Eph 5,1-2
Übersetzung
Eph 5,1-2 :1 Werdet also Nachahmer (des) Gottes als geliebte Kinder 2 und wandelt in Liebe, wie auch (der) Christus uns geliebt hat und sich selbst für uns hingegeben hat als Gabe und Opfer für (den) Gott zu wohlriechendem Duft.
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Beobachtungen: 5,1-2 stellt eine Brücke zwischen dem vorhergehenden und dem folgenden Abschnitt dar. Zum einen ist 5,1-2 eng an 4,25-32 gebunden, wo Leitlinien für das zwischenmenschliche Verhalten - speziell der Christen untereinander - gegeben werden. Die Aufforderung an die Adressaten, Nachahmer Gottes zu werden, wird insbesondere aus 4,32 hergeleitet, wo Gott hinsichtlich Güte, Barmherzigkeit und insbesondere Vergebung als Vorbild der Christen erscheint. Das Vorbild gilt es nachzuahmen. Dann kann aber 5,1-2 auch mit 5,3-20 verbunden werden, wo das Verhalten der Christen im Verhältnis zu Gott selbst (5,1-5 bzw. 5,3-5) und zu Christus (5,6-14) näher betrachtet wird. In 5,15-21 schließt sich eine Zusammenfassung mit den praktischen Konsequenzen an.
Auf den ersten Blick irritiert, dass die Menschen Gott nachahmen sollen, sollte man doch meinen, dass Menschen nur Menschen nachahmen können, dazu Christus und dann vielleicht noch Engel oder Tiere. Gott scheint zu erhaben, zu wenig greifbar und zu fremd zu sein. Allerdings bezieht sich die Aufforderung zur Nachahmung nicht auf Gott in der Gesamtheit, sondern nur auf einen bestimmten Wesenszug, nämlich auf seine Güte, Barmherzigkeit und Vergebung, die wiederum untrennbar mit dem Heilsgeschehen bezüglich Christus verbunden ist (vgl. 4,32).
Das Verhalten von Kindern ist in besonderem Maße von Nachahmung geprägt, wobei sie an erster Stelle das Reden und Verhalten von Vater und Mutter nachahmen. Insofern liegt es hier nahe, dass die Adressaten (wie auch alle Christen) als "Gottes geliebte Kinder" bezeichnet werden. Das legt sich auch deswegen nahe, weil Gott der Vater der Christen ist (vgl. insbesondere 1,2).
Weiterführende Literatur: Laut H. Merklein 1981, 194-210 sei Eph 4,1-5,20 als Rezeption von Kol 3,1-17 zu verstehen. Genauer sei diese Rezeption als Transformation zu beschreiben, die sich aus der Verschiebung der Antithetik "irdisch vs himmlisch = christlich" (Kol) zu "heidnisch vs christlich" (Eph) ergebe. Da die Antithetik "heidnisch vs. christlich" nicht nur die Paränese (Eph 4,1-5,20), sondern auch die theologischen Ausführungen (besonders Eph 2,11-22; aber auch Eph 3) des Epheserbriefes beherrsche, sei mit einer einheitlichen Pragmatik des ganzes Briefes zu rechnen. Die dazugehörige Kommunikationssituation lasse sich allerdings nur noch hypothetisch erheben. Manches spreche dafür, dass der Autor des Epheserbriefes sich an ein Heidenchristentum wendet, das aus dem "gesetzesfreien" paulinischen Evangelium falsche Folgerungen gezogen hatte. Die "Emanzipation" der heidenchristlichen Kirche vom Gesetz habe gedroht, die theologisch-heilsgeschichtliche Bindung der Kirche an Israel in Vergessenheit geraten zu lassen, und habe auf sittlichem Gebiet die Gefahr des Rückfalls in heidnisches Leben mit sich gebracht. Von daher erkläre sich sowohl die theologische als auch die paränetische Intention des Epheserbriefes und lasse ihn als einen textpragmatisch einheitlichen Text erscheinen.
Laut G. Sellin 1998, 298-313 sei 5,1-2 als Achse und auch inhaltlich als Fundierung der ganzen Paränese 4,1-6,9 zu verstehen. Zu den traditions- und religionsgeschichtlichen Hintergründen von Eph 5,1-2: Trotz ihrer philosophischen Prägung habe die Mimesis-Motivik (griech.: mimêsis, lat. imitatio = Nachahmung) im Corpus Paulinum noch etwas von ihrem kultischen und mythischen Ursprung bewahrt. Dies gelte in erster Linie für die imitatio-Christi-Texte bei Paulus. Der mimêtês (= Nachahmer) stehe in einer Abbildbeziehung zum Urbild Christus, so dass seine Existenz durch Christus geprägt werde. Auch wenn dieses Modell über Philon zu Platon zurückreiche, komme der kultische und mythische Charakter des Mimesis-Modells noch zur Wirkung.
