Röm 2,1-11
Übersetzung
Röm 2,1-11:1 Darum bist du unentschuldbar, o Mensch, jeder, der richtet. Worin du nämlich den anderen richtest, verurteilst du dich selbst; denn du, der du richtest, tust ja dasselbe. 2 Wir wissen aber, dass das Gericht (des) Gottes in Wahrheit über diejenigen ergeht, die solches tun. 3 Bildest du dir etwa (dies) ein, o Mensch, der du diejenigen richtest, die solches tun, und es [doch selbst] tust, dass du dem Gericht (des) Gottes entrinnen wirst? 4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte und Geduld und [seines] Langmutes und verkennst, dass die Güte (des) Gottes dich zur Buße führen will? 5 Mit deinem Starrsinn und [deiner] Unbußfertigkeit des Herzens häufst du dir selbst Zorn auf für [den] Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts (des) Gottes, 6 der jedem nach seinen Werken vergelten wird: 7 Den einen, die durch beständiges gutes Werk Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit erstreben, ewiges Leben; 8 den anderen aber aufgrund von Selbstsucht und weil sie der Wahrheit ungehorsam, aber dem Unrecht hörig sind, Zorn und Grimm. 9 Not und Angst über jede Menschenseele, die das Böse tut, des Juden zuerst, [aber] auch des Griechen; 10 aber Herrlichkeit, Ehre und Friede jedem, der das Gute tut, [dem] Juden zuerst, [aber] auch [dem] Griechen. 11 Denn es gibt kein Ansehen der Person bei (dem) Gott.
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Beobachtungen: Nachdem 1,18-32 die Heiden in den dunkelsten Farben gemalt und als frevelhaft und unsittlich lebend dargestellt hat, spricht Paulus nun in 2,1 völlig unvermittelt den Menschen als Individuum direkt an. Dieses Individuum ist dadurch charakterisiert, dass es sich selbst über die Frevler und Unsittlichen erhaben fühlt und über sie moralisch richtet.
Worin dieser Mensch jedoch den anderen richtet, verurteilt dieser sich selbst, denn er tut dasselbe. Ob das bedeutet, dass auch der Angesprochene Götzendienst betreibt, gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen nachgeht und den abgrundtief schlechten Charakter, wie er in 1,29-31 beschrieben wird, besitzt, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass Paulus allgemein sagen will, dass der fiktive Gesprächspartner nicht aus der Masse der Sünder herausgehoben ist und deshalb kein Recht hat zu richten. Dazu passt, dass er den fiktiven Gesprächspartner allgemein als „Mensch“ anspricht und damit auf die gleiche Ebene der Menschen stellt, von denen in 1,18-32 die Rede ist. Dass dort von Heiden die Rede ist, geht nur aus dem Inhalt des Abschnitts hervor, denn „Heiden“ („ethnê“) werden dort nicht explizit genannt.
Doch wer ist dieser fiktive Gesprächspartner? Da es sich in 1,18-32 bei den „Menschen“ um Heiden handelte und es keinen Hinweis darauf gibt, dass Paulus in 2,1 einen Angehörigen einer anderen Menschengruppe meinen könnte, ist zunächst an einen Heiden zu denken. Da er jedoch in 1,18-32 pauschal alle Heiden sehr negativ dargestellt hat, lässt der Gedankengang nicht einen Heiden - am ehesten wäre an einen heidnischen Moralphilosophen zu denken - als moralischen Richter annehmen. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Christen und die Juden angesichts der Heiden die Nase rümpfen könnten. Da sich der Brief an Christen wendet, ist bei dem fiktiven Gesprächspartner am ehesten an einen Christen zu denken, angesichts der mehrheitlich heidenchristlichen Adressaten (vgl. 1,5-6) vielleicht konkret an einen Heidenchristen. Allerdings lässt die allgemeine Bezeichnung „Mensch“ eine genaue Identifizierung nicht angemessen erscheinen. Der „Mensch“ kann jeder Mensch sein, der die in 1,18-32 genannten Heiden mit Hochmut betrachtet, sei es ein Heide - konkret: heidnischer Moralphilosoph -, Heiden- oder Judenchrist oder Jude.
Die Anrede eines fiktiven Gesprächspartners ist typisch für die Diatribe („diatribê“ = „Unterredung“), eine von rhetorischen Fragen, Zitaten und Sprüchen, ironischen Aussagen, fiktiven Reden, Paradoxien sowie Antithesen und Parallelismen geprägte Unterredung. Dabei ist jedoch nur der Gesprächspartner an sich fiktiv, nicht jedoch dessen Gedankengut. Dieses ist durchaus real und dürfte Paulus bei verschiedenen Begegnungen mit Menschen begegnet sein.
