Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Epheserbrief

Der Brief des Paulus an die Epheser

Eph 3,8-13

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Eph 3,8-13



Übersetzung


Eph 3,8-13 :8 Mir, dem allergeringsten von allen Heiligen, wurde diese Gnade verliehen, den Heiden den unergründlichen Reichtum (des) Christi zu verkündigen, 9 und alle zu erleuchten, was der Heilsplan des Geheimnisses ist, das seit (den) Ewigkeiten in (dem) Gott, dem Schöpfer des Alls, verborgen war, 10 damit jetzt den Mächten und (den) Gewalten in den Himmeln die vielfältige Weisheit Gottes durch die Kirche bekannt gemacht werde, 11 gemäß [dem] ewigen Vorsatz, den er durchgeführt hat in (dem) Christus Jesus, unserem Herrn. 12 In ihm haben wir den Freimut und Zutritt voll Zuversicht durch den Glauben an ihn. 13 Deshalb bitte ich darum, angesichts meiner Drangsale für euch nicht zu verzagen - dies ist eure Herrlichkeit!



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V. 8


Beobachtungen: Nachdem es in 3,1-7 um das Geheimnis an sich ging, um seinen Inhalt und um seine Offenbarung an Paulus und dessen Verwaltung des offenbarten Geheimnisses, geht es in 3,8-13 nun schwerpunktmäßig um die weltweite Verkündigung. Dabei stellt Paulus sich selbst bzw. der Verfasser des Eph den Paulus als den Heidenapostel schlechthin dar.


"Elachistoteros" ("allergeringste") ist der Komparativ zum Superlativ "elachistos" ("geringste"), den Paulus in 1 Kor 15,9 verwendet. Diese übersteigerte Hintanstellung der eigenen Person entspricht V. 7, wo wortreich ausgeführt wird: Dass Paulus Diener des Evangeliums geworden ist, ist ausschließlich Gott zu verdanken.

Die Formulierung "dem allergeringsten von allen Heiligen" weist auffällige Ähnlichkeit mit 1 Kor 15,9 auf, wo Paulus von sich als "dem geringsten der Apostel" spricht. Mit Blick auf 1 Kor 15,9 ist bezüglich Eph 3,8 davon auszugehen, dass mit den "Heiligen" die Apostel gemeint sind. Dafür spricht auch, dass in V. 5 die Apostel als "heilig" bezeichnet werden. Allerdings scheint eine schlichte Gleichsetzung der "Heiligen" mit den "Aposteln" zu kurz zu greifen. "Heilige" ist schließlich ein Ausdruck für die Christen allgemein: Alle Christen sind "Heilige". Insofern kann man V. 8 auch so verstehen, dass Paulus als "der allergeringste von allen Christen" bezeichnet wird. Es würde also 1 Kor 15,9 in diesem Punkt ebenso gesteigert wie im Hinblick auf den Superlativ "elachistos" ("geringste"). Dies entspricht der übersteigerten Hintanstellung der eigenen Person des Paulus in Eph 3,8 und der Gegenüberstellung mit der Gnade Gottes, die umso größer erscheint.


Von "Reichtum" war schon in Eph 1,7.18 und 2,7 die Rede. Dabei ging es stets um den Reichtum der Gnade Gottes, in 1,7 kaum trennbar vom Reichtum der Gnade Christi. In 3,8 ist nun von dem "Reichtum Christi" die Rede, ohne dass ausdrücklich vom "Reichtum der Gnade Christi" gesprochen wird. Ist dennoch der "Reichtum der Gnade Christi" gemeint? Oder ist an einen Reichtum der Gnade Gottes gedacht, der sich in Christus manifestiert? Oder ist an einen Reichtum gedacht, der Christus eigen ist? Oder an einen (spirituellen) Reichtum, der von Christus stammt? Oder ist ausgesagt, dass Christus selbst der Reichtum ist? Eindeutig ist ausgesagt, dass der "unergründliche Reichtum Christi" zentraler Inhalt der Verkündigung ist. Und "Reichtum" mag vielleicht den Reichtum der Deutungsfacetten der Formulierung aussagen. "Christus" ist also nicht eindimensional zu verstehen, sondern in der Gesamtheit seiner ganzen Bedeutung für die Menschen. Dieser Reichtum liegt in der Gnade Gottes/Christi, in der Gnade Gottes, die sich in Christus manifestiert, in der enormen Wirkkraft, die Christus - konkret im Hinblick auf den sühnenden Kreuzestod - eigen ist, und im spirituellen Reichtum, der von Christus ausgeht, und letztendlich das ganze irdische Leben der Menschen bereichert.


