Röm 2,12-16
Übersetzung
Röm 2,12-16: 12 Welche nämlich ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz zugrunde gehen; und welche unter [dem] Gesetz gesündigt haben, werden durch [das] Gesetz gerichtet werden. 13 Denn nicht die Hörer des Gesetzes sind gerecht bei Gott, sondern die Täter des Gesetzes werden gerecht gesprochen. 14 Wenn nämlich Heiden, die [das] Gesetz nicht haben, von Natur aus die [Forderungen] des Gesetzes tun, dann sind die, die [das] Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. 15 Sie zeigen ja, dass das Werk des Gesetzes in ihren Herzen aufgeschrieben ist, weil ihr Gewissen mit Zeugnis ablegt und die Gedanken sich gegenseitig anklagen und verteidigen, 16 an jenem Tag, an dem (der) Gott das Verborgene der Menschen richten wird nach meinem Evangelium durch Christus Jesus.
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Beobachtungen: V. 12 geht auf einen konkreten Aspekt der Aussage „Denn es gibt kein Ansehen der Person bei (dem) Gott.“ (V. 11) ein: Auch diejenigen unter dem Gesetz (nomos) haben keine Vorrangstellung inne. Paulus erklärt nicht, was für ein Gesetz er meint. Es handelt sich um eines, das die einen Menschen haben, die anderen aber nicht. Die fehlende Erklärung lässt darauf schließen, dass Paulus von den Adressaten erwartet, dass ihnen der Begriff geläufig ist. Am ehesten ist daran zu denken, dass das jüdische Religionsgesetz, das sich in der hebräischen Bibel (= AT) findet, im Blick ist. Und tatsächlich heißt es dann in V. 17 ausdrücklich, dass sich der Jude auf das Gesetz verlässt. Dass die Juden danach streben, die Satzungen und Gebote ihres Religionsgesetzes zu befolgen, dürfte den mehrheitlich heidenchristlichen römischen Adressaten des Briefes bekannt sein.
V. 12 sagt aus, was diejenigen erwartet, die sündigen: sie werden zugrunde gehen bzw. gerichtet werden. Sowohl diejenigen ohne Gesetz als auch diejenigen unter dem Gesetz haben kein Heil zu erwarten, denn das Gesetz selbst begründet kein Heil. Alle Menschen haben gemeinsam, dass sie ohne das mit Jesus Christus verbundene Heilsgeschehen und den Glauben daran kein Heil, sondern nur Verderben zu erwarten haben. Diejenigen ohne Gesetz haben nichts, was die Sünde zügelt und bleiben damit in ihrer Sünde. Folglich ziehen sie den Zorn Gottes auf sich (vgl. 1,18). Auch diejenigen unter dem Gesetz haben kein Heil zu erwarten sondern werden durch das Gesetz gerichtet.
Weiterführende Literatur: Sprachliche, kontextuelle, inhaltliche und textgeschichtliche Beobachtungen führen W. O. Walker 1999, 533-552 zu der Schlussfolgerung, dass mindestens 1,19-2,1, vermutlich aber darüber hinausgehend 1,18-2,29 ein nichtpaulinischer Einschub sei.
S. K. Stowers 2003, 351-369 vertritt die Ansicht, dass in Röm 2,1-4,2 sowohl (feierliche) Anreden als auch „prosôpopoiia“ und Dialoge vorkämen. „Prosôpopoiia“ seien durch geschriebene oder gesprochene Worte gekennzeichnet, die eine bestimmte Person oder einen erkennbaren Charaktertyp nachahmen. Die meisten „prosôpopoiia“ seien von den Adressaten damals vermutlich ohne Probleme erkannt worden. 2,1-16 und 2,17-29 seien (feierliche) Anreden, die den nachfolgenden Dialog (3,1-8; desweiteren: 3,27-4,2) einleiten. Sie dürften die „prosôpopoiia“ für die damaligen Leser kenntlich gemacht haben.
In Röm 2 werde laut J. D. G. Dunn 1991, 295-317 immer klarer, dass Paulus die jüdische Annahme einer nationalen Aussonderung und Privilegierung zu entkräften sucht. Die Annahme, die dem typisch jüdischen Verständnis und der Praxis der Bundesgesetzlichkeit zugrunde liege und am deutlichsten in der herausragenden Bedeutung der Beschneidung ihren Ausdruck finde, betrachte er als gleichsam „unter der Macht der Sünde“ (3,9) und als Gottes Zorn unterworfen (1,18), gleich wie die anderen Sünden kreatürlicher Anmaßung, wie sie (von den Juden) gewöhnlich mit den Heiden verbunden würden. Angesichts der Macht der Sünde und dem Gericht Gottes sei der Besitz des Gesetzes kein Schutz (2,12-16), Bundesstatus keine Sicherheit (2,17-24), stelle Beschneidung keine Garantie dar (2,25-29).
