Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Zweiter Korintherbrief

Der zweite Brief des Paulus an die Korinther

2 Kor 5,1-10

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

2 Kor 5,1-10

 

 

Übersetzung

 

2 Kor 5,1-10:1 Wir wissen nämlich, dass wir, wenn unsere irdische Zeltbehausung abgebrochen wird, ein Haus von Gott haben, eine nicht von Händen gemachte ewige Behausung in den Himmeln. 2 Denn darum seufzen wir auch, weil wir uns danach sehnen, unsere Behausung vom Himmel darüber anzuziehen, 3 zumal wir doch als Bekleidete nicht nackt befunden werden. 4 Denn als im Zelt Befindliche seufzen wir ja bedrückt, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet sein wollen, damit das Sterbliche vom Leben verschlungen werde. 5 Der uns aber eben dazu bereitet hat, [das] ist Gott, der uns das Angeld des Geistes gegeben hat. 6 So sind wir nun allezeit zuversichtlich, auch wenn wir wissen, dass wir, solange wir im Leib wohnen, fern vom Herrn weilen; 7 denn in Glauben wandeln wir, nicht in Sichtbarem. 8 Wir sind aber zuversichtlich und ziehen es vielmehr vor, aus dem Leib auszuziehen und daheim zu sein bei dem Herrn. 9 Deshalb bemühen wir uns ja darum, sei es daheim oder in der Fremde, ihm wohlgefällig zu sein. 10 Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit ein jeder [seinen Lohn] empfange für das, was er durch den Leib getan hat, sei es Gutes oder Böses.

 

 

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V. 1

 

Beobachtungen: In 4,16-18 hat Paulus deutlich gemacht, dass er bei seiner - der Plural "wir“ bzw. "uns“ meint in erster Linie Paulus selbst, schließt jedoch möglicherweise auch Timotheus, den Mitverfasser des Briefes, und vielleicht auch weitere Mitarbeiter des Apostels ein - Verkündigung des Evangeliums trotz der Leiden nicht verzagt, weil es ihm nicht auf den irdischen Leib ankommt, der sichtbar und vergänglich ist, sondern auf das ewige Unsichtbare. Nun stellt sich die jedoch die Frage: Was bedeutet dies ganz konkret im Hinblick auf den Leib? Eine Erläuterung bietet 5,1-5, wobei das Thema "Auferstehungsleib“ nicht neu ist: Schon in 1 Kor 15,35-49 hat Paulus den irdischen Leib von dem herrlichen Auferstehungsleib unterschieden und die besondere Herrlichkeit des Auferstehungsleibes herausgestellt. Dabei hat er den Übergang vom irdischen zum himmlischen Leib als Verwandlung dargestellt. Gemäß 1 Kor 15,50-58 wird die Verwandlung mit dem Verb "anziehen“ ("endysasthai“), das der Welt der Kleidung entnommen ist, beschrieben. Demnach muss das Vergängliche Unvergänglichkeit anziehen und das Sterbliche Unsterblichkeit. Wenn Paulus seine Ausführungen 2 Kor 5,1-5 mit "wir wissen nämlich“ einleitet, so meint Paulus zwar sicherlich zunächst sein eigenes Wissen, doch kann er dieses zumindest in Grundzügen auch bei seinen Adressaten voraussetzen. Mittels dieses Wissens gilt es, die Sehnsucht nach dem ewigen Unsichtbaren - konkret dem himmlischen Leib - plausibel zu machen.

 

Paulus setzt seine Hoffnung auf das Ewige. Dazu gehört nicht der irdische Leib, der vergänglich ist. Paulus verdeutlicht dies mit dem Bild einer Behausung, in der man wohnt. Der irdische Leib ist demnach eine Zeltbehausung: sie ist nicht beständig und wird abgebrochen. Den Zeitpunkt des Abbrechens nennt der Apostel nicht ausdrücklich, doch dürfte entweder der leibliche Tod oder die Wiederkunft Christi am Ende der Tage gemeint sein. Der himmlische Leib dagegen wird als "Haus“ bezeichnet, als eine "ewige Behausung“. Ein Haus ist im Gegensatz zu einem Zelt dauerhaft und wird nicht abgebrochen. Paulus ist sich sicher, dass er − und vielleicht auch die anderen Christen - diese "ewige Behausung“ erhält.

Bezüglich dieses Hauses nennt Paulus noch eine weitere Besonderheit: Es ist nicht von Menschenhand gemacht. Das bedeutet nicht unbedingt, dass die irdische Zeltbehausung dagegen von Menschenhand gemacht ist, denn Paulus dürfte bewusst sein, dass laut Gen 2,7 der Mensch samt Leib von Gott geschaffen ist. Vielmehr dürfte die Betonung darauf liegen, dass der himmlische Leib nicht mit dem irdischen zu verwechseln ist und eben nicht aus Erde besteht. Zudem kommt der himmlische Leib nur den Menschen zu, die an Gott, den Vater Jesu Christi, glauben.

 

Der Plural "Himmeln“ lässt auf den Himmel als einen Ort schließen, der aus verschiedenen Sphären besteht. Allerdings ist der Plural nicht überzubewerten, weil sich schon in V. 2 wieder der Singular "Himmel“ findet. Eine dogmatisch ausgefeilte Himmelsvorstellung scheint Paulus nicht zu haben.

 

Weiterführende Literatur: Zum Leben bei Christus nach dem Tod siehe R. Penna 1983, 133-145.

 

G. Dautzenberg 1987, 75-104 geht auf folgende Punkte ein: die Stellung des Abschnitts 2 Kor 4,13-5,10 in 2 Kor 1-8 und sein literarischer Charakter; Exegese einzelner Passagen in 2 Kor 4,7-5,10.

 

R. Quiroga 2008, 21-42 sieht in 2 Kor 4,1-5,10 Ähnlichkeiten mit Gen 1-3. So seien Begrifflichkeit und sprachliche Wendungen ähnlich; Bilder, Motive und "Bühnenbild“ würden wiederholt. In 2 Kor 5,1-10 seien folgende Ähnlichkeiten auszumachen: 2 Kor 5,1 // Gen 2,7; 3,19. 2 Kor 5,2 // Gen 2,25. 2 Kor 5,3 // Gen 2,25; 3,21. 2 Kor 5,4 // Gen 2,7.17; 3,19. 2 Kor 5,5 // Gen 2,7; 1,2. 2 Kor 5,6-9 // Gen 3,8.10.23-24. 2 Kor 5,10 // Gen 2,7; 3,6.

 

P. W. Macky 1991, 162-173 wendet sich gegen die These, dass die von Paulus in 2 Kor 5,1-10 benutzten Bilder vor allem schmückende Funktion hätten. Gemäß dieser These bedeute "wenn unsere irdische Zeltbehausung abgebrochen wird“ nichts weiter als "wenn der individuelle vergängliche Leib eines Christen stirbt“. Demnach habe der Text eine erklärende Funktion: Der Dogmatiker Paulus liefere maßgebende Information, auch wenn er diese Information aus irgendeinem Grund verkleide. P. W. Macky versteht die Bilder dagegen als Wege, ansatzweise in die geheimnisvollen Tiefen der Realität zu sehen. Dazu sei es notwendig, die Bedeutung der Bilder mittels der Phantasie zu erkunden und alle Hinweise, Anspielungen und Schlussfolgerungen so weit es geht zu erfassen.

 

S. J. Kistemaker 1995, 147-152 legt V. 1 aus und geht dabei insbesondere auf die "Zeltbehausung“ und auf das "Haus“ ein. Zum Begriff "oikodomê“ ("Haus“) siehe auch I. Kitzberger 1986, 117-122.

Auch G. Wagner 1981, 145-165 bietet eine Auslegung von V. 1. Dabei geht er davon aus, dass das "Zelt“ als Stiftshütte zu verstehen sei, die wie der Tempel Zeichen der Gegenwart Gottes inmitten seines Volkes war. In dem Leib eines jeden Gläubigen sei Christus gegenwärtig. Damit der Mensch ganz beim "Herrn“ sein kann, sei es jedoch notwendig, dass der irdische Leib vollständig zerstört wird. An eine Verwandlung des Leibes denke Paulus nicht.