"Unergründlich" dürfte sich hier weniger darauf beziehen, dass man das Geheimnis Gottes, Christus, niemals in Gänze begreifen kann. Kol 2,2 - eine mögliche Vorlage der Aussagen in Eph 3,8 - bringt zwar "Reichtum", "Geheimnis" und "Christus" in einen engen Zusammenhang, aber gerade nicht in dem Sinne, dass man Christus in seinem Reichtum, seiner Fülle, nicht begreifen könne. Es geht dort vielmehr um "Reichtum der Fülle des Verständnisses", also um ein besonders großes Ausmaß an Verständnis. Eph 3,8 dürfte folglich eher aussagen, dass der Reichtum Christi ein Geheimnis und somit unergründlich ist. Erst mit der Offenbarung des Geheimnisses an die Apostel (darunter auch Paulus) und die Propheten (vgl. Eph 3,5) wird das Geheimnis ergründbar - zuerst für die Apostel und Propheten, dann aber auch mittels der Verkündigung für die anderen Menschen.


Weiterführende Literatur: A. Sherwood 2012, 97-111 bietet eine Redeanalyse von 3,1-13. In 3,1 bezeichne sich Paulus als "der Gefangene (des) Christi Jesu für euch, die Heiden". In den V. 2-13 entfalte er nun, wie der Bezug zu "eurer Herrlichkeit" ist, die ein unvoreingenommener Leser schwerlich aus der Gefangenschaft des Paulus herleiten könne. Der Verfasser des Eph (Paulus) lege dar, dass sein Apostolat, das die Gefangenschaft begründe, keine Quelle der Schande sei, sondern vielmehr eine Quelle der Ehre für ihn selbst und auch die Empfänger des Briefes. Sie bekräftige also die Glaubhaftigkeit von Gottes eschatologischer Aktivität in der Welt. Die Abschweifung 3,2-13 sei also in sich kohärent, ebenso wie bezüglich ihrer Funktion im Gesamten der Rede des Eph Kohärenz auszumachen sei.


Laut T. Gombis 2004, 313-323 sei die Abschweifung Eph 3,2-13 nicht gehaltlos, und es handele sich auch nicht einfach nur um Ausführungen zum Ursprung und Wesen des Apostolats des Paulus. Vielmehr spiele sie in der Entfaltung der Argumentation eine strategische Rolle, indem sie den Lesern des Briefes eine Erklärung der gegenwärtigen Lage des Apostels biete. Diese Lage scheine dem Triumph Gottes zu widersprechen, sei jedoch in Wirklichkeit eine Zusammenfassung, eine konkrete Manifestation dieses Triumphes. Sie erfasse auf schöne Weise das paradoxe Wesen christlichen Lebens und Dienstes in der gegenwärtigen Weltzeit. Gottes Triumph und Gottes Macht ließen sich auf klarste Weise im Wirken menschlicher Mittler, die Stellungen der Schwachheit und Schande einnehmen, erkennen.


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V. 9


Beobachtungen: Das Wort "pantas" wird von einigen wichtigen Textzeugen ausgelassen, weshalb dessen Ursprünglichkeit unklar ist. Das Verb "phôtizein" ("erleuchten") ist im NT gewöhnlich mit einem Objekt verbunden, d. h. es wird ausgesagt, was erleuchtet wird. Liest man den Text ohne "pantas", dann bleibt genau dies offen. Nun kann man daraus schließen, dass deshalb eine Einfügung erfolgt ist. Die gegebene besagt, dass "alle" erleuchtet werden sollen. Aber warum finden sich nicht andere Varianten? Zu erwarten wäre insbesondere der Einschub von "autous" ("sie"), womit ein Bezug zu den Heiden (V. 8) gegeben wäre. Es würde dann "um sie (= die Heiden) zu erleuchten" heißen. Dieses Fehlen anderer Varianten spricht für die Ursprünglichkeit des Wortes "pantas".


Paulus bzw. der Verfasser des Eph arbeitet mit einem Gegensatz von dunkel und hell. Die Verkündigung wird als Erleuchtung von in der Dunkelheit wohnenden Heiden verstanden.


Der altgriechische Begriff "oikonomia" kann sowohl die Heilsordnung oder den Heilsplan an sich, als auch die Verwirklichung des Heilsplans, also dessen "Verwaltung", oder das Verwalteramt selbst meinen. In V. 8 ist vermutlich der Heilsplan gemeint, möglicherweise in Verbindung mit dem Aspekt der Verwirklichung des Heilsplanes. Der Heilsplan ist, samt seiner Verwirklichung, Inhalt der Verkündigung, nicht das Verwalteramt des Paulus.