G. P. Carras 1992, 183-207 deutet Röm 2 wie folgt: Es handele sich weder um eine propagandistische Verunglimpfung der Juden, noch würde das gesamte Judentum charakterisiert. Vielmehr würden jüdische Ideale diskutiert, wobei die Diskutierenden zwei Juden seien, die verschiedene Sichtweisen einnehmen. Einer der beiden verurteile die anderen Menschen, sei der „Kritiker“. Er nehme für sich in Anspruch, von Gott anders behandelt zu werden als die Nichtjuden. Ihm gebühre eine gnädige Behandlung seitens seines Gottes. Paulus nehme die andere Sichtweise ein, werfe dem „Kritiker“ vor, gegen die eigenen Glaubensüberzeugungen zu verstoßen, indem er für sich andere Maßstäbe der Beurteilung beanspruche. Die Juden hätten zwar eine herausragende Stellung inne, doch sei das nicht so zu deuten, dass Nichtjuden vom Heil ausgeschlossen sind. Der Gott der Juden handele und beurteile gerecht und unparteiisch.
Laut O. Wischmeyer 2006, 356-376 sei Röm 2 kein antijudaistischer Text, sondern zunächst Teil des innerjüdischen Israel-Diskurses, von dem er sich aber zugunsten einer universalen Verurteilung der Menschheit vor Gottes Forum fortentwickelt und damit universal-anthropologische Dimensionen annimmt. Die Heftigkeit der Polemik gegen bestimmte Juden resultiere aus der unerhörten These des Paulus, auch gesetzestreue Juden, die im Bund leben, seien vor Gott nicht gerecht, sondern schuldig. Um die Leserschaft von dieser These zu überzeugen, bediene Paulus sich einer so starken diatribischen Polemik, dass diese Texte trotz ihres Schulcharakters und ihrer anthropologischen Intention antijudaistisch wirken.
G. Lafon 1986, 321-340 arbeitet nach einigen Anmerkungen zur Abgrenzung des Abschnittes 2,12-27 dessen Gedankengang heraus.
J. S. Lamp 1999, 37-51 befasst sich mit 2,12-16. Zunächst untersucht er die Stellung im literarischen Zusammenhang, wobei er sowohl auf die Frage nach der Abgrenzung des Abschnittes als auch auf den Gedankengang eingeht. Auf dem Hintergrund des literarischen Zusammenhangs macht er einige exegetische Beobachtungen. Den Schluss bilden theologische Schlussfolgerungen.
Auch P. Maertens 2000, 504-519 bietet eine Studie zu 2,12-16: Nachdem Paulus unterstrichen habe, dass Gott nach Werken urteilt und unparteiisch ist, trete er in eine Diskussion mit einem Teil des Judentums ein. Dieser gehe davon aus, dass die Heiden, die nicht die Tora besitzen, am Ende der Tage umkommen werden und nur diejenigen die zukünftige Welt nach dem Durchgang durch das Gericht erben, die dem erwählten Volk angehören. Paulus greife dagegen auf eine andere Überzeugung zurück, die im Judentum verbreitet und in der ersteren Vorstellung des Judentums enthalten sei. Demnach reiche angesichts des endzeitlichen Gerichtes nach Werken der Besitz der Tora nicht aus, sondern es müsse die Tora auch befolgt werden. Weil es auch Heiden gebe, die die Tora befolgen, seien die Heiden nicht von vornherein verloren. Wie das Leben der Heiden und Juden beschaffen war, werde beim endzeitlichen Weltgericht offenbar. Anhand der Werke werde schließlich gerichtet.
K. Finsterbusch 1996, 15-22 versucht folgende Fragen zu beantworten: Nach welchem Maßstab sollen Juden und Heiden handeln und nach welchem Maßstab erfolgt das Gericht über sie? Der Maßstab sei in beiden Fällen offenkundig die Tora, die in V. 12 auch sofort genannt werde. Werden damit aber die Heiden nicht ungerecht behandelt, da ihnen die Tora nicht offenbart wurde und ihnen somit auch die Richtlinien des Handelns nach Gottes Willen nicht bekannt sind? Antwort: Die Sinaitora sei Juden gegeben worden, Heiden hingegen lebten nach Paulus gesetzlos. Dennoch seien auch sie nicht ohne Kenntnis der Tora, denn Gott habe ihnen das Gesetzeswerk in ihr Herz geschrieben. Das Gesetzeswerk sei hinsichtlich des Umfangs der Bestimmungen nicht identisch mit der Sinaitora. Heiden hielten aufgrund des ihnen ins Herz geschriebenen Gesetzes nicht die Tora, sondern sie täten die Forderungen des Gesetzes. Die Tora sei für Paulus das universal gültige Gottesgesetz, nach dem sich Juden wie Heiden ausrichten müssen. Übertreten Juden die Bestimmungen der Sinaitora und verletzen Heiden die ihnen gegebenen Bestimmungen der Tora, so habe dies Konsequenzen im Gericht. Befolgen Juden und Heiden die für sie gültigen Bestimmungen der Tora, so würden sie im Gericht gerechtgesprochen.
