Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Römerbrief

Brief des Paulus an die Römer

Röm 15,7-13

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Röm 15,7-13



Übersetzung


Röm 15,7-13:7 Darum nehmt einander an, wie auch (der) Christus euch angenommen hat zur Ehre (des) Gottes. 8 Ich sage nämlich: Christus ist zum Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen an die Väter zu erfüllen; 9 die Heiden aber sollen (den) Gott preisen wegen [seiner] Barmherzigkeit, wie geschrieben steht: „Deswegen will ich dich preisend bekennen unter [den] Heiden und deinem Namen lobsingen.“ 10 Und ferner heißt es: „Frohlockt, ihr Heiden, mit seinem Volk.“ 11 Und weiter: „Lobt, alle Heiden, den Herrn, und lobpreisen sollen ihn alle Völker.“ 12 Und Jesaja wiederum sagt: „Es wird kommen der Wurzelspross Isais, und der aufsteht, um über [die] Heiden zu herrschen, auf ihn werden [die] Heiden ihre Hoffnung setzen.“ 13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, auf dass ihr an (der) Hoffnung überreich werdet in [der] Kraft des heiligen Geistes.



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V. 7


Beobachtungen: Paulus wiederholt die Forderung von 14,1, dass sich die Christen gegenseitig annehmen sollen. Die Forderung ist an alle Christen gerichtet, doch geht es auch im Speziellen um die Annahme der Glaubensschwachen. Die Forderung wird mit dem Vorbild Christi begründet, wobei Paulus vermutlich an den stellvertretenden Kreuzestod für die Sünden der Menschen denkt. (vgl. 15,1-6).

In 15,7-13 geht es nun plötzlich nicht mehr um Glaubensschwache und Glaubensstarke, sondern um Juden bzw. Judenchristen und Heiden bzw. Heidenchristen. Dabei bleibt jedoch die Grundforderung die Gleiche: Es soll Eintracht herrschen. Bedeutet das, dass sich als Parteien, die sich über die Mahlzeiten - speziell das Essen von Fleisch - streiten, Judenchristen und Heidenchristen gegenüber stehen? Und - sollte dies der Fall sein - sind die Glaubensschwachen mit den Judenchristen gleichzusetzen und die Glaubensstarken mit den Heidenchristen?


„Christus“ wird im Sinne eines Eigennamens mit einem Artikel gebraucht. Jesus ist also der „Gesalbte“ (griech. christos; hebr. mâschiah = Messias). Die Salbung des Königs im alten Israel bezeichnete seine Bestimmung und Qualifikation und verlieh ihm charismatische Eigenschaften für seinen Dienst. Die Salbung des Priesters dagegen stand in Analogie zur Salbung der Tempelgeräte - die Priester wurden gesalbt zum Zeichen ihrer Aussonderung und lebenslangen Verfügbarkeit als Werkzeug für den Dienst Gottes. Die Salbung eines Propheten schließlich schloss wie bei der Königssalbung die Verleihung charismatischer Gaben ein. Der Begriff „Messias“ meint im AT grundsätzlich eine Person, der besondere Funktionen und Vollmachten übertragen sind. Der Begriff konnte auf jeden angewandt werden, der zu einer besonderen Aufgabe berufen war. Ganz konkret bezieht sich der Begriff aber auch auf den verheißenen Messias, auf den König der Endzeit, von dem man das Heil erwartete. Wenn Paulus also vom „Christus“ (= „Messias“) spricht, so hat er diesen endzeitlichen König im Blick. Das Heil sieht er in dem Heilsgeschehen des stellvertretenden Kreuzestodes Jesu für die Sünden der Menschen und in der Auferstehung verwirklicht.


Die Annahme durch Jesus Christus ist die Voraussetzung dafür, dass der sündige Mensch überhaupt bei dem endzeitlichen Weltgericht vor Gott bzw. Jesus Christus als Richter bestehen kann und als Gerechtfertigter in das ewige Leben eingeht. Wenn die Annahme des Menschen durch Jesus Christus also Gott ehrt, so ist vorausgesetzt, dass Gott ein Gott des Lebens und nicht des Todes ist. Der Gott des Lebens ist bestrebt, den Menschen vor dem Verderben, dem existenziellen Tod, zu retten und dem ewigen Leben zuzuführen.


Weiterführende Literatur: W. A. Meeks 1987, 290-300 legt dar, dass Ausleger häufig den Römerbrief in zwei Teile teilten, in einen theologischen/didaktischen und einen ethischen/paränetischen. W. A. Meeks hält eine solche Zweiteilung für irreführend. Die großen Themen der Kapitel 1-11 würden in den Kapiteln 12-15 entfaltet. Ohne die Erkenntnis, dass es Paulus auf die Verwirklichung der Theologie in den römischen Hausgemeinden ankommt, ließen sich die Funktion und die Bedeutung der theologischen Themen im großen Briefzusammenhang nicht erfassen.


G. Saß 1993, 510-527 liest Röm 15,7-13 als „Summe“ des Römerbriefes. In diesem Abschnitt bündelten sich abschließend nochmals zentrale Themen und Anliegen des Römerbriefes.

