2 Kor 8,16-24
Übersetzung
2 Kor 8,16-24:16 Dank aber sei (dem) Gott, der den gleichen Eifer für euch in das Herz des Titus gibt. 17 Denn er nahm zwar das Ersuchen an; weil er aber so eifrig war, trat er aus eigenem Entschluss die Reise zu euch an. 18 Wir haben (aber) zusammen mit ihm den Bruder geschickt, dessen Lob in Sachen des Evangeliums durch alle Gemeinden [geht]. 19 Aber nicht nur [das], sondern er ist auch von den Gemeinden zu unserem Reisebegleiter bestimmt worden bei diesem Gnadenwerk, das von uns besorgt wird zur Ehre des Herrn und zum [Erweis] unseres guten Willens. 20 So wollen wir verhindern, dass uns jemand wegen dieser von uns besorgten reichen Gabe verdächtigt. 21 Denn wir sind auf [das] Gute bedacht, nicht nur vor [dem] Herrn, sondern auch vor [den] Menschen. 22 Wir haben mit ihnen aber [auch] unseren Bruder geschickt, den wir in vielen Dingen oft als Eifrigen bewährt fanden, jetzt aber als einen [noch] viel Eifrigeren im großen Vertrauen auf euch. 23 Ob [ich nun] für Titus [rede]: Er ist mein Gefährte und [mein] Mitarbeiter unter euch, oder ob es unsere Brüder [sind]: Sie sind Abgesandte der Gemeinden [und] Ehre Christi. 24 Den Erweis eurer Liebe und [der Berechtigung] unseres Rühmens euretwegen erbringt nun ihnen gegenüber, vor den Gemeinden!
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Nachdem Paulus in 8,7-15 die Adressaten mit vorsichtigen Worten zu einer großzügigen Geldspende für die Jerusalemer Gemeinde ermahnt hat, knüpft er nun wieder an V. 6 an, wo es heißt, dass er Titus zur Beendigung der von ihm begonnenen Kollekte ermahnt hat.
Gott gibt in das Herz des Titus den gleichen Eifer für die Korinther, wofür Paulus dankt. Es stellt sich jedoch die Frage, mit wessen Eifer Paulus denjenigen des Titus vergleicht. In Frage kommt sein eigener Eifer und auch derjenige der makedonischen Christen. Für die Beantwortung der Frage ist zu klären, worauf sich der Eifer bezieht.
Weiterführende Literatur: K. J. O’Mahony 2000 liest 2 Kor 8-9 unter rhetorischen Gesichtspunkten, wobei er auch einen Überblick über die bisher vorgebrachten rhetorischen Leseweisen gibt, zu denen auch die umfangreiche Studie H. D. Betz 1993 gehört.
Mit der Zuordnung der Kollektenkapitel 2 Kor 8-9 zur Korinther-Korrespondenz und mit 2 Kor 9, dem Kollektenbrief an die Gemeinden Achaias, befasst sich B. Beckheuer 1997, 120-177.
C. H. Talbert 1989, 359-370 versucht Argumente für die Annahme zu liefern, dass es sich bei 2 Kor 8-9 um einen einheitlichen Gedankengang handele, dessen Anfang und Ende von dem Wort "charis“ (8,1: "Gnade“; 9,15: "Dank“) begrenzt wird, und dass dieser einheitliche Gedankengang eng mit 2 Kor 7 verbunden sei.
Welches Verhältnis zwischen Paulus und seinen Adressaten aus dem Abschnitt 2 Kor 8 zu erschließen ist, thematisiert S. J. Joubert 1992, 101-112.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Der Eifer bezieht sich auf einen erneuten Besuch in Korinth. Aus 8,1-6 ging hervor, dass der Besuch nur das Ziel haben kann, die Kollekte in Korinth zu vollenden. Dies war bei dem letzten Besuch nicht möglich, weil erst die Unstimmigkeiten zwischen Paulus (und seinen Mitarbeitern) und den korinthischen Gemeindegliedern ausgeräumt werden mussten. Nachdem dies geschehen war und Paulus von dem nach Makedonien zurückgekehrten Titus die entsprechende freudige Nachricht übermittelt bekommen hatte, konnte Paulus nun die Beendigung der Geldsammlung in der Gemeinde ins Auge fassen und Titus einen erneuten Besuch in Korinth nahe legen. Titus nimmt die Aufforderung an, doch muss er sich nicht bitten lassen; er tritt die erneute Reise aus eigenem Entschluss an. In diesem Punkt gleicht sein Eifer demjenigen des Paulus.