Umstritten ist, ob Paulus in 1,18-3,20 davon ausgeht, dass das gesamte Gesetz erfüllt werden kann oder nicht. Den Bruch im Gedankengang des Abschnittes legt deutlich H. Räisänen 1983, 97-109 dar, der sich auch mit der bisherigen Diskussion auseinandersetzt und die entsprechende Literatur nennt: In 1,18-3,20 behaupte Paulus, dass niemand das gesamte Gesetz erfüllen kann. Der Grund dafür sei, dass alle, Juden wie Heiden, unter der Sünde sind (vgl. 3,9). Paulus beginne mit einer Anklage gegen die heidnische Welt (vgl. 1,18-32) und zeige dann die Sündigkeit der Juden auf (vgl. 2,1-29). Gemäß 2,1-3 tue der Jude dasselbe wie die Heiden. Der Jude, der das Gesetz besitzt und beschnitten ist, werde zwar deutlich von dem Heiden unterschieden, letztendlich seien aber alle vor dem unparteiisch richtenden Gott gleich. Diesen Ausführungen widersprächen jedoch 2,14-15.26-27. So würden zwar die Juden als Übertreter des Gesetzes dargestellt, doch von den Heiden – zumindest einem Teil von ihnen - werde gesagt, dass sie, die das Gesetz nicht haben, dieses von Natur aus tun. Angesichts dieses merkwürdigen Sachverhaltes gebe es seitens der Ausleger verschiedene Versuche, die Widersprüche aufzulösen oder zumindest zu glätten: a) Nur einige Vorschriften würden von den Heiden gehalten, nicht alle. Somit seien sie weiterhin sündig. b) Paulus spreche von einem hypothetischen Fall, der nicht eintreffe. c) Die Verse 2,14-15.26-27 seien im Lichte von Röm 8,4 (vgl. Jer 38,33LXX) zu verstehen. Demnach sei nicht von Heiden, sondern von Heidenchristen die Rede. d) Das griechische Substantiv „ethnê“ bezeichne hier nicht die Heidenvölker, sondern Völker, die in einer bestimmten Weise theologisch qualifiziert sind, wie Christen als Gottes endzeitliches Volk, Juden und Heiden „typologisch“ verstanden, endzeitliche Juden oder Juden und Heiden, die schon von Christus und dem heiligen Geist beeinflusst werden. Gegen alle diese Thesen ließen sich jedoch Einwände anbringen: zu a) Zumindest 2,26-27 sei mit Sicherheit nicht als teilweises, sondern als vollständiges Halten des Gesetzes zu deuten. zu b) Fiktion sei nicht ersichtlich. c) Von 2,9 an würden Juden und Griechen einander gegenübergestellt. In diesem Zusammenhang sei schwerlich anzunehmen, dass „ethnê“ eine andere Bedeutung als „Nichtjuden“ hat. d) Es handele sich um Spekulationen, die schon durch die klare Gegenüberstellung von Juden und Griechen in 2,9-10 ausgeschlossen würden. Angesichts dieser Einwände geht H. Räisänen davon aus, dass Paulus sich unbewusst tatsächlich widerspricht, was er folgendermaßen erklärt: Die Heiden stellten in dem Gedankengang Röm 2 nur ein Mittel zum Zweck dar. Paulus habe an ihnen selbst kein Interesse. Ihm gehe es nur darum, die Schuld der Juden zu beweisen. Nur zu diesem Zweck erschienen plötzlich die Heiden, die das Gesetz erfüllen, und verschwänden genauso plötzlich wieder. Sie würden nur als Waffen gebraucht, um die Juden zu schlagen. Hinsichtlich der Frage, ob alle Menschen unter der Sünde sind und somit das Gesetz nicht halten können, sei sich Paulus unschlüssig. Es sei anzunehmen, dass er – wie auch die Juden – nicht von der überzogenen Forderung ausgeht, dass das Gesetz zu hundert Prozent gehalten werden muss, denn das wäre wirklich unmöglich. Wahrscheinlich sei, dass Paulus durchaus zugesteht, dass das Gesetz im Großen und Ganzen gehalten werden kann. C. E. B. Cranfield 1990, 77-85 setzt sich ausgiebig mit den Ausführungen von H. Räisänen auseinander. Er geht der Frage nach, ob Paulus Einstellung dem Gesetz gegenüber tatsächlich so widersprüchlich und durcheinander ist, wie H. Räisänen annehmen lasse. Er macht folgende kritische Anmerkungen: Paulus komme in seinen Briefen zwar auf verschiedene Aspekte des Gesetzes zu sprechen, eine systematische Abhandlung zu diesem Thema finde sich bei ihm aber nirgends. Desweiteren sei eine Schwierigkeit, dass sich viele der Aussagen im Zusammenhang einer Kontroverse finden. H. Räisänens Ansatz sei zu vereinfachend, die Antworten auf offene Fragen sollten aus dessen Sicht zugleich einfach und richtig sein, das sei aber oft nicht zu haben. Es dürfe nicht vergessen werden, dass es verschiedene Muster der Übereinstimmung geben kann. Aufgrund des zu vereinfachenden Ansatzes erkenne H. Räisänen nicht, dass die von Paulus benutzten Begriffe geeignet sind, den Gedanken der Erfüllung auszudrücken, und zwar sowohl hinsichtlich des perfekten Gesetzesgehorsams, der nur Jesus möglich war, als auch hinsichtlich des durch den heiligen Geist angeregten, nicht perfekten Gesetzesgehorsams, der vom gütigen Gott ebenso willkommen geheißen werde.