 

I. K. Smith 1996, 14-23 nennt die konkrete Fragestellung, die der Diskussion um einen Zwischenzustand zwischen dem leiblichen Tod und der Wiederkunft Christi zugrunde liegt: Was würdest du einer Witwe eines Christen auf folgende Frage antworten: "Verweilt mein Mann schon bei dem "Herrn’ oder wartet er schlafender Weise noch auf die Auferstehung?“ Falls die Antwort lautet, dass die Auferstehung noch nicht erfolgt ist, stellt sich die Frage, in welchem leiblichen (?) Zustand der "in Christus“ entschlafene Ehemann auf die Wiederkunft Christi und die damit einhergehende Auferstehung wartet. I. K. Smith ist der Überzeugung, dass Paulus von einem körperlosen Zwischenzustand ausgeht, der jedoch entgegen der platonischen Vorstellung nicht der letztgültige Zustand ist. Nach paulinischer Auffassung befänden sich die entschlafenen Christen in einer Spannung zwischen Gegenwart und Zukunft. Einerseits genössen sie schon Gemeinschaft mit Christus, andererseits warteten sie noch auf ihren Auferstehungsleib.

M. J. Harris 1983, 219-226 hält folgende Aspekte für die Auslegung von 5,1-4 für wesentlich: Paulus hoffe auf den spirituellen Leib, nicht auf Körperlosigkeit. Er wende sich gegen die von Anhängern der vorgnostischen Strömung vertretene These, dass es zwar eine zukünftige spirituelle Auferstehung gebe, diese jedoch körperlos sei. Paulus schrecke nicht vor einem Tod vor der Wiederkunft Christi zurück. Er fürchte nicht Körperlosigkeit, sondern er bekräftige die Überkleidung und Verwandlung des Leibes.

J. Osei-Bonsu 1986, 81-101 wendet sich gegen die These, dass Gläubige ihren Auferstehungsleib unmittelbar nach dem Tod erhalten (vgl. M. J. Harris). Er nimmt vielmehr an, dass die Christen erst bei der Wiederkunft Christi die "Bekleidung vom Himmel“ erhalten. Wer vor der Wiederkunft sterbe, sei in der Zeit zwischen dem leiblichen Tod und der Wiederkunft Christi "nackt“, d. h. körperlos. Paulus wünsche einen körperlosen Zustand nicht, sondern wolle bei der Wiederkunft des "Herrn“ noch am Leben sein und mit dem himmlischen Leib überkleidet werden.

Einen Überblick über die verschiedenen Interpretationsvorschläge bezüglich 5,1-10 gibt I. Peres 2003, 156. Er fragt im Folgenden (S. 156-162), was man aus der Perspektive der griechischen Grabinschriften in diesem Text sehen kann. Ergebnis: Paulus’ Gegner verständen das Leben im Himmel wahrscheinlich wie die Grabinschriften, als ob nur die menschliche Seele Zukunft hätte und der Leib für das ewige Leben nicht wichtig wäre. Paulus dagegen meine, dass man für das Leben im Himmel den Leib brauche, der aber unvergänglich, himmlisch und von Gott geschaffen werde. Der Prozess der Überkleidung komme bei der Wiederkunft Christi: die Toten würden bis dahin "nackt sein“, aber bei der Wiederkunft würden sie mit den Lebendigen bekleidet bzw. überkleidet werden. Zum Prozess der Wiederkunft Christi gehöre auch die Situation des Gerichts, vor dem alle stünden und zur Verantwortung gezogen würden. Danach bekämen sie ihre "Wohnungen“ im Himmel.

 

F. J. Matera 2002, 387-405 versucht zu zeigen, wie Paulus’ Verständnis der Auferstehung in 4,7-5,10 die Verteidigung dessen apostolischen Dienstes in 2,4-7,4 stärkt. Zu diesem Zweck diskutiert er den literarischen Kontext und den roten Faden des paulinischen Gedankengangs in dieser größeren Einheit. Danach zeigt er, welchem Zweck Paulus’ Verständnis der Auferstehung in 4,7-5,10 in der Darstellung des apostolischen Dienstes dient. Abschließend bietet F. J. Matera eine kurze Schlussfolgerung im Hinblick auf Paulus’ Verständnis der Auferstehung im Lichte des apostolischen Dienstes.

 

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V. 2

 

Beobachtungen: Weil das gegenwärtige Dasein auf Erden nicht das ist, was Paulus erstrebt, seufzt er. Das Seufzen entspringt der Sehnsucht nach dem Ewigen.

Nun kommt der Apostel darauf zu sprechen, wie der Übergang vom Unbeständigen zum Ewigen konkret im Hinblick auf die verschiedenartigen Leiber vonstatten geht. Der Übergang erfolgt folgendermaßen: Die Behausung vom Himmel wird "angezogen“ oder auch "darüber angezogen“ - beide Übersetzungen des Infinitivs "ependysasthai“ sind möglich, wobei letztere präzise auch das adverbiale "epi“ ("darüber“) wiedergibt. Wählt man letztere Übersetzung, so ist die Deutung, dass die Behausung vom Himmel, der himmlische Leib, über die Zeltbehausung, den irdischen Leib, gezogen wird. Folglich gibt es demnach keinen leiblosen Zustand zwischen dem leiblichen Tod und der Auferweckung. Wann das Überziehen geschieht, sagt Paulus nicht; es kann unmittelbar nach dem Tod des Gläubigen oder auch erst bei der Wiederkunft Christi geschehen.

Eine generelle Leibfeindlichkeit, wie sie den Gnostikern eigen ist, kennt Paulus nicht, denn er sehnt sich ja durchaus nach einem Leib, und zwar nach dem himmlischen.

 

Da es sich bei dem Infinitiv "ependysasthai“ ("[darüber] anziehen“ nicht um einen passiven, sondern um einen medialen Aorist handelt, erscheinen die Menschen in gewisser Weise beim Anziehen als aktiv. Es ist also nicht so, dass sie sich gänzlich passiv von Gott das himmlische Gewand überziehen lassen. Daraus zu folgern, dass die Menschen selbst ihren Tod oder die Wiederkunft Christi und damit den Zeitpunkt ihrer Überkleidung herbeiführen, wäre jedoch gewagt.

 

Es fällt auf, dass Paulus in einem Atemzug zwei Bilder miteinander verbindet und unvermittelt vom Bild des Leibes als Behausung zum Bild des Leibes als Gewand übergeht. Das Bild vom Gewand ist aus dem Gebrauch des Verbs "(darüber) anziehen“ zu erschließen.

 

Weiterführende Literatur: A. C. Perriman 1989, 512-521 stellt die These in Frage, dass 1 Kor 15,50-57 ein Beleg dafür sei, dass Paulus streng zwischen den bei der Wiederkunft Christi noch Lebenden und den schon Verstorbenen unterscheide und er selbst davon ausgehe, dass er bei der Wiederkunft Christi noch leben wird. Im Hinblick auf 2 Kor 5,1-5 sei anzumerken, dass dieser Text weder einen wirklichen Bezug zur Frage der Wiederkunft noch zur Frage eines Zwischenzustands nach dem Tod habe. Der eschatologische Horizont von 2 Kor 4,7-5,10 bestehe nur aus der Auferstehung.

 

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V. 3

 

Beobachtungen: Bezüglich V. 3 ist unklar, wie der ursprüngliche Text lautete. Die Frage ist, ob das Partizip "ekdysamenoi“ ("Entkleidete“), oder ob das Partizip "endysamenoi“ ("Bekleidete“) ursprünglich ist. Dem ersteren Partizip geben Nestle-Aland in der von ihnen herausgegebenen Textfassung des griechischen Neuen Testaments (27. Aufl.) den Vorzug. Demnach besagt V. 3, dass die Christen auch als Entkleidete nicht für nackt befunden werden. Eine solche tröstende Aussage schließt jedoch inhaltlich schlecht an die vorausgehenden beiden Verse an, denn in diesen stand die Sehnsucht nach dem Haus bzw. das Bekleidetwerden mit dem himmlischen Gewand im Mittelpunkt. Warum sollte Paulus nun eine Aussage machen, die die Sehnsucht nach dem himmlischen Gewand übertrieben erscheinen lässt? Vielmehr wäre anzunehmen, dass er konkretisiert, warum er eine solche Sehnsucht nach dem himmlischen Leib verspürt.