V. 1 stellt eine Schlussfolgerung dar („dio“ = „darum“), wobei sich jedoch das Problem stellt, dass eine solche aufgrund von 1,18-32 kaum möglich ist. Zwar spricht auch 1,20 von der Unentschuldbarkeit, doch geht es hier darum, dass unentschuldbar ist, wer Gott kennt und dennoch die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhält. Solche Menschen trifft Gottes Zorn, sie sind des Todes schuldig (vgl. 1,18.27.32). Die logische Verbindung von 1,18-32 zur Schlussfolgerung 2,1a stellt 2,1b-2 dar: Gottes Gericht ergeht in Wahrheit über diejenigen, die solches tun (2,2). Solches tun zum einen die Heiden, zu anderen aber auch diejenigen, die moralisch richten (2,1b).
Weiterführende Literatur: Sprachliche, kontextuelle, inhaltliche und textgeschichtliche Beobachtungen führen W. O. Walker 1999, 533-552 zu der Schlussfolgerung, dass mindestens 1,19-2,1, vermutlich aber darüber hinausgehend 1,18-2,29 ein nichtpaulinischer Einschub sei.
S. K. Stowers 2003, 351-369 vertritt die Ansicht, dass in Röm 2,1-4,2 sowohl (feierliche) Anreden als auch „prosôpopoiia“ und Dialoge vorkämen. „Prosôpopoiia“ seien durch geschriebene oder gesprochene Worte gekennzeichnet, die eine bestimmte Person oder einen erkennbaren Charaktertyp nachahmen. Die meisten „prosôpopoiia“ seien von den Adressaten damals vermutlich ohne Probleme erkannt worden. 2,1-16 und 2,17-29 seien (feierliche) Anreden, die den nachfolgenden Dialog (3,1-8; desweiteren: 3,27-4,2) einleiten. Sie dürften die „prosôpopoiia“ für die damaligen Leser kenntlich gemacht haben.
R. Penna 1990, 111-117 untersucht zwei Thesen bezüglich des Abschnitts 1,18-2,29: a) Der Abschnitt gebe die Praxis und den Inhalt der Missionspredigt des Apostels wieder. b) Der Abschnitt nehme jüdische Schemata und Inhalte auf, womit er weder eigentümlich paulinisch noch christlich sei. R. Penna sieht den Inhalt – mit Ausnahme von 2,16b – als nicht spezifisch christlich an. Den christlichen Charakter erhalte dieser erst durch seinen Rahmen und seine Funktion.
Zum Zusammenhang zwischen der geschlossenen Einheit 1,18-32 und der Entfaltung der Schlussfolgerung „Deshalb gibt es für sie keine Entschuldigung.“ (V. 20) in 2,1 siehe B. Frid 2006, 109-130.
D. Swancutt 2004, 42-73 entwirft einen „topos“ des stoischen Weisen und versucht zu bestimmen, auf welcher Grundlage die Stoiker kritisiert wurden und welche Vorstellungen und Handlungen im 1. Jh. n. Chr. Griechen und Römer mit ihnen verbanden. Stoiker seien als Heuchler verrufen gewesen, die einerseits die Verweiblichung der Sexualität unterstützten, sich andererseits aber den Anschein gaben, die Leidenschaften auszulöschen, natürlich zu leben und sich und andere Menschen perfekt zu zügeln. 1,18-2,16 erhalte eine Vielzahl von Anspielungen auf diesen „topos“ des heuchlerisch stoischen Weisen. Dieser werde ebenso kritisiert wie seine Behauptung, dass sich mittels der Achtgabe auf die Natur Belohnungen wie das ewige Leben erlangen ließen. Die Kritik werfe die Frage auf, wie solche Weise, die vorgeben, natürlich zu leben, und doch wider die Natur handeln, andere Menschen „Weisheit“ können. Die Antwort laute, dass die heuchlerischen, stoischen Weisen zur Lehre der „Weisheit“ nicht befähigt seien.
In Röm 2 werde laut J. D. G. Dunn 1991, 295-317 immer klarer, dass Paulus die jüdische Annahme einer nationalen Aussonderung und Privilegierung zu entkräften sucht. Die Annahme, die dem typisch jüdischen Verständnis und der Praxis der Bundesgesetzlichkeit zugrunde liege und am deutlichsten in der herausragenden Bedeutung der Beschneidung ihren Ausdruck finde, betrachte er als gleichsam „unter der Macht der Sünde“ (3,9) und als Gottes Zorn unterworfen (1,18), gleich wie die anderen Sünden kreatürlicher Anmaßung, wie sie (von den Juden) gewöhnlich mit den Heiden verbunden würden. Angesichts der Macht der Sünde und dem Gericht Gottes sei der Besitz des Gesetzes kein Schutz (2,12-16), Bundesstatus keine Sicherheit (2,17-24), stelle Beschneidung keine Garantie dar (2,25-29).