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Beobachtungen: V. 13 liefert die Begründung für das Gericht: Wäre bzw. würde man allein durch das Hören des Gesetzes vor Gott gerecht, so würde der Besuch des jüdischen Gottesdienstes zum Heil reichen, denn dort werden die entsprechenden biblischen Texte verlesen und Auslegungen vorgetragen. Paulus unterstreicht aber, dass nicht das Hören des Gesetzes an sich, sondern erst das Tun gerecht macht. Wer auf das Gesetz hofft, muss jedoch sämtliche Satzungen und Gebote halten (vgl. Gal 3,10). Dass dies unmöglich ist, macht Paulus im Galaterbrief deutlich, wo er schreibt, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes vor Gott nicht gerecht wird (vgl. Gal 2,16; 3,11; ähnlich Röm 3,20). Ganz im Gegenteil: Das Gesetz weist die Sündigkeit des Menschen, der immer wieder gegen die Satzungen und Gebote verstößt, auf (vgl. Gal 3,19.22). So kann der Apostel in Röm 2,12 schreiben, dass diejenigen unter dem Gesetz durch das Gesetz gerichtet werden. Das Richten dürfte dem Verurteilen gleichkommen.
Die futurische Verbform weist darauf hin, dass die Gerechtsprechung erst in der Zukunft, und zwar vermutlich beim Jüngsten Gericht, stattfindet.
Weiterführende Literatur: Weil Paulus kein systematischer Denker gewesen sei, habe sich die Forschung laut H. W. Boers 1988, 55-68 auf die Erforschung des Zentrums seiner Theologie und nicht der systematischen Übereinstimmung seiner Aussagen konzentriert. Über diese Untersuchungen zum Zentrum der paulinischen Theologie gibt H. W. Boers einen Überblick, wobei auch die Rechtfertigung als zentrales paulinisches Thema in den Blick kommt.
D. B. Garlington 1991, 47-72 untersucht die Beziehung zwischen dem Glaubensgehorsam und letztendlicher Rechtfertigung am Tag des endzeitlichen Gerichts, wobei sich sein Blick auf 2,13 richtet. Ergebnis: Die Einheit des Christen mit Christus und die Gabe des Geistes seien Quelle des Glaubensgehorsams. „In Christus“ tue der Mensch das Gesetz, und zwar nicht im Sinne sündloser Perfektion, sondern indem er sich Gottes (neuem) Bund hingibt. „In Christus“ seien wir Gottes Gerechtigkeit geworden.
R. H. Bell 1997, 31-43 sieht 2,12-16 als einen der wenigen Texte an, die dafür sprechen könnten, dass es eine Rechtfertigung auch ohne den Glauben an Jesus Christus geben könnte. Daher widmet er ihm eine Untersuchung im Lichte des Grundsatzes „extra ecclesiam nulla salus“ („Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil.“). Ergebnis: Der Abschnitt 2,12-16 ergebe nur Sinn, wenn er als ein Teil der Argumentation 1,18-3,20 gesehen wird, in der Paulus deutlich mache, dass Juden und Heiden am Tag des endzeitlichen Gerichts die Verdammung zu erwarten haben. Aus 3,9-20 gehe hervor, dass niemand durch Werke des Gesetzes gerechtfertigt wird. Daraus müsse man schließen, dass die frommen Juden und frommen Heiden von 2,12-16 nicht existieren. Paulus‘ Argumentation komme in 3,20 zum Höhepunkt, wo er schlussfolgere, dass es bei dem Jüngsten Gericht auf der Grundlage des Gesetzesgehorsams keine Rechtfertigung geben werde. Das Gesetz offenbare dagegen die Sünde. Rechtfertigung erfolge nur aufgrund des Glaubens.
Auch P. R. Gryziec 1997, 16-22 sieht keinen Widerspruch zwischen Röm 2,12-13 und 3,20.28.