Eine Konkretisierung enthält die durchaus von gewichtigen Textzeugen gestützte Textvariante, die das Partizip "endysamenoi“ ("Bekleidete“) bietet. Demnach werden die Bekleideten nicht als nackt befunden. Auf den ersten Blick scheint diese Aussage eine Plattitüde zu sein, was möglicherweise zu einer sekundären Korrektur seitens einiger Textzeugen, die das Partizip "ekdysamenoi“ ("Entkleidete“) bieten, geführt hat. Einen tiefer gehenden Sinn erhält sie jedoch, wenn man bedenkt, dass ihr eine Furcht vor dem Zustand des Unbekleidetseins zugrunde liegen kann. Möglicherweise will Paulus sagen: Wer − im Unterschied zu ihm selbst und wahrscheinlich auch zu den anderen Christen - von Gott nicht mit einem himmlischen Gewand überkleidet wird, ist entkleidet und wird - vermutlich von Gott - nackt befunden.

Sollte diese Textvariante ursprünglich und die Deutung richtig sein, so stellt sich jedoch die Frage, wann denn die Menschen entkleidet werden. In V. 2 ist nur vom Bekleiden oder Überkleiden die Rede, in V. 1 findet sich noch nicht das Bild vom Gewand. Dementsprechend erfolgt weder beim leiblichen Tod noch bei der Wiederkunft Christi eine Entkleidung. Sofern es also einen Zustand zwischen leiblichem Tod und Auferstehung gibt, hat man sich ihn leiblich vorzustellen. Und wer nicht auferweckt wird, verbleibt in diesem Zustand. Bedenkt man nun aber, dass der in V. 1 genannte Abbruch der irdischen Zeltbehausung vermutlich mit der Entkleidung gleichzusetzen ist, so folgt daraus, dass es durchaus eine Entkleidung gibt, und zwar entweder bei dem leiblichen Tod oder bei der Wiederkunft Christi. Paulus ist sich gemäß V. 1 sicher, dass er nicht dauerhaft entkleidet und damit nackt sein wird. Das heißt aber nicht, dass er auch sicher davon ausgeht, dass er sofort nach der Entkleidung seine himmlische Bekleidung (= Behausung von Himmel) erhalten wird. Auch V. 2 besagt dies nicht, sondern nur, dass sich Paulus nach der (sofortigen) himmlischen Bekleidung sehnt.

Paulus scheint also durchaus einen vorübergehenden Zustand der Nacktheit nicht auszuschließen, was aber noch nicht heißt, dass er sich vor ihm fürchtet.

 

Weiterführende Literatur: Die Annahme der schwächer bezeugten Lesart "ekdysamenoi“ ("Entkleidete“) seitens Nestle-Aland (griechisches NT, 26. Aufl.) hält K. Hanhart 1997, 77-86 für nicht gerechtfertigt, weil der Schreiber dieser Lesart angenommen habe, dass Paulus die Tradition vom leeren Grab gekannt und das Verschwinden von Jesus’ Leichnam wörtlich genommen hat. Er sei davon ausgegangen, dass Paulus sich vor einem Tod vor der Wiederkunft Christi und daraus resultierend vor einem "nackten“, körperlosen Zustand der Seele gefürchtet hat. Eher sei anzunehmen, dass Paulus damit rechnete, vor Christi Richterstuhl zu erscheinen. Das Adjektiv "nackt/entkleidet“ drücke im biblischen Sprachgebrauch ein Schamgefühl angesichts des göttlichen Gerichts aus. Nirgendwo lasse Paulus die Kenntnis der Tradition vom leeren Grab durchblicken. Darüber hinaus passe die besser bezeugte Lesart "endysamenoi“ ("Bekleidete“) gut zu den von Paulus in 4,16-5,10 gebrauchten Bildern und zur Soteriologie. Die Geschichte vom leeren Grab sollte als eine midraschartige Haggada verstanden werden.

 

W. L. Craig 1988, 145-147 legt dar, dass in der Vergangenheit gewöhnlich vermutet worden sei, dass Paulus davon spreche, dass die entschlafenen Christen sich in der Zeit zwischen dem leiblichen Tod mit dem Zerfall des irdischen Leibes und der Wiederkunft Christi und der Annahme des himmlischen Leibes in einem körperlosen Zustand befinden. W. L. Craig setzt sich mit dem Einwand auseinander, dass diese herkömmliche These widersprüchlich sei: Denn einerseits wünsche Paulus - als wolle er den körperlosen Zustand vermeiden -, bei der Wiederkunft Christi noch am Leben zu sein. Gemäß der herkömmlichen These sei der körperlose Zustand nicht erstrebenswert, weil es sich nicht um ein vollwertiges menschliches Dasein handele. Andererseits sage Paulus aber, dass er den Leib verlassen wolle, damit er jetzt beim "Herrn“ sein kann. Fort vom Leib beim "Herrn“ sein, sei gemäß der herkömmlichen Sichtweise höher zu bewerten als die irdische Existenz. Hier liege aber der Widerspruch: Der angeblich so minderwertige Zwischenzustand erscheine nun gerade wegen seiner Körperlosigkeit als erstrebenswert, als Sein beim "Herrn“. Laut W. L. Craig lasse folgende Erklärung die herkömmliche These nicht mehr widersprüchlich erscheinen: Paulus sei in einer paradoxen Situation: Einerseits wolle er beim "Herrn“ sein, andererseits schrecke er vor der Körperlosigkeit zurück. Dann wolle er bis zur Wiederkunft Christi leben, finde jedoch kein Gefallen am weiteren Leben im "Zelt“. Die herkömmliche These bezüglich des Zwischenzustands vertritt auch R. O. Zorn 1989, 93-104.

 

M. Vogel 2000, 447-463 untersucht V. 3 unter sozialanthropologischer Perspektive. Leitend ist dabei die Frage, warum Paulus eigentlich etwas dagegen hat, "nackt erfunden“ zu werden, wo und wann auch immer. M. Vogel geht zunächst auf die neuere Auslegungsgeschichte des Verses ein, befasst sich dann mit Kleidern als Statusmerkmal, mit Nacktheit als Statuslosigkeit und Tod als Statusverlust und zieht danach Konsequenzen für die Interpretation von V. 3. Abschließend geht er auf 2 Kor 5,1-10 als Bestandteil der Apologie 2 Kor 2,14-7,4 ein.

 

D. Wenham 1987, 477-479 befasst sich mit der Frage, wie die Verben "heurethêsetai“ ("sie/es wird be-/gefunden werden“; 2 Petr 3,10) und "heurethêsometha“ ("wir werden befunden werden“) zu interpretieren sind. Als Hintergrund der Redeart in 2 Petr 3,10 macht D. Wenham Jesu Parabeln aus. In ihnen (vgl. Mt 24,46 / Lk 12,43; Mk 13,36; Lk 12,37-38) gehe es darum, dass ein Herr von seiner Abwesenheit nach Hause zurückkehrt und sich dort ein Bild davon macht, ob seine Knechte die ihnen aufgetragenen Arbeiten erledigt haben. Im Hinblick auf 2 Kor 5,3 sei in der Vergangenheit vorgeschlagen worden, dass es dort nicht um einen Zustand zwischen leiblichem Tod und Wiederkunft Christi gehe, sondern um die Scham, die sich einstellt, wenn man sich der Wiederkunft Christi und dem damit einhergehenden Gericht ausgesetzt sieht. Diese These habe jedoch keine allgemeine Unterstützung gefunden. D. Wenham bietet daher eine eigene Interpretation: Wie auch in 2 Petr 3,10 sei der Hintergrund der Redeweise in den Parabeln Jesu zu suchen, doch werde in 2 Kor 5,3 nicht die Erledigung der aufgetragenen Arbeiten geprüft, sondern die Menschen/Knechte selbst. Wer nackt befunden wird, werde ausgezogen schlafend angetroffen. Vor einem solch unvorbereiteten Dasein vor dem Jüngsten Gericht warne Jesus. Paulus wolle vorbereitet sein.