G. P. Carras 1992, 183-207 deutet Röm 2 wie folgt: Es handele sich weder um eine propagandistische Verunglimpfung der Juden, noch würde das gesamte Judentum charakterisiert. Vielmehr würden jüdische Ideale diskutiert, wobei die Diskutierenden zwei Juden seien, die verschiedene Sichtweisen einnehmen. Einer der beiden verurteile die anderen Menschen, sei der „Kritiker“. Er nehme für sich in Anspruch, von Gott anders behandelt zu werden als die Nichtjuden. Ihm gebühre eine gnädige Behandlung seitens seines Gottes. Paulus nehme die andere Sichtweise ein, werfe dem „Kritiker“ vor, gegen die eigenen Glaubensüberzeugungen zu verstoßen, indem er für sich andere Maßstäbe der Beurteilung beanspruche. Die Juden hätten zwar eine herausragende Stellung inne, doch sei das nicht so zu deuten, dass Nichtjuden vom Heil ausgeschlossen sind. Der Gott der Juden handele und beurteile gerecht und unparteiisch.
Laut O. Wischmeyer 2006, 356-376 sei Röm 2 kein antijudaistischer Text, sondern zunächst Teil des innerjüdischen Israel-Diskurses, von dem er sich aber zugunsten einer universalen Verurteilung der Menschheit vor Gottes Forum fortentwickelt und damit universal-anthropologische Dimensionen annimmt. Die Heftigkeit der Polemik gegen bestimmte Juden resultiere aus der unerhörten These des Paulus, auch gesetzestreue Juden, die im Bund leben, seien vor Gott nicht gerecht, sondern schuldig. Um die Leserschaft von dieser These zu überzeugen, bediene Paulus sich einer so starken diatribischen Polemik, dass diese Texte trotz ihres Schulcharakters und ihrer anthropologischen Intention antijudaistisch wirken.
Umstritten ist, ob Paulus in 1,18-3,20 davon ausgeht, dass das gesamte Gesetz erfüllt werden kann oder nicht. Den Bruch im Gedankengang des Abschnittes legt deutlich H. Räisänen 1983, 97-109 dar, der sich auch mit der bisherigen Diskussion auseinandersetzt und die entsprechende Literatur nennt: In 1,18-3,20 behaupte Paulus, dass niemand das gesamte Gesetz erfüllen kann. Der Grund dafür sei, dass alle, Juden wie Heiden, unter der Sünde sind (vgl. 3,9). Paulus beginne mit einer Anklage gegen die heidnische Welt (vgl. 1,18-32) und zeige dann die Sündigkeit der Juden auf (vgl. 2,1-29). Gemäß 2,1-3 tue der Jude dasselbe wie die Heiden. Der Jude, der das Gesetz besitzt und beschnitten ist, werde zwar deutlich von dem Heiden unterschieden, letztendlich seien aber alle vor dem unparteiisch richtenden Gott gleich. Diesen Ausführungen widersprächen jedoch 2,14-15.26-27. So würden zwar die Juden als Übertreter des Gesetzes dargestellt, doch von den Heiden – zumindest einem Teil von ihnen - werde gesagt, dass sie, die das Gesetz nicht haben, dieses von Natur aus tun. Angesichts dieses merkwürdigen Sachverhaltes gebe es seitens der Ausleger verschiedene Versuche, die Widersprüche aufzulösen oder zumindest zu glätten: a) Nur einige Vorschriften würden von den Heiden gehalten, nicht alle. Somit seien sie weiterhin sündig. b) Paulus spreche von einem hypothetischen Fall, der nicht eintreffe. c) Die Verse 2,14-15.26-27 seien im Lichte von Röm 8,4 (vgl. Jer 38,33LXX) zu verstehen. Demnach sei nicht von Heiden, sondern von Heidenchristen die Rede. d) Das griechische Substantiv „ethnê“ bezeichne hier nicht die Heidenvölker, sondern Völker, die in einer bestimmten Weise theologisch qualifiziert sind, wie Christen als Gottes endzeitliches Volk, Juden und Heiden „typologisch“ verstanden, endzeitliche Juden oder Juden und Heiden, die schon von Christus und dem heiligen Geist beeinflusst werden. Gegen alle diese Thesen ließen sich jedoch Einwände anbringen: zu a) Zumindest 2,26-27 sei mit Sicherheit nicht als teilweises, sondern als vollständiges Halten des Gesetzes zu deuten. zu b) Fiktion sei nicht ersichtlich. c) Von 2,9 an würden Juden und Griechen einander gegenübergestellt. In diesem Zusammenhang sei schwerlich anzunehmen, dass „ethnê“ eine andere Bedeutung als „Nichtjuden“ hat. d) Es handele sich um Spekulationen, die schon durch die klare Gegenüberstellung von Juden und Griechen in 2,9-10 ausgeschlossen würden. Angesichts dieser Einwände geht H. Räisänen davon aus, dass Paulus sich unbewusst tatsächlich widerspricht, was er folgendermaßen erklärt: Die Heiden stellten in dem Gedankengang Röm 2 nur ein Mittel zum Zweck dar. Paulus habe an ihnen selbst kein Interesse. Ihm gehe es nur darum, die Schuld der Juden zu beweisen. Nur zu diesem Zweck erschienen plötzlich die