Fraglich ist, wie die Formulierung "apo tôn aiônôn" zu übersetzen ist. Ein Äon kann eine Weltzeit sein oder ein dämonisches Wesen. Auf ein dämonisches Wesen scheint V. 10 hinzuweisen, wo von "Mächten und Gewalten in den Himmeln" die Rede ist. Dann wäre der Heilsplan des Geheimnisses vor den Äonen verborgen gewesen. Allerdings findet sich die Formulierung auch in Kol 1,26, allerdings in einer längeren Form: "apo tôn aiônôn kai apo tôn geneôn". Weil "apo tôn geneôn" sicher zeitlich zu verstehen ist und "seit (den) Generationen" bedeutet, ist davon auszugehen, dass in Kol 1,26 der altgriechische Begriff "aiôn" nicht ein dämonisches Wesen, sondern eine Weltzeit bezeichnet. Das legt nahe, "apo tôn aiônôn kai apo tôn geneôn" mit "seit (den) Weltzeiten und (den) Generationen" zu übersetzen. Sofern Kol 1,26 tatsächlich in irgendeiner Form die Vorlage für Eph 3,8 gewesen ist, dürfte der Verfasser des Eph Kol 1,26 im zeitlichen Sinne verstanden haben. Die Kürzung in Eph 3,8, die den eindeutig zeitlich zu deutenden Bestandteil der Formulierung "apo tôn aiônôn kai apo tôn geneôn" weglässt, mag darauf hinweisen, dass der Verfasser des Eph die Äonen im Sinne von dämonischen Wesen verstanden haben will. Aber der Verfasser des Eph kann die lange Formulierung des Kol auch gestrafft haben, ohne eine Bedeutungsänderung im Blick zu haben. Dann wäre der Heilsplan des Geheimnisses seit Weltzeiten - in gängigerem Deutsch ausgedrückt: seit Ewigkeiten - verborgen gewesen.

Es handelt sich nicht nur um eine "Weltzeit" ("aiôn"), sondern um mehrere. Diese können aufeinanderfolgen und/oder unterschiedlich beschaffen sein. Vielleicht liegt hier die von den Valentinianern (= Schülern des Gnostikers Valentinus) vertretene Vorstellung einer "Fülle" von 30 Äonen, bei denen es sich um durch Ausströmung aus der einen höchsten Gottheit entstandene Wesenheiten handelt, zugrunde. Angesichts der Tatsache, dass der griechische Begriff "aiôn" im NT häufig vorkommt und ein solcher religionsgeschichtlicher Hintergrund gewöhnlich nicht zu erkennen ist, steht diese Annahme jedoch auf wackligen Füßen.


"In Gott" besagt wohl, dass Gott der Verhüllende war, zugleich aber auch, dass er wissend war, bevor er den Menschen das Geheimnis offenbarte. Das Geheimnis wurde von ihm aus sich selbst heraus offenbart.


Die partizipiale Formulierung "tô ta panta ktisanti" kann mit "der alles / das All geschaffen hat" oder mit "der Schöpfer von allem / des Alls" übersetzt werden. Dabei ist das "All" im Sinne von "alles" zu verstehen, nicht im Sinne von "Weltall".


Weiterführende Literatur: T. van Aarde 2015, 45-62 legt dar, dass der Begriff "oikonomia" in den paulinischen Texten missionarisch zu verstehen sei. Er werde in Eph 1,10 als Bezeichnung für die missionarische Aktivität Gottes, die missio Dei, und in 3,2 für die missionarische Aktivität des Paulus, die Verkündigung des Evangeliums, gebraucht. Gottes missionarische Aktivität sei von kosmischer Dimension. Die Mission und der Begriff "oikonomia" gründeten im Handeln der Trinität: Gott Vater ergreife die Initiative, Jesus Christus setze den Plan und die Absichten des Vaters um und der heilige Geist erfülle schließlich den Plan und die Absichten des Vaters. Schon in Eph 1 werde impliziert, dass die Kirche aufgefordert sei, an Gottes Plan und Absicht teilzuhaben. Allerdings werde das Verhältnis zwischen der missio Dei und der Kirche nicht vor Eph 3 entfaltet. Die Aufgabe der Kirche im Rahmen des kosmischen Planes Gottes sei es, mittels der Verkündigung des Evangeliums die ethnischen Gruppen und Völker zu vereinen, wie alles in Christus vereint werden solle.


Der Aufsatz von S. Grindheim 2003, 531-553 verfolgt eine doppelte Zielsetzung: Zum einen wird dargelegt, dass der Einschluss der Heiden als ein zuvor noch nicht offenbartes Geheimnis verstanden werde, denn er gründe auf der Außerkraftsetzung des mosaischen Gesetzes und bringe eine Nähe zu Gott mit sich, die über die Erwartungen des Alten Bundes hinausgehe. Zum anderen wird der Frage nach dem Verfasser nachgegangen. Als Arbeitshypothese wird davon ausgegangen, dass Paulus der Verfasser ist. Das Konzept des Geheimnisses in Eph 3 sei innig mit der paulinischen Begrifflichkeit und Gedankenwelt verbunden, wie sie in den unzweifelhaft echten paulinischen Briefen zu finden seien. Insofern sei es ungerechtfertigt, im Eph eine nachpaulinische Fortentwicklung des Begriffs "Geheimnis" zu sehen.


Zu den Zeitkonzeptionen im Epheserbrief siehe S. Rantzow 2008, die sich auf S. 147-151 mit der umschließenden Zeit (Eph 3,9) befasst. Für die Deutung der Wendung "apo tôn aiônôn" stünden sich zwei Auslegungsmöglichkeiten anscheinend einander ausschließend gegenüber. Die Äonen würden entweder räumlich-personal als Machtwesen oder temporal als vergangene Zeiten verstanden. S. Rantzow stellt die Argumente für beide Verständnisse vor, lehnt aber selbst eine eindeutige Entscheidung ab. Der personale Aspekt dominiere zwar, jedoch sei "aiôn" zugleich Zeitwort. Auf S. 218-220 geht es dann um das Verhältnis von Eph 3,4-5 und 3,9-10.