 

T. F. Glasson 1990, 145-155 merkt an, dass sich Paulus zwar platonischer Begrifflichkeit bediene ("Zelt“, "körperlos/nackt“), jedoch die platonische Lehre nicht übernehme. Er widersetze sich vielmehr einigen leitenden Vorstellungen, zu denen die Annahme eines körperlosen Zustandes im zukünftigen Dasein gehöre.

 

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V. 4

 

Beobachtungen: V. 4 besagt ausdrücklich, dass Paulus nicht entkleidet sein will, sondern überkleidet (oder: bekleidet). Folglich kennt der Apostel tatsächlich einen Zustand des Unbekleidetseins, den er vermeiden will. Vermieden wird er durch das Überkleidetwerden. Dass es sich tatsächlich um ein Überkleidetwerden und nicht nur um ein Bekleidetwerden handelt, lässt die Begründung "damit das Sterbliche vom Leben verschlungen werde“ (vgl. 1 Kor 15,53) vermuten. Wird ein Gewand über ein anderes gezogen, so wird dieses verhüllt und damit in gewisser Weise verschlungen. Im Hinblick auf den menschlichen Leib bedeutet dies: Der irdische Leib und die damit zusammenhängende Existenz, das Sterbliche, wird vom himmlischen Leib und der damit zusammenhängenden Existenz, dem Leben, verschlungen.

 

Es ist anzunehmen, dass das Sterbliche vom Leben verschlungen wird, wenn Paulus bis zur Wiederkunft Christi am Leben bleibt. Es ist nämlich kaum wahrscheinlich, dass dann auf die Entkleidung eine längere Zeit der Nacktheit folgt. Diese dürfte nur dann eintreten, wenn Paulus vor der Wiederkunft Christi stirbt. Zwar ist auch in diesem Fall der sofortige Erhalt einer himmlischen Kleidung/Behausung nicht ausgeschlossen (vgl. V. 1), doch würde sich die Frage stellen, wann denn überhaupt der Zustand der Nacktheit eintreffen könnte.

 

Wie in V. 2 spricht Paulus auch in V. 4 vom Seufzen. Diesmal entspringt es jedoch weniger der Sehnsucht als der Bedrückung. Es ist möglich, dass die Bedrückung mit der Furcht vor der Nacktheit zusammenhängt. Paulus würde sich dann davor fürchten, noch vor der Wiederkunft Christi zu sterben und bis dahin nackt zu sein.

 

Weiterführende Literatur: J. Lambrecht 1982, 237-248 liest V. 4c in seinem Zusammenhang und diskutiert dann die verschiedenen Aspekte des Verses.

 

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V. 5

 

Beobachtungen: Paulus sieht sich − und vermutlich auch die anderen Christen - dazu bereitet, überkleidet zu werden. Dies begründet er mit dem "Angeld des Geistes“, das von Gott gegeben ist. Der Begriff "arrabôn“ ("Angeld“) stammt aus der Rechts- und Geschäftssprache und meint eine Anzahlung, mit der ein Teil der Gesamtsumme vorweggenommen und ein Rechtsanspruch bestätigt wird. Als Angeld ist den Christen - vermutlich bei der Taufe - der (heilige) Geist gegeben, und zwar in ihre Herzen (vgl. 2 Kor 1,22). Wie der Geist wirkt, bleibt offen; es lässt sich nur sagen, dass er eine Vorbereitung auf die Überkleidung darstellt. Grob gesagt bewirkt er ein Wandeln im (heiligen) Geist, das ein Bleiben im Glauben an den "Herrn“ Jesus Christus und daraus resultierend sicherlich auch ein tadelloses Leben umfasst. Wer also geistgewirkt beim Glauben bleibt und ein tadelloses Leben führt, wird überkleidet werden und nicht nach der Entkleidung in einem nackten Zustand verweilen.

 

Nun verwundert, dass das "Angeld des Geistes“ sicherstellen sollte, dass Paulus bis zur Wiederkunft Christi am Leben bleibt, zumal der Apostel sich bewusst sein dürfte, dass ein Teil der Christen schon verstorben ist. Viel nachvollziehbarer wäre es, dass das "Angeld des Geistes“ zur Vollendung des Heils mit der Auferstehung oder Verwandlung am Ende der Tage führt. Für eine solche Interpretation spricht auch die Tatsache, dass der Geistbesitz nicht diejenigen Menschen, die vor der Wiederkunft Christi sterben, von denjenigen unterscheidet, die die Wiederkunft noch lebend erleben werden, sondern vielmehr die gläubigen Menschen von den ungläubigen.

 

Im Hinblick auf die Entkleidung und Bekleidung (oder: Überkleidung) würde dies bedeuten, dass Paulus zwar durchaus die Entkleidung und den folgenden Zustand der Nacktheit in Erwägung zieht, aber nicht im Hinblick auf diejenigen, die mit dem "Angeld des Geistes“ versehen sind. Dazu gehört ganz sicher er selbst. Da nicht ersichtlich ist, dass er die anderen Christen nicht im Besitze des "Angeldes des Geistes“ sieht, dürfte er auch die anderen Christen als für die Bekleidung (oder: Überkleidung) bestimmt ansehen. Nacktheit hätten die Gläubigen − im Gegensatz zu den Ungläubigen - also nicht zu befürchten. Aber wieso seufzt er dann bedrückt, als könnte ihn die Nacktheit doch sein Schicksal sein? Zunächst einmal ist zu bedenken, dass Paulus sich nur sicher ist, dass er eine Bekleidung erhalten wird (vgl. V. 1). Den sofortigen Erhalt ersehnt er nur (vgl. V. 2). Folglich kann er durchaus in Erwägung ziehen, dass er vorübergehend nackt sein wird. Eine vorübergehende Nacktheit würde jedoch eine Überkleidung mit der himmlischen Behausung ausschließen. Möglich wäre dann nur noch die Bekleidung. Und tatsächlich muss das Verb "ependyomai“ ja nicht mit "überkleidet werden“ übersetzt werden, sondern es kommt auch die Übersetzung "bekleidet werden“ in Frage. Paulus − und wahrscheinlich auch alle anderen Christen − wären demnach dazu bestimmt, mit einer himmlischen Behausung bekleidet zu werden. Im Gegensatz zu den Nichtchristen hätten sie keine dauerhafte Nacktheit nach dem leiblichen Tode zu befürchten. Da V. 4 jedoch als wahrscheinlicher annehmen lässt, dass das Verb "ependyomai“ mit "überkleidet werden“ zu übersetzen ist, ist folgende Deutung wahrscheinlicher: Paulus sieht die Christen dazu bestimmt an, überkleidet zu werden und nicht der Nacktheit zu verfallen. Da ein Teil der Christen schon verstorben ist und auch Paulus nicht sicher sein kann, dass er die Wiederkunft Christi noch zu Lebzeiten erleben wird, muss Paulus bei den Christen wie auch bei den Nichtchristen mit dem Tod rechnen. Christen werden jedoch bei dem Tod nicht (vollständig) entkleidet, sondern in irgendeiner Form überdauert der irdische Leib. Obwohl der irdische Leib zerfällt ("abgebrochen wird“) und der himmlische Leib erst bei der Wiederkunft Christi zuteil wird, sind auch die verstorbenen Christen in der Zwischenzeit nicht gänzlich leiblos. Paulus scheint also von irgendeiner Form der Kontinuität zwischen dem Sterben "in Christus“ und der Auferweckung bei Christi Wiederkunft auszugehen. Ausgeschlossen ist allerdings, dass der irdische Leib in das Himmelreich übergeht (vgl. 1 Kor 15,35-36). Der Leib, der übergezogen wird, ist von gänzlich anderer Art (vgl. 1 Kor 15,42-44).

