung darstellt. Was aber ist die Segnung? Bleibt noch die Möglichkeit, dass "In ihm seid auch ihr" die Segnung ist. Sollte das der Fall sein, dann würde das besagen, dass die Adressaten das Wort der Wahrheit gehört haben und nun mit ihrer ganzen Existenz "in Christus" sind. Dies ergibt durchaus Sinn, allerdings verwundert, dass bezüglich der ersten Segnung noch etwas Entscheidendes fehlt: die Hinwendung zum christlichen Glauben. Diese kommt erst im Hinblick auf die zweite Segnung zur Sprache, wo das Partizip Aorist "pisteusantes", das mit "die ihr zum Glauben gekommen seid" (oder ähnlich) zu übersetzen ist, auf ein der Versiegelung vorausgehendes Geschehen hinweist. Die Annahme des christlichen Glaubens kann in einem dermaßen engen Zusammenhang mit der Versiegelung gesehen werden, dass man Zeitgleichheit annehmen kann: Die Adressaten sind zum christlichen Glauben gekommen und damit mit dem Geist der Verheißung, dem heiligen, versiegelt worden. Nimmt man nun das Hören des Wortes der Wahrheit hinzu, so ergibt sich eine völlig logische Ereigniskette: Die Adressaten haben das Wort der Wahrheit gehört, sind zum christlichen Glauben gekommen und danach oder zeitgleich mit dem Geist der Verheißung, dem heiligen, versiegelt worden. Erst nach der Annahme des christlichen Glaubens und/oder der Versiegelung mit dem Geist der Verheißung, dem heiligen, kann von der Existenz der Adressaten "in Christus" gesprochen werden, nicht vorher. Dies lässt annehmen, dass das zweimalige "en hô" nicht auf zwei verschiedene Segnungen hinweist, sondern nur auf eine einzige, nämlich die Versiegelung mit dem Geist der Verheißung, dem heiligen. Das zweimalige "en hô" dürfte also als eine Wiederholung zu verstehen sein, die zum einen der Gliederung wichtiger Aspekte, zum anderen der Betonung des "in Christus" dient, in der die Segnung geschehen ist.


Der erste wichtige Aspekt ist das Hören des Wortes der Wahrheit. Bei dem "Wort" handelt es sich nicht um ein einzelnes Wort, sondern um das gesprochene oder geschriebene Wort, also um Rede oder um einen geschriebenen Text (insbesondere Brief). Gemeint ist die Verkündigung des Evangeliums, die in mündlichen oder schriftlichen Worten erfolgt.

Das Evangelium ist "Wahrheit", also keine von Menschen ersonnene philosophische Theorie oder Weltanschauung, die man diskutieren könnte, und auch kein Gerücht. Möglich ist, dass auch die Bedeutung der Formulierung in Gal 2,5 mitschwingt: die Befreiung von der Verpflichtung zur Beschneidung und zum Halten der Satzungen und Gebote, die daraus resultiert, dass das mit Jesus Christus verbundene Heilsgeschehen gleichermaßen Heiden und Christen betrifft.

Das Evangelium wird noch genauer bestimmt, und zwar als "Evangelium eurer Rettung". Das Evangelium hat dabei die Rettung nicht nur zum Inhalt, sondern es führt zur Rettung und kann auch selbst als Rettung verstanden werden. Statt mit "Rettung" kann der Begriff "sôtêria" auch mit "Heil" übersetzt werden. Dem Heil steht das Verderben gegenüber, aus dem es sich zu retten gilt. Was damit gemeint ist, wird hier zwar nicht weiter ausgeführt, ist aber schon in V. 7 angesprochen worden. Dort war von der "Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Verfehlungen" die Rede. Das Heil steht also mit Erlösung und Sündenvergebung, das Verderben dagegen mit einer Existenz in Sünde und mit vergeltender Strafe im Zusammenhang.