Dass sich V. 13 auf die gesamte Menschheit beziehe, macht E. P. Sanders 1983, 125-132 deutlich. Es falle die Bedeutung auf, die Paulus dem Tun in Röm 2 beimisst. Das Bestehen auf dem rechten Tun sei an sich noch nicht unpaulinisch, doch sei die Fixierung auf das Tun des Gesetzes ungewöhnlich und gebe die jüdische Sichtweise wider. 1,18-2,29 sei am besten als synagogaler Vortrag zu verstehen. Zwei Punkte würden allerdings nicht recht zu einer rein jüdischen Sichtweise passen: Erstens gebe es – anders als V. 28 annehmen lasse – keine unbeschnittenen Juden, zweitens sei die Forderung, dass die Heiden für das Erlangen der Gerechtigkeit das gesamte Gesetz halten müssen, nicht typisch jüdisch. Da die nicht wirklich zu einem synagogalen Vortrag passenden Punkte aber auch nicht typisch paulinisch seien, sei nicht anzunehmen, dass Paulus der Verfasser ist. In 2,12-15 habe Paulus wohl Traditionsmaterial aufgenommen, wobei unklar sei, was genau ursprünglich mit „Gesetz“ gemeint war. Was den Punkt der unbeschnittenen Juden betrifft, so sei auf die von Philo von Alexandria aufgenommene innerjüdische Debatte zu verweisen, wonach ein Teil der Juden die Ansicht vertrete, dass „Beschneidung“ darin bestehe, das Gesetz zu halten. Diese Meinung gleiche der in 2,25-29 vertretenen Position, die zwar nicht rabbinisch sei, aber durchaus als jüdisch angesehen werden könne.
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Beobachtungen: Es verwundert, dass Paulus sagt, dass die Heiden „die Dinge des Gesetzes“ - gemeint sind sicherlich „die Forderungen des Gesetzes“ - von Natur aus tun. Sollten gerade die Heiden das Unmögliche bewerkstelligen? Dann wären sie ja besser als die Juden! Und überhaupt: Welche Forderungen des Gesetzes hat Paulus im Blick? Etwa alle 613 Weisungen gemäß der rabbinischen Zählung, 248 Gebote und 365 Verbote? Doch wie sollten die Heiden all diese teils doch sehr speziellen Weisungen „von Natur aus“ erfüllen können?
Tatsächlich halten die Heiden beispielsweise die jüdischen Ritualgesetze nicht. Folglich kann Paulus hinsichtlich der Erfüllung des Gesetzes durch die Heiden die Ritualgesetze nicht im Blick haben. Daraus wiederum ist zu schließen, dass nicht alle 613 Weisungen unter die Forderungen des Gesetzes, von denen der Apostel hier spricht, fallen. Doch welche Forderungen des Gesetzes sind dann gemeint? Da sich nicht erschließen lässt, welchen einzelnen Forderungen die Heiden aus Sicht des Apostels nachkommen, ist daran zu denken, dass die Heiden vielleicht dem Kern der Gesetzesforderungen nachkommen. In Gal 5,14; Röm 13,8 schreibt Paulus, dass das ganze Gesetz erfüllt, wer den Nächsten wie sich selbst liebt (vgl. Lev 19,18). Sollte er tatsächlich das Gebot der Nächstenliebe im Blick haben, dann würde er den Heiden zugestehen, dass sie Nächstenliebe üben. Laut Röm 13,9 umfasst das Gebot der Nächstenliebe die Zehn Gebote (vgl. Ex 20,1-17; Dtn 5,6-22). Wer die Zehn Gebote hält, der liebt seinen Nächsten. Sollten die Heiden tatsächlich die Zehn Gebote halten? Und wieso stellt Paulus sie dann in Röm 1,18-32 als die Sünder schlechthin dar? Weniger Widersprüche wirft die Annahme auf, dass Paulus den Heiden zugesteht, dass sie diejenigen Gebote halten, die Gott im Rahmen seines Bundes mit dem frommen Noah auferlegt hat (vgl. Gen 9,1-7). Es ist ja nicht ausdrücklich gesagt, dass mit dem „Gesetz“ das mosaische Gesetz gemeint ist. Allerdings ist gegen eine solche Interpretation einzuwenden, dass Paulus in Röm 2,12-16 nicht zwischen zwei Arten Gesetz unterscheidet. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass mal vom mosaischen, mal vom noahitischen Gesetz die Rede ist. Auch wäre merkwürdig dass schon die Fruchtbarkeit und der Verzicht auf das Blutvergießen und den Genuss von blutigem Fleisch dem Halten des mosaischen Gesetzes mit all den vielen Satzungen und Geboten gleichkommen sollte.
Es bleibt unklar, was Paulus mit „von Natur aus“ meint. Es lässt sich nur sagen, dass „von Natur aus“ unabhängig vom Gesetz erfolgt. Gemeint sein kann eine Art genetischer Veranlagung oder die Leitung durch die Vernunft, den gesunden Menschenverstand.
Weiterführende Literatur: Gemäß T. H. Tobin 1993, 298-318 habe Paulus polarisiert, wobei zwischen ihm und der christlichen Gemeinde in Jerusalem aufgrund seiner Theologie ein Graben entstanden sei. Um die Auseinandersetzung zu entschärfen, habe er herauszustellen versucht, dass seine umstrittenen Thesen zur Sündhaftigkeit von Juden und Heiden tatsächlich in den jüdischen Schriften und in der jüdischen Theologie gründen. Diese Strategie versucht T. H. Tobin anhand von 1,18-3,20 nachzuweisen.