Heiden, die das Gesetz erfüllen, und verschwänden genauso plötzlich wieder. Sie würden nur als Waffen gebraucht, um die Juden zu schlagen. Hinsichtlich der Frage, ob alle Menschen unter der Sünde sind und somit das Gesetz nicht halten können, sei sich Paulus unschlüssig. Es sei anzunehmen, dass er – wie auch die Juden – nicht von der überzogenen Forderung ausgeht, dass das Gesetz zu hundert Prozent gehalten werden muss, denn das wäre wirklich unmöglich. Wahrscheinlich sei, dass Paulus durchaus zugesteht, dass das Gesetz im Großen und Ganzen gehalten werden kann. C. E. B. Cranfield 1990, 77-85 setzt sich ausgiebig mit den Ausführungen von H. Räisänen auseinander. Er geht der Frage nach, ob Paulus Einstellung dem Gesetz gegenüber tatsächlich so widersprüchlich und durcheinander ist, wie H. Räisänen annehmen lasse. Er macht folgende kritische Anmerkungen: Paulus komme in seinen Briefen zwar auf verschiedene Aspekte des Gesetzes zu sprechen, eine systematische Abhandlung zu diesem Thema finde sich bei ihm aber nirgends. Desweiteren sei eine Schwierigkeit, dass sich viele der Aussagen im Zusammenhang einer Kontroverse finden. H. Räisänens Ansatz sei zu vereinfachend, die Antworten auf offene Fragen sollten aus dessen Sicht zugleich einfach und richtig sein, das sei aber oft nicht zu haben. Es dürfe nicht vergessen werden, dass es verschiedene Muster der Übereinstimmung geben kann. Aufgrund des zu vereinfachenden Ansatzes erkenne H. Räisänen nicht, dass die von Paulus benutzten Begriffe geeignet sind, den Gedanken der Erfüllung auszudrücken, und zwar sowohl hinsichtlich des perfekten Gesetzesgehorsams, der nur Jesus möglich war, als auch hinsichtlich des durch den heiligen Geist angeregten, nicht perfekten Gesetzesgehorsams, der vom gütigen Gott ebenso willkommen geheißen werde.
D. A. Campbell 1995, 140-167 hinterfragt den traditionellen Ansatz, wonach dem Abschnitt 1,18-3,20 ein einziges argumentatives Ziel zugrunde liege. Demnach werde ausgesagt, dass es ein Gericht nach Werken gebe. Vor diesem könne aber niemand bestehen, weil alle Menschen gesündigt haben. Daraus folgere, dass alle Menschen der unverdienten Rechtfertigung aufgrund der Gnade Gottes und des Heilshandelns Christi bedürfen. Diese Rechtfertigung sei ab 3,21 Thema. D. A. Campbell hält für wahrscheinlicher, dass Paulus zwei Argumentationsstränge entwickele, wobei einer vom Bund handele (vgl. Röm 2), der andere von der grundsätzlichen menschlichen Sündigkeit, womit die zunächst vorausgesetzte Vorstellung vom Gericht nach Werken untergraben und letztendlich als falsch dargestellt werde. J.-N. Aletti 1996, 153-177 geht ausführlich auf D. A. Campbells These ein. Auf der Grundlage einer abweichenden rhetorischen Analyse von Röm 1-4 diskutiert er anschließend die Funktion von Röm 2 innerhalb des Gedankengangs, wobei er auf die einzelnen Abschnitte (2,12-16.17-24.25-29) und deren jeweilige Funktion eingeht. Schließlich geht er dem Verlauf des Gedankengangs nach und untersucht die Gesamtlogik. 1,18-3,20 sei eine zusammenhängende Einheit. Die Spannung mit Röm 7 sei weniger auf Röm 2 als vielmehr auf 3,10-18 zurückzuführen.
A. Ito 1995, 21-37 liest Röm 2 auf dem Hintergrund von Dtn 27-30. Die deuteronomistischen Segnungen und Flüche bildeten den Rahmen des Abschnittes. Die „Heiden“, die von Natur aus die Forderungen des Gesetzes tun (vgl. 2,14), seien wahrscheinlich Heidenchristen. Die Verurteilung der Juden beruhe auf deren Versagen, als ganze Nation das gesamte Gesetz zu befolgen. Angesichts der Gesetzesübertretungen (vgl. 2,21-23) könne man sagen, dass sich die Juden in einem Zustand des Exils befinden. Paulus gebe Röm 2 deshalb keinen spezifisch christlichen Charakter, weil er vermeiden wolle, dass sich die Heidenchristen in Rom angesichts der Juden rühmen.
Laut T. F. Morris 1987, 285-291 könne 2,1 als Aussage über den Gebrauch des Gesetzes als Götze verstanden werden. Wenn es keine gefühlte Notwendigkeit für Rechtfertigung gäbe, dann gäbe es auch keine Freude am Richten, sondern wir würden uns dabei schlecht fühlen. Es gäbe keine gefühlte Notwendigkeit der Rechtfertigung, wenn es nicht das Gefühl gäbe, dass man gerichtet oder als begehrend befunden werden könnte. Also stamme die Leidenschaft des Götzenkultes des Richters von seiner Gesetzeskenntnis. Die Parallele zwischen Röm 7,7-8 und 1,19-2,1 zeige auf, wie es kommt, dass Gesetzeskenntnis zu jeglicher Begehrlichkeit führt.