Wie ist die Versiegelung zu verstehen? Zunächst einmal ist grundsätzlich festzustellen, dass sie untrennbar mit dem christlichen Glauben und dem damit verbundenen Heil zusammenhängt. Dann ist auch klar ausgesagt, womit (oder: wodurch) die Adressaten versiegelt worden sind: mit dem (oder: durch den) Geist der Verheißung, dem heiligen. Dieser kann entweder das Instrument sein, mit dem die Versiegelung erfolgt, oder - was wahrscheinlicher ist - das verschließende Siegel selbst. Es fällt auf, dass nicht schlicht vom "heiligen Geist" die Rede ist, sondern vom "Geist der Verheißung, dem heiligen". Der Geist wird also an erster Stelle mit der Verheißung in Verbindung gebracht, an zweiter Stelle mit der Heiligkeit. Die Verheißung in Verbindung mit dem heiligen Geist kann auf zweierlei Weise verstanden werden: Zum einen ist der heilige Geist verheißen und die Verheißung wird nun erfüllt (vgl. Apg 2,17; Gal 3,14; Lk 24,49). "Geist der Verheißung" wäre demnach ein Semitismus und im Sinne von "verheißener Geist" zu verstehen. Zum anderen kann aber die Verheißung auch darauf hinweisen, dass die vollständige Erfüllung der Segnungen am Ende der Tage verheißen ist (vgl. Eph 3,6).

Ein Siegel beweist sichtbar die Echtheit (z. B. einer Urkunde). Die Adressaten werden jedoch nicht selbst als „Siegel“ bezeichnet, sondern sie sind versiegelt worden. Sie sind also wie ein Brief mit einem Siegel versehen worden, das einerseits der Beglaubigung der Echtheit dient, andererseits jedoch auch verschließt und verhindert, dass der Brief von einer unerwünschten Person geöffnet und gelesen wird. Der Brief bleibt so lange verschlossen, bis er bei dem Empfänger angelangt ist und dieser ihn öffnet. Das Siegel beglaubigt also die Bestimmung auf Christus hin und sichert sie bis zur endgültigen Vollendung des Heils am Ende der Tage ab.

Ob die Versiegelung in Verbindung mit einem Ritual wie der Taufe oder der Salbung zu sehen ist, geht aus V. 13 nicht hervor.


Es fällt auf, dass in Eph 1,3-14 allen drei Personen der Trinität Vater - Sohn - heiliger Geist ein eigener Abschnitt gewidmet wird: Gott Vater ist in V. 3-6 Thema, Christus, Gottes Sohn, in V. 7-12 und der heilige Geist in V. 13-14.


Weiterführende Literatur: Eine Diskursanalyse von Eph 1,3-14 bietet J. P. Louw 1999, 308-315. Es geht um die Frage, wie der Abschnitt als Ganzes zu lesen und zu verstehen ist.


Eine literarische und theologische Analyse von Eph 1,3-14 bietet G. De Virgilio 2017, 121-140. Er nimmt Christi Vorrangstellung in den Blick und geht auf fünf theologische Gesichtspunkte ein, die sich aus dem Lobpreis ergeben: a) die Vorherbestimmung und Adoptivkindschaft; b) die Erlösung und die Sündenvergebung; c) das „Geheimnis“ und das Erbe der Gläubigen; d) das Evangelium und das universale Heil; e) das verwandelnde Handeln des heiligen Geistes.


Wie die Analyse der Texte Eph 1,3-14; 1,21; 2,1-10; 4,22-24; 4,30; 6,13 zeige, werde gemäß T. Witulski 2005, 211-242 die vom Verfasser des Eph vertretene eschatologische Konzeption durch zwei zentrale Aspekte charakterisiert: (1) Im Unterschied zu Paulus sei für den Verfasser des Eph dieses eschatologische Heil den Christen in ihrer Vergangenheit bzw. ihrer Gegenwart vollständig zuteil geworden. (2) Das endzeitliche Heil sei zwar eine objektive, aber noch keine offenbare Wirklichkeit, was für die Christen bedeute, dass dieses Heil in ihrer Gegenwart ihrer Verfügungsgewalt entzogen bleibe und sie es immer noch verlieren können. Erst mit dem Zeitpunkt der Parusie Christi werde dieses Heil zu einer offenbaren, nicht mehr verlierbaren Realität. Das aber heiße, dass die präsentische Eschatologie des Verfassers des Eph unter einem zeitlichen Vorbehalt steht, der in der ethischen Forderung konkrete Gestalt gewinnt: Um das eschatologische Heil als unverlierbaren Besitz zu erlangen, müsse der Christ sich in der Gegenwart im Rahmen eines Entwicklungsprozesses ethisch bewähren.