Laut M. Müller 1996, 223-234 sei der Briefkorpusabschluss mehr als eine „Summe“ des Römerbriefs. Er sei ein durch die Briefform ermöglichter Zugang zur Texthermeneutik des Römerbriefes. So sei 15,7-13 als Briefkorpusabschluss der epistolographische Ort, an dem die großen Linien des Briefes zusammenlaufen. Der Gedankengang darin sei eine conclusio für das ganze Hauptargument des Römerbriefes.


A. Lindemann 1997, 29-50 befasst sich mit dem paulinischen Kirchenverständnis, wobei er sich auf S. 32-35 Texten widmet, in denen der Apostel das Problem innergemeindlicher Konflikte erörtert. In 14,1-15,13 gehe es um das Miteinander von Menschen, die in ganz wesentlichen Fragen des Glaubens und der Glaubenspraxis unterschiedlicher, ja sogar gegensätzlicher Meinung sind.


K. B. McCruden 2005, 229-244 untersucht, was sich aus den paulinischen Aussagen zu den „Starken“ und „Schwachen“ in 14,1-15,13 an Einblick in den Anlass des Römerbriefes und in die Theologie des Briefes als Gesamtheit gewinnen lässt.


Zur wichtigen Rolle, die 15,7-13 einerseits im Hinblick auf den Anlass und Zweck des Briefes und andererseits im Hinblick auf die Frage der Einheitlichkeit (und somit auch der Geschichte) des Briefes spiele, siehe L. E. Keck 1990, 85-97.


D. M. Davis 2006, 404-418 versucht zu zeigen, wie Paulus die fesselndste Streitfrage bezüglich Andersartigkeit seiner Zeit und seines Ortes in Gang setze, nämlich das Verhältnis zwischen Christentum und Judentum. Fern von einer engen und beschränkten Sicht von Gottes Heilswerk durch Jesus Christus habe Paulus eine überwältigende, wundererfüllte Sichtweise des Werkes Gottes durch Christus.


E. R. Kalin 1998, 461-472 ist der Überzeugung, dass es im Kern des Römerbriefes um ethnische Konflikte gehe und dass Paulus, wenn er das Evangelium darlegt und auf die Schlussfolgerungen für das Leben in Christus zu sprechen kommt, beständig ethnische Unterscheidungen, insbesondere zwischen Jude und Heide sowie Jude und Grieche, im Kopf habe. Die ethnischen Gräben drohten zum Anlass für Stolz und Hochmut auf Kosten Anderer zu werden. Gottes gnädige Unparteilichkeit und Umarmung aller – Juden und Griechen - weise alle zur gleichen Umarmung. E. R. Kalin geht den ethnischen Konflikten nach und fragt nach Möglichkeiten der Überwindung der Gräben, auch innerhalb der christlichen Gemeinde. Die an Luther („Wie finde ich einen gnädigen Gott?“) angelehnte Leitfrage laute: „Wie finde ich eine gnädige Gemeinschaft?“ Ein ethnischer Konflikt werde im Streit um das Halten der jüdischen Speisegebote, evtl. auch der Festtage und insbesondere des Sabbats, deutlich. Dabei versuche Paulus mittels der Ermahnungen sowohl an die Glaubensschwachen als auch an die Glaubensstarken wieder die Einheit beider Gruppen herzustellen.

Als gegen Fremdenfeindschaft gerichtete Aussage versteht K. Haacker 1993, 225-227 den V. 7.


Zur Fundierung der Mahnung des Apostels zu gegenseitiger Annahme der Christen in der erfolgten Annahme durch Christus siehe K. Scholtissek 2000, 208-209.


Die pluralistische Gesellschaft Singapurs hat Y.-H. Tan 2000, 559-581 bei der Beschäftigung mit 14,1-15,13 im Hinterkopf, wobei folgende Fragen im Mittelpunkt stehen: Kann man sich von der christlichen Gesellschaft unterscheiden, ohne von dieser verurteilt zu werden? Ist das Bewahren von Gemeinschaftsbeziehungen wichtiger als alles andere, als Prinzipien und Regeln? Die Beschäftigung mit 14,1-15,13 lege offen, dass Verurteilung durch die Gemeinschaft dazu führt, dass ein Mensch geächtet und an den Rand gedrängt wird, obwohl er zu der Gemeinschaft gehört. Es stelle sich die Frage, woher wir uns das Recht nehmen, ein Gemeindeglied an den Rand zu drängen, wo wir doch letztendlich alle vor Gott rechenschaftspflichtig seien.


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V. 8


Beobachtungen: Die V. 8-9a stellen eine Begründung von V. 7 dar. Dabei wird die Lebensfreundlichkeit Gottes und der Dienst Jesu Christi am Leben deutlich.


Bei der Beschneidung ist wohl weniger an den chirurgischen Vorgang der Beschneidung der Vorhaut des Gliedes an sich als vielmehr an die Beschneidung als Kennzeichen der Juden gedacht. Wenn Paulus also hier von „Beschneidung“ spricht, so denkt er wohl an die Beschnittenen, die Juden (vgl. Röm 2,26; 3,30; Gal 2,7-8).