T. J. Lang 2017, 63-72 geht der Frage nach, ob Tertullian, der in seiner Schrift „Adversus Marcionem“ (5,18,1) den Vers Eph 3,9 diskutiert, Marcions Schrift „Apostolikon“ samt dem darin enthaltenen Vers 3,9 im griechischen Originaltext oder in lateinischer Übersetzung gelesen hat. Ergebnis: Es sei nicht von einer einzigen Vorlage, sei sie griechisch oder lateinisch, auszugehen. Welche Version (oder: Versionen) des „Apostolikon“ Tertullian auch immer vorliegen hatte, so habe er sie wohl mit weiteren ihm verfügbaren griechischen und vermutlich auch lateinischen Handschriften paulinischer Texte verglichen.


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V. 10


Beobachtungen: V. 10 benennt das Ziel von Verkündigung und Erleuchtung.


Es bleibt - wie auch in Eph 1,21 - offen, um welche Mächte und Gewalten es sich handelt. Sie werden nur lokalisiert, und zwar "in den Himmeln". Es ist also an eine Mehrzahl Himmel gedacht. Die "Himmel" können paradiesisch gedacht sein, müssen sie aber nicht. "In den Himmeln" kann auch einfach nur Orte meinen, die nicht irdisch sind. Es geht also nicht um den römischen Kaiser oder um Könige oder Fürsten, auch nicht um irdische Dinge wie das Geld, die auf Menschen Macht ausüben, sondern es geht um jenseitige Mächte und Gewalten. Das können Engel sein, aber auch Dämonen oder andere Geistwesen. Die "Himmel" können Sphären unterschiedlicher Beschaffenheit sein, paradiesischer Art oder zumindest positiver Art, aber auch anderer. Dass es sich aber um ausnahmslos negative Orte handelt, ist unwahrscheinlich, weil der Himmel bzw. die Himmel auch Ort Gottes und Jesu Christi ist. Insofern ist davon auszugehen, dass (auch) den Engeln die vielfältige Weisheit Gottes bekannt gemacht worden ist.


Das Adjektiv "polypoikilos" findet sich in der Bibel nur hier. In der außerbiblischen Literatur bezeichnet es die Vielgestaltigkeit oder Vielfarbigkeit von Dingen, z. B. die verschiedenen Farben der Blumen eines Blumenstraußes. Auch kann die Komplexität von Gedanken oder Emotionen gemeint sein. In Eph 3,10 dürfte die Vielgestaltigkeit - vermutlich im Sinne des Facettenreichtums - der Weisheit Gottes gemeint sein.


"Durch die Kirche" macht deutlich, dass es mit der Entstehung der Kirche durch Verkündigung und Gemeindeaufbau zu einer Wende kommt: Das, was vorher in Gott verborgen war, wird durch die Kirche den Mächten und Gewalten in den Himmeln bekannt gemacht. Im Hinblick auf die in 3,5 genannten Propheten, denen im Geist offenbart wurde, bedeutet das, dass sie zur Kirche gehören und damit Christen und keine atl. Propheten sind. Offenbarung, christliche Verkündigung und Gemeindeaufbau werden in einem engen Zusammenhang gesehen. Vor dem Entstehen der Kirche war das Geheimnis noch in Gott verborgen, noch niemandem offenbart und wurde dementsprechend auch noch nicht verkündigt. Die atl. Propheten wussten also von dem Geheimnis noch nichts und konnten es folglich auch nicht bekannt machen.


Weiterführende Literatur: W. Carr 1981, 98-99 merkt an, dass es in der jüdischen und christlichen Literatur viele Beispiele für die Vorstellung gebe, dass die himmlischen Heerscharen mit Staunen auf die menschliche Welt und Gottes Wirken in ihr herabblicken. Daher sei anzunehmen, dass es sich in Eph 3,10 bei den "Mächten und Gewalten in den Himmeln" um die himmlischen Heerscharen handelt. Dass sie Gott und der Kirche feindlich gegenüberstehen, sei nicht zu erkennen.


Die psychologisch-hermeneutische Studie von J. C. Madubuko 2015 befasst sich mit den in 3,10 erwähnten "Mächten und Gewalten" im Hinblick auf die Geisterwelt der Igbo (in Nigeria). Zunächst befasst er sich mit der Terminologie und der Geschichte der paulinischen "Geistwelt". Dann geht er auf die traditionellen Geistervorstellungen ein, die das Bewusstsein und das Unbewusste der Igbo prägen. Danach geht er der Verfasserfrage nach und bietet eine Analyse des Eph, bevor er auf die beiden Weltanschauungen des Eph und der Igbo in Bezug auf die Geist(er)vorstellungen eingeht. Es folgen exegetische und hermeneutische Untersuchungen zu V. 10 und zu dessen Kontext, bevor J. C. Madubuko abschließend V. 10 im Igbo-Kontext liest und dabei auch gesellschaftliche Transformation und Mission in den Blick kommen.