B. de Klerk 2002, 1-18 erarbeitet über die Struktur und Inhalte des Lobpreises 1,3-14 grundlegende theoretische Elemente des Lobpreises.


Laut H. Lona 1984, 419-422 bildeten die drei Verben in V. 13 eine deutliche Steigerung in einer Reihenfolge, die auf die christliche Initiation hinzuweisen scheine. Es gehe zunächst um das Hören auf das Wort der Wahrheit, das als Evangelium des Heils bezeichnet werde. Dem Hören folge das Glauben an das Evangelium, als Ausdruck der Annahme, und die Gläubigen würden mit dem verheißenen heiligen Geist versiegelt. Diese Reihenfolge sei traditionell.


G. Baldanza 2014, 231-252 vertritt die These, dass der trinitarische Ablauf, wie er sich in Eph 1,3-14 finde, den gesamten Eph durchziehe und auch in den zentralen argumentativen Passagen 2,14-18; 3,14-19; 4,4-6 und 5,18-20 auftauche. 1,3-14 komme auf die Handlung Gottes, des Vaters, auf die Handlung des Sohnes Jesus Christus und auf die Handlung des heiligen Geistes zu sprechen. In Gott habe der Heilsplan seinen Ursprung, mittels der durch Jesus Christus bewirkten Erlösung verwirkliche er sich und in Jesus Christus werde der heilige Geist gegeben, und zwar als Angeld des verheißenen Erbes, der endgültigen Erlösung. Der trinitarische Ablauf ziele auf die Förderung und auf den Erhalt der kirchlichen Gemeinschaft ab, auf die Überwindung jeglicher Spannung oder Spaltung.


E. Best 1992, 53-69 befasst sich mit dem dogmatischen und liturgischen Material im Eph unter den Fragestellungen, wie der Verfasser des Eph es aufgegriffen und bearbeitet hat und welches die Gründe dafür sind. Auf S. 56-58 geht er auf 1,3-14 ein und untersucht, ob und inwieweit diesem von liturgischer Sprache geprägten Abschnitt eine hymnische Vorlage zugrunde liegt.


J. H. Barkhuizen 1990, 390-413 analysiert die formalen Charakteristika und die Struktur der Passage Eph 1,3-14. Es sei wohl nicht zu bezweifeln, dass es sich um eine bewusst stilisierte Passage handelt. Sie folge der hymnischen Gattung des Lobpreises (Eulogie). Gott werde umfangreich und ausgedehnt für seine Segnungen in Jesus Christus gepriesen. So bereite der Verfasser des Eph die Leser treffend auf die Hauptthemen des Briefes vor.


Die Gliederung des Abschnittes Eph 1,3-14 stellt die Exegeten vor Probleme. Daher gibt es verschiedene Vorschläge bezüglich der Gliederung, die L. Ramaroson 1981, 93-103 vorstellt. L. Ramaroson kommt selbst zu dem Ergebnis, dass 1,3-14 ein Hymnus zugrunde liege, der ursprünglich von einfacher Machart gewesen sei. Es habe sich um einen Lobpreis gehandelt, der Gott für seinen auf dem kosmischen Heilsplan gegründeten Heilsplan den Christen gegenüber, und zwar ohne Unterschied den Heidenchristen und Judenchristen gegenüber, gepriesen habe. Aber der Endredakteur (oder jemand vor diesem) habe die V. 6b-9a eingefügt, um speziell das Thema von Kol 1,13b-14 ins Licht zu setzen. So sei die heutige Verwirrung im Hinblick auf die Gliederung des Lobpreises Eph 1,3-14 entstanden.


C. J. Robbins 1986, 677-687 geht der Frage der Gliederung von Eph 1,3-14 unter zwei Gesichtspunkten antiker Rhetorik nach: a) Quintilians und Ciceros Grundsatz, wonach ein Unterabschnitt eines Kettensatzes nur so lang sein könne, wie er sich in einem Atemzug sprechen lässt; b) Aristoteles' Grundsatz, dass der Unterabschnitt eine in sich schlüssige und abgeschlossene Einheit darstellen müsse.