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Beobachtungen: Weil V. 2 die gedankliche Verbindung von 1,18-32 zu 2,1 darstellt, liegt der Gedanke nahe, dass aus ungeklärter Ursache die ursprüngliche Reihenfolge vertauscht wurde und der ursprünglich V. 1 vorangehende V. 2 hintangestellt wurde. Diese Annahme ist jedoch rein hypothetischer Natur.
Die Formulierung „kata alêtheian“ („gemäß [der] / in Wahrheit“) kann zum einen besagen, dass das Gericht Gottes einen wesentlichen Bestandteil der „Wahrheit“ darstellt, zum anderen aber auch den Maßstab angeben, an dem sich das Gericht orientiert. Der Maßstab wäre demnach die „Wahrheit“. Paulus konkretisiert den Begriff hier nicht weiter, sodass dessen genaue Bedeutung offen bleibt. Da Paulus für sich in Anspruch nimmt, die „Wahrheit“ zu verkündigen (vgl. 2 Kor 4,2; 6,7; 11,10; 12,6; 13,8; Gal 4,16; Röm 9,1), dürfte sich aus den zentralen theologischen Aussagen des Apostels erschließen lassen, was unter der „Wahrheit“ als Maßstab für das Gericht zu verstehen ist: Gott ist Schöpfer und als solcher zu verehren (vgl. Röm 1,25); nicht menschliche Weisheit oder das genaue Befolgen von Satzungen und Geboten der Tora führen zur Rechtfertigung vor Gott, sondern allein das die Sünden der Menschen sühnende Kreuzigungsgeschehen (vgl. 1 Kor 1,18-31; Gal 3,1-5,12; Phil 3,1-11); durch seine Auferweckung von den Toten hat Jesus Christus den Tod überwunden, sodass schließlich auch die Gläubigen auferstehen werden und letztendlich der Tod vernichtet wird (vgl. 1 Thess 4,13-18; 1 Kor 15,1-58); das Heilsgeschehen gilt es zu glauben, wobei sich wahrer Glaube in einem gottgefälligen Leben zeigt (vgl. 1 Thess 4,1-12; 5,1-22; Gal 5,1-6,10; Phil 2,1-11; 4,1-9).
Das „Gericht Gottes“ gemäß V. 2 dürfte zu einer Verurteilung führen, denn aus V. 1 geht hervor, dass derjenige, der Frevelhaftes und Unsittliches tut, verurteilt wird.
Weiterführende Literatur: Gemäß T. H. Tobin 1993, 298-318 habe Paulus polarisiert, wobei zwischen ihm und der christlichen Gemeinde in Jerusalem aufgrund seiner Theologie ein Graben entstanden sei. Um die Auseinandersetzung zu entschärfen, habe er herauszustellen versucht, dass seine umstrittenen Thesen zur Sündhaftigkeit von Juden und Heiden tatsächlich in den jüdischen Schriften und in der jüdischen Theologie gründen. Diese Strategie versucht T. H. Tobin anhand von 1,18-3,20 nachzuweisen.
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Beobachtungen: V. 3 setzt die Ausführungen V. 1-2 fort und macht deutlich, dass für die moralisch Richtenden keine Ausnahmeregelung gilt. Da V. 3 zwar V. 1 voraussetzt, umgekehrt jedoch V. 1 nicht V. 3, ist unwahrscheinlich, dass es sich bei V. 1 um eine nachträglich eingefügte Glosse handelt.
Der fiktive Gesprächspartner, der sich anmaßt, über andere Menschen moralisch zu richten, mag sich zu der Vorstellung verleiten lassen, dass er dem Zorn Gottes entrinnen wird. Aus der rhetorischen Frage geht hervor, dass es sich bei dieser selbstherrlichen Vorstellung um eine Einbildung handelt, die nicht den Tatsachen entspricht. Tatsache ist, dass auch diejenigen, die sich ein moralisches Urteil über sündhaft lebende Menschen anmaßen, selbst Sünder und damit dem Gericht Gottes unterworfen sind.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: V. 4 nennt den Grund, weshalb sich die moralisch Richtenden in Sicherheit wägen mögen: Sie setzen auf den Reichtum seiner Güte und Geduld und seines Langmutes.
Der griechische Begriff „chrêstotês“ meint eigentlich „Brauchbarkeit“. Gott will sich brauchen lassen, Gutes tun. Insofern ist er hier als „Güte“ zu verstehen.
Die beiden griechischen Begriffe „anochê“ und „makrothymia“ sind in etwa gleichbedeutend und mit „Geduld“ bzw. „Langmut“ zu übersetzen. Gott ist also gegenüber den Menschen geduldig und langmütig.