R. Bergmeier 2006, 26-40 befasst sich mit der Gesetzeserfüllung ohne Gesetz und Beschneidung. Dabei macht er Beobachtungen zu Röm 2,12-16.25-29 und legt diese Passagen aus. Er vertritt die Meinung, dass sich „von Natur aus“ („physei“) auf „die [das] Gesetz nicht haben“ und nicht – wie meist angenommen – auf „die [Forderungen] des Gesetzes tun“ beziehe. Heidenchristen seien gemäß Paulus von Haus aus tora(= gesetzes)lose Heiden, die aber jetzt das Gesetz erfüllen. Sie erfüllten dieses nicht „von Natur aus“, sondern sie bedürften dazu des neuen Herzens. Dieses habe die Tora in sich und folge ihr.
J. W. Martens 1994, 55-67 vertritt die Ansicht, dass Paulus davon ausgehe, dass das Halten des mosaischen Gesetzes von Natur aus praktisch unmöglich sei. Dies begründet er mit der stoischen Annahme, dass nur der weise Mann das Naturgesetz befolgen könne.
D. Swancutt 2004, 42-73 entwirft einen „topos“ des stoischen Weisen und versucht zu bestimmen, auf welcher Grundlage die Stoiker kritisiert wurden und welche Vorstellungen und Handlungen im 1. Jh. n. Chr. Griechen und Römer mit ihnen verbanden. Stoiker seien als Heuchler verrufen gewesen, die einerseits die Verweiblichung der Sexualität unterstützten, sich andererseits aber den Anschein gaben, die Leidenschaften auszulöschen, natürlich zu leben und sich und andere Menschen perfekt zu zügeln. 1,18-2,16 erhalte eine Vielzahl von Anspielungen auf diesen „topos“ des heuchlerisch stoischen Weisen. Dieser werde ebenso kritisiert wie seine Behauptung, dass sich mittels der Achtgabe auf die Natur Belohnungen wie das ewige Leben erlangen ließen. Die Kritik werfe die Frage auf, wie solche Weise, die vorgeben, natürlich zu leben, und doch wider die Natur handeln, andere Menschen „Weisheit“ können. Die Antwort laute, dass die heuchlerischen, stoischen Weisen zur Lehre der „Weisheit“ nicht befähigt seien. 2,12-16 stelle zwei Bestandteile des „topos“ nebeneinander: Achtgabe auf die Natur als Maßstab guten Verhaltens und Stoiker als lebendes Gesetz. Laut Paulus reiche die Achtgabe auf die Natur für gutes Verhalten nicht aus. Deshalb habe Gott den Heiden in seiner Gnade eine zweite Chance gegeben, richtig zu handeln. Richtiges Handeln erfolge in Übereinstimmung mit dem Gesetz Gottes, das – dies hätten die Heiden und Paulus gleichermaßen angenommen – die Natur umfasse. Nur sehr wenige Heiden seien jedoch tatsächlich selbst Gesetz und damit in der Lage gewesen, von Natur aus das Gesetz zu befolgen.
P. C. Talbutt 1984, 61-65 stellt bezüglich V. 14-15 eine positive Wechselwirkung zwischen Biblizismus und Hellenismus fest. Das könne jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die paulinischen Briefe ansonsten vornehmlich gegen das heidnisch-philosophische Gedankengut gerichtet seien. Es gebe gut Gründe dafür, unter Berücksichtigung sowohl der Übereinstimmungen als auch der Spannungen zwischen den biblischen und den heidnischen Traditionen nach einer Balance zwischen beiden zu suchen. Der Artikel von P. C. Talbutt beschäftigt sich v. a. mit den Spannungen, ohne jedoch die Gemeinsamkeiten aus den Augen zu verlieren.
S. J. Gathercole 2002, 27-49 setzt sich mit der seiner Meinung nach vorherrschenden Meinung auseinander, dass sich 2,14-15 auf nichtchristliche Heiden beziehe, die Paulus in seine Argumentation einbeziehe, um zu zeigen, dass auch sie in sich selbst Kenntnis eines Gesetzes haben und damit schuldig sind. Tatsächlich befasse sich Paulus nicht länger mit der in 1,18-32 thematisierten Verantwortung der Heiden. Vielmehr beschäme er den jüdischen Gesprächspartner, indem er zeige, dass Gott seinen neuen Bund unter den Heiden erfüllt, während der Jude bußunfertig bleibe.
A. Ito 1995, 21-37 liest Röm 2 auf dem Hintergrund von Dtn 27-30. Die deuteronomistischen Segnungen und Flüche bildeten den Rahmen des Abschnittes. Die „Heiden“, die von Natur aus die Forderungen des Gesetzes tun (vgl. 2,14), seien wahrscheinlich Heidenchristen. Die Verurteilung der Juden beruhe auf deren Versagen, als ganze Nation das gesamte Gesetz zu befolgen. Angesichts der Gesetzesübertretungen (vgl. 2,21-23) könne man sagen, dass sich die Juden in einem Zustand des Exils befinden. Paulus gebe Röm 2 deshalb keinen spezifisch christlichen Charakter, weil er vermeiden wolle, dass sich die Heidenchristen in Rom angesichts der Juden rühmen.