Christus ist also ein „Diener der Beschnittenen/Juden“ geworden. Es fällt auf, dass Paulus an erster Stelle den Dienst an den Juden und nicht den Dienst an den Heiden nennt. Den Juden kommt also trotz der Einbeziehung der Heiden in das Heil eine besondere Rolle zu. Die Juden, das Volk Israel, sind nämlich weiterhin das Volk, dessen Erzväter von Gott die Verheißungen empfingen. Die Bekräftigung/Erfüllung dieser Verheißungen ist der Zweck des Dienstes Christi.

Unklar ist jedoch, welche Verheißungen Paulus im Blick hat. Verschiedene Verheißungen kommen in Frage, wobei insbesondere an diejenigen zu denken ist, die von Gott an den Erzvater Abraham ergangen sind. Dazu gehören die Segensverheißung (vgl. Gen 12,3; 18,18) und die damit verbundene Verheißung des Geistes (vgl. Gal 3,14). Außerdem dürften die Landverheißung (vgl. Gen 13,15; 17,8), die Verheißung der Fruchtbarkeit Abrahams und seiner Nachkommenschaft und die Verheißung der Bindung JHWHs an Abraham und seine Nachkommenschaft als dessen Gott (vgl. Gen 17,1-9) im Blick sein. Von besonderer Bedeutung sind auch die Verheißungen des neuen Bundes (vgl. Jer 31,31-34), des endzeitlichen Friedensreiches und des heilbringenden Friedenskönigs (Messias; vgl. Jes 7,14; 9,1-6; 11,1-16; 65,16-66,24; Ez 34,23-31; Ez 37; Mi 5,1-5 u. a.). Es handelt sich auf jeden Fall um eine Mehrzahl Verheißungen, wobei sich die Frage stellt, ob an eine Mehrzahl messianischer Verheißungen oder an eine Mehrzahl verschiedenartiger, auch nichtmessianischer Verheißungen gedacht ist. Auch ist unklar, inwieweit auch das Heil der Heiden, der Nichtjuden, in den Blick kommt, wenn Paulus hier von „Verheißungen“ spricht. Grundsätzlich ist anzumerken, dass Paulus von den Verheißungen, die an die „Väter Israels“ ergingen, auch ohne jeglichen Bezug auf die Heiden spricht (vgl. Röm 9,4 und auch 3,2, wo Paulus allerdings den Begriff „logia“ statt „epangelia“ benutzt). Deshalb ist ein solcher Bezug nicht zwingend anzunehmen. Ein großer Teil der Verheißungen beinhaltet aber auch das Heil der Heiden oder kann konkret auf Jesus Christus hin gedeutet werden. Dazu gehören insbesondere die Segensverheißung, die besagt, dass Abraham zum Segen aller Völker wird, die Verheißung des neuen Bundes und die Verheißungen des endzeitlichen Friedensreiches und des heilbringenden Friedenskönigs.


Das Verb „bebaioô“ kann - auch in V. 8 - mit „bekräftigen“ oder „erfüllen“ übersetzt werden. Bekräftigen ist nicht mit Erfüllen gleichzusetzen, denn die Bekräftigung versichert nur die Erfüllung, die noch nicht - zumindest nicht in Gänze - eingetreten ist. Angesichts der Tatsache, dass Paulus die Aussagen der hebräischen Bibel (= AT) auf Jesus Christus bezieht und als Belehrung für sich und seine Zeitgenossen versteht (vgl. im Zusammenhang des Abschnittes Röm 15,7-13 insbesondere 15,3-4), ist wahrscheinlich, dass Paulus in 15,8 an die Erfüllung der Verheißungen an die „Väter“ denkt: Jesus bekräftigt nicht nur das Kommen des Messias’, sondern er ist selbst der Messias und erfüllt damit die messianischen Verheißungen. Jesus selbst ist auch der Grund für die Ausweitung des Heils auf die Heiden, womit auch die Segensverheißung und die Verheißung des neuen Bundes erfüllt und nicht nur bekräftigt wird. Paulus verbindet das Heil untrennbar mit dem Messias (= Christus) Jesus. Das gilt auch im Hinblick auf das Heil des Volkes Israel (vgl. Röm 9-11). Ganz unabhängig von dieser Bindung bleibt aber als Tatsache bestehen, dass an die „Väter“ des Volkes Israel die Verheißungen ergangen sind und dem Volk Israel damit eine besondere Stellung zukommt. Jesus Christus hat zwar einen großen Teil der Verheißungen erfüllt, doch sind damit nicht alle Verheißungen erledigt.


Die griechische Formulierung „alêtheia theou“ ist hier wohl als „Wahrhaftigkeit Gottes“ (statt „Wahrheit Gottes“) zu verstehen. Wahrhaftig ist Gott insofern, als seine Verheißungen nicht einfach nur daher gesagt sind, sondern tatsächlich zur Erfüllung kommen.