Diejenigen, die über andere Menschen richten, mögen angesichts des Reichtums von Gottes Güte, Geduld und Langmut davon ausgehen, dass Gott ihre vermeintlich nicht weiter erwähnenswerten Sünden erträgt und nicht weiter ahndet. Dabei handelt es sich aber gleich in zweifacher Hinsicht um eine Fehleinschätzung: Zum einen wird das Ausmaß der Sündhaftigkeit des eigenen Verhaltens unterschätzt, sodass die Notwendigkeit der eigenen Umkehr übersehen wird, zum anderen wird übersehen, dass Gottes Güte, Geduld und Langmut den Sünder nicht in seinem sündhaften Leben belassen, sondern ihm Zeit zur Umkehr geben will. Dadurch, dass der selbstherrlich richtende Mensch Gottes Güte, Geduld und Langmut nicht zur eigenen Umkehr nutzt, verachtet er sie und unterwirft sich selbst dem göttlichen Gericht und der Verurteilung.
Das griechische Substantiv „metanoia“ ist als eine Buße im Sinne der Umkehr zu verstehen. Voraussetzung für eine solche Umkehr ist die Wahrnehmung des eigenen Fehlverhaltens. Nur bei einer solchen Wahrnehmung sieht sich der Mensch veranlasst, sein Verhalten zu korrigieren. Der Begriff „Umkehr“ ist dem Bild vom Handeln als Wandeln auf einem Weg entnommen. Wer frevelhaft und unsittlich handelt, wandelt auf dem falschen Weg, also auf einem, der Gott nicht gefällt. Wer sein Verhalten korrigiert, kehrt auf dem falschen Weg um und begibt sich auf den rechten, gottgefälligen. Der Sinneswandel kann von Bußhandlungen wie Gebet, Fasten oder Almosen begleitet werden.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Starrsinn (sklêrotês) wird insbesondere im deuteronomistischen Geschichtswerk - zu erwähnen ist insbesondere Dtn 9,27LXX, wo auch das in Röm 2,5 benutzte Wort „sklêrotês“ benutzt wird - dem Volk Israel vorgeworfen. Dieses fällt immer wieder von seinem Gott JHWH ab und wendet sich anderen Göttern zu. Der Vorwurf des Starrsinns lässt bei der Identifizierung des fiktiven Gesprächspartners an einen Juden denken. Ihm kann Paulus Starrsinn nicht nur im Hinblick auf seine durch Gesetzlichkeit verursachte Selbstgefälligkeit, sondern auch im Hinblick auf die fortwährende Verweigerung der Annahme des Christusglaubens vorwerfen. Auch die Unbußfertigkeit des Herzens (ametanoêtos kardia) lässt an einen Juden denken. Zwingend ist diese Identifizierung des fiktiven Gesprächspartners jedoch nicht, weil jeder Mensch, der seine eigene Sündhaftigkeit nicht erkennt, unbußfertig und starrsinnig ist.
Die Unbußfertigkeit wird mit dem Herzen, dem Sitz des Denkens und Wollens, in Verbindung gebracht. Auch die Buße ist somit Sache des Herzens.
Das Verhalten des moralisch richtenden Menschen, der sein eigenes Fehlverhalten nicht bemerkt bzw. in seinem Umfang nicht richtig einschätzt, erregt den Zorn Gottes. Aufgrund der fehlenden Umkehr wird fortwährend Zorn aufgehäuft. Das griechische Verb „thêsaurizein“ bedeutet eigentlich „ansammeln“, wobei es sich bei dem Angesammelten um einen Schatz, also etwas Positives, handelt. Die Verwendung des Verbes an dieser Stelle weist auf einen gewissen ironischen Unterton hin.
Der Zorn Gottes ist eine Vorstellung, die in der gesamten hebräischen Bibel (= AT) verbreitet ist, wobei vom „Tag des Zorns“ insbesondere bei dem Propheten Zefanja die Rede ist (vgl. 1,15.18; 2,2-3; 3,8). Paulus greift den Gedanken auf. 2,5 lässt annehmen, dass es sich bei dem „Tag des Zorns“ um den Zeitpunkt handelt, an dem der Zorn Gottes seinen Höhepunkt und deutlichsten Ausdruck findet. Da sich vermutlich der Zorn Gottes schon vorher offenbart (vgl. 1,18), dürfte es sich bei dem Gericht Gottes nicht um die erste und einzige Offenbarung des Zornes handeln.
Angesichts dieses Sachverhaltes stellt sich die Frage, ob Ähnliches auch für die Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes gilt. Der Wortlaut von V. 10 gibt darüber keine Auskunft und Paulus schreibt auch nirgends in seinen Briefen ausdrücklich, dass das Gericht schon vor dem „Tag des Zorns“ offenbart wird.
Einige Textzeugen lesen „... und der Offenbarung und des gerechten Gerichts (des) Gottes“ statt „... und der Offenbarung des gerechten Gerichts (des) Gottes“. Sie lassen also offen, was offenbart werden wird.