In Eph 1,21; 3,10 und 6,12 unterstreiche gemäß C. A. López 2010, 33-46 eine ganze Reihe von Begriffen die Macht der Heerscharen des Satans. Gemäß 2,2 herrsche der Satan über sie und über die Sphäre über der Erde. Der Satan mache sich unseren Zorn für sein böses Werk zunutze (vgl. 4,27) und attackiere uns hinterhältig, um uns unvorbereitet zu packen (vgl. 6,11).


Gemäß W. H. Harris III 1991, 78-79 bezeichneten „die Himmel“ in 3,10 nicht das dem erhöhten Christus (und mit ihm auch den Gläubigen) vorbehaltene Reich. Vielmehr seien sie auch Ort der „Mächte“ und der „Gewalten“, obgleich 1,20-21 klarstelle, dass Christus weit über sie erhöht ist.


Eine ausführliche Studie zu den "Himmeln" in Eph bietet M. J. Brannon 2011, der sich auf S. 177-185 mit Eph 3,1-13 befasst. In diesem Abschnitt sei von drei Ebenen von Gottes Offenbarung des Geheimnisses Christi die Rede: Gottes Offenbarung Paulus gegenüber, Paulus' Verkündigung des Offenbarten an die Heiden, Bekanntmachung des Offenbarten seitens der Kirche an die Herrscher und Autoritäten. V. 10 handle von der dritten Ebene. Bei den "Mächten und Gewalten" handele es sich im Eph wie auch den anderen paulinischen Briefen um personale, spirituelle (oder übernatürliche) und böse Mächte. Jede der drei Ebenen stelle eine andere unterschwellige und implizite Polemik gegenüber einer judaisierenden Bewegung, insbesondere einem jüdischen Mystizismus, dar.


M. N. A. Bockmuehl 1990 geht in seinem Buch über "Offenbarung" und "Geheimnis" bei Paulus auch kurz auf relevante Stellen im Epheserbrief ein (S. 201-203 zu 3,3-10), der paulinische Blickwinkel und Gewichtungen fortführe. 3,10 gehe von einer vielfältigen Weisheit Gottes aus. Die Besonderheit in Eph sei, dass hier als Ziel der paulinischen Predigt erscheine, dass diese Weisheit nun durch die Kirche den himmlischen Mächten bekanntgemacht werden solle.


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V. 11


Beobachtungen: Die Formulierung "kata prothesin tôn aiônôn" ist wörtlich mit "nach/gemäß dem Vorsatz der Weltzeiten/Äonen" zu übersetzen. Entscheidend ist, dass die gesamte Heilsgeschichte kein Produkt eines spontanen Einfalls ist, sondern nach einem festgelegten Plan verläuft (vgl. 1,11). Die Festlegung wird als "Vorsatz/Ratschluss" bezeichnet. Der Genitiv "tôn aiônôn" ("der Äonen") dürfte im zeitlichen Sinne zu verstehen sein, also im Sinne von "der Weltzeiten", nicht als ein Bezug auf als "Äonen" bezeichnete dämonische Wesen. "Der Weltzeiten" ist vermutlich im Sinne von "ewig" zu verstehen. Es handelt sich demnach wohl um einen "ewigen Vorsatz/Ratschluss" und zwar in dem Sinne, dass Gott ihn bereits vor Erschaffung der Welt gefasst hat.


Es ist fraglich wie "hên epoiêsen" ("er hat ihn gefasst" oder "er hat ihn durchgeführt") zu verstehen ist. Das Verb "poieô" bedeutet ganz allgemein "machen/tun". Gott hat also den Vorsatz "gemacht/getan". Das kann so gedeutet werden, dass er den Vorsatz gefasst hat, aber auch so, dass er ihn durchgeführt hat. Sicher gesagt werden kann aufgrund der Zeitform Aorist, dass es sich um ein Geschehen handelt, das vergangen ist und außerdem wohl kurzzeitig, also nicht dauerhaft war. Das passt zum Fassen eines Vorsatzes, aber auch zu dessen Durchführung, sofern diese abgeschlossen ist. In 3,8-13 geht es um weltweite Verkündigung, um Offenbarung und Bekanntmachung sowie um Kirche. All dies sind Aspekte, die zur Durchführung eines Vorsatzes eher passen als zum Fassen eines Vorsatzes. Die Durchführung des göttlichen Vorsatzes scheint vorausgesetzt und an das Kreuzesgeschehen gebunden zu sein, in dessen Licht die Durchführung des Vorsatzes gesehen wird. Insofern dürfte "hên epoiêsen" mit "er hat ihn durchgeführt" zu übersetzen sein.