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Beobachtungen: Die Veranlagung oder Vernunftleitung drückt Paulus mit der Formulierung „in ihren Herzen aufgeschrieben“ aus. er denkt also an eine Verinnerlichung der Forderungen des Gesetzes. Der Ort der Verinnerlichung ist das Herz, der Sitz des Denkens und Wollens.
Das Herz erscheint als beschriebene Masse (vgl. Jer 31,33 / 38,33LXX; 2 Kor 3,3-6). Die Juden haben die hebräische Bibel als eine aus verschiedenen Schriften zusammengesetzte heilige Schrift, in der die Forderungen des Gesetzes aufgeschrieben sind. Die Heiden haben diese heilige Schrift nicht, ihnen sind die Forderungen in die Herzen geschrieben. Nicht eine sich außen befindliche heilige Schrift ist ihnen Gesetz, sondern sie selbst sind sich Gesetz. Damit ist keine Willkür verbunden, weil die Orientierung am jüdischen Religionsgesetz erfolgt.
V. 15 begründet, woran erkenntlich ist, dass das Werk des Gesetzes in den Herzen der Heiden aufgeschrieben ist: Das Gewissen legt mit Zeugnis ab und die Gedanken liegen miteinander im Streit, klagen sich gegenseitig an und verteidigen sich gegenseitig. Die Formulierung lässt annehmen, dass die Verinnerlichung des Werkes des Gesetzes ein stark von der Vernunft geprägter, durchaus von inneren Konflikten begleiteter Vorgang ist. Fraglich ist, inwiefern die sich widerstreitenden Gedanken darauf hinweisen, dass die Verinnerlichung der Forderungen des Gesetzes nicht in Gänze erfolgt ist.
Fraglich ist, vor wem das Gewissen Zeugnis ablegt: Vor dem Menschen, dem das Gewissen gehört? Oder vor anderen Menschen? Oder vor Gott bzw. Jesus Christus?
Weiterführende Literatur: X. Jacques 1981, 414-421 befasst sich mit 2,14-16 und 2,26-29. Er geht der Frage nach dem Bezug des menschlichen Gewissens/Bewusstseins, des Gewissens/Wissens des Heiden, zu Christus nach, und zwar nicht nur im Hinblick auf das Wissen über Gottes Willen, sondern auch im Hinblick auf dessen Erfüllung und das Heil. Ergebnis: In dem Maße, wie der Heide nicht das Zeugnis seines Gewissens/Bewusstseins begrenze, öffne er sich durch dieses Zeugnis für die neue Wirklichkeit des Menschen und der Welt in Christus. In dem Maße, wie er auf diese antworte, empfange er in ihr die heiligende Kraft des Geistes. Indem das menschliche Gewissen/Bewusstsein Christus entdeckt, entdecke es gleichzeitig seine natürlichen Grenzen, seine Sünde und die Liebe Gottes, die das Gewissen/Bewusstsein erneuere. Es werde für den Menschen zum Zeugen eines Erfordernisses, das ihn über sich selbst hinausträgt, weil es sich aus der Tiefe seines Seins erhebt, umgewandelt durch die Gnade und den Ruf Gottes.
M. D. Mathewson 1999, 629-643 vertritt die Meinung, dass 2,14-15 im Sinne gemäßigter moralischer Intuition gedeutet werden könne. Nicht ein angeborenes Gesetz oder ein Wissen über dieses Gesetz, sondern eine angeborene intuitive Fähigkeit erlaube uns, Gottes grundlegende moralische Forderungen wahrzunehmen und zu erkennen.
Gemäß R. Atallah 1994, 204-213 werde V. 15b von den meisten Auslegern so verstanden, dass es hier um die Rolle des Gewissens bei dem Kampf zwischen Gut und Böse in der menschlichen Seele gehe. Diese Deutung, die von einigen Parallelen in der jüdischen Literatur gestützt werde, passe aber kaum zum Zusammenhang des Textes, der eher von einem objektiven Endgericht als von einem subjektiven inneren Konflikt handele. R. Atallah verweist daher auf die Rolle des Gewissens in einer Gerichtsszene des Osiris-Mythos‘. In dieser Szene sage das „Herz“ – gleichsam das Gewissen – des gerichteten Menschen entweder für ihn aus oder gegen ihn. Es lege Beweismaterial bezüglich des Lebens des Gerichteten vor, aufgrund dessen dieser freigesprochen oder verurteilt wird.
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Beobachtungen: Erscheint das in V. 15 geschilderte Geschehen als ein Geschehen, das in der Gegenwart erfolgt, so wird es in V. 16 in die Zukunft, und zwar konkret auf den Tag des Gerichts datiert. Diese Ungereimtheit muss nicht unbedingt auf einen literarischen Bruch verweisen, der V. 16 als einen nachträglichen erklärenden Einschub erscheinen lässt, sondern lässt sich auch stilistisch damit erklären, dass V. 15 das zukünftige Geschehen lebendig vor Augen holt, indem er es als gegenwärtiges Geschehen schildert.