Weiterführende Literatur: Mit der paulinischen Theologie im Kontext der heiligen Schriften Israels befasst sich H. Frankemölle 2002, 332-357, der auf S. 351-353 auf Röm 9,4 eingeht. Er vertritt die These, dass Paulus keine „biblische“ Hermeneutik und auch keine reflektierte Tora-Hermeneutik – Tora verstanden als die für Paulus heiligen Schriften Israels, die weit über den Pentateuch hinausgingen – entwerfe. Paulus lege die heiligen Schriften nicht aus, sondern rezipiere sie selektiv und aktualisiere die ausgewählten Konzeptionen in seiner adressatenorientierten Theologie. Zu Röm 15,8: Nehme man Paulus an dieser und anderen Stellen beim Wort, dann interpretiere er die an ihn ergangene Offenbarung des Handelns Gottes in Jesus Christus auch für die Nichtjuden im Horizont und auf der Basis der von ihm rezipierten heiligen Schriften Israels.


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V. 9


Beobachtungen: Die Heiden werden erst nach den Juden als Heilsempfänger genannt, weil sie nicht vorrangige Heilsempfänger sind. Den „Vätern“ ihrer Völker sind keine heilsrelevanten Verheißungen zugesagt worden. Aber auch sie haben wegen der Barmherzigkeit Gottes - von dessen Barmherzigkeit dürfte hier die Rede sein - einen Grund diesen zu preisen.

Unklar ist, wie V. 9 syntaktisch an V. 8 anschließt: Ist V. 9a direkt vom V. 8 einleitenden „legô“ („ich sage“) abhängig und die Partikel „de“ als gegensätzlich zu verstehen? V. 8 wäre dann eine Aussage über den Zweck des Dienstes Christi, der nur die „Beschneidung“ betrifft, V. 9a dagegen eine Aufforderung an die Heiden zum Gotteslob. Für eine solche Deutung spricht in erster Linie der Subjektwechsel (V. 8: Christus, V. 9a: Heiden). Es ist aber auch möglich, V. 9a in direkter Folge der mittels des „eis to“ („um zu“) eingeleiteten Infinitivkonstruktion zu lesen, denn wie V. 8b ist auch V. 9a eine Infinitivkonstruktion. Dann wäre auch der Lobpreis Gottes seitens der Heiden als Zweck des Dienstes Christi an der „Beschneidung“ anzusehen. Für welche Deutung man sich auch entscheidet, so ist in jedem Fall zu bedenken, dass das Heil der Heiden nicht ohne Christus vorstellbar ist. Der Dienst Christi ist also nicht nur für die Juden heilsrelevant, sondern auch für die Heiden. Dieser Gedanke geht deutlicher aus der zweiten Deutung des syntaktischen Satzanschlusses hervor, ist aber auch in der ersten Deutung enthalten.


Die „Barmherzigkeit“, die für die Heiden in erster Linie relevant ist, ist das mit Jesus Christus verbundene Heilsgeschehen. Ohne den stellvertretenden Kreuzestod und die Auferstehung Christi hätten die Heiden kein Heil zu erwarten. Nun stellt sich die Frage, ob nur diese „Barmherzigkeit“ im Blick ist, oder ob die „Barmherzigkeit“ nicht auch das gesamte Heilshandeln Gottes an seinem Volk Israel meint. Letzteres würde sämtliche Verheißungen einschließen, die ja nicht alle auf Jesus Christus zu beziehen sind.


V. 9b leitet eine Reihe von gekennzeichneten Zitaten ein, die alle von Lobpreis, Freude und Hoffnung angesichts des zugesagten Heils sprechen. Meist bleibt offen, woher die Zitate genommen sind. Das gilt auch für das erste Zitat, von dem es nur heißt, dass es geschrieben steht. Die Formulierung „wie geschrieben steht“ verweist auf ein Zitat aus der hebräischen Bibel (= AT), die für Paulus - die griechische Bibel (= NT) existiert ja noch nicht - die Bibel schlechthin ist. Zitiert ist wörtlich Ps 17,50LXX (= 18,50; 2 Sam 22,50), wobei nur die Anrede „Herr“ („kyrie“) fortgelassen wurde.


Das Verb „exomologeomai“ kann sowohl „bekennen“ als auch „loben/preisen“ bedeuten. Beide Aspekte gehen aus der Übersetzung „preisend bekennen“ hervor.


Das Verb „psallô“, hier mit „lobsingen“ übersetzt, beinhaltet genau genommen wohl nicht nur den Lobgesang, sondern auch das begleitende Spiel eines Saiteninstrumentes. Insofern kann es auch „die Saiten anschlagen“ bedeuten.


Die futurischen Verbformen können im Sinne der Ankündigung zukünftigen Handelns („ich werde preisend bekennen“, „ich werde lobsingen“), aber auch im Sinne einer Absichtserklärung („ich will preisend bekennen“, „ich will lobsingen“) verstanden werden. Das zukünftige Verhalten entspricht der schon gegenwärtigen Gesinnung, weshalb das preisende Bekenntnis und der Lobgesang nicht nur für die Zukunft vorhergesagt sind, sondern auch gegenwärtig schon erfolgen.


Der Lobpreis erfolgt im ursprünglichen Zusammenhang des Zitates als Dank für die göttliche Hilfe, die dem davidischer Linie entstammenden König den militärischen Sieg über seine Feinde beschert hat. In Röm 15,9 erfolgt der Lobpreis aufgrund der „Barmherzigkeit“, die Gott an den Heiden(christen) erwiesen hat. Weil der Lobpreis von einem Heidenchristen stammt, dürften das preisende Bekenntnis und der Lobpreis eine Antwort auf das mit Jesus Christus verbundene Heilsgeschehen sein.