Die Präposition "en" kann sowohl "durch" als auch "in" bedeuten. Folglich kann "en tô Christô Iêsou" sowohl mit "durch (den) Christus Jesus" als auch mit "in (dem) Christus Jesus" übersetzt werden. Vermutlich treffen beide Übersetzungen zusammengenommen das Gemeinte: Zum einen war Jesus Christus (= Christus Jesus) das Instrument, mit dem Gott seinen Vorsatz durchgeführt hat, zum anderen ist das Geschehen im Macht- und Wirkungsbereich Jesu Christi erfolgt.


Der Titel „Herr“ gibt ein Herrschaftsverhältnis an: Der „Herr“ herrscht über seine Diener/Sklaven, die ihm bedingungslos zu dienen haben. Im Römischen Reich galt der Sklave als Sache. Der „Herr“ konnte also am Sklaven Willkür walten lassen. Allerdings erscheint Jesus Christus (oder: Gott) nicht als ein willkürlicher „Herr“, sondern vielmehr als einer, der seinen Sklaven für ihren Dienst Heil zukommen lässt. Der Sklave/Diener Jesu Christi (oder: Gottes) gehört also zu den sozial privilegierten Sklaven/Dienern. Der Aspekt der Gegenseitigkeit, wie er für das römische Klientelverhältnis typisch ist, spielt eine entscheidende Rolle: Der „Herr“ übt über seine Untergebenen (= Klienten) Macht aus, ist zugleich aber deren Schutzherr. Die Untergebenen wiederum sind dem „Herrn“ dafür zum Dienst verpflichtet. Die Christen befinden sich demnach also in der machtvollen Heilssphäre Jesu Christi, dem sie untergeben sind und dienen.


Weiterführende Literatur: G. Sellin 1992, 85-107 befasst sich ungewöhnlichen Genitiven im Epheserbrief. Der extensive Gebrauch von adnominalen Genitivkonstruktionen gelte schon seit langem als markante Stileigentümlichkeit des Eph. Ganz allgemein lasse sich dieses Phänomen der urchristlichen Sprache durch den Einfluss der semitischen Syntax erklären. Diese Erklärung könne jedoch nicht bei allen Genitivbildungen befriedigen, gerade nicht bei den kompliziertesten und merkwürdigsten. Diese stellt G. Sellin vor und untersucht die Eigenheiten. Bei der Wendung "kata prothesin tôn aiônôn" ("gemäß [dem] Vorsatz der Weltzeiten") in 3,11 handele es sich um eine Verkürzung von "kata prothesin pro tôn aiônôn" ("gemäß [dem] Vorsatz vor den Weltzeiten"): "gemäß dem vor den Weltzeiten gefassten Vorsatz", und der Genitiv sei ein genitivus qualitatis, der den Vorsatz spezifiziere.


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V. 12


Beobachtungen: Der Begriff "parrêsia" ("Freimut/Offenherzigkeit") sagt etwas über das Verhältnis zwischen den Christen und Gott aus: Freimütig oder offenherzig ist ein Mensch, wenn er von seinem Gesprächspartner bei aller offenen Rede nichts Negatives zu befürchten hat - keine üble Nachrede und auch keine Bestrafung. So kann er auch über Dinge reden, die ihn in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Es handelt sich also um den Mut zur Offenheit. Ähnlich in V. 12: Der Christ ist durch bzw. in Jesus Christus mit Gott versöhnt. Er ist deswegen versöhnt, weil ihm aufgrund des sühnenden Kreuzestodes Christi seine Sünden nicht angerechnet werden. Er kann also mit dem Mut zur Offenheit vor Gott treten und sich ihm mit seinen Sünden anvertrauen.

Er kann sie aber nur deswegen vor Gott bringen, weil er zu ihm Zutritt hat. Das ist nicht selbstverständlich, denn weder die Heiden noch die Juden hatten bzw. haben Zutritt zu Gott. Zutritt zu Gott setzt Versöhnung mit Gott voraus. Nur durch bzw. in Christus haben die Heiden und Juden Zutritt zu Gott. Nur die Heiligen haben zu dem Heiligen Zutritt (vgl. 2,18).


"Voll Zuversicht" (wörtlich: "in Zuversicht") entspricht dem "Freimut": Die Christen haben aufgrund der Versöhnung mit Gott von diesem keine Bestrafung zu befürchten. Möglicherweise klingt sogar noch mehr mit: Sie können zuversichtlich sein, bei Gott bzw. Christus ewiges Heil zu erlangen.


Der Begriff "pistis" kann "Treue" oder "Glaube" bedeuten, womit die Übersetzung von "dia tês pisteôs autou" sowohl "durch seine Treue" als auch "durch den Glauben an ihn" lauten kann. "Seine Treue" wäre die Treue Gottes und "der Glaube an ihn" der Glaube des Christen an Gott und zugleich an Christus. Erstere Übersetzung geht davon aus, dass Gott treu ist und seinen Vorsatz tatsächlich durchführt. Letztere Übersetzung geht davon aus, dass der Freimut und Zutritt voll Zuversicht den christlichen Glauben voraussetzt. Beide Aspekte dürften anklingen, wobei der Schwerpunkt auf letzterem liegen dürfte, denn in V. 13 geht es um das Verhältnis der Christen Gott (und Jesus Christus) gegenüber. Die Formulierung "dia tês pisteôs autou" ist ein typisches Beispiel für die doppel- und mehrdeutige Schreibweise des Verfassers des Eph, bei der in dichter Sprache mehrere theologische Sachverhalte zugleich anklingen.