Zwar zeigen auch die makedonischen Gemeinden Eifer, und zwar im Hinblick auf die eigene Durchführung und Vollendung der Kollekte, doch ist nicht ausdrücklich davon die Rede, dass er auch die korinthische Gemeinde - konkret die Vollendung der dortigen Kollekte - betrifft. Daher dürfte der Titus’ Eifer demjenigen des Paulus entsprechen.
Weiterführende Literatur:
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Titus ist nicht alleine nach Korinth geschickt worden, sondern er wird von zwei Gefährten begleitet, wobei Paulus in V. 18 auf den ersten und in V. 22 auf den zweiten zu sprechen kommt. Ob die Drei zur Zeit der Abfassung der Ausführungen über die Kollekte schon abgereist sind, ist unklar. Die Verbformen im Aorist lassen dies zunächst annehmen, doch verwundert, dass die Abgesandten ohne die Empfehlung 8,16-24 abgereist sein sollten. Diese Empfehlung benötigen sie bei ihrer Ankunft, damit sie mit einer wohlwollenden Aufnahme rechnen können. Zwei Schlüsse kann man anhand dieser Beobachtung ziehen: Entweder machen die Drei vor ihrer Fahrt nach Korinth noch in einem anderen Ort Station, sodass die Empfehlung zu diesem Ort nachgeschickt oder gleich nach Korinth gesandt werden kann, wo sie noch vor den drei Gesandten ankommen müsste; oder - was wahrscheinlicher ist - der Aorist gibt die Sichtweise der Adressaten wieder: Wenn sie das Schreiben zu lesen bekommen, dann ist die Abreise der Abgesandten samt den damit zusammenhängenden Ereignissen schon erfolgt. Zur Zeit der Abfassung der Empfehlung seitens des Paulus (und vielleicht auch des Timotheus; vgl. 1,1) wären die Drei dann noch nicht auf Reise, sondern diese stände unmittelbar bevor. Das Schreiben würde ihnen dann mitgegeben werden.
V. 18 geht auf den ersten Begleiter des Titus ein. Sein Name wird nicht genannt; er wird schlicht und einfach als "der Bruder“ bezeichnet. Das heißt nicht, dass er der leibliche Bruder des Paulus ist, sondern er ist vermutlich ein Glaubensbruder, d. h. ein Christ. Sein Lob geht "im Evangelium“ ("en tô euangeliô“) - gemeint ist wahrscheinlich "in Sachen des Evangeliums“ durch die Gemeinden. Die Formulierung "in Sachen des Evangeliums“ dürfte all das beinhalten, was zur Verbreitung des Evangeliums beiträgt, an erster Stelle auch die Verkündigung. Welche Gemeinden gemeint sind, sagt Paulus nicht. Vermutlich konkretisiert er absichtlich nicht, denn er will allgemein sagen, dass sich "der Bruder“ in der Kirche im Hinblick auf das Evangelium einen guten Ruf erworben hat.
Weiterführende Literatur: Ausführlich mit der Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem befasst sich A. Wodka 2000, der auf S. 209-226 auf 2 Kor 8,18-9,5 eingeht.
K. L. McKay 1995, 154-158 befasst sich mit der Deutung der Aoristformen der Verben. Er vertritt folgende These: Titus sei nach dem Treffen mit Paulus nicht lange in Makedonien geblieben, sondern sei bestrebt gewesen, wieder nach Korinth zurückzukehren und Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Kollekte nachzugehen. Daher habe Paulus einen "Bruder“ als Begleiter mitgeschickt. Dann, wahrscheinlich nach nur einer kurzen Zeitspanne, habe Paulus sich entschlossen, diesen Brief zu schreiben und ihn einem weiteren geschätzten "Bruder“ nach Korinth mitzugeben. K. L. McKay begründet diese These damit, dass sich gemäß V. 18 nur ein "Bruder“ mit Titus gemeinsam auf den Weg nach Korinth gemacht habe. In V. 22 werde zwar auch hinsichtlich des anderen Bruders das Verb "synpempô“ gebraucht, doch sei dieses hier vermutlich nicht "mitschicken“ sondern "zur Hilfe schicken“ zu übersetzen.