 

Weiterführende Literatur: Angesichts der Verschiedenheit der Übersetzungen des griechischen Substantivs "arrabôn“ vermutet A. J. Kerr 1988, 92-97, dass einige Ausleger das Wort missverstanden haben. Daher untersucht er, welche Bedeutung das Wort andernorts im NT hat. Gewöhnlich sei "Pfand“ im Sinne eines Gegenstandes, der als Absicherung der Einhaltung eines Versprechens übergeben wird, nicht die korrekte Übersetzung. Ein "arrabôn“ sei infolge eines Vertrages gegeben worden, bei dem beide Seiten Verpflichtungen eingegangen sind. Ein solcher Vertrag unterscheide sich von Rechtsgeschäften, bei denen einer Seite keine Verpflichtungen zukommen, wie dies bei Schenkungen der Fall ist. Im Englischen lasse sich "arrabôn“ mittels keines Wortes und keiner Formulierung präzise übersetzen. Am angemessensten sei wohl die Übersetzung "a first instalment“ (etwa: "eine erste Anzahlung“).

Laut K. Erlemann 1995, 198 komme implizit durch die Rede vom Geist als "arrabôn“ der Heilsfülle die Naherwartung zum Ausdruck. Als terminus technicus des antiken Rechts bezeichne "arrabôn“ eine Vorleistung, die eine Zahlung der "Hauptsumme“ in einer absehbaren, nicht beliebig verlängerbaren Frist vorsieht. Die Berufung auf die Vor-Gabe des Geistes schließe damit die Garantie in sich, dass Gott in einer absehbaren Zeit seinen Heilsplan endgültig verwirklichen werde. Der Hauptakzent dieser Metapher liege freilich nicht auf dem temporalen Aspekt, sondern auf dem der Gewissheit des kommenden Heils.

F. W. Horn 1992, 391-392 macht deutlich, dass in V. 21-22 nicht ausgesagt werde, woraufhin dieses Angeld, das im Geist besteht, gegeben wird. Von der Motivgeschichte des "arrabôn“-Begriffs sowie von seiner ntl. Bezeugung könne es sich nur um eine zu erwartende größere Gabe handeln, auf die hin der Geist Angeld ist. Man werde hierbei an das Eschaton denken müssen.

E. Woodcock 1998, 139-163 geht der Frage nach, was es bedeutet, mit dem heiligen Geist versiegelt zu sein. Dabei befasst sich E. Woodcock auch mit der Bedeutung des Begriffs "arrabôn“ ("Angeld“). Es handele sich um eine Versicherung, dass das Erlösungswerk tatsächlich vollendet wird.

Y.-G. Kwon 2008, 525-541 hält die gängige Deutung des Begriffs "arrabôn“ als "Angeld“ für abwegig und plädiert für die Bedeutung "Zusicherung/Versprechen“. Es gehe nicht darum, dass der Geist schon Teil des Heils ist, also dieses zukünftige Heil schon in der Gegenwart beginnt, sondern der Geist sei nur eine Zusicherung des als zukünftig gedachten Heils.

 

L. L. Belleville 1996, 281-304 meint, dass die Bedeutung des (heiligen) Geistes in der Theologie des Paulus oft nicht angemessen gewürdigt werde. Sie befasst sich daher mit der Theologie des Geistes und fragt, wie sie die polemische und argumentative Haltung des Apostels in dem Zweiten Korintherbrief kreuzt. Gemäß 5,5 habe uns Gott bei der Bekehrung den Geist, der nun in uns wirkt, als Anzahlung gegeben, sodass wir ein ewiges Gewicht der Herrlichkeit (vgl. 4,17) hervorbringen. Daraus folge dreierlei: Erstens sei die Auferstehung/Umwandlung die unvermeidliche Konsequenz aus dem gegenwärtigen erneuernden Wirken des Geistes im Leben des Gläubigen. Zweitens werde das Leben nach der Auferstehung eine Form materiellen Daseins umfassen. Drittens sei es der Geist, der die Kontinuität zwischen der gegenwärtigen und der zukünftigen Daseinsweise wahrt.

 

R. Penna 1982, 401-431 diskutiert zunächst einige umstrittene Aspekte des Abschnittes 4,7-5,10, analysiert den Abschnitt dann unter der Überschrift "Die apostolischen Leiden zwischen Glaube und Hoffnung“ und geht danach auf dessen Anthropologie und Eschatologie ein. Die Anthropologie sei auf die körperlichen Aspekte des Menschen fixiert, doch finde sich auch eine übernatürliche Anthropologie, die sich des Wirkens des Geistes bewusst ist (vgl. 4,16; 5,5). Die grundlegende Eschatologie sei weder systematisch noch völlig klar.

J. A. du Rand 1999, 340-353 vertritt hinsichtlich 4,7-5,10 die Ansicht, dass Paulus’ Anthropologie nur im Lichte seiner Eschatologie zu verstehen sei und umgekehrt.

 

Einen knappen Einstieg in die Diskussion um die Einheitlichkeit oder die Entwicklung eschatologischer Vorstellungen im Corpus Paulinum bietet K. Erlemann 1992, 202-223, der darauf hinweist, dass 2 Kor 5,1-10 − neben 1 Thess 4,13-5,10; 1 Kor 15; Phil 1,23; 3,20-21 und Röm 14,7-8 − regelmäßig als Belegtext herangezogen werde. K. Erlemann untersucht in seinem Aufsatz den Bedeutungsgehalt der Metapher "Angeld des Geistes“ im Blick auf ihren rechtshistorischen Hintergrund und auf ihre Funktion im Kontext. Dabei kommt sowohl die Frage in den Blick, ob aus dem Fehlen von Naherwartungsaussagen in Texten wie 2 Kor 5,1-10 die Aufgabe dieser Vorstellung zu folgern ist, als auch die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von (kollektiver) Naherwartung und (individueller) Heilsgewissheit. K. Erlemann nimmt zunächst den Begriff "arrabôn“ als terminus technicus antiker Rechts- und Geschäftssprache in den Blick, fragt dann nach der Verwendung des Begriffs in religiösen Kontexten der vorneutestamentlichen Zeit und untersucht in einem dritten Schritt 2 Kor 5,1-11. Fazit: Die Rede vom Geist als "Angeld“ in V. 5 sei kein Indiz für eine Fortentwicklung der paulinischen Eschatologie, weg von der Erwartung einer kollektiven Parusie, hin zu einer individuellen Erwartung des Heils direkt nach dem Tod. Vielmehr sei grundsätzlich festzuhalten, dass das Fehlen einer Naherwartungs-Aussage in diesem Kontext keine systematischen Gründe hat, sondern sich aus einer bestimmten Fragestellung und der daraus resultierenden Argumentation heraus erklären lässt.

 

A. Lindemann 1991, 373-399 stellt fest, dass in 2 Kor 5,1-10 im Vergleich zu 1 Thess 4,13-18 und auch zu 1 Kor 15 die weitgehende Reduzierung des apokalyptischen Vorstellungsmaterials ins Auge falle: Die Bilder vom Engel, von der Trompete usw. seien verschwunden; nicht einmal von der Wiederkunft des "Herrn“ sei noch die Rede. Stattdessen benutze Paulus (in 2 Kor 5,2-4) eine anthropologische Metaphorik, die stärker auf das Individuum bezogen ist. A. Lindemann meint, dass diese sprachlichen und inhaltlichen Unterschiede nicht mit einer theologischen Wandlung und Individualisierung der Eschatologie des Apostels zu begründen seien, sondern mit einer erheblich veränderten Gemeindesituation. So setze sich Paulus in 2,14-7,4 − A. Lindemann hält diesen Abschnitt (ohne 6,14-7,1) für den ältesten Brief der seiner Meinung nach aus mehreren Briefen bestehenden nachträglichen redaktionellen Kompilation des Zweiten Korintherbriefs − nicht mehr mit verschiedenen korinthischen Parteiungen, die unterschiedliche Ansichten im Hinblick auf die Eschatologie vertraten, auseinander, sondern er sehe sich mit in Korinth aktiven gegnerischen Missionaren konfrontiert. Diese hätten eine traditionelle jüdische Eschatologie vertreten, die derjenigen des Paulus (vgl. 1 Kor 15) geähnelt hat. Damit gebe es nun keinen Grund, eschatologische Fragestellungen zu thematisieren. Da die gegnerischen Missionare jedoch eine Art "Herrlichkeits-Apostolat“ vertreten hätten, komme Paulus auf den apostolischen Dienst als ganzen zu sprechen. Angesichts der beeindruckenden Selbstdarstellung der fremden Missionare müsse er den korinthischen Christen jetzt zeigen, dass gerade der gegenwärtig sichtbaren "niedrigen“ apostolischen Existenz eine jenseitig-zukünftige Herrlichkeit entsprechen wird. U. Schnelle 1989, 37-48 geht im Gegensatz zu A. Lindemann dagegen davon aus, dass in zentralen Bereichen der paulinischen Eschatologie von einer Entwicklung, d. h. von einem der sich ändernden historischen Situation entsprechenden folgerichtigen Fortschreiten des Denkens des Apostels Paulus gesprochen werden könne.