Weiterführende Literatur: J. R. Wagner 1997, 473-485 hält für fraglich, wie sich V. 9a zu V. 8 verhält und unterzieht daher V. 8-9a einer eingehenden syntaktischen Analyse. Er geht auf verschiedene Thesen ein und macht bezüglich seiner eigenen These deutlich, dass diese am besten die sorgsam ausgewogene Syntax der beiden Verse berücksichtige. Er versteht „ton Christon“ als Subjekt („[der] Christus“) und „ta ethnê“ als Akkusativ der Beziehung („im Hinblick auf die Heiden“, der den Verbalsatz „diakonon gegenêsthai“ („ist zum Diener geworden“) modifiziere; er stelle eine Parallele zum Genitiv „peritomês“ („der Beschneidung“) dar. Die von J. R. Wagner vorgeschlagene Übersetzung von V. 8-9a lautet: „For I say that the Christ has become a servant of the circumcision on behalf of the truthfulness of God, in order to confirm the promises made to the patriarchs, and [a servant] with respect to the Gentiles on behalf of the mercy [of God] in order to glorify God.” N. Baumert 2000, 5-10 setzt sich eingehend mit dem Artikel von J. R. Wagner auseinander und führt diesen weiter. Seiner Meinung nach sei bei dem etwas abgesetzten und auf zwei verschiedene Kasus bezogenen „diakonon gegenêsthai“ daran zu denken, dass Christus Gottes Diener geworden ist, was J. R. Wagner selbst sage, aber nicht konsequent durchhalte, da Christus seiner Ansicht nach ja Diener Gottes hinsichtlich der Völker sei, nicht nur hinsichtlich der Treue Gottes. Laut N. Baumert habe „Diener Gottes“ zwei Richtungen: Christus sei Diener für das Handeln Gottes an den Menschen, aber auch für die Antwort der ganzen Menschheit an Gott, also sowohl Diener in seinem Namen als auch Diener vor ihm.


Folgende fünf Untersuchungsergebnisse dienen laut J. Lambrecht 2000, 257-261 dem besseren Verständnis des schwierigen V. 9a: a) bezüglich V. 9a und V. 8b liege kein strenger Parallelismus vor; b) Paulus schreibe in einem elliptischen Stil; c) die Formulierung „wegen Barmherzigkeit“ betreffend sei eine Bedeutungsverschiebung festzustellen; d) die Betonung liege auf dem Lobpreis Gottes; e) V. 8a habe eine einräumende Nuance.


A. B. du Toit 1993, 69-77 analysiert das kirchliche Loben Gottes. Er merkt an, dass besonders 1,18-32 als negatives Korrelat zu 15,1-13 funktioniere: Im ersten Abschnitt werde Gott der Lobpreis verweigert, im zweiten werde er ihm erwiesen.


F. S. Malan 1998, 509-524 legt dar, dass Paulus römische, griechische und jüdische Musiktraditionen benutze, um die Gemeinde in Rom zum gemeinsamen Gotteslob zu ermutigen. Wenn Paulus in griechischer Sprache an eine aus Römern, Griechen und Juden(christen) bestehende Gemeinde schreibe, dann tue er dies offensichtlich, weil er erwarte, dass die Adressaten zusammen in der lingua franca singen, um ihren Glauben an unseren gemeinsamen „Herrn“, Jesus Christus, auszudrücken.


Der Bedeutung der Formulierung „hyper eleous“ („wegen [seiner] Barmherzigkeit“) geht E. Engelbrecht 1986, 134-150 nach. Ergebnis: Die Formulierung habe ihren Ort im Rahmen des Gedankens, dass Christi Annahme der Gemeinde durch Gottes Treue Israel gegenüber und durch seine Gnade den Heiden gegenüber koordiniert werde. Diese Gnade Gottes sei ein neuer und überraschender Akt Gottes, aber weil diese Gnade Gottes Christi Annahme der Heiden sei, sei sie auf Gottes Treue Israel gegenüber bezogen, welche sich in Christi Bekräftigung der den Erzvätern gegebenen Verheißungen bekunde. Dies habe Folgen für das Verhältnis zwischen der Kirche und den Juden.


B. Schaller 2006, 261-285 konzentriert sich auf die Kette der von Paulus angeführten Schriftzitate, fragt nach ihren exegetischen Prämissen und Implikationen und sucht von daher ihre hermeneutische Funktion im Rahmen des näheren und weiteren Kontextes zu ermitteln.