Weiterführende Literatur: P. Foster 2002, 75-96 geht der Frage nach, ob die Genitivkonstruktion "dia tês pisteôs autou" in Eph 3,12 im Sinne eines genitivus objectivus oder im Sinne eines genitivus subjectivus zu verstehen ist. Bei ersterer Deutung sei der Glaube des Christen gemeint, und zwar der Glaube an Christus, der den Christen vor Gott gerecht mache. Bei letzterer Deutung sei die Treue Christi gemeint. Diese Treue habe Christus im Gehorsam zum Tod am Kreuz geführt und bringe die Gerechtigkeit des Gläubigen vor Gott mit sich. Oft werde argumentiert, dass sich in den ähnlichen Formulierungen der sieben Schlüsselstellen in den unzweifelhaft echten paulinischen Briefen (Röm 3,22.26; Gal 2,16[2x].20; 3,22; Phil 3,9) kein bestimmter Artikel finde, woraus zu schließen sei, dass in diesen Stellen der Glaube des Christen an Christus gemeint ist. P. Foster vertritt dagegen die Ansicht, dass der bestimmte Artikel in Eph 3,12, dem ersten überlieferten Zeugen der nachpaulinischen "pistis Christou"-Terminologie, darauf hinweise, dass der Verfasser des Eph die sieben paulinischen Stellen so verstanden hat, dass dort ein genitivus subjectivus vorliege, also die Treue Christi gemeint sei. Um dies deutlich zu machen, habe der Verfasser des Eph den bestimmten Artikel verwendet. Diese Deutung entspreche der Theologie des Eph, wonach die Gläubigen durch die Treue Christi gerettet würden.


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V. 13


Beobachtungen: V. 13 knüpft an V. 1 an, wobei von V. 13 her gesehen V. 1 als Beginn einer - (aus rhetorischen Gründen) unvollendet gebliebenen und erst in V. 13 fortgesetzten - Bitte erscheint. V. 1 und V. 13 stellen also eine Klammer um die V. 2-12 dar, die wesentliche Gedanken zum Amt des Apostels enthalten.


Die Formulierung "dio aitoumai mê enkakein" ist wörtlich mit "deshalb bitte ich, nicht zu verzagen" zu übersetzen. Wer bittet, ist klar: Paulus bzw. der Verfasser des Eph. Unklar ist aber, wen er bittet: Bittet er Gott oder bittet er die Adressaten? Auch ist unklar, wer nicht verzagen soll: Soll Gott nicht verzagen oder sollen die Adressaten nicht verzagen? Es ist davon auszugehen, dass es der Gebetene ist bzw. die Gebetenen sind, der nicht verzagen soll bzw. die nicht verzagen sollen. Insofern sind die Bedeutungen "deshalb bitte ich Gott darum, dass ihr nicht verzagt" und "deshalb bitte ich euch darum, dass Gott nicht verzagt" wohl auszuschließen. Sprachlich wahrscheinlicher ist die Bedeutung "deshalb bitte ich Gott, nicht zu verzagen". Aber warum sollte Gott verzagen, wo er doch den Heilsplan am besten kennt?! Ein Verzagen Gottes angesichts der Drangsale des Paulus bzw. Verfassers des Eph ist unwahrscheinlich. Insofern bleibt nur noch die Bedeutung "deshalb bitte ich euch darum, nicht zu verzagen". Dass die Adressaten angesichts der Drangsale verzagen, ist durchaus möglich. Wenn der Apostel im Gefängnis sitzt und Drangsale erleiden muss, bedeutet das eine Schwächung der Kirche. Ihr "Anführer" ist verloren. Wer soll nun die Kirche führen? Hat Gott den Apostel vielleicht fallengelassen? Erweist sich somit die Lehre vielleicht als falsch? Bei so vielen Fragen und Zweifeln kann die Kirche schlimmstenfalls wieder zerfallen. Dann wäre auch die Gemeinde in Ephesus in Gefahr und damit auch das Heil der Gemeindeglieder. Die Gefangenschaft des Apostels kann aber auch persönliche Ängste wecken: Die Adressaten werden gewahr, mit was für Bedrohungen ein Christ konfrontiert werden kann. Die Adressaten mögen zwar nicht ganz so prominent in der Verkündigung tätig sein und auch nicht so prominent für den christlichen Glauben einstehen, dennoch können sie jederzeit wegen ihres christlichen Bekenntnisses von den heidnischen Machthabern zur Rechenschaft gezogen werden. Diese Gefahr führt ihnen das Schicksal des Paulus vor Augen.

In 3,14-21 bittet Paulus bzw. der Verfasser des Eph Gott für die Adressaten. Insofern kann sich die Bitte V. 13 nicht auf die Fürbitte V. 14-21 beziehen.