P. Grelot 1989, 193-209 vertritt folgende These: V. 3a stelle einen Refrain dar, der nach jeder der sechs "Strophen" (vor V. 5, V. 7, V. 9, V. 11 und anstelle von V. 13a-b) aufgenommen werde und jeweils die folgende "Strophe" einleite. Diese knüpfe logisch an einen der beiden Begriffe "Gott" und "Christus" an.


Nach dem "wir" der V. 3-12 werden in den V. 13-14 mit "ihr" unvermittelt die Adressaten angesprochen. S. Schneider 2012, 167-195 fragt: Wie ist dieser Wechsel zu verstehen? Anders gefragt: Wen bezeichnet der Verfasser mit den "wir" und wen mit den "ihr"? Laut S. Schneider seien die V. 11-14 als gleichberechtigter Teil des Lobpreises anzusehen. Somit sei der Ausweg, den problematischen Wechsel durch den vermeintlichen Anhangscharakter der V. 12-14 zu einer vernachlässigbaren Nebensache zu erklären, verwehrt. Andererseits zeige die Gattungsbestimmung Briefeingangseulogie, dass das "ihr" kaum jemand anderes als die Adressaten meinen kann. Bei der Frage gehe es daher eigentlich nur noch darum, wen das "wir" der V. 3-12 bezeichnet. Da man davon ausgehen könne, dass die mit dem "ihr" angesprochenen Adressaten Heidenchristen waren, vertrete eine nicht geringe Anzahl Autoren die Auffassung, in den V. 11-12 bezeichne das "wir" Judenchristen. Dem werde indes zu Recht entgegengehalten, dass bei einer derart gewichtigen Einschränkung des Personenkreises von V. 3b-10 zu V. 11-12 ein Hinweis auf diese zu erwarten wäre. Folglich sei davon auszugehen, dass es sich bei den "wir" der V. 3b-10 und V. 11-12 um dieselbe Gruppe handelt. Stets werde angenommen, dass es sich bei den "wir" der V. 3b-10 um alle Christen handele. Das lege nahe, dies auch im Hinblick auf die V. 11-12 anzunehmen. Das aber mache es schwierig, den Wechsel zum "ihr" in V. 13 zu erklären. Daher sei wahrscheinlicher, dass das "wir" der V. 3-12 nur die Judenchristen meint.


E. Woodcock 1998, 139-163 geht der Frage nach, was es bedeutet, mit dem heiligen Geist versiegelt zu sein. E. Woodcock weist darauf hin, dass selbst das kleinste Siegel sehr große Gegenstände prägen könne. Selbst bei häufigem Gebrauch bleibe es unverändert. Dem Versiegeln kämen folgende Funktionen zu: a) Schreiben und Gegenstände werden vor dem unerwünschten Einblick und Zugriff nicht autorisierter Menschen geschützt. b) Autorität wird übertragen: königliche Autorität geht auf die Person über, die das königliche Siegel besitzt. Wichtige Dokumente werden mittels des Siegels beglaubigt. c) Kennzeichnung von Eigentum; damit zusammenhängend auch Schutz. Im Anschluss an die Darlegung der verschiedenen Funktionen des Versiegelns befasst sich E. Woodcock mit der Bedeutung des Begriffs „arrabôn“ und geht auf die Schlüsseltexte (2 Kor 1,21-22; 2 Kor 5,5; Eph 1,13-14) ein, in denen vom Versiegeln in Bezug auf den heiligen Geist die Rede ist. Das Siegel des heiligen Geistes beurkunde Gottes Eigentum und Schutz seines Volkes. Die Einwohnung des heiligen Geistes erfolge mit der Annahme des rettenden Glaubens. Als Ergebnis dieses Geschehens, das von Gott veranlasst sei, auf Christi Erlösungswerk gründe und vom heiligen Geist durchgeführt werde, werde das Heil der Gläubigen sichergestellt.