J. E. Morgan-Wynne 1979, 172-173 setzt sich kritisch mit der These auseinander, dass es aufgrund der ungünstigen Bedingungen keine Bildung einer Tradition hinsichtlich der apostolischen Zeit gegeben habe, die dem Autor der Apostelgeschichte hätte vorliegen können. Verschiedene Passagen der paulinischen Briefe zeigten sehr wohl, dass die Tätigkeiten der Apostel und das Fortschreiten der christlichen Mission in der frühen Kirche mit Interesse verfolgt wurden, und dass die Bildung der Gemeinden und ihr weiteres Fortbestehen Thema von Predigten waren. Insbesondere verweist J. E. Morgan-Wynne auf die seiner Meinung nach bisher übersehene Textstelle 2 Kor 8,18-19.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Darüber hinaus ist "der Bruder“ zum Reisebegleiter des Paulus bestimmt worden. Das mit "bestimmen“ übersetzte Verb "cheirotoneô“ bedeutet genau genommen "durch das Ausstrecken der Hand/Hände ab-/bestimmen/erwählen“. Die Bestimmung ist also durch das Ausstrecken der Hände erfolgt, womit das Heben der Hand/Hände bei der Abstimmung oder das Auflegen der Hand als Zeichen der Bestimmung und damit auch der Entsendung gemeint sein kann.
Wenn "der Bruder“ zum Reisebegleiter des Paulus bestimmt worden ist, so ist damit nicht gemeint, dass sich auch Paulus zusammen mit den drei Abgesandten nach Korinth begibt. Es geht vielmehr um die Reise mit dem gesammelten Geld nach Jerusalem. Auf dieser Reise soll "der Bruder“ Paulus begleiten.
Die Bestimmung ist "von den Gemeinden“ erfolgt. Wiederum sagt Paulus nicht, welche Gemeinden er konkret im Blick hat. Die Bestimmung dürfte sicherlich nicht von allen existierenden Gemeinden erfolgt sein, sondern nur von den makedonischen Gemeinden oder vielleicht auch nur derjenigen (makedonischen) Gemeinde, in der sich Paulus gerade befindet. Wiederum konkretisiert Paulus vermutlich absichtlich nicht, denn er möchte, dass die Reisebegleitung "des Bruders“ als möglichst von der Gesamtheit der Christen legitimiert erscheint und nicht nur von einigen wenigen Gemeinden oder gar nur einer einzigen Gemeinde.
Es fällt auf, dass Paulus den Reisebegleiter nicht von der korinthischen Gemeinde hat bestimmen lassen, obwohl er dies gemäß 1 Kor 16,3-4 geplant hatte. Auch scheint er sich inzwischen dazu entschlossen zu haben, die Kollekte persönlich zu überbringen. Die Gründe für diese Änderungen sind unbekannt. Sollten Paulus im Hinblick auf die möglichen korinthischen Reisebegleiter angesichts der zwischenzeitlichen Verstimmungen Bedenken gekommen sein?
Die Kollekte an sich und deren Überbringung bezeichnet Paulus als "Gnade(nwerk)“ ("charis“). Es ist ein Gnadenwerk gegenüber der Jerusalemer Gemeinde. Es dient der Ehre Gottes, also nicht in erster Linie der eigenen Ehre, und dem Erweis des "guten Willens“ ("prothymia“). In 8,11-12 hat dieser Begriff die Bereitschaft zur (großzügigen) Spende bezeichnet. Diese Bereitschaft soll jedoch nicht beim Wollen verbleiben, sondern auch die Vollendung beinhalten. Die Vollendung erfolgt in drei Schritten: Zunächst ist die Kollekte in den Gemeinden, auch in der korinthischen, abzuschließen, dann ist das Geld nach Jerusalem zu überbringen und schließlich an die dortige Gemeinde zu übergeben. So bekundet sich in der tatsächlich geleisteten Hilfe der gute Wille, in finanzielle Not geratene Glaubensbrüder und -schwestern zu unterstützen.
Weiterführende Literatur: D. Georgi 1994 geht der wechselvollen Geschichte der Kollekte nach. Er geht davon aus, dass sie zweimal neu aufgenommen worden sei. Im Rahmen der zweiten Neuaufnahme seien der Empfehlungsbrief für Titus und seine Begleiter (2 Kor 8) und der Rundbrief an die Gemeinden Achaias (2 Kor 9) geschrieben worden, die er auf S. 51-79 behandelt.