Die Verbform „krinei“ kann als Präsens („richtet“) oder als Futur („wird richten“) verstanden werden, je nachdem wie man den Akzent setzt. Da der ursprüngliche Text ohne Akzente geschrieben worden sein dürfte, blieb die Interpretation den Schreibern überlassen. Die Interpretation als Präsens glättet den zeitlichen Bruch zwischen V. 15 und V. 16, doch ist nicht daran zu zweifeln, dass der Gerichtstag erst in Zukunft sein wird.
Man könnte annehmen, dass nach außen hin den Mitmenschen sichtbar ist, inwiefern ein Mensch den Forderungen des Gesetzes nachkommt. Dass dies nicht der Fall ist, geht daraus hervor, dass Paulus das zu Bewertende als „Verborgenes der Menschen“ bezeichnet - vielleicht, weil niemand einen vollständigen Überblick über das Tun seiner Mitmenschen hat. Vielleicht auch, weil das in den Herzen der Heiden aufgeschriebene Werk des Gesetzes nicht mit den tatsächlich vollbrachten Werken gleichzusetzen ist, sondern auch Gedanken und das Wissen um die zu vollbringenden Werke umfasst. Solche Gedanken und solches Wissen wären verborgen, allerdings nur den Menschen, nicht jedoch Gott.
Gott ist zwar Richter, doch erfolgt das Gericht durch einen Mittler, nämlich Jesus Christus. Erst durch diesen menschlichen Mittler wird die Vorstellung vom Jüngsten Gericht anschaulich. Dem Gewissen selbst kommt keine urteilende Funktion zu. Sofern es bei dem Gericht vor Gott bzw. Jesus Christus als Zeuge auftritt, trägt es „nur“ zu einem angemessenen Gerichtsurteil bei.
Fraglich ist, ob die Formulierung „nach meinem Evangelium“ besagt, dass das endzeitliche Gericht ein wesentlicher Bestandteil des paulinischen Evangeliums ist, oder ob sie den Maßstab angibt, nach dem geurteilt wird (vgl. die parallele Formulierung „kata alêtheian“ = „gemäß [der] / in Wahrheit“). Sollte es sich um den Bewertungsmaßstab handeln, so würde die Bewertung im Lichte des mit Jesus Christus verbundenen Heilsgeschehens, das ja den wesentlichen Inhalt des paulinischen Evangeliums darstellt, erfolgen. Da die Heiden nicht an dieses Heilsgeschehens glauben, hätten sie an dem Heil keinen Anteil, auch wenn sie von Natur aus die Forderungen des Gesetzes tun. Nicht die Werke des Gesetzes nämlich bewirken das Heil, sondern der Glaube an das im Evangelium verkündigte Heilsgeschehen (vgl. Röm 1,17; Gal 3,11).
Wenn Paulus von „seinem Evangelium“ spricht, so bedeutet das, dass er das Evangelium verinnerlicht hat. Außerdem lässt die Formulierung anklingen, dass es die Möglichkeit gibt, dass Prediger ein anderes Evangelium als das paulinische verkündigen. Paulus akzeptiert aber nur seine eigene Verkündigung als (wahres) Evangelium (vgl. Gal 1,6-7).
Weiterführende Literatur: R. Penna 1990, 111-117 untersucht zwei Thesen bezüglich des Abschnitts 1,18-2,29: a) Der Abschnitt gebe die Praxis und den Inhalt der Missionspredigt des Apostels wieder. b) Der Abschnitt nehme jüdische Schemata und Inhalte auf, womit er weder eigentümlich paulinisch noch christlich sei. R. Penna sieht den Inhalt – mit Ausnahme von 2,16b – als nicht spezifisch christlich an. Den christlichen Charakter erhalte dieser erst durch seinen Rahmen und seine Funktion.
Mit dem „Verborgenen der Menschen“ befasst sich G. Theißen 1983, 74-82. Wir könnten auch in Röm 2,12-16 drei Gedankenelemente feststellen, welche die Entdeckung des Unbewussten im Menschen historisch möglich gemacht haben: 1. Gottes Allwissenheit werde vorausgesetzt. An der Fähigkeit des Richters, auch unbewusste Prozesse ans Licht zu bringen, könne nicht gezweifelt werden. 2. Deutlich sei ferner, dass das „Verborgene“ innere Prozesse meint. Die sich anklagenden und verteidigenden Gedanken im Innern des Menschen umkreiste das Verborgene! 3. Die Begrenztheit menschlicher Einsicht in sich selbst werde nicht direkt formuliert, sei aber dem Kontext zu entnehmen.
Literaturübersicht
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Atallah, Ramez; The Objective Witness of Conscience: An Egyptian Parallel to Romans 2:15, EvRT 18/3 (1994), 204-213
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