G. Sellin 1992, 85-107 befasst sich ungewöhnlichen Genitiven im Epheserbrief. Der extensive Gebrauch von adnominalen Genitivkonstruktionen gelte schon seit langem als markante Stileigentümlichkeit des Eph. Ganz allgemein lasse sich dieses Phänomen der urchristlichen Sprache durch den Einfluss der semitischen Syntax erklären. Diese Erklärung könne jedoch nicht bei allen Genitivbildungen befriedigen, gerade nicht bei den kompliziertesten und merkwürdigsten. Diese stellt G. Sellin vor und untersucht die Eigenheiten. In 1,13 sei der normale Sprachgebrauch, der genitivus obiectivus epangelia tou pneumatos (Verheißung des Geistes), vom Verfasser zu einem spezifizierenden genitivus qualitatis umgekehrt worden: pneuma tês epangelias (Geist der Verheißung). Allerdings sei der Verfasser hierin nicht originell. Vorbilder fänden sich in der pseudepigraphischen hellenistisch-jüdischen Literatur.


A. Valentini 2004, 345-359 legt in seiner Auslegung von Röm 8,28-30 und Eph 1,3-14 dar, dass der göttliche Plan hinsichtlich aller Gläubigen seine volle Bedeutung und endgültige Erfüllung in der Person Maria, der Mutter Jesu, erlange. A. Valentini schenkt der einzigartigen Beziehung zwischen Maria und der Kirche besonderes Augenmerk.


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V. 14


Beobachtungen: Mit der Versiegelung ist dem Verfasser des Eph und den Adressaten (und vermutlich auch den anderen Christen) - der Verfasser schwenkt wieder vom "ihr/euch" zum "wir/uns" zurück - noch nicht das Heil in seiner ganzen Fülle zuteil geworden, sondern erst ein Angeld des Erbes (= Heils). Diese Vorläufigkeit macht ebenso wie der Begriff "epangelia" ("Verheißung"; V. 13) der Begriff „arrabôn“ („Angeld“) deutlich. Er stammt aus der Rechts- und Geschäftssprache und meint eine Anzahlung, mit der ein Teil der Gesamtsumme vorweggenommen und ein Rechtsanspruch bestätigt wird. Als Angeld ist den Christen der heilige Geist gegeben. Als Siegel versichert dieser, dass schließlich auch wirklich die ganze Fülle des Heils dem Verfasser des Eph und den Adressaten (und vermutlich auch den anderen Christen) zuteil wird.


Dem Begriff "Erbe" liegt wohl die atl. Vorstellung zugrunde, dass den verschiedenen Stämmen des Gottesvolkes Israel ein Anteil am gelobten Land (Israel) zustehe. Bei der Landnahme wurde dementsprechend der jeweilige Anteil am Land zugeteilt. Im Eph findet sich eine spiritualisierte Form dieser Vorstellung: Die Christen als (neues) Gottesvolk erhalten keinen Anteil am irdischen gelobten Land, sondern am Reich Gottes, am Heil.


Eine stark bezeugte Textvariante bietet zu Beginn des V. 14 statt des neutralen Relativpronomens "ho" das maskuline "hos". Das neutrale Relativpronomen bezieht sich ganz offensichtlich auf das Neutrum "pneuma" in V. 13. Aber wie ist das maskuline Relativpronomen zu erklären? Ist etwa der Geist (pneuma) als eine Person gedacht? Das ist möglich, aber wahrscheinlicher ist ein Bezug auf das maskuline "arrabôn" ("Angeld").