L. E. Keck 1990, 93 geht davon aus, dass Paulus mit dem „Ich“ im Zitat V. 9b nicht sich selbst meine. Vielmehr kämen die drei in V. 9-11 enthaltenen Zitate aus einer Paulus bereits vorliegenden Quelle, die den präexistenten Christus den Zweck seiner bevorstehenden Fleischwerdung bekanntmachen ließen. Auch R. B. Hays 1993, 122-136 sieht eine vorpaulinische Quelle den V. 9-11 zugrunde liegen, doch stimmt er der These von L. E. Keck bezüglich des zweiten und dritten Zitates nicht zu. Außerdem sei das erste Zitat zwar als Äußerung Christi zu verstehen, aber nicht als Äußerung des präexistenten Christus. L. E. Keck habe aus Sicht von R. B. Hays insoweit Recht, dass der Schwerpunkt des Interesses des Apostels nicht auf dem „Ich“ liege, sondern auf der Grundaussage des Ganzen: Durch Christus loben auch die Heiden Gott. Zweifel seien jedoch bezüglich der Aussage angebracht, dass Paulus das Christusereignis deute, indem er die messianischen/davidischen Dimensionen in einen weiteren, auf der Bedeutung der Auferstehung basierenden Zusammenhang eingliedert. Vielmehr sei es umgekehrt: Die Auferstehung werde gedeutet, indem sie in den von der messianischen/davidischen Tradition vorgegebenen hermeneutischen Rahmen eingegliedert wird.


Gemäß A. Ruck-Schröder 1999, 90-91 wolle die Zitatenkette in V. 9-12 das gemeinsame Lob Gottes durch das Volk Israel und die Völker herausstellen.


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V. 10


Beobachtungen: Auch bezüglich des Zitats in V. 10 macht Paulus keine Herkunftsangabe. Paulus schreibt nur allgemein „kai palin legei“, was mit „und weiter/ferner heißt es“ oder mit „ferner sagt sie“ übersetzt werden kann. Letztere Übersetzung lässt die hebräische Bibel, die Schrift, als Person erscheinen, die sprechen kann.


Das Zitat ist Dtn 32,42LXX, also dem „Lied des Mose“ entnommen. Es handelt sich um die Aufforderung an die Heidenvölker, mit dem Volk Israel zu frohlocken. Deutlich wird, dass zunächst einmal das Volk Israel Grund zum Frohlocken hat; die Heidenvölker sollen sich dem Frohlocken anschließen. Im ursprünglichen Zusammenhang hat das Zitat einen gänzlich pro-israelitischen Sinn: Der Gott Israels wird Rache an seinen Gegnern und Bedrängern seines Volkes nehmen und sein Land und Volk entsündigen. Die Heiden erscheinen also als Feinde des Gottesvolkes, die die Rache zu erwarten haben. Paulus ist an dieser Darstellung der Heiden nicht interessiert. Seine Absicht ist es zu betonen, dass auch die Heiden, die sich zum Glauben an Jesus Christus bekehren, Anteil am Heil haben, das eigentlich nur dem Volk Israel zugesagt ist. Daher zitiert Paulus nur die Aufforderung an die Heiden(christen), mit dem Gottesvolk Israel zu frohlocken.


Weiterführende Literatur:


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V. 11


Beobachtungen: Paulus führt ein drittes Zitat an und wiederum gibt er nicht die Quelle des Zitates an. Die lapidare Einführung „und weiter“ lässt darauf schließen, dass es sich wiederum um ein Zitat aus der hebräischen Bibel handelt. Zitiert ist bei kleineren Umstellungen und Abweichungen im Wortlaut Ps 116,1LXX (= 117,1). Die wesentliche Aussage des Zitates entspricht jedoch derjenigen seiner Quelle: Alle Völker der Erde werden zum Gotteslob aufgefordert. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Juden oder Nichtjuden handelt. Nicht Unterscheidungen sind von Bedeutung, sondern es kommt auf die Eintracht des Gotteslobes an.


Weiterführende Literatur:


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V. 12


Beobachtungen: Das vierte und letzte Zitat ist das einzige, dessen Quelle angegeben wird: Es handelt sich um ein Zitat aus Jesaja, wobei die Einleitung des Zitats Jesaja persönlich sprechen lässt. Weil es sich im Rahmen der Zitatkette um das erste Jesajazitat handelt, ist die Einleitung „kai palin Êsaias legei“ nicht mit „und wiederum sagt Jesaja“, sondern mit „und Jesaja wiederum sagt“ zu übersetzen. Im Gegensatz zu ersterer Übersetzung lässt die letztere nicht annehmen, dass Jesaja schon vorher gesprochen hat. Es wird nur deutlich, dass auch Jesaja eine Aussage macht, die als Beleg für die Aussagen des Apostels relevant ist und daher nun angeführt wird. Zitiert wird die messianische Aussage aus Jes 11,10LXX, die Paulus auf Jesus Christus bezieht. Dabei lässt Paulus die einleitende Zeitangabe „an jenem Tag“ („en tê hêmera ekeinê“) weg.


Der verheißene Messias wird ein „Wurzelspross Isais“ sein. Isai ist ein Bethlehemiter aus dem Stamm Juda. Da er Vater Davids ist, stammt der verheißene Messias aus der davidischen Linie.

Der Begriff „rhiza“ („Wurzel“, „Wurzelspross“) spielt insbesondere in Röm 11,17-24, dem „Ölbaumgleichnis“, eine herausragende Rolle. Dort ist die Wurzel mit dem Heilsgedanken verbunden: Wer Anteil an der Wurzel und ihrem „Fett“ hat, hat auch am Heil Anteil. In Röm 15,12 dürfte der Begriff jedoch nicht die Wurzel selbst meinen, sondern einen Spross, der der Wurzel entspringt. Mit diesem Spross ist ebenso wie mit der Wurzel Heil verbunden.