Weiterführende Literatur: C. Janssen 2008, 226-232 deutet Gottes gerechtes Gericht auf dem Hintergrund apokalyptischer Eschatologie und mangelhaftem menschlichem Rechtswesen: Gottes Gerechtigkeit werde das letzte Wort haben. Alle Menschen müssten sich für ihre ungerechten Taten verantworten. Nicht den Mächtigen und Herrschenden gehöre das Recht und die Rechtsprechung, sondern Gott. Gericht sei somit ein Hoffnungswort: Gerechtigkeit werde aufgerichtet.
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Beobachtungen: V. 6 erläutert, inwiefern das Gericht Gottes „gerecht“ sein wird: Gott wird jedem nach seinen Werken vergelten. Dabei bleibt unklar, wie sich die Vergeltung nach Werken und die gnädige Vergebung von Sünden zueinander verhalten. In 2,1-11 spricht Paulus ausschließlich von der Vergeltung nach Werken. Allerdings sind die Aussagen auf dem Hintergrund der gesamten Verkündigung zu verstehen, aus der zu erschließen ist, was unter dem Begriff „Wahrheit“ zu verstehen ist (vgl. V. 2). Nach dieser „Wahrheit“ richtet sich das Gericht Gottes.
Paulus zitiert Ps 61,13LXX (= 62,13; vgl. Spr 24,12), ohne das Zitat zu kennzeichnen. Ihm ist also der Inhalt wichtig, nicht die Tatsache, dass es sich um ein Zitat aus der hebräischen Bibel handelt.
Die Vergeltung nach Werken und somit auch das Gericht Gottes, von dem der Apostel in Röm 2,1-5 spricht, wird in der Zukunft erfolgen (Verb im Futur!).
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Die V. 7-10 entfalten die Aussage des V. 6: Sie konkretisieren den Gedanken der Vergeltung bei dem Gericht Gottes und machen deutlich, dass die Ausführungen sowohl die Heiden (= Griechen) als auch - und das in besonderem Maße - die Juden betreffen.
V. 7 geht auf vorbildliches Verhalten und dessen Vergeltung ein. Das vorbildliche Verhalten wird als „beständiges gutes Werk“ bezeichnet. Es handelt sich also nicht um eine einzelne gute Tat, sondern die ganze Lebensführung ist von guten Taten geprägt. Das Adjektiv „gut“ wird nicht weiter konkretisiert. So kann nur allgemein gesagt werden, dass ein Leben gemeint ist, das mit der paulinischen Theologie und Ethik in Einklang steht und der „Wahrheit“ folgt.
Diejenigen, die beständig gute Werke tun, streben gemäß den Worten des Apostels nach Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit. Das Attribut „Unvergänglichkeit“ lässt annehmen, dass es dabei nicht um Ruhm/Herrlichkeit und Ehre bei den Menschen, sondern bei Gott geht, denn die Welt der Menschen ist vergänglich. Aus christlicher Sicht sind Ruhm/Herrlichkeit und Ehre grundsätzlich bei Gott und nicht bei den Menschen zu erstreben. Ja, es ist sogar anzustreben, Gott räumlich und wesensmäßig nahe zu kommen. Herrlichkeit und Ehre kommen nämlich gewöhnlich Gott (und auch Jesus Christus) zu (vgl. Ps 19,2; 29,3; 66,2; 72,19; 1 Kor 10,31; 2 Kor 3,18; 4,4-6; 8,19; Eph 1,12.14.17-18; 3,16; 6,24 u. v. m.). Herrlichkeit und Ehre kennzeichnen also sowohl die räumliche als auch die wesensmäßige Nähe zu Gott. Dies gilt auch für die Unvergänglichkeit, allerdings wird dieses Attribut nur selten, und zwar in apokryph-hellenistischen Schriften (vgl. Weish 2,23; 6,19; 4 Makk 9,22), Gott zugeschrieben.
Diejenigen, die beständiges gutes Werk tun, haben als Vergeltung ewiges Leben zu erwarten. Da anzunehmen ist, dass die Vergeltung die Erfüllung des Erstrebten darstellt (vgl. V. 10), ist das ewige Leben als ein Zustand der Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit anzusehen.
Weiterführende Literatur: J. Harrison 2009, 329-369 legt dar, dass bisher gewöhnlich der jüdische Hintergrund des paulinischen Gebrauchs des Begriffs „doxa“ („Herrlichkeit/Ruhm“) und der verwandten Begriffe beleuchtet worden sei, nicht aber der römische. Diesem widmet er sich in seinem Artikel. So habe die römische Nobilität danach gestrebt, mittels militärischer Siege oder politischer Ämter den Ruhm der Vorfahren zu wiederholen und zu steigern. Der Ruhm sei also als Verdienst der Nobilität verstanden worden. Dazu stehe das paulinische Verständnis von Ruhm im Gegensatz: Paulus lehne Selbstruhm und –verherrlichung ab, verstehe Ruhm als unverdientes Geschenk Gottes.