"Für euch" gibt an, wer die Nutznießer sind: die Adressaten. Das Schicksal des Paulus ist also kein rein persönliches, sondern ist für die Adressaten und ihr Heil bedeutsam, ebenso vermutlich für die anderen Christen und ihr Heil. Das, was so negativ zu sein scheint, ist in Wirklichkeit etwas Positives. Das scheinbare persönliche Drama ist in Wirklichkeit heilsnotwendig.

Einige wenige Textzeugen lesen "für uns" ("hyper hêmôn") anstelle von "für euch" ("hyper hûmôn"). Diese Abweichung ist vielleicht mit einem Hörfehler zu erklären: Der Text wurde dem Schreiber diktiert und der Schreiber hat fälschlicherweise "hyper hêmôn" statt "hyper hûmôn" verstanden. Das ist insofern möglich, als die Vokale ê und û vermutlich so ähnlich geklungen haben. Vielleicht wurde der Hörfehler dadurch begünstigt, dass der Schreiber an dieser Stelle "hyper hêmôn" erwartet hat, weil er auch den Apostel in das Heilsgeschehen eingeschlossen sah. In seinen Augen waren die Drangsale des Apostel "für uns", also auch für das Heil des Apostels selbst. Es kann sich auch um eine absichtliche Änderung handeln, allerdings kann keine Anpassung an V. 1 erfolgt sein, denn dort heißt es ohne Variante nur "für euch" ("hyper hûmôn"). Dies lässt einen Hörfehler wahrscheinlicher erscheinen.


Der Begriff "doxa" kann mit "Ehre", "Ruhm", "Glanz" oder "Herrlichkeit" übersetzt werden. All dies wird seitens des Verfassers des Eph Gott bzw. Gottes Gnade zugeschrieben (vgl. 1,6.12.14.17-18; 3,16.21). Auch die "Herrlichkeit" der Adressaten dürfte die genannten Aspekte beinhalten, wobei festzuhalten ist, dass es nicht um irdisch-menschliche "Herrlichkeit" geht. Die "Herrlichkeit" ist im Lichte Gottes und seiner Gnade zu verstehen.


Das Bezugswort von "hêtis" ("welche") ist unklar. Folglich ist unklar, was "eure Herrlichkeit" ist. Am ehesten ist bei dem Bezugswort an den Begriff "thlipsesin" ("Bedrängnissen/Drangsalen") zu denken. Aber "thlipsesin" ist ein Plural, "hêtis" dagegen ein Singular. Insofern kann "thlipsesin" nicht das Bezugswort sein. Allerdings findet sich in V. 13 kein mögliches weiteres Bezugswort, das zugleich feminin und ein Singular ist. Zugleich feminin und ein Singular ist aber der Begriff "doxa" ("Herrlichkeit"), der jedoch nachfolgt und insofern nicht Bezugswort sein kann. Insofern ist davon auszugehen, dass sich Zahl und Geschlecht nach "doxa" richten, aber der Bezug unklar bleibt. Somit sind nicht konkret die "Bedrängnisse/Drangsale" des Paulus bzw. Verfassers des Eph die "Herrlichkeit" der Adressaten. Allerdings dürften die "Bedrängnisse/Drangsale" zu all dem gehören, was die "Herrlichkeit" der Adressaten ausmacht. Sie sind im Rahmen eines Heilsgeschehens, das den Adressaten zugute kommt, zu verstehen. Dabei lässt 3,1 erkennen, dass der Tatsache, dass die Adressaten früher Heiden waren und nun Heidenchristen sind, eine große Rolle zukommt. Entscheidend ist die Mission, durch die die Heiden überhaupt erst von dem "Geheimnis" gehört haben. Nur durch die Mission konnten sie zu Christen werden. Den Missionaren - konkret Paulus bzw. dem Verfasser des Eph - hat die Mission jedoch "Bedrängnisse/Drangsale" gebracht. Aber die "Bedrängnisse/Drangsale" reichen für die "Herrlichkeit" der Adressaten nicht aus. Hinzu kommt, dass die Adressaten nicht verzagen sollen. Das bedeutet wohl Standfestigkeit im Glauben und im Bewusstsein, dass die "Bedrängnisse/Drangsale" Teil der Heilsgeschichte sind.


Die Rede von den "Bedrängnissen/Drangsalen für euch" erinnert an Kol 1,24, wo von den "Leiden für euch" die Rede ist. Es fehlt im Vergleich mit Kol 1,24 jedoch die Aussage "... und ergänze die Drangsale (des) Christi, die noch ausstehen, an meinem Leib für seinen Leib, das heißt die Kirche.". Sofern der Verfasser des Eph diesen Vers kannte, hat er diese Aussage möglicherweise deshalb fortgelassen, weil er in ihm die Gefahr sah, dass die Leser die Leiden Christi für unvollständig und deshalb ergänzungsbedürftig halten könnten.


Weiterführende Literatur:



Literaturübersicht


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