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Beobachtungen: Die Adressaten - wie alle Christen - sollen in Liebe wandeln. Auch bezüglich der Liebe ist Gott Vorbild. Ebenfalls ist Christus bezüglich der Liebe Vorbild. Auch bezüglich der Liebe sollen also die Adressaten nachahmen.
Christi Liebe wird nicht an Christi irdischem Leben, an seiner Nächstenliebe festgemacht, sondern an seinem Kreuzestod für die Menschen. Dieser steht für Liebe und Sündenvergebung gleichermaßen.
Zweimal kurz hintereinander bieten verschiedene Textzeugen statt des Personalpronomens "uns" das Personalpronomen "euch". Es ist aufgrund des geringen räumlichen Abstands davon auszugehen, dass in beiden Fällen das gleiche Personalpronomen zu lesen ist. Im ersten Fall sind die beiden Personalpronomen "uns" und "euch" ähnlich gut bezeugt. Im zweiten Fall ist jedoch das Personalpronomen "euch" schlecht bezeugt, weshalb schon die schlechte Bezeugung für die Ursprünglichkeit des Personalpronomens "uns" spricht. Die Verwendung des Personalpronomens "euch" ist wohl als spätere Anpassung des Personalpronomens an die Tatsache zu verstehen, dass sich die Ermahnungen nur an die Adressaten und nicht an den Verfasser des Eph selbst richten. Das Vorbild-Nachahmer-Verhältnis bezieht sich somit vorrangig auf die Adressaten (= "euch"), weshalb eigentlich nahe liegt, dass sich der Verfasser des Eph nicht selbst einbezieht. Weil das zweite "euch" schlechter als das erste bezeugt ist, ist außerdem zu vermuten, dass es beim Diktieren des Textes zu Hör- und Schreibfehlern gekommen ist. Und schließlich mag auch die Aussage in 4,32 irritiert haben, dass Gott in Christus "euch" vergeben hat (in V. 32 bietet eine Variante "uns"). Diese Deutung liegt näher als die Annahme einer Anpassung des Personalpronomens an die Tatsache, dass sich die Güte Gottes eigentlich auf alle Menschen - speziell Christen - bezieht und daher in den paulinischen Briefen meist das Personalpronomen "uns" verwendet wird.
Die Darbringung einer Opfergabe folgt gemäß den Bestimmungen der Tora (= fünf Bücher Mose; vgl. insbesondere Lev 1-7) nach bestimmten Regeln. Diese betreffen sowohl die Opfergabe selbst als auch den Verlauf der Darbringung. Wichtig ist, dass die Opfergabe dem ruhmvollen und heiligen Gott angemessen ist.
Die beiden Begriffe "prosphora" ("Gabe") und "thysia" ("Opfer") sind vermutlich bedeutungsgleich im Sinne einer "Opfergabe". Es handelt sich somit vermutlich um ein "Hendiadyoin", bei dem ein und dieselbe (= hen) Sache mit (= dia) zwei (= dyo) Begriffen bezeichnet wird. Beide Begriffe tauchen zusammen auch in Ps 39,7LXX (= Ps 40,6) auf und schließen verschiedene Arten Opfer ein.
"Gabe und Opfer" ist an erster Stelle der Kreuzestod Christi. Weil der Lebenswandel der Christen "in Liebe" in Nachahmung des Kreuzestodes Christi - hier als "Selbsthingabe" verstanden - geschieht, ist auch der Lebenswandel der Christen "in Liebe" letztendlich "Gabe und Opfer". Und ebenfalls ist die Opfergabe für Gott zu wohlriechendem Duft. Hier mag eine christliche Aktualisierung der prophetischen Opferkritik vorliegen: Christi Selbsthingabe am Kreuz ist das entscheidende Opfer für Gott. Dieses entscheidende Opfer wird nicht mit Selbsthingabe des eigenen Leibes im Martyrium für den Glauben nachgeahmt, auch nicht mit kultischen Opfern nach den atl. Bestimmungen, sondern mit der ganzen Existenz "in Liebe".