Anders G. Lüdemann 1993, der vermutet, dass Paulus in 2 Kor 5,1-10 im Gegensatz zu 1 Kor 15 nicht mehr davon ausgehe, dass die Christen erst bei der Wiederkunft Christi ihren himmlischen Leib erhalten. Vielmehr nehme er nun an, dass sie unmittelbar nach ihrem leiblichen Tod den himmlischen Leib erhalten. Die Gründe für den Sinneswandel seien historischer und theologischer Art: Der historische Grund sei, dass Paulus angesichts der erlebten Lebensgefahr (vgl. 2 Kor 1,8-9) von der Annahme abgekommen ist, die Wiederkunft Christi noch vor seinem Tod zu erleben. Der theologische Grund sei die Verzögerung der Wiederkunft Christi.

Die Texte 1 Kor 15,50-57 und 2 Kor 5,1-5 vergleicht J. Gillman 1988, 439-454, der hinsichtlich des Gedankengangs beider Texte durchaus bedeutende Kontaktpunkte entdeckt. So liefere ersterer Text das Muster für die Entwicklung der Gedanken des zweiten Textes. Und das in 1 Kor 15,50-57 vorhandene Umwandlungsmotiv stelle das Modell für den komplexen Gebrauch von Bildern in 2 Kor 5,1-5 dar.

 

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V. 6

 

Beobachtungen: Dass Paulus aber angesichts möglicher Nacktheit seufzt, obwohl die Christen eigentlich dazu bestimmt sind, überkleidet (unwahrscheinlicher: bekleidet) zu werden, lässt sich damit erklären, dass die Bestimmung keine Garantie ist. Zwar wird mit der Taufe und dem mit ihr einhergehenden Erhalt des "Angeldes des Geistes“ von Gott die Zusicherung der Überkleidung gegeben, doch ist damit auch eine Forderung verbunden: die Forderung, christlich zu leben. Der von Gott gegebene Geist bewirkt das Vermögen, der Forderung nachzukommen. Ob der Christ tatsächlich der Forderung nachkommt, liegt jedoch an ihm selbst. So ist nachvollziehbar, dass Paulus in V. 6-9 auf den christlichen Lebenswandel zu sprechen kommt.

 

V. 6 verdeutlicht, warum Paulus überhaupt zuvor auf das "Angeld des Geistes“ zu sprechen gekommen ist: Der Apostel muss den Grund für seine Zuversicht deutlich machen, denn ein Zweifler mag einwenden, dass Jesus Christus, der "Herr“, noch nicht wiedergekommen ist und wir noch in unseren irdischen Leibern verweilen. Angesichts der oftmals nach der Taufe noch verbleibenden zahlreichen Lebensjahre samt Unwägbarkeiten bis hin zum möglichen Glaubensabfall scheint Paulus’ Zuversicht verwegen zu sein. Angesichts solcher möglicher Einwände ist nachvollziehbar, dass Paulus diese mittels des Hinweises auf die Gabe des Geistes und dessen Wirken zu entkräften sucht.

Angesichts der häufig langen Zeitdauer zwischen Taufe und leiblichem Tod und schließlich auch der Wiederkunft Christi stellt sich nämlich die Frage, wie ein zum Christentum bekehrter Mensch seiner Auferweckung und des Erhaltes eines himmlischen Leibes gewiss sein kann. Es ist zu bedenken, dass die Lebensjahre nach der Taufe Unwägbarkeiten beinhalten und es schlimmstenfalls zum Glaubensabfall kommen kann.

 

Das Verb "endêmeô“ bedeutet gewöhnlich "zu Hause sein“. Eine Übersetzung in V. 6 mit "zu Hause sein“ legt sich aber in V. 6 nicht nahe, weil mit der Übersetzung "zu Hause sein“ der Aspekt der Heimat mitschwingt, als wäre der irdische Leib, den er ja in V. 1 noch als "irdische Zeltbehausung“ bezeichnet hat, die Heimat, nach er sich sehnt. Das ist aber nicht der Fall, denn in seinem irdischen Leib weilt er ja fern vom "Herrn“. Nach dem "Herrn“ sehnt er sich. So ist "endêmeô“ in V. 6 besser mit "wohnen“ oder "verweilen“ zu übersetzen. Möglicherweise benutzt Paulus wegen der Ähnlichkeit mit dem Verb "ekdêmêo“ ("fern weilen von“ hier das Verb "endêmeô“. Dabei färbt der negative Beiklang des Verbes "ekdêmêo“ auf das Verb "endêmeô“ ab.

 

 

Weiterführende Literatur: M. E. Thrall 2002, 283-300 stellt die Frage, wie es sein kann, dass die Person des auferweckten Christen mit derjenigen des entschlafenen Christen identisch ist. Es sei anzunehmen, dass Paulus von einem dauerhaften persönlichen Wesen ausgeht. Sie untersucht die Begriffe "sôma“ ("Körper“), "pneuma ("Seele/Geist“) und "esô anthrôpos“ ("innerer Mensch“; vgl. die Gegenüberstellung mit dem "äußeren Menschen“ in 2 Kor 4,16-17) und geht auf 1 Thess 4,16; 2 Kor 5,1-10 und Phil 1,23 ein. Bezüglich 2 Kor 5,1-10 merkt sie an, dass sich aus diesem Abschnitt erhellen lasse, wie die Kontinuität über den leiblichen Tod hinaus von Paulus gedacht wird. Die Kontinuität sei vom irdischen Leib unabhängig, jedoch dazu bestimmt, schließlich eine körperliche Daseinsform anzunehmen. 5,1 lasse zwar annehmen, dass die Christen unmittelbar nach dem Tod mit einem himmlischen Leib versehen werden, doch in V. 6.8 scheine Paulus anzunehmen, dass er nach seinem Tode in einen körperlosen Zustand des Seins bei Christus übergehen werde. In gewisser Weise hätten wir nach dem Tode keinen Leib, zugleich aber doch einen. Dieser Widerspruch lasse sich lösen, wenn man einen allmählichen Übergang zur Herrlichkeit annimmt (vgl. 3,18), dessen Höhepunkt die Entwicklung eines Leibes der Herrlichkeit sei (vgl. Phil 3,21).

 

H. K. Nielsen 1986, 62-69 befasst sich mit der richtigen Übersetzung von V. 6, wobei er annimmt, dass das Partizip "eidotes“ ("wissend“) konzessive Bedeutung habe.

 

J. Murphy-O’Connor 1986, 214-221 vertritt die Meinung, dass es sich bei der Aussage V. 6b nicht um Paulus’ Meinung handele, sondern um diejenige seiner Gegner. Sie stamme von den in 1 Kor (v. a. 2-3) genannten "Geisterfüllten“ ("pneumatikoi“), die wahrscheinlich das empfänglichste Publikum der paulinischen Rivalen dargestellt hätten. Die "Geisterfüllten“ hätten Kriterien aufgestellt, nach denen "Apostel“ beurteilt werden sollten.