Das Substantiv "peripoiêsis" bedeutet "Besitz" oder "Eigentum", doch ist unklar, um wessen Besitz/Eigentum es sich handelt, der bzw. das erlöst wird. Zwei Möglichkeiten kommen infrage: Entweder handelt es sich um das "Erbe", das als Besitz/Eigentum der Christen erlöst wird, oder es handelt sich um die Christen selbst, die als "Söhne" Gottes (vgl. 1,5) dessen Besitz/Eigentum sind und erlöst werden. Der Begriff "apolytrôsis" ("Erlösung") taucht auch in 1,7 auf, wo von der Erlösung der Christen durch das Blut Christi die Rede ist. Von diesem Vers her gesehen ist die zweite Deutungsmöglichkeit vorzuziehen, allerdings ist durchaus möglich, dass die Unklarheit der Deutung beabsichtigt und beide Möglichkeiten im Blick sind. "Erlösung" kann als ein - möglicherweise durch Kauf bzw. Loskauf erfolgter - Übertritt des Besitzes/Eigentums vom gegenwärtigen Zustand zum Zustand der eigentlichen Bestimmung angesehen werden. Bezüglich der Menschen bedeutet die "Erlösung" den Übertritt vom sündigen Zustand und der Vergeltung für die Sünden zum tadellosen, reinen Zustand und der Vergebung der Verfehlungen. Bezüglich des Erbes/Heils bedeutet die "Erlösung" den Übertritt von der Menschenferne hin zur Bestimmung für den Menschen.


Der Begriff "doxa" kann mit "Ehre", "Ruhm", "Glanz" oder "Herrlichkeit" übersetzt werden. Gott wird also ebenso mit Ehre, Ruhm, Glanz und Herrlichkeit verbunden wie seine Gnade, der ebenfalls Lob gebührt (vgl. V. 6). Gott erscheint also als gnadenvoll und deshalb als herrlich und zu loben.

Jeder der einer der drei trinitarischen Personen Vater - Sohn - heiliger Geist gewidmete Abschnitt wird von einer Aufforderung zum Lob von Gottes Herrlichkeit (V. 12.14) bzw. der Herrlichkeit von Gottes Gnade (V. 6) abgeschlossen. Die Aufforderung zum Lob stellt also in gewisser Weise die Klammer um die Aussagen zu Gottes Heilsplan und zu dessen Verwirklichung durch Gott mittels Jesus Christus und dem heiligen Geist dar.


Weiterführende Literatur: Angesichts der Verschiedenheit der Übersetzungen des griechischen Substantivs „arrabôn“ vermutet A. J. Kerr 1988, 92-97, dass einige Ausleger das Wort missverstanden haben. Daher untersucht er, welche Bedeutung das Wort andernorts im NT hat. Gewöhnlich sei „Pfand“ im Sinne eines Gegenstandes, der als Absicherung der Einhaltung eines Versprechens übergeben wird, nicht die korrekte Übersetzung. Ein „arrabôn“ sei infolge eines Vertrages gegeben worden, bei dem beide Seiten Verpflichtungen eingegangen sind. Ein solcher Vertrag unterscheide sich von Rechtsgeschäften, bei denen einer Seite keine Verpflichtungen zukommen, wie dies bei Schenkungen der Fall ist. Im Englischen lasse sich „arrabôn“ mittels keines Wortes und keiner Formulierung präzise übersetzen. Am angemessensten sei wohl die Übersetzung „a first instalment“ (etwa: „eine erste Anzahlung“).

Laut K. Erlemann 1995, 198 komme implizit durch die Rede vom Geist als „arrabôn“ der Heilsfülle die Naherwartung zum Ausdruck. Als terminus technicus des antiken Rechts bezeichne „arrabôn“ eine Vorleistung, die eine Zahlung der „Hauptsumme“ in einer absehbaren, nicht beliebig verlängerbaren Frist vorsieht. Die Berufung auf die Vor-Gabe des Geistes schließe damit die Garantie in sich, dass Gott in einer absehbaren Zeit seinen Heilsplan endgültig verwirklichen werde. Der Hauptakzent dieser Metapher liege freilich nicht auf dem temporalen Aspekt, sondern auf dem der Gewissheit des kommenden Heils.


Laut G. Sellin 1992, 85-107 werde der Genitiv "eis apolytrôsin tês peripoiêseôs" ("zur Erlösung des Eigentums") meist als genitivus objectivus und "peripoiêsis" als das "Erworbene", das "Eigentum" gedeutet. Im Anschluss an Mal 3,17 und 1 Petr 2,9 (vgl. Apg 20,28) werde die Phrase dann im Sinne von "zur Erlösung seines Eigentum-Volkes" verstanden. Nun sei aber "peripoiêsis" von der Wortbildungsart her ein nomen actionis ("das Erwerben"). "Apolytrôsis" ("Erlösung") komme innerhalb von 1,3-14 zweimal vor, in 1,7 im Sinne realisierter Eschatologie: die Erlösung, die durch sein Blut (= durch den Kreuzestod) geschah, und hier in V. 14 im futurischen Sinn: die Erlösung, die im Antritt des Erbes geschehen wird, von dem die Christen einen Vorgeschmack im Geist besitzen; dies sei die Erlösung, die noch erlangt werden muss (im Unterschied zu der, die schon erfolgte). Der explikative Genitiv diene also der Spezifizierung und Differenzierung.