Laut A. Lindemann 2001, 199-216 sei die Kollekte zugunsten der Armen in Jerusalem, gemäß der Aussage des Paulus in Gal 2,10, auf dem sog. "Apostelkonzil“ vereinbart worden. Es handele sich um eine freiwillige, offenbar einmalige Aktion mit primär sozialer Zielsetzung, d. h. es sei wirklich um die materielle Unterstützung von tatsächlich armen Christen in Jerusalem gegangen. Darüber hinaus sei die Kollekte offenbar auch ein Akt der Demonstration kirchlicher Einheit, insbesondere ein Zeichen der Verbundenheit der (überwiegend) heidenchristlichen Gemeinden des paulinischen Missionsgebiets mit der judenchristlichen Urgemeinde in Jerusalem gewesen. Die ausführlichste Erörterung des Kollektenthemas finde sich in 2 Kor 8-9. Dabei spreche die literarkritische Analyse des Briefes für die Annahme, dass es sich bei 2 Kor 8 und 9 um zwei ursprünglich selbstständige Briefe handelt, deren jeweiliges Präskript und Postskript im Zusammenhang der Redaktion des "Zweiten Korintherbriefs“ entfernt wurden, die im übrigen aber weit gehend vollständig erhalten zu sein scheinen. Einiges spreche für die Vermutung, dass der Brief 2 Kor 8 nach Korinth gerichtet war, der eine etwas andere Tendenz zeigende Brief 2 Kor 9 hingegen, wie aus 9,2 hervorgehe, an christliche Gemeinden im übrigen Achaia. Über die zeitliche Abfolge der beiden Briefe lasse sich nichts sagen. Wenn die Annahme zutrifft, dass sich die Briefe an unterschiedliche Adressaten wenden, könnten sie praktisch zeitgleich verfasst worden sein.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Den Reisebegleiter hat Paulus bestimmen lassen, weil er verhindern möchte, dass man ihn wegen der von ihm besorgten reichen Gabe verdächtigt. Ihm abgeneigte Gemeindeglieder könnten ja munkeln, dass Paulus die stolze Summe nur gesammelt habe, um sich insgeheim an ihr zu bereichern und sie nicht in Gänze zu überbringen. Je größer die Summe ist, desto weniger fällt ja Selbstbereicherung auf.
Weiterführende Literatur:
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Paulus ist auf das "Gute“ bedacht. Dazu gehört, dass er die Kollekte ungeschmälert überbringt. Würde er keinen Reisebegleiter mitnehmen, der ihn kontrolliert, so wüsste nur der "Herr“, also Gott (s. u.), dass sich Paulus nicht selbst bereichert hat. Den Menschen bliebe jedoch Raum für Spekulationen. Damit es nicht zu solchen kommt, sondern die Rechtschaffenheit des Paulus auch kontrolliert werden kann, bedarf es (mindestens) eines Reisebegleiters.
Da der "Kontrolleur“ zunächst in Korinth mithelfen muss, die Kollekte zu beenden, stellt sich die Frage, wie er und Paulus, der ja nicht mit den Gesandten nach Korinth kommt, gemeinsam die Reise nach Jerusalem unternehmen können. Es gibt drei Möglichkeiten: Entweder kommt Paulus nach Korinth nach, von wo aus beide die Reise nach Jerusalem starten; oder der "Kontrolleur“ kehrt zum Aufenthaltsort des Paulus - vermutlich ein Ort in Makedonien (vgl. 2 Kor 7,5-7) - zurück und die gemeinsame Reise beginnt von dort; oder Paulus und der "Kontrolleur“ reisen zunächst zu einem dritten Ort, von wo aus sie dann nach Jerusalem starten. Da in 2 Kor 9,4 davon die Rede ist, dass Paulus mit einigen Makedoniern nach Korinth kommen wird und dort dann alles bereitet sein soll, ist vermutlich die erstgenannte Möglichkeit zutreffend.