 

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V. 7

 

Beobachtungen: Paulus ist bewusst, dass der Mensch dazu neigt, nur das für wahr zu halten, was er sehen kann. Den Christen zeichnet aber - so Paulus - im Gegensatz zu den Nichtchristen aus, dass er ein Leben im Glauben führt und sich nicht nur an das Sichtbare hält. Die Wiederkunft Jesu Christi ist bisher genauso wenig sichtbar wie die Überkleidung mit dem himmlischen Leib; beides muss geglaubt werden. Wer an die Wiederkunft Christi, die Auferstehung von den Toten und die Überkleidung mit dem himmlischen Leib glaubt, der misst angesichts der zu erwartenden himmlischen Herrlichkeit der sicht- und spürbaren, im Rahmen der Verkündigung erlittenen leiblichen Leiden nur noch geringe Bedeutung bei (vgl. 2 Kor 4,17).

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 8

 

Beobachtungen: Paulus betont erneut seine Zuversicht. Aufgrund dieser Zuversicht, die aus dem Glauben resultiert, hängt er nicht am Sichtbaren, sondern sehnt sich vielmehr nach dem Augenblick, indem er vom Sichtbaren zum Unsichtbaren übergeht. In diesem Augenblick wird er aus dem (irdischen) Leib ausziehen und zum "Herrn“ ziehen, bei dem er fortan verweilen wird.

 

In V. 8 greift Paulus die schon in V. 6 benutzten Verben "ekdêmeô“ ("ausziehen“, "fern sein“) und "endêmeô“ ("hinziehen“, "zu Hause sein“) auf, wobei er das Bild von der Behausung weiterentwickelt. Er kommt auf die Behausung nun nicht mehr allein im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit zu sprechen, sondern - und das mit einem Schwergewicht - im Hinblick auf den Aspekt der Heimat. Paulus ist nicht im Sichtbaren, zu dem auch der irdische Leib gehört, zu Hause, sondern im Geglaubten, wozu auch der himmlische Leib gehört. Nach dem Augenblick, in dem er in das "Haus von Gott“ zu Jesus Christus, seinem "Herrn“, zieht, sehnt sich Paulus. Was mit der alten Zeltbehausung geschieht, spielt in V. 8 im Gegensatz zu V. 1 keine Rolle.

Die Weiterentwicklung des Gedankens geht mit einer Bedeutungsverschiebung der Verben "ekdêmeô“ und "endêmeô“ einher. Im Gegensatz zu V. 6 ist die Bedeutung beider Verben nicht mehr negativ, sondern positiv. "Ekdêmeô“ bedeutet nicht mehr "fern weilen von“, sondern "ausziehen“, bezeichnet also den ersten Schritt auf dem Wege zur Heimat. "Endêmeô“ bedeutet nicht mehr "wohnen“ oder "verweilen“ im Sinne des übergangsweise in der Fremde Wohnens oder Verweilens, sondern bedeutet "zu Hause sein“, und zwar dauerhaft in der Heimat zu Hause sein.

 

Weiterführende Literatur: D. E. Aune 2001, 215-239.309-316 legt dar, dass zwar diskutiert werde, inwiefern die anthropologischen Vorstellungen des Paulus von hellenistischen oder jüdischen Modellen geprägt sind, jedoch weitgehend Einigkeit herrsche, dass sein eschatologisches oder apokalyptisches Gedankengut jüdische Wurzeln habe. Nun gebe es aber einige wenige Stellen in den paulinischen Briefen, in denen anthropologische und eschatologische Fragestellungen zusammenlaufen: 1 Kor 15,50-57; 1 Thess 4,13-18; Phil 3,20-21; 2 Kor 4,16-5,10 und 5,17. In der Passage 4,16-5,10, der sich D. E. Aune widmet, liege ein Gemenge anthropologischer und eschatologischer Motive aus dem Hellenismus, frühen Judentum und frühen Christentum vor. Typisch sei für diese Passage, dass antithetisch die gegenwärtige Situation der Christen der zukünftigen Verwirklichung des Heils gegenüber gestellt werde. D. E. Aune geht der Bedeutung der anthropologischen und eschatologischen Vorstellungen in 2 Kor 4,16-5,10 nach und macht deutlich, dass nicht nur von hellenistischen und jüdischen Einflüssen auszugehen sei, sondern auch von eigenständig paulinischem Gedankengut.

"Apokalyptische Eschatologie“ und "hellenistische Eschatologie“ unterscheidet N. Walter 1985, 335-356. Unter "Apokalyptik“ versteht er jene historische Bewegung im Judentum der makkabäischen, hasmonäischen und herodianischen Zeit bis zum ersten und zweiten jüdischen Aufstand gegen Rom, die mit brennender eschatologischer Hoffnung auf das Ende "dieses Äons (= dieser Weltzeit)“ und den Anbruch "jenes Äons“, der "kommenden Welt“ oder des "Reiches Gottes“ wartete und diesen künftigen Umbruch zum Teil auch mit eigenen politischen Aktivitäten zu befördern suchten. Während die apokalyptische Eschatologie vom Vergehen des Himmels und der Erde spreche, spreche die hellenistische Eschatologie vom Irdischen als einem eh und je, seinem Wesen nach Vergänglichen, und setze ihre Heilserwartung auf die unvergänglichen Heilsgüter. So könne sich sogar Paulus in dem sonst durchaus apokalyptisch geprägten Kapitel 1 Kor 15 ausdrücken, deutlicher noch in 2 Kor 5,1-10; aber ganz eindeutig sei die Sprache des Hebräerbriefs so ausgerichtet. Hellenistische Eschatologie sei weit stärker als die apokalyptische Theologie schon im Ansatz kosmologisch ausgerichtet, wogegen bei der apokalyptischen Eschatologie temporalfuturische Hoffnungsaussagen im Mittelpunkt stünden. Mit der hellenistischen Eschatologie bei Paulus befasst sich auch N. Walter 1996, 53-64, der zur Unterscheidung von Apokalyptik und Eschatologie anmerkt, dass es sich bei der Eschatologie um eine eher "qualitative“ neben der eher "temporalen“ Art und Weise christlicher Hoffnung handele. Unter "hellenistisch“ versteht N. Walter den − zumal in der westlichen Diaspora des Judentums − allmählich stärker werdenden Einfluss griechischen Geistes in philosophischer und religiöser Hinsicht und das jüdische Eingehen darauf in Adaption, aber auch in Auseinandersetzung. Bezüglich 2 Kor 5,1-10 kommt er zu dem Ergebnis, dass Paulus nicht zu einer durch und durch hellenisierten Eschatologie gelange, sondern zu einer bewusst hellenisierenden Eschatologie.

N. Walter 1998, 109-127 meint, dass Paulus in 2 Kor 5,1-10 bewusst davon abgehe, von einem Leib der Auferstehung zu sprechen. Er komme damit wohl hellenistischem Denken ein Stück weit entgegen, aber ohne dabei das Besondere der in Christus begründeten Lebenshoffnung preiszugeben. Ähnlich U. Schnelle 2009, 669-695: 2 Kor 5,1-10 lasse deutlich eine veränderte Beurteilung der Leiblichkeit im Endgeschehen erkennen. Jetzt beziehe sich der "sôma“("Leib/Leiblichkeit“)-Begriff ausschließlich auf den irdischen Leib und werde negativ bewertet. Paulus greife bewusst den Begriff "Seele“ nicht auf, definiere aber zugleich die Auferstehungsexistenz nicht mehr explizit als "leibhaftige“ Existenz und nähere sich damit dem Denken der Korinther an. Für die Korinther sei der Leib als sichtbare, irdischvergängliche Größe von der endzeitlichen Erlösung ausgeschlossen gewesen. Eine Jenseitserwartung habe nur für den höheren Teil des Menschen, seine unsichtbare, geistbegabte Ich-Seele bestanden. Obwohl Paulus in 2 Kor 5,1-10 der korinthischen Gemeinde sehr weit entgegenkomme und sich wie sonst nirgendwo griechischer Denkmuster bediene, verlasse er seine Grundkonzeption dennoch nicht, wie die eschatologischen Aussagen des Römerbriefes zeigten.