Das Verb „anistêmi“ ist mehrdeutig und enthält verschiedene Aspekte, die bei der Auslegung von Bedeutung sind. Zunächst einmal bedeutet es „aufstehen“. Dieses Aufstehen stellt eine Handlung dar, die einen bestimmten Zweck verfolgt. Hier ist der Zweck der Handlung das Herrschen. Das Herrschen erfolgt von oben, weshalb sich der Herrscher erheben muss. Das Verb „anistêmi“ kann aber auch „auferstehen“ bedeuten. Mit Blick auf Röm 15,12 heißt das, dass für das Herrschen die Auferstehung von den Toten Voraussetzung ist. Diese Auferstehung von den Toten, die nur durch die Auferstehung des „Wurzelsprosses Isais“ - Paulus hat sicherlich Jesus Christus im Blick - ermöglicht wird, ist ein wesentlicher Bestandteil des Heils. Weil das mit dem „Wurzelspross Isais“ verbundene Heilsgeschehen Voraussetzung für das Heil der Menschen ist, hoffen diese auf ihn. Im Zitat erscheinen konkret die Heiden als Hoffende, denn sie haben keine „Väter“, denen Verheißungen zugesprochen wurden. Sie gehören nicht zum Gottesvolk Israel und können nur darauf setzen, durch den „Wurzelspross Isais“, der für ihre Sünden gestorben, dann aber von den Toten auferstanden ist, in das Heil einbezogen zu werden.


Die Rede vom Herrschen und Hoffen basiert auf der Septuaginta (LXX), einer für Paulus maßgeblichen griechischen Übersetzung des hebräischen Bibeltextes. Im hebräischen (masoretischen) Text taucht der Begriff „nes“ auf, der ein Feldzeichen oder Banner (Panier) bezeichnet. Demnach ist der „Wurzelspross Isais“ also ein Feldzeichen oder Banner, und zwar für die Völker. Das Feldzeichen oder Banner dient der Orientierung und der Versammlung. Wenn in der Septuaginta vom Herrschen die Rede ist, stellt sich die Frage, ob der Übersetzer absichtlich oder unabsichtlich die Begriffe „nes“ („Feldzeichen“, „Banner“) und „nasi’“ („Fürst“) vertauscht hat.

Wenn die Septuaginta - und damit auch Paulus - vom Hoffen spricht, so stellt dies eine besondere Akzentuierung des Fragens oder Suchens, von dem im hebräischen (masoretischen) Text die Rede ist, dar. Die Betonung der Aussage liegt nun auf der Heilshoffnung, die für die Heiden(christen) allein in dem „Wurzelspross Isais“, Jesus Christus, begründet liegt.


Es fällt auf, dass Paulus aus allen drei Bestandteilen der hebräischen Bibel zitiert: Tora (Dtn 32,43), Propheten (Jes 11,10), sonstige Schriften (Ps 18,50; 118,1). Die Richtigkeit seiner Aussagen wird demnach von der kompletten Bibel bezeugt.


Weiterführende Literatur: A. K. Grieb 1993, 71-88 vertritt die Ansicht, dass - was Paulus und seine ersten Leser auch immer an Sprüchen und anderen Jesus-Traditionen gekannt haben mögen - zumindest im Römerbrief derjenige „Jesus“, dessen Geschichte mittels Schriftzitaten und –erzählungen erzählt werde, die wichtigste Verbindung zwischen (dem historischen) Jesus und Paulus sei. Es sei dieser „Jesus“, dessen Herrschaft über Paulus und die-jüdisch-heidnischen Gemeinden der Endzeit angenommen und gefeiert werde. Zusätzlich zum Gebrauch der existierenden Erzählungen der Schrift zur Vervollständigung der Darstellung Jesu als Messias Israels, hätten Paulus und seine Leser eine erweiterte Erzählung von Jesus Christus gekannt, die viel mehr als die kurze Spanne des irdischen Lebens Jesu umfasst habe. Der „historische Jesus“ werde von der Präexistenz von Gottes Sohn und der Postexistenz des Auferstandenen umrahmt. Von diesen Ausführungen ausgehend befasst sich A. K. Grieb mit 15,7-13.


B. Frid 1983, 237-241 setzt sich kritisch mit der Einheitsübersetzung und der neuen schwedischen Übersetzung von V. 12 auseinander, deren Übersetzungen „Kommen wird der Spross aus der Wurzel Isais; er wird sich erheben, um über die Heiden zu herrschen; auf ihn werden die Heiden hoffen“ bzw. „Er, der von Isais Wurzel ist, wird kommen, er, der sich erhebt, um über die Heiden zu herrschen; auf ihn werden die Heiden hoffen“ lauten. Gemäß B. Frid habe Röm 15,12 keinen wesentlich anderen Inhalt als Jes 11,10 und kaum den der Übersetzung „Isais Wurzel wird kommen“. Es sei demnach am einfachsten, estai (es wird sein), mit oder ohne vorangehendes kai (und), als einen ganzen Satz aufzufassen. Röm 15,12 sollte folglich ungefähr so übersetzt werden: „Es wird sein, (dass) Isais Wurzel, (gerade) er, der aufsteht, um die Heiden zu führen, auf ihn werden die Heiden hoffen.“ Oder, in Aufnahme der Intention des Paulus etwas freier: „Die Heiden werden auf Isais Wurzel hoffen, auf ihn, der aufsteht, um die Heiden zu führen.“