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Beobachtungen: „Die anderen“ sind diejenigen, die nicht nach Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit streben, sondern deren Handeln Selbstsucht treibt. Ihr Leben der Selbstsüchtigen ist nicht von „beständigem gutem Werk“ und von der „Wahrheit“ geprägt ist. Sie folgen vielmehr dem „Unrecht“, wobei offen bleibt, was genau darunter zu verstehen ist. Da es der „Wahrheit“ gegenübergestellt wird, dürfte es sich um das Gegenteil der Wahrheit handeln. Es widerspricht paulinischer Theologie und Ethik und ist insofern unchristlich. Folglich kommt den Menschen als Ergebnis ihres Tuns auch nicht Gnade, Sündenvergebung und schließlich das ewige Leben zu, sondern sie haben Gottes Zorn und Grimm zu erwarten.
Der Begriff „eritheia“ („Selbstsucht“) ist nicht von „eris“ („Streit“) abzuleiten, sondern von „eridos“, was „Lohnarbeiter/Tagelöhner“ bedeutet. Dem Lohnarbeiter warf man vor, nur für seinen eigenen Profit zu arbeiten. Von daher galt er als selbstsüchtig. In Röm 2,8 ist die Selbstsucht wohl als eine Haltung zu verstehen, die dem eigenen Denken, Willen und den eigenen Begierden folgt und sich nicht am göttlichen Willen orientiert. Die gemeinschaftszerstörende Wirkung der Selbstsucht ist in dem Vers wohl weniger im Blick.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Die V. 9-10 lassen wissen, was angesichts der jeweiligen Vergeltung über die betroffene „Menschenseele“ kommt.
Der Zorn und Grimm Gottes führen dazu, dass die „Menschenseele“ in Bedrängnis gerät und Angst über sie kommt. Die „Menschenseele“ ist wohl nicht als die Seele des Menschen im Sinne eines Leib-Seele-Dualismus zu verstehen, sondern „Menschenseele“ ist ein Ausdruck für den gesamten Menschen. Er hat demnach nicht eine Seele, sondern er ist eine.
Das Adjektiv „böse“ wird ebenso wie das Adjektiv „gut“ nicht weiter konkretisiert. So kann nur allgemein gesagt werden, dass ein Leben gemeint ist, das zur paulinischen Theologie und Ethik im Widerspruch steht und statt der „Wahrheit“ dem „Unrecht“ folgt.
Warum die Aussagen an erster Stelle auf den Juden und erst dann auf den Griechen (= Heiden) zu beziehen sind, bleibt offen. Am ehesten dürfte die Herausstellung damit zu begründen sein, dass Paulus das Volk der Juden als Volk Gottes ansieht und ihm somit eine besondere Ehre, aber auch eine besondere Verpflichtung vor Gott zuschreibt (vgl. Röm 9-11). Die Verpflichtung bezieht sich auf den Glauben und auf das Handeln. Das Handeln sollte aus der Sicht des Apostels vom Glauben an Jesus Christus als verheißenen Heilsbringer geprägt sein.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Aus V. 10 geht hervor, dass tatsächlich das laut V. 7 Erstrebte erlangt wird. In V. 10 ersetzt Paulus allerdings den Begriff „Unvergänglichkeit“ durch den Begriff „Friede“. Ihm geht es also darum zu verdeutlichen, dass das Dasein in Herrlichkeit und Ehre ein Zustand des Friedens ist, wobei vor allem an den Frieden mit Gott gedacht sein dürfte. Umgekehrt ist daraus zu schließen, dass sich die nach dem göttlichen Gericht von Not und Angst bedrängte „Menschenseele“ in einem Zustand des Unfriedens befindet.
Weiterführende Literatur: K. L. Yinger 1999, 146-182 geht der Frage nach, wie Paulus davon sprechen kann, dass derjenige, der das Gute oder Gesetz tut (vgl. 2,10.13), beim endzeitlichen Weltgericht Belohnung zu erwarten hat, obwohl er selbst in Gal 3,10 schreibt, das es keinen Gerechten gibt. K. L. Yinger nennt zunächst einige Ansätze der Lösung dieses (scheinbaren) Widerspruchs und untersucht dann selbst den Sachverhalt. Er sieht keinen Widerspruch. Weder im Judentum noch bei Paulus werde davon ausgegangen, dass sich Gerechtigkeit vor Gott durch Gehorsam erwerben lässt. Außerdem werde Gehorsam nicht als sündlose Perfektion, sondern als beständige, von ganzem Herzen erfolgende Übereinstimmung mit Gottes Willen verstanden.
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Beobachtungen: Wenn es bei Gott kein Ansehen (prosôpolêmpsia) der Person gibt, so bedeutet dies, dass bei dem Gericht alle Menschen ohne Unterschied nach ihren Werken gerichtet werden. Niemand kann das Heil mit dem Hinweis auf seine jüdische Abstammung beanspruchen. Ebenso können eine besondere Bildung oder besondere finanzielle Verhältnisse nicht geltend gemacht werden.
Weiterführende Literatur:
Literaturübersicht
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