Die Verbindung der Begriffe „thysia“ („Opfer“), „osmê“ („Duft“) und „euôdia“ („Wohlgeruch“) lässt an ein Brandopfer denken, wie es auch im AT erscheint (vgl. Gen 8,20-21 u. a.). Mit dem Brandopfer ist Rauch verbunden, der in die Nase Gottes steigt und von diesem als unangenehmer Gestank oder als wohlriechender Duft empfunden wird, je nach Beschaffenheit des Brandopfers.
Das Substantiv „osmê“ bedeutet ganz neutral „Duft“. Seine positive Färbung erhält es erst durch die Verbindung mit dem Substantiv „euôdia“, das aus dem neutralen Duft einen wohlriechenden Duft macht. Weil die Opfergabe für Gott bestimmt ist, ist es Gott, der den Duft als wohlriechend empfindet. Diese Empfindung setzt voraus, dass die Opfergabe dem ruhmvollen und heiligen Gott angemessen ist.
Weiterführende Literatur: Laut P. Garuti 2015, 592-608 lasse die Vorstellung von Eph 2,14-16 (und 5,2), dass Christus in seinem Fleisch oder durch sein Fleisch die Feindschaft zwischen Juden und Heiden beseitigt und die beiden Gruppen so zu einem einzigen neuen Menschen erschaffen habe, an einen Opferritus zur Schließung eines Bundes als Hintergrund denken. Aber welchem Vorbild könnte diese Vorstellung folgen? Ein atl. Vorbild komme nicht infrage, denn im AT werde den Israeliten jedes Bündnis mit Nichtjuden (Heiden) und auch jeder gemeinsame Opferritus mit den Nichtjuden (Heiden) verboten. P. Garuti vermutet hinter der Vorstellung zum einen eine polemische Anspielung auf die vom Römischen Reich propagierte Pax augusta und ihrer Riten oder eine christliche Version der vom Kaiser Claudius gewollten Ausdehnung des römischen Bürgerrechtes auf zahlreiche Provinzstädte. Zum anderen sei aber als Hintergrund auch ein typisch frühchristliches gemeinsam eingenommenes Mahl, konkret das eucharistische Mahl, zu vermuten.
Gemäß J. Kügler 2000, 128-134 sei das Bild vom Wohlgeruch des Brandopfers in Eph 5 eine kulttheologische Versprachlichung des Sühnecharakters, der dem Tod Jesu zugeschrieben werde. Indem sich Jesus für die Glaubenden hingebe und opfere, gebe er ein Beispiel der Liebe, das in einem Lebenswandel der Liebe nachgeahmt werden solle. Weil sich im erlösenden Opfer Christi zugleich die Liebe des Vaters zu seinen Kindern realisiere, sei die christliche Liebe Nachahmung des Vaters und des Sohnes in einem. Im Kontext der Paränese von Eph 4-5 sei die Rede vom Wohlgeruch des Brandopfers eine symbolische Verdichtung der soteriologischen Grundlegung christlicher Ethik und stelle als solche eine (durchaus naheliegende) Weiterführung paulinischer Kultterminologie dar.
Literaturübersicht
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Garuti, Paolo; La cohérence des images sacrificielles dans l'épître aux Éphésiens (Ep 2,16; 5,2), RB 122/4 (2015), 592-608
Kügler, Joachim; Duftmetaphorik im Neuen Testament, in: J. Kügler [Hrsg.], Die Macht der Nase: zur religiösen Bedeutung des Duftes; Religionsgeschichte – Bibel – Liturgie (SBS 187), Stuttgart 2000, 123-171
Merklein, Helmut; Eph 4,1-5,20 als Rezeption von Kol 3,1-17 (zugleich ein Beitrag zur Pragmatik des Epheserbriefes), in: P.-G. Müller, W. Stenger [Hrsg.], Kontinuität und Einheit, FS F. Mußner, Freiburg i. Br. – Basel – Wien 1981, 194-210
Sellin, Gerhard; Imitatio Dei. Traditions- und religionsgeschichtliche Hintergründe von Eph 5,1-2, in: J. Kerkovský u. a. [ed.], EPITOAUTO, Prag 1998, 298-313 (auch: Imitatio Dei: Eph 5,1-2, in: W. Kraus [Hrsg.], Beiträge zur urchristlichen Theologiegeschichte (BZNW 163), Berlin 2009, 395-407)