Laut G. Nebe 1983, 164-165 drücke das Futur „elpiousin“ („sie werden ihre Hoffnung setzen“) zum einen eine Zeitstufe aus, das Futur. Zum anderen handele es sich um ein atl. Zitat aus Jes 11,10, so dass dabei in atl. Bahnen eine „Hoffnung“ in der eschatologischen Heilszeit in den Blick komme. Das Zitat folge der Septuaginta. Die hebräische Vorlage dagegen bringe keine Vokabeln der Hoffnung.


S. Hafemann 2000, 161-192 nimmt die These als Ausgangspunkt, dass Paulus‘ Beweisführung in Röm 15,1-3 samt dem doxologischen Fokus von der zitierten Schriftstelle bestimmt sei, gedeutet innerhalb des eigenen kanonischen Zusammenhangs. Die Kombination und Folge der Schriftzitate in 15,9-12 sei weniger im Lichte christologischer und ekklesiologischer Neuinterpretation zu verstehen als vielmehr als Umriss paulinischer Eschatologie, wonach die zukünftige Erlösung Israels und das Gericht über die Völker der Inhalt der kirchlichen Hoffnung und die Begründung ihrer Ethik gegenseitiger Annahme seien.


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V. 13


Beobachtungen: In Röm 15,4 heißt es: „Denn was im Voraus geschrieben wurde, wurde zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch die Geduld und durch den Trost der Schriften (die) Hoffnung haben.“ Die Aussagen der hebräischen Bibel (= AT) sollen demnach Hoffnung bewirken, wobei die Hoffnung auf Jesus Christus gründet. Jesus Christus ist der Sohn Gottes und kommt von Gott. Und weil zudem das mit Jesus Christus verbundene Heilsgeschehen dem Plan Gottes entspricht, kann man sagen, dass die Hoffnung in Gott ihre Quelle hat. In diesem Sinne ist wohl der Genitiv „Gott der Hoffnung“ zu verstehen. Das Stichwort „Hoffnung“ knüpft an das Verb „hoffen“ aus dem Zitat Jes 11,10LXX an.


Die Hoffnung setzt den Glauben an Jesus Christus voraus. Wer nicht glaubt, dass Jesus der verheißene Messias (= Christus) ist und dass Kreuzesgeschehen und Auferstehung heilsrelevant sind, hat keinen Grund für Hoffnung. Wer jedoch glaubt und Hoffnung hat, bietet die notwendigen Voraussetzungen dafür, dass er von Freude und Friede erfüllt wird. Freude und Friede sind nicht als ein rein psychischer Zustand zu verstehen, der im Menschen entsteht und von dessen Wesen abhängt, sondern werden dem Menschen von Gott eingegeben. Die Eingabe ist jedoch kein Automatismus, wie der Gebetswunsch zeigt. Im Gebetswunsch wird ausgedrückt, was geschehen soll, jedoch noch nicht - oder zumindest nicht in vollem Maße - geschehen ist.


Es geht nicht nur um ein bestimmtes Maß Hoffnung, sondern um vollständige Hoffnung, wie der Infinitiv „perisseuein“ („überfließen“, „überreich werden“) zeigt. Im Bild eines Gefäßes gesprochen bedeutet das: Der Mensch soll bis zum obersten Rand mit Hoffnung gefüllt sein. Wenn die Hoffnung wie eine Flüssigkeit überfließt, dann bedeutet das, dass ein Mehr an Hoffnung nicht möglich ist.


Die Erfüllung mit Hoffnung ist ein Geschehen, das nicht nur auf Gott, sondern auch auf die Kraft des Geistes zurückgeht. Wenn der Geist hier ausdrücklich als „heiliger Geist“ bezeichnet wird, so wird betont, dass es sich um einen Geist handelt, der in einer nicht weiter konkretisierten Form mit dem Heiligen, Gott, verbunden ist. Er hat Kraft/Macht, kann also etwas bewirken.

Die Präposition „en“ kann hier eine lokale Bedeutung haben, aber auch eine instrumentale. In ersterem Fall wird der Macht- und Wirkbereich angegeben, in dem etwas geschieht - hier der Macht- und Wirkbereich des heiligen Geistes -, in letzterem Fall die Wirkmacht, durch die etwas geschieht. In diesem Fall ist der heilige Geist die Wirkmacht.


Weiterführende Literatur: P. J. Gräbe 2000, 189-201 ordnet V. 13 in den Gesamtzusammenhang des Römerbriefes ein, analysiert die Rede 15,1-13 und legt den Abschnitt aus. Das Gebet V. 13 lasse Hoffnung, Freude und Friede als Gaben Gottes erscheinen. Die Tatsache, dass der Gebetswunsch den Abschnitt über christliches Verhalten abschließt, stelle die Bedeutung von Hoffnung, Freude und Friede als wesentliche Tugenden christlichen Lebens heraus.



Literaturübersicht


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