Hintergrund von V. 21 dürfte Spr 3,3-4LXX sein, wo es heißt, dass sich der Fromme Güte und Treue auf die Tafeln seines Herzens schreiben solle, dann werde er Gunst und Anerkennung in den Augen Gottes und der Menschen finden. Paulus bezieht den Vers in abgewandelter Form auf sich und legt den Akzent auf die Beurteilung seitens der Menschen: "nicht nur vor [dem] Herrn, sondern auch vor [den] Menschen.“ Mit dem "Herrn“ dürfte hier Gott, nicht Jesus Christus, gemeint sein.
Weiterführende Literatur:
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: V. 22 kommt auf den weiteren "Bruder“ zu sprechen, der Titus und den anderen "Bruder“ begleitet. Wiederum dürfte es sich nicht um einen leiblichen Bruder, und zwar denjenigen des Paulus (oder gar auch denjenigen des Timotheus), handeln, sondern um einen Glaubensbruder, d. h. einen Christen.
Es verwundert, dass Paulus von den beiden Glaubensbrüdern nicht die Namen erwähnt, obwohl dies gerade in einer Empfehlung Sinn machen würde. Bleiben die beiden "Brüder“ deshalb anonym, damit Titus als Anführer der Gesandtschaft erscheint? Dann wäre verwunderlich, warum Paulus das besondere Ansehen der beiden Begleiter so betont. Sollen die beiden Begleiter erst in Korinth namentlich vorgestellt werden? Dann wäre fraglich, warum Paulus den Korinthern die Namen bis dahin vorenthält. Oder sind die Namen etwa nachträglich, vielleicht bei der Entstehung des biblischen Kanons, nachträglich getilgt worden? Dann wären Hinweise darauf im textkritischen Apparat zu erwarten. Auch bliebe der Grund für eine solche Tilgung offen. Man könnte darauf verweisen, dass sich die beiden Begleiter möglicherweise später des Fehlverhaltens schuldig gemacht haben. Das wäre jedoch reine Spekulation. Fazit: Der Grund für die fehlende Nennung der Namen ist unbekannt.
Der zweite erwähnte "Bruder“ wird als besonders eifrig dargestellt, wobei er sich "in vielen Dingen“ bewährt habe. Was darunter zu verstehen ist, bleibt offen. Der Eifer bezieht sich wohl nicht nur auf die Kollekte, sondern allgemein auf die Sache Christi, die "viele Dinge“ umfasst (vgl. V. 18), darunter sicherlich an erster Stelle die Verkündigungstätigkeit. Die Bezeichnung "unser Bruder“ lässt annehmen, dass es sich um einen langjährigen und guten Mitarbeiter des Paulus handelt.
Der Eifer dieses "Bruders“ ist jetzt aufgrund seines Vertrauens auf die Korinther noch größer. Diese allgemeine Formulierung besagt vermutlich, dass der Eifer noch durch die zu erwartenden großzügigen Spenden und den zu erwartenden Abschluss der Kollekte angespornt wird. Im Hinblick auf die Korinther dürfte er also vor allem auf die Kollekte bezogen sein. Sollte es sich bei "unserem Bruder“ um einen Makedonier handeln, so könnte es sein, dass Paulus deswegen den angespornten Eifer herausstellt, um möglichen Rivalitäten zwischen der korinthischen Gemeinde und denjenigen in Makedonien vorzubeugen. Es soll deutlich werden, dass sich der zweite Begleiter des Titus nicht nur lokalpatriotisch daheim engagiert, sondern sich im Vertrauen auch auf entfernt wohnende Christen, in diesem Fall die Korinther, ebenso in fremden Gemeinden einsetzt.
Weiterführende Literatur:
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Die Tatsache, dass Paulus "unseren Bruder“ nicht ausdrücklich als Gefährten und Mitarbeiter bezeichnet, sondern "nur“ als "Abgesandten der Gemeinden“ und "Ehre Christi“, spricht gegen die Annahme, dass es sich um einen engen Mitarbeiter gehandelt haben könnte, der Paulus auf dessen Reisen begleitet hat. Er scheint zwar hinsichtlich der Verbreitung des Evangeliums aktiv gewesen zu sein und verschiedentlich mit Paulus zusammen gearbeitet zu haben, doch scheint er weniger mit diesem auf Reisen als daheim gewesen zu sein. Welcher Gemeinde er und der andere Bruder angehören, schreibt Paulus auch in V. 23 nicht.