Zum Verhältnis von Erwählung, Sohnschaft und Erlösung siehe C. Reynier 1996, 182-199. Indem Eph 1,3-14 Christus als Inhalt der Offenbarung, aber nicht als Offenbarer darstelle, werde gezeigt, dass die Erlösung ihren Platz im Rahmen der Heilsgeschichte Gottes hat, ohne deren Grundlage zu sein. Ferner lege der Abschnitt - unter Aufnahme der beiden historischen Arten der Offenbarung - die Grundlage der Ekklesiologie, wie sie im Folgenden des Briefes entfaltet werde: Die Kirche werde ausschließlich über die Beziehung der Gläubigen zu Christus definiert, welches auch immer ihre ethnische, kulturelle oder sogar religiöse Herkunft sei.



Literaturübersicht


Baldanza, Giuseppe; La funzione del processo trinitario di Ef 1,3-14 nell'argomentazione della lettera, Laur. 55/2-3 (2014), 231-252

Barkhuizen, J. H.; The Trophic Structure of the Eulogy of Ephesians 1:3-14, HTS 46/3 (1990), 390- 413

Best, Ernest; The Use of Credal and Liturgical Material in Ephesians, in: M. J. Wilkins et al. [eds.], Worship, Theology and Ministry in the Early Church (JSNT.SS 87), FS R. P. Martin, Sheffield 1992, 53-69

de Klerk, Ben; Lofliedere - basisteoretiese elemente uit Efesiërs 1:3-14, IDS 36/1 (2002), 1-18

De Virgilio, Giuseppe; Primato cosmico di Cristo ed esistenza cristiana: Aspetti letterari e teologici di Ef 1,3-14, StMor 55/1 (2017), 121-140

Erlemann, Kurt; Naherwartung und Parusieverzögerung im Neuen Testament: ein Beitrag zur Frage religiöser Zeiterfahrungen (TANZ 17), Tübingen – Basel 1995

Grelot, Pierre; La structure d'Éphésiens 1:3-14, RB 96/2 (1989), 193-209

Kerr, A. J.; ARRABÔN, JTS 39/1 (1988), 92-97

Lona, Horacio E.; Die Eschatologie im Kolosser- und Epheserbrief (FzB 48), Würzburg 1984

Louw, Johannes P.; A Discourse Reading of Ephesians 1.3-14, in S. E. Porter et al. [eds.], Discourse Analysis and the New Testament (JSNT.S 170), Sheffield 1999, 308-315

Ramaroson, Léonard; "La grande bénédiction" (Ep 1,3-14), ScEs 33/1 (1981), 93-103

Reynier, C.; La bénédiction en élection, filiation, rédemption, NRT 118/2 (1996), 182-199

Robbins, Charles J.; The Composition of Eph 1:3-14, JBL 105/4 (1986), 677-687

Schneider, Sebastian; Lobpreis der an Christus glaubenden Israels. Exegetische Überlegungen zum "Wir" in Eph 1,3-14, SNTU 37 (2012), 167-195

Sellin, Gerhard; Über einige ungewöhnliche Genitive im Epheserbrief, ZNW 83,1-2 (1992), 85-107

Valentini, Alberto; Lettura esegetica di Rm 8,28-30 e Ef 1,3-14, EphMar 54/3-4 (2004), 345-359

Witulski, Thomas; Gegenwart und Zukunft in den eschatologischen Konzeptionen des Kolosser- und Epheserbriefes, ZNW 96/1-2 (2005), 211-242

Woodcock, Eldon; The Seal of the Holy Spirit, BS 155/618 (1998), 139-163

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