Zur paulinischen Auferstehungsvorstellung siehe auch C. McDannell, B. Lang 1988, 32-37.

 

G. Haufe 1986, 436-463 befasst sich mit der individuellen Eschatologie des NT und geht dabei auch auf das paulinische Zeugnis ein. Zu 2 Kor 5,1-10 stellt er eine charakteristische Verbindung von persönlichem Zukunftsverlangen und einer unmittelbar mit dem Sterben verbundenen Erwartung fest, die noch eindeutiger im Philipperbrief wiederkehre.

A. J. Droge 1989, 14-21.42 geht angesichts der ungeklärten Todesumstände des Heidenapostels der Frage nach, ob dieser Selbstmord begangen hat. Ergebnis: Als mögliche Todesursachen kämen ein natürlicher Tod, Tod infolge von Strapazen und Gefahren auf den Reisen (vgl. Gal 4,13-14; 2 Kor 6,4-10; 11,25-27), Tod infolge von in Gefangenschaft erlittenen Misshandlungen (vgl. 2 Kor 11,23-25), Hinrichtung wegen Volksverhetzung (vgl. 2 Kor 1,8-9) oder Selbstmord infrage. Vermutlich habe Paulus den Selbstmord in Betracht gezogen und im Hinblick auf seine eigene Person auch für wünschenswert gehalten. Dennoch habe er ihn letztendlich nicht begangen, weil er dem gegenwärtigen Willen Gottes habe nachkommen wollen, dem Verkündigungsdienst. In der Antike sei der Selbstmord eine durchaus gängige Möglichkeit gewesen, sich irdischer Not und Unterdrückung zu entziehen. Erst seit der Zeit des Kirchenvaters Aurelius Augustinus sei der Selbstmord zunehmend moralisch verurteilt worden.

 

B. Lindars 1985, 766-782 meint, dass die Formulierung "daheim zu sein bei dem "Herrn’“ die Nähe der Entschlafenen zu Jesus Christus während des Wartens auf dessen Wiederkunft meine.

 

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V. 9

 

Beobachtungen: Um sicherzustellen, dass er auch wirklich zu Jesus Christus ziehen kann, bereitet sich Paulus auf das Ereignis vor. Die Vorbereitung besteht aus einem dem "Herrn“ wohlgefälligen Leben, das einerseits eigenes Bemühen, andererseits gemäß V. 5 aber auch das Wirken des Geistes voraussetzt.

Das Verb "philotimeomai“ (“sich bemühen“) beinhaltet das Substantiv "timê“ ("Ehre“). Als ein sich bemühender Christ ist Paulus folglich ein die Ehre liebender (= "philos“). Die Ehre sucht er jedoch nicht bei den Menschen zu erlangen, sondern bei Jesus Christus.

 

Rätselhaft ist die Wendung "daheim oder in der Fremde“, denn sie suggeriert, dass sich das Bemühen nicht nur auf das irdische Dasein bezieht, sondern auch auf das Dasein nach dem leiblichen Tod. Doch wie soll sich ein entschlafener Christ bemühen? Am ehesten ist anzunehmen, dass die Wendung nicht wörtlich zu nehmen ist, sondern schlicht und einfach besagt, dass es sich mit der ganzen Existenz vorzubereiten gilt. Sie entspricht inhaltlich also den Wendungen "ob wir wachen oder schlafen“ (vgl. 1 Thess 5,10) und "ob wir leben oder sterben“ (vgl. Röm 14,8).

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 10

 

Beobachtungen: Paulus geht davon aus, dass "wir alle“ vor dem Richterstuhl Christi erscheinen und Rechenschaft über unser Tun ablegen müssen. Bei dem Richterstuhl handelt es sich um eine "bêma“, also um das griechische Äquivalent für die römische "sella curulis“, einen tragbaren Armsessel, von dem aus die römischen Beamten als Richter fungierten.

"Wir alle“ meint sicherlich zunächst Paulus selbst und alle anderen Christen. Dass ein allgemeines Weltgericht im Blick ist, das alle Menschen - also auch die Nichtchristen - umfasst, ist möglich, jedoch nicht sicher.

 

Das, was jeder Beurteilte empfängt, entspricht dem, was er "durch den Leib“, d. h. zu Lebzeiten, getan hat. Da Paulus von guten und bösen Taten spricht, dürfte Jesu Christi Urteil nicht grundsätzlich positiv ausfallen. Mit dem Christsein ist folglich noch keine Garantie gegeben, vor dem Richter Jesus Christus Wohlgefallen zu finden. Wer zu Lebzeiten auf seinen Glauben nicht gute Taten hat folgen lassen, muss befürchten, vom Richter Jesus Christus verurteilt zu werden. So lässt sich erklären, dass Paulus eifrig bemüht ist, bei seinem Tun Jesus Christus bzw. Gott zu gefallen.

 

Paulus sagt nicht, wann das Gericht stattfinden wird. Es kann unmittelbar nach dem leiblichen Tod erfolgen oder aber auch erst bei der Wiederkunft Christi am Ende der Tage. Für letztere Möglichkeit spricht, dass der Apostel in den vorhergehenden erhaltenen Briefen, dem Ersten Thessalonicherbrief und dem Ersten Korintherbrief, einzig und allein ein Gericht bei der Wiederkunft Christi am Ende der Tage kennt. Es mag zwar sein, dass er seine Theologie dahingehend geändert hat, dass er nun davon ausgeht, dass jeder einzelne Christ (und vielleicht auch Nichtchrist) unmittelbar nach dem Tode ganz individuell im Gericht von Jesus Christus beurteilt wird, doch ist ein solcher theologischer Wandel nicht eindeutig aus 2 Kor 5,1-10 zu erschließen. Ein solcher theologischer Wandel würde auch neue Fragen aufwerfen, die beantwortet werden müssten: Wie ist das himmlische Dasein zwischen leiblichem Tod und der Wiederkunft Jesu Christi am Ende der Tage beschaffen? Wird am Ende der Tage das schon erfolgte Urteil bestätigt? Und: Unterscheidet sich das Sein beim "Herrn“ vor dessen Wiederkunft von demjenigen nach dessen Wiederkunft? Auf diese Fragen geht Paulus im Folgenden jedoch nicht ein. Auch wenn er in 5,1-10 den Adressaten Bekanntes in Erinnerung ruft (vgl. V. 1) und er möglicherweise in einem anderen Brief schon auf die Fragen geantwortet hat, so wäre dennoch zu erwarten, dass diese Antworten zumindest ansatzweise in den folgenden Kapiteln durchschimmern.

 

Der abschließende Hinweis auf das Jüngste Gericht enthält vermutlich deswegen keine Einzelheiten, weil es Paulus in erster Linie unterstreichen will, dass das "Angeld des Geistes“ nicht nur den Geber, Gott, in die Pflicht nimmt, sondern auch den Empfänger, den Getauften.

 

Weiterführende Literatur: K. L. Yinger 1999, 260-271 befasst sich mit dem Empfang des Lohns nach Werken in 2 Kor 5,10. Der Vers lehre keine Details über das Jüngste Gericht, sondern erkläre Paulus’ Motivation, dem "Herrn“ zu gehorchen. Der Apostel gehe davon aus, dass sich die Christen vor einem universalen Jüngsten Gericht rechtfertigen müssen und entsprechend ihren Taten mit ewigem Leben oder Tod belohnt bzw. bestraft werden.

Mit dem (scheinbaren) Widerspruch zwischen dem liebenden und gütigen Gott und dem grausamen und unversöhnlich strafenden Gott befasst sich M. Reiser 1999, 456-468, der sich zwei Fragen zuwendet: Wie hat sich Paulus nach Auskunft seiner Briefe das Gericht Gottes gedacht? Finden wir bei ihm den grausamen und in alle Ewigkeit unversöhnlich strafenden Richter? Ergebnis: Bei Paulus und auch im gesamten NT sei nichts zu finden von einem solch grausamen und in alle Ewigkeit unversöhnlich strafenden Richter und schon gar nichts von einem, der den Menschen das äußerste Böse antun wollte ohne Absicht sie zu bessern.

 

 

Literaturübersicht

 

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