In V. 23 nennt Paulus die zuvor mit "der Bruder“ und "unser Bruder“ bezeichneten beiden Abgesandten "unsere Brüder“. Daraus ist zu schließen, dass aus der zuvor benutzten Bezeichnung "unser Bruder“ kein engeres Verhältnis als aus der Bezeichnung "der Bruder“ hervorgeht. Der Grund, warum Paulus das eine Mal das Possessivpronomen "unser“ benutzt, das andere Mal aber nicht, ist unklar. Der einzige wirklich dauerhafte und enge Mitarbeiter und Gefährte von Paulus scheint Titus zu sein.
Die beiden Glaubensbrüder sind "apostoloi“, also "Abgesandte“, und zwar der Gemeinden. In dieser Funktion sollen sie einen bestimmten, zeitlich begrenzten Dienst versehen. Dass sie Jesus persönlich kennengelernt haben oder er ihnen in irgendeiner Form erschienen ist, steht nirgends. Der Begriff ist also nicht in gleichem Maße Ehrenbezeichnung, wie wenn Paulus von sich selbst als "Apostel“ spricht. Auch sind die beiden Abgesandten nicht mit den "zwölf Aposteln“, den Jüngern Jesu, in Verbindung zu bringen.
Die beiden Abgesandten sind zwar nicht von Jesus Christus selbst beauftragt, sondern von den Gemeinden, doch arbeiten sie in dessen Sinne und werden daher von Paulus als "Ehre Christi“ bezeichnet.
Weiterführende Literatur: H. Evans 1979, 207-209 legt dar, dass von Titus nicht bekannt sei, dass er gepredigt, gelehrt oder geschrieben hat. Er sei in erster Linie ein Praktiker, ein Organisationstalent gewesen. Er sei von Paulus als gleichberechtigter Partner angesehen worden. Paulus habe auch anerkannt, dass Titus "Werkzeug“ Gottes ist. Von diesen Beobachtungen ausgehend macht sich H. Evans Gedanken zum gegenseitigen Umgang im Gemeindeleben und zum Bewusstsein, Gottes "Werkzeug“ zu sein.
Mit der Formulierung "Ehre Christi“ in 2 Kor 8,23 befasst sich J. R. Harrison 2010, 156-188. Gewöhnlich werde sie auf dem Hintergrund der "Gottesknechtlieder“ (Jes 42.49.52-53) und Prophetie (Jes 60.62) Jesajas oder kontextuell in Verbindung mit den Geschwistern, die zur "Ehre des Herrn“ wirken (2 Kor 3,18; 8,19), erklärt. J. R. Harrison dagegen verweist auf Ehreninschriften, Dion Chrysostomos' Rhodische Rede und den imperialen Kontext der "Herrlichkeit“. In der römischen Republik hätten die Familien der Nobilität nach Ansehen und Ehre gestrebt und die Vorfahren dabei übertrumpfen wollen. Mit dem Triumph des Augustus über seine Gegner in der Schlacht von Actium im Jahre 31 v. Chr. seien Ansehen und Ehre zuvörderst dem Herrscher und seiner Familie zugekommen. Er sei es nun gewesen, der die Klienten unter sich versammelte und ihnen Wohltaten zukommen ließ. Auch die aristokratische Elite des östlichen Mittelmeerraumes sei für das eigene politische Fortkommen und kommunale Projekte von dessen Wohlwollen abhängig gewesen. Mit dem Wirken des Paulus sei jedoch ein geradezu kontrastierendes Verständnis von Ehre aufgekommen. Gemäß diesem sollte nun die Ehre einem Armen, dem von den Römern gekreuzigten Christus zukommen, auch wenn Paulus verkündete, dass der Kaiser weiterhin zu ehren sei. Nun seien die Wohltaten von dem Gekreuzigten erwartet worden.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Die Korinther sollen den Erweis ihrer Liebe bringen. Doch wem soll die Liebe gelten? Titus und seinen beiden Begleitern? Oder den makedonischen Gemeinden? Oder Paulus selbst? V. 24 bezieht sich wie das gesamte achte Kapitel auf die Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem. Folglich soll die Liebe wohl den Jerusalemer Christen gelten, die in einer großzügigen Spende Ausdruck bekommt.
Auch das Rühmen der Korinther durch Paulus bezieht sich auf die Kollekte. In 8,7 hat Paulus geschrieben, dass sie an allem überreich seien, an Glauben und Rede und Erkenntnis und an allem Eifer und der Liebe. Das Ziel des Rühmens ist, dass die Korinther, nachdem die Verstimmung beigelegt ist, die bereits begonnene Kollekte freigebig fortsetzen und in einer Art "Schlussspurt“ zu einem Ende bringen. Zwar hat Paulus die Korinther auch vor Titus gerühmt (vgl. 7,14), doch ging es ihm in diesem Fall darum, die Bedenken des Titus auszuräumen, dass die Korinther ihm eine freundliche Aufnahme verwehren und sie in der Gegnerschaft zu Paulus verharren könnten. Diese Bedenken sind nach dem Besuch des Titus aber ausgeräumt. Ein Bezug auf 7,14 ist angesichts der geänderten Lage unwahrscheinlich.
Der Erweis der Liebe und der Berechtigung des Rühmens soll "ihnen“ gegenüber erfolgen. Da den Jerusalemer Gemeindegliedern die Kollekte zugute kommt, ist zunächst anzunehmen, dass sie mit "ihnen“ gemeint sind. Doch warum sollte den Jerusalemer Gemeindegliedern die Berechtigung des Rühmens der Korinther seitens des Paulus erwiesen werden, wo sie doch bei dem Rühmen vermutlich nicht anwesend waren? Das Rühmen ist - in welchem Maße auch immer - vermutlich am Aufenthaltsort des Paulus - gemäß 7,5-6; 9,2 in Makedonien - erfolgt, möglicherweise im Beisein des Titus und der beiden Abgesandten der Gemeinden. Da diese Drei mit der Vollendung der Kollekte in Korinth befasst sein werden, wird am ehesten ihnen die Berechtigung des Rühmens - und auch die Liebe der Korinther den Jerusalemer Gemeindegliedern gegenüber - erwiesen werden. Folglich meint "ihnen“ vermutlich Titus und seine beiden Begleiter.
Da die beiden Glaubensbrüder, die Titus begleiten, Abgesandte der (makedonischen?) Gemeinden sind, werden die Liebe und die Berechtigung des Rühmens auch vor diesen erwiesen.
Weiterführende Literatur:
Literaturübersicht
[ Hier geht es zur Übersicht der Zeitschriftenabkürzungen ]
Beckheuer, Burkhard; Paulus und Jerusalem: Kollekte und Mission im theologischen Denken des Heidenapostels (EHS R. XXIII; 611), Frankfurt a. M. u. a. 1997
Betz, Hans Dieter; 2. Korinther 8 und 9: ein Kommentar zu zwei Verwaltungsbriefen des Apostels Paulus (Hermeneia-Kommentar), Gütersloh 1993
Evans, Harold; An Apostolic Partner, ET 90 (1979), 207-209
Georgi, Dieter; Der Armen zu gedenken: die Geschichte der Kollekte des Paulus für Jerusalem, Neukirchen-Vluyn, 2., durchges. und erw. Aufl. 1994
Harrison, James R.; The Brothers as the “Glory of Christ” (2 Cor 8:23): Paul’s Doxa Terminology in Its Ancient Benefaction Context, NT 52/2 (2010), 156-188
Joubert, S. J.; Behind the mask of rhetoric: 2 Corinthians 8 and the intra-textual relation between Paul and the Corinthians, Neotest 26/1 (1992), 101-112
Lindemann, Andreas; Hilfe für die Armen. Zur ethischen Argumentation des Paulus in den Kollektenbriefen II Kor 8 und II Kor 9, in: C. Maier u. a. [Hrsg.], Exegese vor Ort, FS P. Welten, Leipzig 2001, 199-216
McKay, Kenneth L. Observations on the Epistolary Aorist in 2 Corinthians, NT 37/2 (1995), 154-158
Morgan-Wynne, John E.; 2 Corinthians 8,18f. and the question of a Traditionsgrundlage for Acts, JTS 30/1 (1979), 172-173
O’Mahony, Kieran J.; Pauline Persuasion: A Sounding in 2 Corinthians 8-9 (JSNT.S; 199), Sheffield 2000
Talbert, Charles H.; Money Management in Early Mediterranean Christianity: 2 Corinthians 8-9, RExp 86 (1989), 359-370
Wodka, Andrzej; Una teologia biblica del dare nel contesto della colletta paolina (2 Cor 8-9) (Tesi Gregoriana, Serie Teologia 68), Roma 2000